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Teil 39 Das Gewitter


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag21.07.2008 20:08
Teil 39 Das Gewitter
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sebastian stellte im rechten Auge eine Veränderung fest. Er klagte über Schmerzen und verschlechtertes Sehen. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wir recherchierten im Internet. Da war überall der Hinweis sofortige Untersuchung beim Augenarzt, im schlechtesten Fall droht die Ablösung der Netzhaut.
Ich nahm Kontakt zu seinem Vater auf und bat ihn, den Flug nach Deutschland zu finanzieren.
Eile war geboten. Es dauerte.
Ich machte Druck. Und wie ich Druck machte. Wie eine Löwin kämpfte ich für mein Junges.
Endlich, er schickte das Geld. Wir buchten einen Flug und er flog für 3 Monate nach Deutschland.
Sebastians Freund bot ihm an, bei ihm zu wohnen. Denn Sebastian wollte in Berlin zum Arzt nicht in der Provinz bei seinem Vater. Meine Freundin hatte in Berlin die Ärzte und Termine zusammengetragen und organisiert.
Das Krisenmanagement funktionierte.

Als ich Sebastian zum Flug brachte, der ihn nach Tana bringen sollte, liefen mir die Tränen. Ich hatte das Gefühl, ihn nie wieder zu sehen und rechnete damit, dass er in Deutschland bleiben würde. Ich spürte wie sehr er zu meinem Leben gehörte, wie sehr ich ihn brauchte und seine Gegenwart wichtig war.



Gunter, der in den letzten Monaten nur sporadisch vorbei kam, begann nun jeden Morgen zu kommen, bis Mittag im Hof zu sitzen oder am Rechner, zum 33.mal den Emailaccount nach Post zu checken und ansonsten Löcher in die Luft zu starren.
Ich wunderte mich sehr. Bald erfuhr ich, dass er überall erzählte, er würde zur Arbeit fahren, wenn er zu uns kam.
Aha.
Am Nachmittag war er wieder verschwunden, dann saß er nach wie vor in einem Lokal beim Bier. Als die ersten Kunden kamen und fragten, ob wir "für Gunter in seinem Internetcafe" arbeiten, begann ich an seinem Verstand zu zweifeln. Was in aller Welt erzählt dieser Mensch den Leuten?

Eigentlich tat er mir leid, er hatte sein ganzes Geld in irgendwelchen Lokalen gelassen, war mittlerweile auch bei seiner Wirtin rausgeflogen. Er wohnte mit Christoph, einem Franzosen, zusammen, denn Christoph schwächelte, war ständig krank, aber bezahlte die Miete.



Ich investierte weiter in die Firma, war aber nicht gewillt, Gunters Leben zu finanzieren. Zumal es noch immer darum ging, aus den roten Zahlen zu kommen. Der November war der erste Monat, den wir mit einem so guten Umsatz begannen, dass wir die Kosten decken würden.
Ich hätte ihn nicht hängen lassen, doch er begann Forderungen zu stellen. Es interessierte ihn nicht, wie es um die Rechnungen bestellt war. Er forderte.
Geld, dass ich unplanmäßig einnahm, gab ich Gunter, er tat mir eben leid.
Als er dann aber bereits eine Woche später Freunden erzählte, wir würden ihn verhungern lassen und er würde seinen rechtmäßigen Anteil nicht bekommen, fand ich es doch etwas daneben. Dies entsprach so nicht der Realität, solange er noch Geld hatte für sein Bier, konnte er nicht am Verhungern sein.
Ein Recht hatte er nur auf eine Gewinnauszahlung, doch die war nicht in Sicht.
Gunter selbst ließ sich nicht mehr sehen.

Ich reagierte sehr verärgert. Ein Gewitter zog herauf...
Trotzdem diskutierten wir, was man tun könnte.
Da Gunter im Internetcafe einen Computer stehen hatte und einige Bilder, Lampen usw. von ihm waren, schlug Jan vor, dass wir ihm einen Nutzungsvertrag geben und er für die Nutzung dieser Sachen monatlich einen finanziellen Zuschuss bekommen soll. Das wäre okay gewesen.

Gestern noch willigte er ein, am nächsten Tage kam er, ein kurzer Wortwechsel, das Gewitter brach herein und er trug seine Sachen raus.
Nun standen wir da, wieder mit 4 PCs, kahlen Wänden und einer ungeklärten Rechtslage mit Gunter.

Jan wollte zwar von Gunter nichts mehr wissen. Aber er sah sich nicht stark genug, diesen Rückschlag hinzunehmen. Er kündigte an, den Transporter zu verkaufen und davon zurück nach Deutschland zu gehen. Er meinte, nun sei alles kaputt und es gäbe kein Internetcafe mehr.

Dieser Tag, war der erste in der Geschichte des Internetcafes, an dem wir geschlossen hatten und es war ein trauriger Tag. Ratlosigkeit auf meiner Seite, Mutlosigkeit auf der Seite von Jan.

Noch am gleichen Tag ging ich los und kaufte drei riesige Bilder, handgemalt von Madagassen, um die traurigen kahlen Wände neu zu gestalten. Und wüsste ich, dass morgen die Welt untergeht, würde ich noch heute einen Baum pflanzen.
Ich dachte nicht an Aufgeben. Wenn Jan seinen Plan wahr machten würde, dann wollte ich allein bleiben, ohne Sebastian, ohne Jan. Irgendwie würde ich es schon schaffen. Notfalls eben allein.

Wir hatten eine Firma aufgebaut, wenn auch noch klein. Wir hatten Angestellte und ich war nicht willens alles fallen zu lassen, nur weil jemand einem Sturm nicht widersteht.

Am nächsten Tag hatten sich die Wolken schon verzogen. Wir machten weiter, mit 4 Computer und einem verbeulten Sven-Schrott-Rechner, der aber noch halbwegs lief.



Der Internetprovider kündigte seinen Besuch an. Es kamen vier Leute aus Tana und zwei Vertreter der Filiale in Majunga zu uns. Man wollte den Fehler finden, warum wir so eine schlechte Verbindung haben. Man schloss zunächst einen anderen Rechner an, extra mitgebracht. Keine Veränderung.
Man wechselte die Box zwischen Antenne und Rooter. Keine Veränderung. Man wechselte den Rooter aus gegen einen Linuxserver. Keine Veränderung.
Doch plötzlich siehe da, wie aus heiterem Himmel Punkt 18.00 Uhr - eine super gute Verbindung.
Ich freute mich und DTS meinte, das Problem sei gelöst.
„Ja im Moment hat es den Anschein, doch ich möchte es über einige Tage hin beobachten, denn schon zu oft dachten wir, nun wäre es okay und dann Stunden später dasselbe Dilemma.“
„Das geht nicht, dass wir den Server da lassen, denn es sind Daten drauf. Wir werden aber wiederkommen.“
Nun, sie wechselten den Linuxserver wieder gegen den Rooter aus.
Und ? Ein Wunder! Die gleiche Geschwindigkeit noch immer. Super gut, mit unserer eigenen Technik.
Doch das Wunder hielt nicht lange an. Schon am nächsten Tage gegen 8.00 Uhr, pünktlich zur Öffnungszeit war die Verbindung wieder genauso im Keller wie zuvor. Der Internetprovider ließ sich nicht mehr sehen.
Ein nettes Theaterstück.

Das Visum von Jan und mir war für die nächsten zwei Jahre fertig. Sebastian brauchte seinen Reisepass für seinen Flug nach Deutschland. Sein Visum konnte erst nach seiner Rückkehr in den Paß eingetragen werden Ich vermisste Sebastian sehr.

Die Carte Residence für die Verlängerung der Carte Professionell (Gewerbeerlaubnis) war noch immer nicht fertig. Ich konnte das Geld nicht aufbringen. Es musste warten, bis meine Rückzahlung vom Finanzamt kam.

Allianz Francaise hatte die Entscheidung über die Vermietung der Räume auf Dezember verschoben.
Der November verging wie im Fluge. Der Tiefschlag, den uns Gunter versetzt hatte, war heftig und schlug uns in der Entwicklung weit zurück.

„Und jede Nacht, wenn du nicht schlafen kannst
und die Armee des Wahnsinns bei dir klopft,
wenn du dann durchdrehst ist’s erlaubt,
doch wer hat dir den Mut geraubt?
Wenn du jetzt aufgibst,
wirst du's nie verstehn,
du bist zu weit um umzudrehn.
Vor dir der Berg, du glaubst, du schaffst es nicht,
doch dreh dich um und sieh wie weit du bist.
Im Tal der Tränen liegt auch Gold,
komm lass es zu, dass du es holst...“
(Rosenstolz)


Ganz gleich, was uns widerfährt, wir müssen uns wieder aufrappeln.
Ungeachtet der Beschränkungen und Behinderungen, ungeachtet dessen, was wir nicht haben können, sind wir doch in der Lage, unsere Ziele zu erreichen und dabei einigen Spaß zu haben. Wir stoßen den Deckel von der Kiste, strecken den Kopf ins Freie, lassen den Blick schweifen.
Und was sehen wir? Die Welt ist ein wunderbarer, erstaunlicher Ort.

Ich erkannte, wie gesegnet und glücklich ich war.
Die Angst verwandeln wir in eine Leiter, die uns aus der Kiste des Zweifelns und der Unsicherheit führt. Wir werfen einen Blick auf die Hindernisse und fangen an, sie nach und nach zu beseitigen. Ich setzte meine Reise fort, an deren Ende ich um viele Erfahrungen reicher sein sollte.

Durch solche unerwarteten Prüfungen erfuhr ich die magische Wirkung der zwei Wörter:
Ich kann!

---
Foto: Postkarte Mahajanga



_________________
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