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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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S 21.03.2021 19:12 Timmi und die Blubberblase von Shelly
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Timmi und die Blubberblase
An der Tür zur Kita taucht eine rote Bommelmütze auf. Die Mutter wirft kurz ein: “Verschlafen!“ rein, während sie Timmi in den Raum schiebt. Ehe die Tür zufällt, ist sie schon in der Dunkelheit verschwunden. Timm steht da, als wäre er Opfer eines Zaubers. Eben noch im Pyjama, steht er plötzlich hier. Ungläubig schaut er sich um.
Seine kleinen Finger sind eiskalt, er bekommt die Jacke einfach nicht auf. Ich schnappe mir die Bommelmütze und helfe ihm. Der Reißverschluss klemmt etwas. Auf halbem Weg schaut ein sehr gefährlich aussehender Tyrannosaurus Rex heraus. Die scharfen Zähne blitzen aus der leicht geöffneten Jacke." Hallo, wer bist du denn?“ Timmis Augen beginnen zu funkeln, die kalten Bäckchen glühen rot. “Den hat Mama kauft. Soooo stark ist der! Der kann alle alle Dinos fressen“ Dabei hält er die Ärmchen in Angriffsstellung und aus dem süßen Kindermund rollen drohende Geräusche.
Sogleich schnappt Timm sich die begehrte Kiste mit den Sauriern. Ein kleiner Junge, der einen süßen Happen abgeben würde, liefen draußen echte Reptilien herum .Er fühlt sich stark und mutig, wenn er mit ihnen spielt. Das ist seine Welt. Seine kleinen Finger stellen die Figuren auf. Manche fallen um, sie sind schon etwas kaputtgespielt oder dem Knabberangriff eines Milchzahnträgers zum Opfer gefallen.
Timmi hat sich schon viel mit Dinosauriern beschäftigt und weiß schon ziemlich gut, wer davon wen frisst. Darum stellt er die Saurier in zwei Gruppen auf und stellt ein Buch als Absperrung dazwischen. Noch soll die wilde Futterjagd nicht losgehen.
Die Nase kitzelt .Kitzelt stärker… „Nur noch den Tyrannosaurus aufstellen.“ Der fällt immer wieder um. Timm schüttelt den Kopf. „Der Gefährlichste von allen muss doch wohl mal stehen bleiben!“
In dem Moment passiert es!
Aus dem Kitzeln wird ein Sturm, ein Orkan…der das Schleimmonster weckt und gradewegs auf Timmis Brust katapultiert.
Ein Kind zeigt schreiend auf Timmi: „ Ihhhh, dein Dino hat Rotze auf’n Kopf!“ Entsetzt schaut Timmi auf seine Brust.
Eine Blubberblase aus Schleim ist tatsächlich auf dem Kopf des Tyrannosaurus getropft und bahnt sich ihren Weg über das geöffnete Maul. Die scharfen Zähne verschwinden im Nebel des Grauens.
Timmi sitzt da wie erstarrt. Einige seiner Dinos sind umgefallen. Er streckt die kleine Hand aus, will es in Ordnung bringen. Die Hand schwebt in der Luft. Sie schafft es nicht.
„Oje, Timmis Dino wurde von einem gefährlichen Schleimmonster angegriffen. Da müssen wir schnell helfen!“ Ich nehme ein Feuchttuch und befreie den Dino. Timmi atmet erleichtert auf und setzt sein Spiel fort.
Während er geschickt die Figuren wieder aufstellt, verwandelt sich die Schleimspur in ein gefährliches Glitzern. Timm stört das nicht. Er beachtet seinen attackierten Freund nicht weiter.
Seine Zunge zwischen die Zähne gepresst sitzt er da und taucht ganz ein in seine Welt der Starken und Schwachen. Fressen und Gefressen werden. So ist die Natur.
Wenn doch bloß nicht immer die Nase kitzeln würde. Verstohlen reibt er sich mit dem Ärmel drüber. Gleich besser. Die Schleimspur am Ärmel bemerkt er nicht. Die roten Wangen fühlt er nicht. Die Augen funkeln fiebrig.
Timmi hat nur Augen für den ewig umfallenden Tyrannosaurus. Er atmet tief durch, sein Brustkorb hebt sich sichtbar. Aber immer wieder liegt der mächtigste Räuber auf der Seite. Wieder und wieder versucht Timmi ihn aufzustellen.
„ Du bist überhaupt niemals der stärkste Saurier, du kannst ja nicht mal stehen!“
Erschöpft lässt er die Arme sinken und starrt auf den Saurier. Enttäuschung zuckt in seinen Mundwinkeln. Hilflos sitzt er da.
Ich setze mich neben ihn: „Du siehst so traurig aus. Kann ich dir helfen?“
Kummertrunken schaut er hinunter auf seine kleine Welt. Eine Träne blinzelt kurz und macht sich auf den Weg über die erhitzten Wangen. Er sagt kein Wort.
Die Schultern hängen kraftlos an seinem Körper, die Finger sind enttäuscht von der Niederlage.
Der Tyrannosaurus auf seinem Shirt hat einen Maulkorb aus getrocknetem Schleim. Gefährlich sieht er nun nicht mehr aus. Und stark wirkt er auch nicht. Das Schleimmonster hat den Kampf gewonnen.
Ich streichle Timmi tröstend über den Rücken:“ Vielleicht ist der Dino ja krank? Vielleicht braucht er unsere Hilfe?“
Timmi schaut mich überrascht an und wischt die Tränen mit dem Ärmel weg. Kopfnickend sagt er: „Ja, ist er. Er hat dolle Schnupfen und Fieber und seine Mama muss ganz schnell kommen!“
Seine Stimme klingt weinerlich, die letzten Worte presst er heraus. Weinend wirft er sich in meine Arme. Der fiebrige, kleine Körper bebt unter seinen Schluchzern. Ich halte ihn ganz fest, bis das Beben nachlässt.
Und dann rufe ich die Mama(s) an.
Weitere Werke von Shelly:
_________________ Ich gehöre zu den Menschen mit zu vielen Wörtern im Kopf. Reden oder Schreiben ist quasi Selbsttherapie.Von Buchstabensuppen muss ich mich fernhalten. |
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 666
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23.03.2021 10:58
von MissClara
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Hallo Shelly,
du hast ja noch gar keine Reaktion bekommen! Ich hatte deinen Text auch gelesen, aber musste es erst ein bisschen nachwirken lassen.
Also, vorweg, mir gefällt, wie du das Thema aufbaust und ganz dicht in der Kinder-Welt bleibst mit den Dinos. Ich finde es liest sich flüssig und zieht einen mit.
Jetzt kommt das aber.. Mir persönlich gefällt der moralische Rahmen nicht. Für mich schwingt da so stark die böse Mutter mit, die ihr Kind krank in die Kita abschiebt und die Erzieherin, die das Leid dann auffangen muss. Vielleicht bin ich da aber auch einfach empfindlich, weil ich selbst zwei Kinder in den Kindergarten bringe und finde, auch wenn es sie sicher gibt, die ELTERN, die ihre Kinder krank in Betreuung geben - es wird so oft herumgehackt auf berufstätigen Müttern, dass ich da bei einer Geschichte nicht wirklich mitgehe.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich beim ersten Lesen nichts dazu geschrieben habe...- bin voreingenommen. Aber rund find ich es schon. Vielleicht manchmal ein bisschen viele Adjektive, (oder auch "Blubberblase") aber das wären dann Feinheiten.
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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S 24.03.2021 09:46 Timmi von Shelly
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Liebe MissClara,
Vielen lieben Dank für deine Anmerkung.Ich dachte schon, es liest gar keiner hier
Im Einstand hat das besser geklappt. Vielleicht hat der Titel nicht genug gelockt,kann schon sein.
Es ist eine Überarbeitung meiner 1. Kurzgeschichte: " Timmi und das Schleimmonster", die ein wenig mehr über Timmi, seine Mutter und Corona in der Kita erzählt. Wenn dich das interessiert, schau gern mal auf mein Profil, da sind sie verlinkt.
Nun zu deiner Kritik selbst:
Es ist keine in Bezug auf Eltern, die ihren Spatz krank zur Kita bringen. In dieser Kurzform spiegel ich nur, wie man so etwas bemerkt...Kinder sagen ja nicht :"Ich bin jetzt krank." Und er wird ja auch erst in der Geschichte krank, da kann keiner was dafür. Das kennst du als Mama ja auch.
In der eigentlichen Geschichte bin ich da schon kritischer. Aber nur, was die gepriesene Sicherheit in Kitas angeht. Ich versuche zu erklären, dass es diese nicht gibt. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch die Geschichte selbst. Dass Kinder Kontakte brauchen, umso mehr wenn sie krank werden. Und dass schon alleine dadurch das Risiko groß ist, nicht nur jetzt, aber jetzt besonders. Die Reaktion der Mutter wird dir nicht gefallen, aber du weißt, dass es sie gibt. Einfach, weil Eltern jetzt ja auch unter enormer Belastung stehen und Arbeitgeber nun mal selten familienfreundlich ticken. Da prallen die Hygienevorschriften ( bei Symptomen abholen lassen) nicht immer auf Verständnis. Mein Vorwurf, wenn denn überhaupt, gilt den Kultusministern, die ihre Augen davor verschließen.
Ich hoffe, dass unsere Kinder endlich besser geschützt werden.
LG Shelly
_________________ Ich gehöre zu den Menschen mit zu vielen Wörtern im Kopf. Reden oder Schreiben ist quasi Selbsttherapie.Von Buchstabensuppen muss ich mich fernhalten. |
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Merlinor Art & Brain
Alter: 72 Beiträge: 8667 Wohnort: Bayern
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27.03.2021 11:23
von Merlinor
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Hallo Shelly
Ich denke auch, dass man aus der Episode keine Story über eine vermeintliche "Rabenmutter" stricken sollte. Ich konnte das auch nicht aus ihr herauslesen. So etwas passiert einfach und dann sitzen die Betreuer:innen erst einmal alleine mit einem Kind da, dessen Krankheit erst in der Kita so richtig sichtbar wird.
Ein wenig mehr würde ich allerdings auf den (inneren) Konflikt der Betreuerin zu Coronazeiten abstellen. Der wird nicht deutlich genug benannt, wenn es Dir wichtig ist, an Hand der Geschichte unter anderem exemplarisch zu zeigen, wie ungeschützt die Situation in Kitas für alle Beteiligten ist.
Es lässt sich gut ein kleiner Spannungsaufbau entwickeln, wenn mehr und mehr klar wird, dass der kleine Timmi neben schönen Worten auch körperliche Nähe und Zuwendung braucht und dass dies die Betreuer:innen in inneren Zwiespalt bringt.
Ich finde die Geschichte an sich sehr schön erzählt. Allein mit deiner Sprache und den durch sie vermittelten Bildern schaffst Du es schon, die Leser in Deinen Bann zu ziehen. Das gefällt mir sehr. Wenn noch etwas deutlicher würde, worauf sie neben der Situationsbeschreibung an sich noch abzielt, wäre sie "perfekt".
LG Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 666
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27.03.2021 22:54
von MissClara
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Hallo Shelly,
danke für die Erklärung. Ja, der Corona-Bezug war mir nicht klar - dafür gibt es innerhalb der Geschichte keinen Verweis dafür.
Dieser Absatz:
Zitat: | ..während sie Timmi in den Raum schiebt. Ehe die Tür zufällt, ist sie schon in der Dunkelheit verschwunden. Timm steht da, als wäre er Opfer eines Zaubers. |
..ließ mich auf die kritisierte Intention schließen. Aber dann hab ich das falsch verstanden. Bei uns ist es übrigens den Eltern schon seit einem Jahr nicht erlaubt, die Kita überhaupt zu betreten - insofern wäre z.B. eine Abgabe vor der Haupttür oder Terrasse (mit Klingeln und Maske auf) etwas, wodurch man schon auf das Thema schließen könnte.
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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Romy Gänsefüßchen
R Alter: 25 Beiträge: 22 Wohnort: Niederbayern
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R 07.04.2021 20:55
von Romy
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Hallo Shelly,
Die Geschichte liest sich gut und bildlich.
Ich finde es sehr schön, dass du auch "ecklige" Dinge, wie den Rotz aus der Kindersicht beschreibst, also ohne Scham/Ekel/großer Bedeutung und zum Teil mit Faszination. Hierbei war nur etwas störend für mich, dass es ja aus der Sicht der Erzieherin beschrieben ist. Wahrscheinlich handelt es sich um eine sehr empathische Frau.
Deine Botschaft könnte ich leider nur schwer herauslesen und ist mir immer noch nicht ganz klar. Eventuell kannst du diese noch genauer ausarbeiten.
Die Mutter scheint wirklich etwas im schlechten Licht zu stehen - eventuell hilft hier schon die Beschreibung einer liebevollen Verabschiedung?
Lg Romy
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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08.04.2021 00:12
von nebenfluss
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Hallo Shelly,
auch ich finde das vom Schreibstil her gelungen. Die Rotz-Szene ist sogar recht lustig geworden ... mir ist klar, dass die Geschichte ganz ernst gemeint ist, aber in diesem Punkt lieber lustig als eklig, weil das besser die Prota-Sichtweise trifft.
Kritisieren würde ich höchstens die Perspektive bzw. ihre Glaubwürdigkeit:
In den ersten Sätzen fiel mir die Orientierung schwer: Gucken wir von drinnen oder von draußen, und warum verschwindet die Mutter in der Dunkelheit? Selbst, wenn es keinen Vorraum gibt, die beiden haben immerhin verschlafen, es ist also im Zweifel schon hell. Okay, es ist Winter, aber dann ist doch der Eingangsbereich einer KiTa sicherlich beleuchtet. Nur eine Kleinigkeit.
Mehr aber noch danach, weil deine Ich-Erzählerin offenbar so viel ungestörte Zeit hat, um ihre Aufmerksamkeit alleine Timmi zu schenken. Da toben doch noch die anderen Kinder rum, um die sie sich kümmern muss.
Mag für die Kerngeschichte, die du erzählen willst, nicht wesentlich sein, aber ich würde diese Umgebung trotzdem noch ein bisschen einbauen, um szs die Authentizität zu erhöhen.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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08.04.2021 15:14 Re: Timmi von nebenfluss
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Shelly hat Folgendes geschrieben: | Hallo Timmi,
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_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Shelly Wortedrechsler
S Alter: 57 Beiträge: 64 Wohnort: Speckgürtel Berlin
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