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The Life Jacket


 
 
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Julia Katharina
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
J

Alter: 38
Beiträge: 17
Wohnort: Main-Taunus-Kreis


J
Beitrag16.09.2022 20:05
The Life Jacket
von Julia Katharina
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Dies soll einmal der Anfang meines zweiten Romans werden:

Siebenhundert und zweiunddreißig Stiche. Pro Minute. Können Sie sich das vorstellen? Das sind zwölf oder dreizehn Stiche pro Sekunde. Senkrecht an meinem Arm entlang. Vom Hals zur Brust, runter bis zur Hüfte und dann ringsherum. Dreizehn Stiche in der Sekunde. Kaum auszuhalten. Und es stinkt. Widerwärtig! Eine Geburt muss wohl zuweilen immer ein wenig unangenehm und übelriechend sein. Möglicherweise damit man sein weiteres Leben mehr zu schätzen weiß. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Rest meiner Existenz glamouröser verläuft. Aber wer weiß so etwas schon, am Anfang einer Geschichte.
 
Es mag lächerlich klingen - aber ich habe einen Traum! Seitdem ich vor zwei Stunden, siebenundvierzig Minuten und zweiundzwanzig Sekunden über mein eigenes Bewusstsein gestolpert bin. Ich bin eindeutig zu Größerem bestimmt.
Sicherlich kennen Sie Geschichten von Menschen, die bereits in ihrer Kindheit etwas ganz Besonderes waren. Alle Tanten und Onkel, alle Großeltern und Nachbarn und die Eltern erst recht, erzählen bei jeder Gelegenheit, welche großartigen Taten das kleine Fleischbündel bereits mit zwei, mit drei, mit vier Jahren vollbringen kann. Über mich spricht niemand. Ich habe keine Onkel und Tanten und meine Nachbarn sind still. Über meine Eltern, wenn man sie so nennen kann - also die, aus denen ich gemacht bin - spreche ich lieber nicht. Eine traurige Geschichte. Aber so ist nun einmal der Lauf der Welt. Leben verschwindet und Neues entsteht. Immer und immer wieder. Überall.
Ich jedenfalls werde es einmal zu etwas bringen! Selbst wenn niemand über mich spricht. Noch nicht. Warten Sie es nur ab. Es wird jemand kommen. Jemand ganz besonderes. Und vom Geruch des Gerbmittels einmal abgesehen, kann man das an mir riechen. Und ich kann das tief in meinem Bund fühlen. Zumindest stelle ich mir Gefühle so vor. Aber das wissen Sie sicher besser als ich.

Es dauert nicht lange und ich fliege durch den Raum, werde von zwei eifrigen Händen zusammengefaltet und dann wird es schwarz. Zwischendurch ist es laut. Es ruckelt und zuckelt. Aber es bleibt pechschwarz. So wie die Farbe einiger meiner Mitreisenden. Das weiß ich natürlich nur, weil ich sie gesehen habe, als es noch nicht dunkel war.
Und dann, ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, wird es auf einmal wieder hell um mich herum. Ich werde sanft und besonnen aus dem Karton gezogen und auf einen dicken hölzernen Kleiderbügel direkt neben meine Brüder und Schwestern an eine Stange gehängt. Die Temperatur ist angenehm. Tagsüber läuft etwas Musik im Hintergrund. Menschen unterhalten sich. Hier und da werde ich einmal anprobiert. Aber der Richtige war noch nicht dabei.


An einem Montag ist es dann fast soweit. Ein Mann, etwa sechzig Jahre alt, betritt den Laden. Er trägt Jeans. Viel zu viel Jeans. Die Hose, die Jacke. Etwas Abwechslung hätte ihm gut getan. Dazu ein kariertes Hemd und einen braunen Gürtel - vielleicht ein entfernter Cousin - mit einer großen, silbernen Schnalle. In seinem Gesicht thront eine riesige Sonnenbrille, die er nicht abnimmt, sondern lediglich auf seinem langen Nasenrücken etwas nach unten rutschen lässt, um sich über die Gläser hinweg im Laden umzusehen.
Lorena, die Verkäuferin mittleren Alters, ist sofort blitzverliebt. Sie war gerade dabei gewesen, einen Karton mit Hemden auszuräumen, als sie ihn gesehen hat. Sie springt sofort auf und rennt noch einmal zum großen Spiegel in der Umkleide, richtet ihre Haare und ihre hängenden Brüste und geht dann schnurstracks auf ihn zu.
Eine Lederjacke sollte es sein. Eine überaus glückliche Fügung, denke ich bei mir. Lorena führt den Stadt-Cowboy in meine Richtung und zieht mich von meinem Bügel. Wunderbar, denke ich. Das wäre geschafft. Doch als er mich überstreift, bemerke ich den Geruch eines billigen Eau-de-Cologne. Und ich spreche hier nicht von einem Parfum, das möglicherweise weder fein noch ausgewählt ist, aber trotzdem als Note im Hintergrund gut zu ertragen. Ich spreche von einem Geruch. Einem penetranten, abartigen Geruch. So einer, der nur entsteht, wenn man sich in etwas suhlt. Wie furchtbar. Noch viel schlimmer, als der Geruch meiner Geburtsstunde und alle anderen Gerüche. Wenn dieser Kerl mich mitnimmt, werde ich bald ganz genauso riechen. Vielleicht schlimmer. Weil sich das Parfum jeden Tag aufs Neue an mir festgeklammern würde, als wäre ich seine Mutter. Was für ein absurder Gedanke.


Was tue ich also? Meine Arme und meine Schultern presse ich so stark zusammen, wie ich kann.
»Hmmmm«, sagt der Mann etwas verunsichert. »Nein, die sitzt nicht so gut. An den Armen und an den Schultern.«
Er nimmt die Naht am linken Ärmel fest zwischen seinen Zeigefinger und seinen Daumen mit dem silbernen Ring und versucht, an mir zu zerren. Ohne Erfolg. Lorena fummelt währenddessen von allen Seiten an mir herum.
»Das kann doch nicht sein. Ich war mir so sicher.«
Nach ein paar weiteren Versuchen geben die beiden dann endlich auf. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin. Kaum auszumalen, wie das hätte enden können.

Ich muss nicht lange warten, da ist Lorena das nächste Mal blitzverliebt. Dieses Mal trifft es einen jungen Mann. Ich würde ihn auf Mitte oder Ende zwanzig schätzen. Er trägt eine Jeans mit leichtem Schlag, ein enges ockerfarbenes Hemd und wilde, braune Locken. Lorena hat bei ihm keine Chance. Sie ist zu alt, zu langsam und zu vorhersehbar. Denn, noch bevor sie ihn erreichen kann, um ihr neckisches Verkaufsgespräch zu beginnen, hat er mich schon vom Bügel gezogen. Er weiß genau, was er will.

»Eine fantastische Wahl! Vor ein paar Wochen eingetroffen. Ein sehr moderner Schnitt! Und Ihnen … ja, also Ihnen wird sie ganz besonders gut stehen«, flötet sie etwas außer Atem, als sie endlich bei ihm ankommt. Der Laden ist zwar klein, trotzdem ist Lorena vollkommen aus der Form. Nicht auszuhalten. Wie kann man sich nur so gehen lassen?
Er streift mich über und stellt sich vor den Spiegel. Ich schmiege mich an ihn. Mache mich etwas steif um die Hüfte und gebe genug Spielraum an den Schultern.
»Sehen Sie? Sie sitzt perfekt!«


Dieser Mann duftet nach Abenteuer. Der Geruch von Rauch und frischer Tinte hängt an ihm wie ein unsichtbarer Mantel. Er war gestern aus. Ich rieche es ganz eindeutig. Hat Whisky getrunken bis in die Morgenstunden. Und ich denke, nein, ich bin sicher, er war mit einer Frau zusammen. Der hat er aber direkt wieder Lebewohl gesagt. Vielleicht weiß er nicht einmal mehr ihren Namen. Aber das könnte ich jetzt nur mutmaßen. Jedenfalls hat er sich ordentlich gewaschen, bevor er herkam. Er benutzt eine Seife mit einer subtilen Moschus-Note. Wundervoll!
»Wieviel soll die kosten?«
»Sie steht Ihnen so gut, ich gebe sie Ihnen für hundertfünfzig Mark.«
Der Mann nickt langsam und nachdenklich. Das ist viel Geld. Viel Geld für hohe Qualität. Komm schon! Wir beide sind füreinander gemacht!
»Gut. Ich nehme sie.«

Der Mann verlässt ein paar Minuten später Lorenas Laden. Ich würde sie nun nie wieder sehen. Kein großer Verlust, wenn Sie mich fragen. Der Mann und ich steigen auf ein Mokick, das im Parkverbot direkt vor der kleinen Boutique abgestellt ist. Wir rollen es lässig vom Ständer und wollen es mit dem linken Fuß antreten, da zucken wir plötzlich zusammen. Ich denke es liegt an dem anderen Mann, der wild gestikulierend die Straße in unsere Richtung rennt. Seine Bewegungen sind ein wenig infantil. Er wirkt etwas älter und ist korpulent. Und ich glaube auf die Entfernung dieselbe Moschusnote zu erkennen, wie die meines neuen Besitzers, dessen Name ich noch nicht kenne.
»Hey, bleib stehn’ du Arschloch.«
Ja, der wütende Mann ruft ganz eindeutig uns hinterher. Wir werden ein wenig nervös und treten hastig mit dem Fuß auf den Hebel. Aber zu meiner großen Überraschung grinsen wir.
»Ich weiß genau, was du mit meiner Frau gemacht hast! Ich bring’ dich um!«
Ahja. Die Frau. Was sind wir nur für ein Teufelskerl! Ich bin begeistert. Kurz bevor uns der Fette erreichen kann, fahren wir in einem Affenzahn los, die Straße entlang, dann rechts, wieder rechts, einmal links. Vor einer Kneipe mit der Aufschrift LARRY’s INN, Disco + Pub bleiben wir stehen, bocken den Gaul auf und betreten selbstsicher den Laden.

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dürüm
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Beitrag16.09.2022 22:28

von dürüm
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Hallo Julia Katharina,

trotz des Titels hatte ich am Anfang Mühe, zu verstehen, dass der Ich-Erzähler eine Lederjacke ist, weil Du anatomische Begriffe verwendest, statt von Ärmeln, Vorder- und Rückenteilen zu sprechen.

Ich habe es ganz gelesen, werde aber leider nicht warm mit Deiner Geschichte.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich einen Roman aus der Sicht einer Jacke lesen will, weil ich mich doch deutlich mehr für die Gefühle von Menschen, als die von einer Jacke interessiere.

Die Formulierungen und Urteile der Jacke über die Menschen im Laden (inkl.Lorena) sind mir unangenehm abwertend, die Anfangsbehauptung, dass sie etwas Besonderes ist/sein wird empfinde ich als großspurig. Und dadurch wird sie mir unsympathisch.
Tut mir leid.

Insgesamt leider nicht so meins.

Gruß
Kerem


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(Seneca)
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Dyrnberg
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Beitrag16.09.2022 22:51

von Dyrnberg
Antworten mit Zitat

Ich sehe es ähnlich wie mein Vorposter - und doch ganz anders. Auch mich interessiert eine Geschichte aus Sicht einer Jacke nicht sonderlich, aber: Sprachlich/literarisch sitzt hier für mich quasi jeder Satz. Man nehme allein den ersten Absatz: Grandios. Für mich hat Dein Stil einen guten Rhythmus, sprich man kann Deinen Text perfekt vorlesen/vortragen. Man merkt, dass da Arbeit drin steckt. Und Stil.

Bleibt für mich die Problematik des Stoffes: Eine Jacke? Echt jetzt? Will ich da einen ganzen Roman lesen? Schon eine Kurzgeschichte erscheint mir zu lang für diese Perspektive. Zugleich erinnerte mich Dein Text an "Der Schlüssel der Magie" von Bennet. Da erzählt ein Autor eine Trilogie-lang u.a. - nicht ausschließlich! - eine Story aus Sicht eines Schlüssels, gewissermaßen. Also... lass Dich nicht von meiner kritischen Rückfrage entmutigen.

Fazit: Für mich zeigt der Text, dass Du ein gutes Feeling fürs Erzählen hast. Chapeau.


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Ein Roadtrip durch die Philosophie: "Die Nacht der Fragen und der Morgen danach" (Roman)
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Zirkusaffe
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Beitrag17.09.2022 00:11

von Zirkusaffe
Antworten mit Zitat

Dyrnberg hat Folgendes geschrieben:

Bleibt für mich die Problematik des Stoffes: Eine Jacke?


Chapeau! Very Happy

@Julia Katharina
Im großen und ganzen schließe ich mich meinen Vorrednern an, auch wenn ich mehr zu Dyrnberg neige. Der Schreibstil gefällt mir eigentlich durchgehend bis auf einzelne Kleinigkeiten.
Normalerweise bin ich kein Freund davon, künstlich lange ein Geheimnis vor dem Leser aufrechtzuerhalten. Allerdings löst du das nacheinander relativ schnell in kleinen Stücken auf, damit finde ich das durchaus gelungen.

Bezüglich dessen, wie sich die Jacke selbst beschreibt, also mit Armen oder einem Bauch, frage ich mich: Benutzt die Jacke diese Begrifflichkeiten, um es uns als Leser verständlich zu machen? Dann würde ich das durchaus erwähnen. Ansonsten lässt mich das auch etwas in meiner Vorstellungskraft stolpern.

Als Kurzgeschichte kann ich mir das durchaus gut vorstellen, wenn du einen kurzweiligen Plot hast, der einer Jacke - oder den Problemen, die eine Jacke so haben kann - gerecht wird. Meine Befürchtung (und damit kann ich gut falsch liegen, also berichtige mich gerne!) ist aber, dass wir am Ende doch viel eher die Geschichte des Mannes erzählen, der die Jacke kaufte. Und lediglich eine sehr spezielle Perspektive beziehen. Das ist für eine Zeit wirklich lustig, aber nutzt sich vermutlich sehr, sehr schnell ab. Daher fehlt auch mir ein wenig der Glaube, dass sich das nicht so gut auf einen ganzen Roman ausdehnen lässt.

Aber um nochmal auf das Fachliche einzugehen. Bei der Beschreibung der Personen bist du sehr gut darin, alles zu beschreiben. Nun, fast alles. Kleidung, auch der Geruch, die Verhaltensweise von Lorena, alles top. Aber die meisten körperlichen Eigenschaften übergehst du oder "tellst" sie fix. Am auffälligsten ist dies für mich beim Alter. Da haben wir

Zitat:
etwa sechzig Jahre alt

Zitat:
mittleren Alters

Zitat:
jungen Mann. Ich würde ihn auf Mitte oder Ende zwanzig schätzen.
(hier finde ich das noch am besten. Das "etwa sechzig" klingt weniger schön als die Schätzung)
Zitat:
etwas älter


Zweimal nutzt du dabei auch "etwas" als Füllwort. Wenn du nicht ein genaues Alter nutzen willst - kann die Jacke natürlich auch nur schwerlich wissen - dann ergänze oder noch besser ersetze diese Formulierungen durch das optische Auftreten, durch das sich das Alter ja leicht erahnen lässt, selbst, wenn es nicht bis ins kleinste Detail beschrieben ist.

Davon ab liest sich das aber sehr angenehm und hat mich auf diese Länge noch nicht gelangweilt. Ob das auf Romanlänge anders ist, gilt zu bewiesen. Falls du fest von dem Vorhaben entschlossen bist, drücke ich dir aber alle Daumen, dass du uns Zweifler Lügen strafst. Eine Herausforderung ist es allemal. Lass dir aber von solchen Einordnungen nicht die Liebe an deinem Text nehmen!

Liebe Grüße

Zirkusaffe
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Araragi
Geschlecht:männlichDrama-Capra

Alter: 33
Beiträge: 210
Wohnort: Diomedes Inseln, manchmal auch Türme des Kölner Doms


Beitrag17.09.2022 02:32

von Araragi
Antworten mit Zitat

Hallo Julia,

700 Stiche und eine übelriechende Geburt? Ich dachte mir nur, was ist hier los, in welchen Film bin ich denn hier gelandet Shocked Als sich dann später herausgestellt hat, dass der Prota eine Jacke ist war die Erleichterung groß Laughing Die Geschichte scheint mir interessant zu sein. Gerne hätte ich die esten zwanzig Seiten davon bereits gelesen um zu wissen in welche Richtung sich das Ganze weiter entwickelt.

Ein paar Kleinigkeiten, die mir beim Lesen aufgefallen sind:

Julia hat Folgendes geschrieben:
Und ich spreche hier nicht von einem Parfum, das möglicherweise weder fein noch ausgewählt ist, aber trotzdem als Note im Hintergrund gut zu ertragen. Ich spreche von einem Geruch. Einem penetranten, abartigen Geruch. So einer, der nur entsteht, wenn man sich in etwas suhlt.


Ich fand den markierten Teil ein wenig schwer zu lesen. Die Beschreibung ist finde ich etwas zu lang.

Julia hat Folgendes geschrieben:
Ich muss nicht lange warten, da ist Lorena das nächste Mal blitzverliebt.


Bei "Ich muss nicht lange warten" dachte ich erstmal, dass es sich um wenige Sekunden Zeitabstand handeln muss. Nicht genug Zeit also damit sich Lorena von der Prota-Jacke entfernen konnte. Vielleicht sollte man lieber schreiben: "Eine Minute und zwölf Sekunden später, da ist Lorena erneut blitzverliebt."


Die Jacke scheint offenbar einen Lebenszyklus zu vollziehen. Noch ist sie jung und naiv, lässt sich schnell von Äußerlichkeiten blenden und identifiziert sich nur allzu schnell mit dem neuen coolen Besitzer. Sie scheint auch noch keine richtige Identität zu besitzen. Entwickelt sie sich denn im Verlaufe der Geschichte weiter, wird älter und vollzieht eine drastische Persönlichkeitsentwicklung oder wird es eher eine kurze Zeitspanne in der die Jacke ein großes Abenteuer erlebt? Wird es sich um eine spannende Character-story handeln oder wird es eher eine aneinanderreihung von Kurzgeschichten, die das Leben einer Jacke beschreiben? Von letzterem bin ich kein so großer Fan. "The Curious Case of Benjamin Button" wäre so ein Beispiel. Ein toller Film mit einigen großartigen Momenten. Nur Spannung konnte er bei mir nicht erzeugen.  


Grüße
 

Araragi


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Julia Katharina
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
J

Alter: 38
Beiträge: 17
Wohnort: Main-Taunus-Kreis


J
Beitrag17.09.2022 11:13

von Julia Katharina
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Araragi hat Folgendes geschrieben:

Die Jacke scheint offenbar einen Lebenszyklus zu vollziehen. Noch ist sie jung und naiv, lässt sich schnell von Äußerlichkeiten blenden und identifiziert sich nur allzu schnell mit dem neuen coolen Besitzer. Sie scheint auch noch keine richtige Identität zu besitzen. Entwickelt sie sich denn im Verlaufe der Geschichte weiter, wird älter und vollzieht eine drastische Persönlichkeitsentwicklung


Das ist im Prinzip der Gedanke dahinter !! Laughing Die Jacke wird weiser, gleichmütiger, und lernt von den Menschen, die sie tragen. Am Ende - nach einer Achterbahnfahrt aus Abenteuern und Gefühlen, wird sich ihr Traum erfüllen, doch sie wird feststellen, dass es der falsche war und dass ihre Sehnsucht der wahren Verbundenheit gilt. So zumindest die Idee.

Die Jacke ist der wissende Erzähler, denn sie hängt mal an einem Haken im Flur, über einem Stuhl oder dem Barhocker, und weiß deshalb mehr als der Mensch, der sie sonst trägt.
Hat sie aber Jemand angezogen, wird aus dem Ich-Erzähler ein Wir-Erzähler und die Jacke spiegelt die emotionale Situation seines Trägers.

Ihr erster Besitzer ist nur eine Brücke, die dazu führt, dass sie letztendlich bei einem zehnjährigen Jungen landet, um später noch einmal den Besitzer zu wechseln.

Die Tipps zu den Armen / Hüfte vs. Ärmel und Bund werde ich einarbeiten, die etwas schlechter zu lesenden Sätzen, etc werde ich nochmal angehen ! Vielen Dank dafür. Und evtl. etwas Druck raus nehmen aus dem Teil, in dem die Jacke eingangs einführt, dass einmal etwas Großes aus ihr werden wird. Dazu habe ich auch schon eine Idee.

Euer Feedback ist wirklich wahnsinnig hilfreich !! Tausend Dank !!
Und danke auch, für die lieben Worte bezüglich des Stils!

---

Ein kleiner weiterer Auszug:

»Willst du mir etwas erzählen, Hans? Ich bin immer für dich da!«
Wir heißen also Hans und blicken noch immer zu Boden.
Wölfi lächelt. Ein warmes Lächeln. Ein ganz anderes Lächeln als das, das er für die Blondine aufgesetzt hatte.
Wir bleiben still.
»Weißt du, ich wurde früher in der Schule verprügelt.«
Plötzlich richten wir unser Kinn auf. Es kribbelt und die Lebensenergie kehrt in uns zurück.
»Was? Du? Ehrlich?«
»Klar! In deinem Alter war ich noch kleiner als du jetzt. Und genau wie du, war ich kein talentierter Sportler. Die Mädchen haben mich ausgelacht und von den Jungs hab ich Prügel eingesteckt.«
»Und? Was ist dann passiert?«
»Nichts.«
»Wie meinst du das? Nichts?«
»Naja, nichts eben. Ich habe nichts gemacht. Und soll ich dir was verraten? Das Problem hat sich ganz von allein gelöst. Als ich drei Jahre älter war als du jetzt, bin ich nochmal ganz schön gewachsen. Und dann hat sich das keiner mehr getraut. Weißt du, ich war zwar immer noch nicht beliebt und die Mädchen haben immer noch gelacht, aber irgendwann dreht sich das. Heute lacht mich kein Mädchen mehr aus, weißt du. Und die Jungs wollen meine Kumpel sein. Und die Raudis von früher. Ha! Ja die haben jetzt alle schon fünf Kinder und einen dicken Bauch voller Bier und sonst keine Perspektive.«
»Sind fünf Kinder schlecht?«
»Nein! Nein, natürlich nicht. Aber was ich damit sagen will, ist, nichts bleibt, wie es ist, Hans. Du bist ein toller Junge. Und du hast eine tolle Zukunft vor dir. Und die in der Schule, die haben keine Ahnung. Gib einfach nicht zu viel auf sie, verstehst du? Und versuch Ärger aus dem Weg zu gehen.«
Wir sind gerührt. Und etwas glücklicher als zuvor. Mama steht schräg am Türrahmen gelehnt und lächelt. Sie ist auch glücklicher als zuvor.
»Okay, Onkel Wolf. So mache ich das.«
»Und wenn das nächste Mal so etwas passiert, dann kannst du mit deinem Vater …«
»Nein! Nein, das mach ich nicht!« Wir brüllen fast und springen auf, rennen in Richtung der langen Holztreppe an der rechten Seite des Raumes und hechten die Stufen empor, wie ein Lachs im Strom während der Paarungszeit. Mit voller Geschwindigkeit laufen wir auf ein kleines Zimmer zu, öffnen die weiße Holztür und schmeißen sie hinter uns direkt wieder zu. Von dort geht es mit einem wahnwitzigen Sprung direkt auf die Matratze des Bettes, die ungewöhnlich stark nachfedert. Das Ganze kam jetzt zugegebenermaßen etwas überraschend. Und wir liegen nun einfach so da. Mit dem Gesicht in den Kissen. Und, was nun, Hans? War das wirklich nötig? Wir verfallen in eine Starre und rühren uns für die nächsten fünf oder zehn Minuten keinen Millimeter.
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Denisovan
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Beiträge: 22
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Beitrag18.09.2022 11:53

von Denisovan
Antworten mit Zitat

Sehr gute Erzählperspektive. Dass Materie denken kann, beweist schon unser Hirn. Spannender Stil. Hast du dich schon entschieden, ob du Dialoge zwischen Jacke und Träger einführst? Oder ist das "wir" eine Andeutung in der Richtung. Dann ginge die Post ab in Richtung magischer Realismus...

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Julia Katharina
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
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Beiträge: 17
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J
Beitrag21.09.2022 18:13

von Julia Katharina
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Denisovan hat Folgendes geschrieben:
Sehr gute Erzählperspektive. Spannender Stil.


DANKE DANKE !!!

Denisovan hat Folgendes geschrieben:
Hast du dich schon entschieden, ob du Dialoge zwischen Jacke und Träger einführst? Oder ist das "wir" eine Andeutung in der Richtung. Dann ginge die Post ab in Richtung magischer Realismus...


Bisher nicht geplant. Ich dachte, dass die Jacke nach Außen hin ein stummer Gegenstand bleibt. Im Grunde könnte diese Perspektive die Frage öffnen, ob nicht alles ein Bewusstsein sein hat - jedoch lediglich nicht im Stande ist zu kommunizieren. Da könnte man jetzt ziemlich weit abdriften in die Philosophie und die Frage nach der Energieverschiebung (nichts geht verloren) etc, aber soweit wollte ich im Text gar nicht gehen, sondern es eher leichtfüßig halten.
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etcetera
Leseratte


Beiträge: 157



Beitrag17.12.2022 18:16

von etcetera
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Zunächst einmal: sehr schön geschrieben. Ich frage mich immer wieder, wie das manche so leicht und elegant bewerkstelligen können - ich dagegen muß einen harten und mühevollen Kampf ausfechten, bis ich etwas Lesbares hervorbringe...
Warum ich mich aber jetzt melde, ist der letzte Punkt, den du angesprochen hast:
Zitat:
...ob nicht alles ein Bewusstsein sein hat - jedoch lediglich nicht im Stande ist zu kommunizieren.

Dir ist da wohl etwas aus dem Fokus gerückt: Was man anderen nicht kommunizieren kann, das kann man auch nicht sich selbst kommunizieren, du weißt doch, das Denken wird von uns als innerer Monolog verstanden, es ist also auch eine Kommunikationsform. Somit kann nur jener ein Bewußtsein entwickeln, der die Fähigkeit zur Kommunikation hat – und das ist auch umgekehrt gültig.
Das Thema ist nicht schwierig, weil man da ein umfangreiches Philosophiestudium bräuchte, sondern man mit einem Zirkelschluß zu kämpfen hätte, denn echtes Bewußtsein ist die Erfahrung des Bewußtseins von sich selbst und durch sich selbst. Eine nahezu unmögliche Konstellation, für deren Verständnis bisher (nach meinem Wissen) nur der Mathematiker Georg Spencer-Brown (Laws of Form) einen Ansatz angeboten hat.
Trotzdem, es wäre ein hochinteressantes Thema für eine literarische Arbeit...
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