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Die Sache mit den Twists, oder: Es geht nie nach Plan

 
 
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Grim
Eselsohr


Beiträge: 280



Beitrag13.12.2022 17:19
Die Sache mit den Twists, oder: Es geht nie nach Plan
von Grim
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Hallo zusammen,

mir fällt in letzter Zeit auf, dass praktisch alle Szenen, die ich so lese, immer Twist enthalten. Das geht soweit, dass ich sie regelrecht erwarte, und nichts ernstnehmen kann, dass vor dem zweiten Twist passiert. Spielt ja eh keine Rolle. Ein Beispiel: Diebesgruppe will in Villa einbrechen und legt sich eine Plan zurecht. Ohne eine Seite zu lesen weiß ich jetzt schon: Der Plan geht nicht auf.

In Kampfszenen bei Fantasy fällt es mir besonders auf und da bin ich auch 100% mitschuldig. Prota geht mit einem Plan rein, läuft erst gut, dann geht etwas schief. Anta dominiert, Prota in der Enge. Prota greift überraschend in die Trickkiste. Erst ab da beginnt die richtige Entscheidung, wer jetzt gewinnt.

Wie geht ihr mit dieser Berechenbarkeit um? Schreibt ihr absichtlich ein paar Szenen, die keine Twists beinhalten, also in denen alles abläuft wie geplant?


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bonk
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Michel
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Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
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Beitrag13.12.2022 17:38

von Michel
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Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht. Eine Alternative fiele mir hier aber nicht ein. Sollen die Abenteurer ganz ohne Plan in eine Villa einbrechen? Handelt der Protag vor einem Kampf so impulsiv, dass Planung nicht mehr trägt? Das fände ich beim Lesen störend.
In der Realität läuft es ja auch nicht immer nach dem Plan der Mächtigen, siehe aktuelle Kriegsereignisse. Dieses Chaos-Element findet sich dann eben auch im Manuskript wieder.

In meinen Büchern versuchen die Protagonisten, strategische Züge über ein Brettspiel zu planen. Einer von ihnen erwähnt im dritten Band selbst genau dieses Phänomen: Ich mache einen Zug, der Gegner macht einen Zug - und schon muss ich neu planen.


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Seit 27. April im Handel: "Rond", der dritte Band der Flüchtlings-Chroniken
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Flar
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Beitrag13.12.2022 20:37

von Flar
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Hallo Grim, das „Problem“ ist: Je mehr du vom Schreibhandwerk weißt, je mehr fällt dir sowas auf. Oder anders gesagt: Mit dem (zunehmenden) Wissen kann man nie mehr so Bücher lesen, „wie früher“. Geht mir auch so … Smile

Ich plane grob, die Szenen des nächsten Schreibtages am Tag davor. Mit wenigen Stichpunkten. Ob Twist oder nicht, entscheide ich erst dann. Immer einen Twist? Eher nicht, muss ja auch mal was geben, was wie geplant läuft. Die Leser/Leserinnen will ich ja nicht permanent verwirren … Smile

Wenn es zur Gesamthandlung passt, voranbringt und auch den Lesern gefallen könnte, warum nicht einen Twist?
Nur halt nicht um jeden Preis.
Soweit erst mal meine subjektive Antwort.


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"Leute fragen mich, warum ich so grausame Sachen schreibe. Ich erkläre ihnen dann gerne, dass ich das Herz eines kleinen Jungen habe… und es in einem Einmachglas auf meinem Schreibtisch steht."

(King of Horror Stephen King)
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Mogmeier
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Moderator
Alter: 50
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Beitrag13.12.2022 21:51

von Mogmeier
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Hallo Grim,

dein Beispiel mit dem Zweikampf (Prota vs. Anta) ist bezüglich Twist eigentlich eher ein Anti-Beispiel, denn was gibt es dabei schon großartig Unerwartetes. Eigentlich gibt es nur vier Möglichkeiten, wie so ein Kampf enden könnte …

• Prota siegt, Anta verliert
• Anta siegt, Prota verliert
• beide fallen sich urplötzlich in die Arme, werden Freunde oder von mir aus auch Freundinnen = unentschieden
• beide finden dabei den Tod = unentschieden

Dabei nützt auch die Taktik nichts, die Handlung bis dahin so zu gestalten, das der Ausgang des Kampfes vermeintlich vorhersehbar sei und es dann plötzlich ganz anders kommt, soll heißen, das wäre dann noch lange kein Twist, weil es eben nur die bereits genannten vier Möglichkeiten gibt, sprich, keinerlei Überraschung in der Hinsicht.

Und nein, wir reden hierbei auch gar nicht über ‹Deus ex machina›, weil zu billig und amateurhaft.

So ein Twist ist an sich nichts anderes als eine „Umgestaltung“ der bisher zur Geltung gebrachten Betrachtungsweise oder vielmehr auch der Gegebenheiten, die unter eine bestimmte Betrachtungsweise fielen (Betrachtungsweise bitte nicht verwechseln mit Erzählperspektive). Man sollte dabei den Punkt erwischen, bis zu dem man schön gradlinig fahren kann (schreiben kann) und dann volle Breitseite geben. Die Schwierigkeit hierbei ist (die genau genommen keine Schwierigkeit ist), es bedarf gewisser Vorbereitungen, damit es am Ende eben nicht nach Deus ex machina stinkt.


Falls du ein Beispiel für gleich mehrere wirklich gelungene Twists benötigst, kann ich dir ‹Kind 44› von Tom Rob Smith empfehlen. smile Der mit Abstand beste Twist daraus, findet sich in einem Satz, der gerade mal aus drei Wörtern besteht und den der Hauptprotagonist bei seinem Verhör sagt.

Viel Grüße
Mog

EDIT:
Es gibt bzgl. Anta vs. Prota noch eine weitere Möglichkeit:
Der Kampf wird vorzeitig unterbrochen durch meinetwegen höhere Gewalt oder so ähnlich. Aber auch das sei nicht besonders überraschend, sondern eher besorgniserregend. Stichwort ‹Deus ex machina›, da haben wir es wieder. hmm


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Laotse
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Caliban
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Beitrag13.12.2022 22:14

von Caliban
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Meine bescheidene Meinung: Richtige Twists gehören ans Ende der Akte. Ans Ende der Szenen allenfalls Cliffhanger.
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Willebroer
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Beiträge: 5449
Wohnort: OWL


Beitrag13.12.2022 23:43

von Willebroer
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Es gibt eine Reihe billiger Tricks, die offenbar immer wieder erfolgreich sind, sonst wären sie nicht so beliebt.

Mich nerven solche Twists, wenn sie aufgesetzt wirken. Besonders fällt mir das nicht in Büchern auf, sondern in TV-Serien, wo immer noch schnell irgendwas passieren muß, damit es nicht zu glatt geht. Genauso einfallslos ist meist die Auflösung und alles geht doch noch gut aus.

Aber es sind nicht diese Tricks an sich, die mich stören, sondern wenn sie zu fremd wirken und eigentlich gar nichts mit der Handlung zu tun haben. Man könnte sie nach Belieben überall einbauen.

Um es positiv zu sehen: Der Twist ist ein legitimes Mittel - wie andere auch - und kann sehr nützlich sein, vor allem wenn man es wörtlich nimmt: Mal kurz innehalten und sich in alle Richtungen drehen, um zu entscheiden, wohin es weitergeht.

Die kleinen Nickeligkeiten, Stolpersteine und sonstigen "Murphys", die einen immer wieder aufhalten oder gar bedrohen, sind übrigens noch kein Twist, weil sie nicht grundsätzlich die Richtung ändern. Aber nerven können sie trotzdem - gerade deswegen.
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Araragi
Geschlecht:männlichDrama-Capra

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Beitrag14.12.2022 00:32

von Araragi
Antworten mit Zitat

Bezüglich der Kampfszene sollte die Frage sein, wie schaffe ich es, dass es nicht so aussieht als würde der Prota in die Trickkiste greifen? Ich bevorzuge eine gewisse Klarheit darüber zu haben, was der Prota bereits für Fähigkeiten gelernt hat. Das sollte bereits klar sein, bevor der Kampf überhaupt stattfindet. Und das bedeutet auch Exposition, nicht gerade der Knüller für manche Zeitgenossen und -genossinnen, aber besser als den Leser durch eine haarsträubende Handlung des Protas mitten im Kampf an den Rand des Wahnsinns zu treiben.

Twists im Allgemeinen halte ich für ein gutes Stilmittel, aber ich würde höchstens zwei oder drei in eine Geschichte einbauen. Auf keinen Fall sollten Twists dazu dienen, die Spannung der Geschichte aufrecht zu erhalten. Wirklich gelungen finde ich sie nur, wenn sie den Lauf der Geschichte dramatisch verändern. Der klassische Verrat, wäre zum Beispiel so ein Twist.


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Stefanie
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Beiträge: 1735



Beitrag14.12.2022 08:12

von Stefanie
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Wäre doch langweilig, wenn alles nach Plan geht. Gerade bei Kämpfen wäre eine bloße Beschreibung, wer auf wen haut, und dann gewinnt der, der vorher die Stärkere war, ziemlich unoriginell.

Faustregel:
Wenn der Leser den Plan vorher kennt, geht etwas schief.
Wenn alles nach Plan läuft, wird der Plan vorher nicht verraten, damit es überraschend ist.
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Dyrnberg
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Beitrag14.12.2022 08:58

von Dyrnberg
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Caliban hat Folgendes geschrieben:
Meine bescheidene Meinung: Richtige Twists gehören ans Ende der Akte. Ans Ende der Szenen allenfalls Cliffhanger.


Sehe ich genauso.

Ansonsten zum Thema "(Sehn)Sucht nach Twists": Wer plot-driven schreibt, wird sich eben auf die Suche nach Twists machen (müssen), wobei man es hier auch übertreiben kann. [Dass ein Plan schief läuft wäre für mich dabei kein "Twist", sondern nur eine normale Storyentwicklung. Ein "Twist" stellt die Dinge quasi auf den Kopf.]

Wer eher character-driven literarisch arbeitet, wird Spannung eher über die Charakterentwicklung, Beschreibung und die Dialoge erzeugen (versuchen). Ein "Zauberberg" oder "Die satanischen Verse" "benötigt" eher keine Twists. Da ist die Sprache quasi der Twist.

Zum Thema "Kampf" in Büchern habe ich wohl eher eine Einzelmeinung, denn: Als Leser fadisieren mich Kämpfe so gut wie immer. Und ich meine: IMMER. Auch bei den großen Namen eines Genres. Als Leser möchte ich da einen Roman stets gleich wieder beiseite legen.


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Caliban
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Wohnort: Passau


Beitrag14.12.2022 09:03

von Caliban
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Stefanie hat Folgendes geschrieben:

Faustregel:
Wenn der Leser den Plan vorher kennt, geht etwas schief.
Wenn alles nach Plan läuft, wird der Plan vorher nicht verraten, damit es überraschend ist.


Mach ich auch immer so. Wenn es vorher eine Lagebesprechung gibt, wäre es ja nur noch langweilig, wenn das dann genauso ablaufen würde. Natürlich geht dann was schief.

Wenn es nach Plan läuft, wird dieser nicht verraten (wie du geschrieben hast). Kann man oft mit einem kleinen Cliffhanger am Ende einer Szene verbinden, wenn man andeutet, eine Figur wäre kurz davor, der anderen 'den Plan' zu erklären. Bevor das geschieht, ist die Szene allerdings zu Ende. Danach geht's dann in medias res weiter und der Leser ist live dabei, wenn 'der Plan' umgesetzt wird.
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Caliban
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 49
Beiträge: 306
Wohnort: Passau


Beitrag14.12.2022 09:12

von Caliban
Antworten mit Zitat

Dyrnberg hat Folgendes geschrieben:

Wer eher character-driven literarisch arbeitet, wird Spannung eher über die Charakterentwicklung, Beschreibung und die Dialoge erzeugen (versuchen). Ein "Zauberberg" oder "Die satanischen Verse" "benötigt" eher keine Twists. Da ist die Sprache quasi der Twist.


Wenn die Charakterentwicklung im Vordergrund steht, würde ich für die Enden der Akte eben große emotionale Ereignisse die Figur betreffend festlegen. Was deren Entwicklung auch in eine andere Richtung treiben sollte.

Generell hab ich am Ende eines Aktes immer ein großes bedeutendes Ereignis, sei es nun eine Enthüllung, eine Tat oder eben ein Twist oder was auch immer.
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Grim
Eselsohr


Beiträge: 280



Beitrag14.12.2022 15:30

von Grim
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Wow, zuerst mal Danke für die vielen Antworten. Ich habe wohl das falsche Wort benutzt, mit Twists meinte ich hier eher kleine Miniturns, Hin-und-Hers während einer Szene. Also zB: Gruppe bricht ein,

Zitat:
Sollen die Abenteurer ganz ohne Plan in eine Villa einbrechen? Handelt der Protag vor einem Kampf so impulsiv, dass Planung nicht mehr trägt? Das fände ich beim Lesen störend.

Nein, sie sollen schon planen. Das Problem ist: Wenn ich den Plan vorher erwähne, weiß der Leser sofort, dass er nicht aufgeht. Das nimmt mMn. Spannung. Mein Gedanke ist deswegen, absichtlich ab und zu Pläne einfach klappen zu lassen, um dem Leser diese Sicherheit zu nehmen.

Zitat:
Hallo Grim, das „Problem“ ist: Je mehr du vom Schreibhandwerk weißt, je mehr fällt dir sowas auf. Oder anders gesagt: Mit dem (zunehmenden) Wissen kann man nie mehr so Bücher lesen, „wie früher“. Geht mir auch so …

Da ist sicherlich was dran. Ich weiß aber nicht, ob ich mich damit zufrieden geben möchte. Ich bin ja sicher nicht der einzige, der diese Strukturen schnell erkennt. Ich schreibe auch nicht Mainstream, also ich wäre bereit auf Leser zu verzichten, um damit einer kleineren Leserschaft entgegenzukommen.

Zitat:
Dabei nützt auch die Taktik nichts, die Handlung bis dahin so zu gestalten, das der Ausgang des Kampfes vermeintlich vorhersehbar sei und es dann plötzlich ganz anders kommt, soll heißen, das wäre dann noch lange kein Twist, weil es eben nur die bereits genannten vier Möglichkeiten gibt, sprich, keinerlei Überraschung in der Hinsicht.

Nein, ich will genau das Gegenteil. Nämlich dass der Ausgang des Kampfes nicht vorhersagbar ist (sondern sich die Entwicklung in real-time während des Kampfes ergibt). Vielleicht verwende ich das Wort Twist falsch, gemeint sind eher kleinere Hin-und-Hers, Miniturns während der Szene.

Zitat:
Bezüglich der Kampfszene sollte die Frage sein, wie schaffe ich es, dass es nicht so aussieht als würde der Prota in die Trickkiste greifen?

Nein. Die Frage ist ob ihr absichtlich Szenen wie vom Prota geplant durchlaufen lasst, ohne dass seine Pläne durchkreuzt werden, damit es in Zukunft nicht so vorhersehbar ist, dass etwas dazwischenkommt.

Zitat:
Wäre doch langweilig, wenn alles nach Plan geht. Gerade bei Kämpfen wäre eine bloße Beschreibung, wer auf wen haut, und dann gewinnt der, der vorher die Stärkere war, ziemlich unoriginell.

Ich finde es genauso langweilig, wenn nie etwas nach Plan geht. Dann wirkt der Stärkere plötzlich nicht mehr bedrohlich, denn es "fehlen" ja noch ein, zwei turns bis zum Ende der Szene.

Zitat:
Faustregel:
Wenn der Leser den Plan vorher kennt, geht etwas schief.
Wenn alles nach Plan läuft, wird der Plan vorher nicht verraten, damit es überraschend ist.

Genauso habe ich das gehandhabt, aber das ist halt schon sehr berechenbar. Für mich geht da eine Menge Spannung verloren.

Zitat:
Mach ich auch immer so. Wenn es vorher eine Lagebesprechung gibt, wäre es ja nur noch langweilig, wenn das dann genauso ablaufen würde. Natürlich geht dann was schief.

Naja aber wenn ich weiß: Pläne, die erzählt werden, klappen nicht, warum sollte ich dann als Leser überhaupt zuhören? Ich fiebere nicht mehr mit, lese nur gelangweilt, bis endlich der entsprechende Turn (oder Mini-turn) kommt, und erst ab da geht es für mich wieder weiter. Was dazwischen passiert, könnte ich überblättern.


Während dem Lesen fällt mir auf, dass es gar nicht so sehr um diese (Mini-)Turns geht, sondern eher darum, dass eine Geschichte dadurch, dass man sie mit Standartkniffen spannend schreiben will, sehr vorhersehbar wird. Di Frage sollte vielleicht eher sein: "Baut ihr absichtlich Elemente in eure Geschichten ein, um unerwünschte Effekte von genreübliche Konventionen beim Leser zu brechen?"


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Taranisa
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Beitrag14.12.2022 16:06

von Taranisa
Antworten mit Zitat

Spannung entsteht ja auch dadurch, dass nur du weißt, was die Gruppe konkret geplant hat. Du schreibst also keine wir-hecken-folgenden-Plan-aus-Szene und erzählst inhaltlich danach das Gleiche.
Während der Ausführung kann die Gruppe es knapp schaffen, wird fast erwischt oder es passiert ein Missgeschick. Durch Unvorhersehbarkeiten bangt die Leserschaft mit, ob die Gruppe ihr Ziel erreicht und/oder heil aus der Situation herauskommt.
Je nach deinem Schreibplan kannst du variieren und auch mal etwas gut gehen lassen. Ich würde nur die Erwartungen der Leserschaft auch bezüglich des Genretypischen nicht zu oft enttäuschen. Funktioniert ein Plan ganz ohne Schwierigkeiten, würde ich das nur in Kurzform erzählen oder -was gekonnt sein sollte- Spannung aufbauen, die nach dem "Ziel gut erreicht" abfällt. Beim nächsten Plan es knapp schaffen oder sie scheitern lassen, damit die Leserschaft nicht beim spätestens dritten Plan denkt: Das funktioniert doch eh wieder, reizt mich nicht, zu lesen.


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Dyrnberg
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Beitrag14.12.2022 16:19

von Dyrnberg
Antworten mit Zitat

Wenn es um diese "Unberechenbarkeit" der Story geht, kann man wahrscheinlich in diesen Tagen von niemandem so viel lernen wie von GRR Martin, oder? Denn wie wird echte Unberechenbarkeit am besten spürbar für den Leser? Richtig. Indem man ständig eine Figur sterben lässt, die man eigentlich als eine Art Hauptfigur erlebt und liebgewonnen hat. Laughing

Ernsthaft: Als ich die Bücher damals las, traute ich diesem Autor bzw. dieser Story quasi alles zu, nachdem... [No Spoiler.]... ihr wisst schon, was ich meine.


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Taranisa
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Beitrag14.12.2022 16:31

von Taranisa
Antworten mit Zitat

Was den guten Herrn aber auch unzuverlässig erscheinen lässt. Die "typischen" Fantasy-Fans mögen vermutlich eher eine eindeutigere Helden-Gruppe, die größtenteils überlebt. Also mehr: Hauptfigur muss einiges erdulden, bleibt mir aber bis zum bitteren Ende erhalten.

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Caliban
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Beitrag14.12.2022 17:02

von Caliban
Antworten mit Zitat

@Grim
Du machst dir viel zu viele Gedanken über Nichtigkeiten, die sowieso keinen Leser interessieren. Die konsumieren im Moment des Lesens nur und denken nicht über Strukturen oder Turning Points nach, ergo ist meist nur ausschlaggebend, ob die Story spannend geschrieben ist oder nicht. Und dazu bedient man sich halt bewährter Methoden.

Ich denke auch nicht über den ganzen Theoriekram nach, wenn ich einen Film ansehe etc. Allerhöchstens schau ich mal nach, ob die großen Ereignisse ungefähr auf die Standardmarken fallen (25%, 50%, 75% bei Filmen und Episoden im Falle eines 4-Akters).

Jeder weiß, dass der Protagonist (in den meisten Fällen) nicht sterben wird und trotzdem fiebert jeder mit, ob er es schafft oder nicht. So ist das halt.

Ich würde auch hier das Rad nicht neu erfinden wollen, weil du es dir damit nur schwerer machst, als du es haben müsstest. Just saying.
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Liah-Ury
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L
Beitrag14.12.2022 22:13

von Liah-Ury
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Hallo zusammen,

ich finde, es gibt gerade bei den kleinen Tricks auch vieles, das echt schlecht gemacht ist, und so etwas fällt mir als Leserin dann auch negativ auf. Z. B. wenn jemand, der an sich kampferfahren ist, überwältigt wird, weil er beim Kampf auf einer Bananenschale ausrutscht. Oder wenn ein Plan misslingt, weil jemand just als die Bösewichte vorbeikommen husten oder niesen muss. Das ist schon zigmal dagewesen und natürlich kann das passieren, in Echt würde es wahrscheinlich genauso passieren, aber im Buch oder Film finde ich es blöd.

Ich persönlich finde es voll ok, wenn auch mal was einfach glatt geht, aber es kommt für mich auch darauf an, was ich mit der Szene will. Wenn das Ziel ist, dass der Charakter am Ende etwas entdeckt, das seine Sicht auf die Dinge verändert, dann ist das ja der Punkt, um den es geht, und dann kann er von mir aus auch mal unentdeckt bis dahinkommen. Ich glaube, am Ende kommt es mir darauf an, ob es gut gemacht ist oder nicht, und das entscheiden am Ende ja die Leser.

LG

Liah
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Willebroer
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Beitrag14.12.2022 22:46

von Willebroer
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Liah-Ury hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube, am Ende kommt es mir darauf an, ob es gut gemacht ist oder nicht, und das entscheiden am Ende ja die Leser.

Aber der Autor entscheidet, was er den Lesern gibt. Dazu ist ein gewisses Urteilsvermögen nicht ganz entbehrlich.
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Liah-Ury
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Alter: 37
Beiträge: 20
Wohnort: Mittelfranken


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Beitrag14.12.2022 23:11

von Liah-Ury
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Zitat:

Aber der Autor entscheidet, was er den Lesern gibt. Dazu ist ein gewisses Urteilsvermögen nicht ganz entbehrlich.


Ja sicher, das eine schließt ja das andere nicht aus. Wobei ich mich bei so einigen Sachen schon gefragt habe, wie weit es da mit der Urteilsfähigkeit des Autors her war. Aber vielleicht bin ich selber auch zu anspruchsvoll. Vielleicht ist Grim ja auch zu anspruchsvoll smile
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BrianG
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Beiträge: 714



Beitrag15.12.2022 09:56

von BrianG
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Ich finde es immer wieder cool, wenn Autoren es schaffen, die Figuren eine "dritte Option" finden zu lassen, während die Situation vermeintlich nur zwei Möglichkeiten anbietet.
(Mathematisch und unter Verwendung der vollständigen Induktion könnte man auch sagen: die n+1te Option von n Auswahlmöglichkeiten)

Ein Beispiel dafür finden wir im ersten Teil der Tribute von Panem (ich setz es mal sicherheitshalber in Spoiler-Tags):
Als am Ende nur noch Katniss und Peeta übrig sind, erfordern es die mehrfach geänderten Regeln, dass entweder Peeta oder Katniss sterben muss. Das Kapitol gibt ihnen also zwei Möglichkeiten: Sie tötet ihn oder er tötet sie.
Letztlich finden sie die dritte Möglichkeit, mit der sie die Pläne des Kapitols durchkreuzen. Indem sie glaubhaft machen, gleichzeitig giftige Beeren zu schlucken, würden sie dem Regime die Möglichkeit nehmen, einen Sieger für die Propagandaveranstaltungen präsentieren zu können. Auf diese Weise schaffen sie es, dass das Kapitol klein beigibt und kommen beide mit dem Leben davon.


Da weiter oben auch das Beispiel des Kampfes genannt wurde:
Mogmeier hat Folgendes geschrieben:

• Prota siegt, Anta verliert
• Anta siegt, Prota verliert
• beide fallen sich urplötzlich in die Arme, werden Freunde oder von mir aus auch Freundinnen = unentschieden
• beide finden dabei den Tod = unentschieden


Auch in so einem Fall, in dem es nur die Möglichkeiten Sieg A, Sieg B, Remis (warum auch immer) lassen sich Twists einbauen, indem ein Subtext hinzugefügt wird.
In einer Folge von Star Trek - The Next Generation wurde das einmal folgendermaßen gelöst (hier sind, glaub ich, keine Spoiler-Tags nötig):
Data unterlag in einem Strategiespiel gegen einen selbsterklärten Meisterstrategen. Beim Rematch erkannte er jedoch, dass es zwecklos war, selbst "auf Sieg" zu spielen, wenn der Gegner das ebenfalls tat. Daher änderte er seine Strategie und strebte bewusst ein Remis an, während der Gegner weiterhin auf Sieg spielte. Damit schaffte er eine Situation, in welcher der Gegner sein Ziel so lange nicht erreichen konnte, bis er frustriert das Handtuch warf.

Der Twist lag in diesem Fall also nicht im Ausgang, sondern in Datas Erkenntnis und seiner Strategieänderung.


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Aus dem Chaos sprach die Stimme: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh.
Und es kam schlimmer.
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Araragi
Geschlecht:männlichDrama-Capra

Alter: 33
Beiträge: 210
Wohnort: Diomedes Inseln, manchmal auch Türme des Kölner Doms


Beitrag15.12.2022 20:54

von Araragi
Antworten mit Zitat

BrianG hat Folgendes geschrieben:
Ich finde es immer wieder cool, wenn Autoren es schaffen, die Figuren eine "dritte Option" finden zu lassen, während die Situation vermeintlich nur zwei Möglichkeiten anbietet.

Ein Beispiel dafür finden wir im ersten Teil der Tribute von Panem.


Ist es nicht eigentlich sogar so, dass es immer mindestens n + 1 mögliche Optionen gibt, wobei n die Menge an vorhersehbaren Optionen ist?

Im Beispiel zu Katniss und Peeta (warum heißt er eigentlich nicht einfach Peter?) würde mir zum Beispiel noch folgende Option einfallen:

Der Mentor begibt sich in die Arena und fordert die Spielleiter dazu auf, die beiden gegen ihn antreten zu lassen. Daraufhin liefert er eine "gute" Show ab, bis er sich dann von den beiden töten lässt. Gut, das ist keine besonders raffinierte Lösung, aber dennoch eine weitere Option von unendlich vielen weiteren Optionen.

Und das ist es was mich am Geschichtenerzählen so fasziniert. Man kann nie wirklich zu 100% sagen, was sich der Autor ausgedacht hat.


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Grim
Eselsohr


Beiträge: 280



Beitrag15.12.2022 22:25

von Grim
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Das Kapitol gibt ihnen also zwei Möglichkeiten: Sie tötet ihn oder er tötet sie.
Letztlich finden sie die dritte Möglichkeit


Zitat:
Und das ist es was mich am Geschichtenerzählen so fasziniert. Man kann nie wirklich zu 100% sagen, was sich der Autor ausgedacht hat.


Naja, so überraschend finde ich das ehrlich gesagt nicht. Wie die beiden konkret dem Dilemma entgehen kann ich nicht vorhersagen, aber ich glaube an keiner Stelle ernsthaft, dass die beiden sich gegenseitig umbringen. Und das liegt daran, dass der Autor mir nicht glaubhaft machen kann, dass vielleicht doch kein Twist mehr kommt. (Als Kinder-Jugendbuch muss es das natürlich auch nicht.)


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bonk
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