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Eva-Katharina Gänsefüßchen
E Alter: 45 Beiträge: 21
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Gast
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28.05.2020 22:32
von Gast
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Hallo Eva-Katharina,
na dann oute ich mich mal.
Ich habe erst mit 50 zu schreiben begonnen, auf Anraten eines Therapeuten. Ich glaube, dieses Schreiben ohne jedes Publikum (außer dem Therapeuten, der immer zu Anfang der Sitzungen meine Geschichten gelesen hat) hat mir damals sehr (!) geholfen.
Aber:
Später entstand die Idee, nicht mehr nur über mich und für mich zu schreiben. Doch bei der Durchsicht der Machwerke aus der Therapiezeit, fiel mir sofort ein Zitat von Dürrenmatt ein:
Ein Schrei ist kein Gedicht. (und auch kein Roman)
Was ich sagen will: M.E. erfordert fiktionales Schreiben Formwillen und damit auch Distanz zum Objekt. Wie aber kriegt man diese Distanz zum Ich? Gar nicht so einfach. Auch neigt man dazu, alles, was einem selbst widerfahren ist, per se für interessant zu halten - weit gefehlt. Das sind so die Fallstricke in meiner Erfahrung, wenn man sich, vom autobiografisch/therapeutischen Schreiben kommend, schriftstellerisch (sprich mit dem Willen, bei einem breiteren Publikum anzukommen) weiterentwickeln möchte.
LG
DLurie
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Lapidar Exposéadler
Alter: 61 Beiträge: 2699 Wohnort: in der Diaspora
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29.05.2020 11:58
von Lapidar
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Hallo Lurie,
ich hab zwar kein therapeutisches Schreiben im engeren Sinne betrieben (also mit Therapiesitzung), würde aber deine Worte unterschreiben.
Als ich vor vielen vielen Jahren aus dem Ausland wieder heimkam, versuchte ich, mein Erlebtes in ein Buch zu packen.
Auch ein wenig mit dem Schielen auf: Das ist doch interessant, das findet sicher auch Leser. (Aussage von vielen Bekannten).
kurzer Traum vom Bestseller gg
Es wurden letztendlich 150 Seiten, die mir halfen, alles ein wenig mehr in Relation zu sehen. Aber beim Durchlesen, war mir auch klar: "Das ist nicht interessant für andere."
Vor einer Weile ist mir das Manuskript beim Umzug wieder in die Hände gefallen und mit dem Abstand von 20 Jahren, kräuseln sich mir die Zehennägel und es ist noch klarer: DAS ist nichts für eine Veröffentlichung. Vielleicht mal für meine Großenkel zum Erzählen aber sicherlich nichts, das sich jemand freiwillig kauft, außer eventuell als Schlaftherapie.
Wobei die eigenen Erfahrungen helfen beim Schreiben: Dinge rüberzubringen, die man mal gefühlt hat, eventuell aus der eigenen Erfahrung schöpfen... aber in dem Moment, wo man seine Seele zu offenbaren meint, sollte man die Grenze ziehen.
_________________ "Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
If you can't say something nice... don't say anything at all. Anonym. |
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5444 Wohnort: OWL
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29.05.2020 14:31
von Willebroer
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Komischer Zufall, daß gerade heute im "Zeitzeichen"
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/spengler-102.html
ein Beitrag über Oswald Spengler lief.
Er scheint fast ein Urbild für therapeutisches Schreiben zu sein, indem er seine Ängst auf den allgemeinen Zustand der Welt projizierte.
Das Stichwort "Distanz zum eigenen Ich" finde ich dabei auch sehr nützlich. Gerade beim Schreiben macht man ja gerade das: Man projiziert seinen inneren Zustand nach außen und schafft damit fast von selber eine erste Distanz. Die kann sich im Wechselspiel zwischen beiden Richtungen noch verstärken (vorausgesetzt, das eigentliche Problem wäre nicht das Gegenteil, die zu große Distanz/Entfremdung zum eigenen Ich - was ja auch vorkommen kann, vielleicht sogar öfter).
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Eva-Katharina Gänsefüßchen
E Alter: 45 Beiträge: 21
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Alufolie Wortedrechsler
A Alter: 38 Beiträge: 74 Wohnort: Leverkusen
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A 16.06.2020 07:46
von Alufolie
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Bei mir war es nicht auf Anraten des Therapeuten, den ich über mehrere Jahre besucht habe, sondern wie schon gesagt wurde, der Gedanke, dass das Erlebte auch für andere interessant sein könnte.
Das mag es sicher in Einzelfällen geben. Sei es als Orientierungshilfe für Menschen, die sich informieren wollen, oder wenn man wirklich Außergewöhnliches im Leben erlebt hat, dann sicher auch als spannende Geschichte.
Das bleiben aber wohl Ausnahmen.
Bei mir war's dann auch so, dass ich um die 150 Seiten hatte ( keine Normseiten, denn die kannte ich da noch nicht ). Aber irgendwann hab ich auch gedacht, hmmm, so interessant ist das für andere jetzt irgendwie doch net. Letztlich hat's nur meine beste Freundin zum Lesen bekommen und dann verschwand es in der Mottenkiste. Froh bin ich trotzdem, das gemacht zu haben, denn das war der Startschuss, mich wirklich mit dem Schreiben auseinander zu setzen.
Ich verstehe, was du meinst, wenn du sagst, du hast Angst, den Alltag über das Schreiben zu vergessen. Nun, einen Tipp dafür kann ich dir nicht geben. Evtl könnte es helfen, das Schreiben nur so lange in den Vordergrund zu stellen, wie es keine anderen Dinge zu erledigen gibt ( schöne wie weniger schöne ). Ich persönlich empfinde das Schreiben trotzdem als tolles Hilfsmittel, wirre Gedanken zu fokussieren und auch manchmal den nötigen Abstand zur Außenwelt zu bekommen. Also die berühmt-berüchtigte Zuflucht.
Die wirren Gedanken sehe ich sogar als Vorteil, denn es ist immer was los im Kopf. Schmeichelhaft formuliert ist das eben die Kreativität, die manch anderen Leuten fehlt
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LadyPintana Gänsefüßchen
L Alter: 32 Beiträge: 23 Wohnort: Zwischen Fantasie und Chaos
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L 16.06.2020 19:47
von LadyPintana
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Für mich hat Schreiben immer was von Therapie. Ich schreibe aber nicht über meine Erlebnisse (das würde vermutlich deutlich zu viel wieder aufwühlen), sondern nutze die Empfindungen und die sonstigen Erfahrungen zum schreiben.
Die schlimmsten Tage einer lange vergangenen Beziehung habe ich damals für eine ganze Trilogie genutzt (Ja, Buch zwei habe ich tatsächlich in unter einer Woche geschrieben), die bis heute für mich einen starken emotionalen Wert hat. Auch, wenn das Thema des Buchs ganz weit weg von mir war, hat die Hauptfigur viele meiner Emotionen quasi kanalisiert und mir die Chance gegeben, mich irgendwie ausdrücken. Schreiben ist für mich immer noch Therapie, ein Stück weit Flucht vor der Realität ... Na egal, auf jeden Fall hilft es immer
Die fesselnde Konzentration, die du beschreibst interpretiere ich für mich eher als den berühmt berüchtigten Flow. Ich liiiiiebe diesen Zustand. Da kann die Welt mal wollen, was sie will Das kann so weit gehen, dass man mich beim Tee kochen in der Küche antrifft und mich nicht mal ansprechen kann, weil ich geistig immer noch am Schreibtisch sitze. Das völlige verlieren der Realität passiert aber nie, irgendwas reißt einen immer raus und wenn s nur Hunger ist
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3225 Wohnort: Frankenberg/Eder
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16.06.2020 21:16
von Taranisa
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Über ein bei mir langjährig präsentes Thema mit den ganzen Krisen, Erfahrungen, Hochs und Tiefs, Hoffnungen und Enttäuschungen könnte ich auch ein ganzes Manuskript füllen. Mache ich aber nicht.
Aber es stimmt, in jeder Geschichte steckt immer etwas von uns, oder sie behandelt ein Thema, das uns beschäftigt. So können wir auch Dinge verarbeiten, ohne sie mit direktem Bezug auf uns ansprechen zu müssen.
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024 |
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Elbenkönigin1980 Reißwolf
E
Beiträge: 1106
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E 10.07.2020 01:03
von Elbenkönigin1980
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In meinem Leben ist noch nie irgendwas passiert, was es wert wäre, eine Autobiographie zu schreiben.
Bei mir gibts nur Trauriges zu berichten: das Mobbing begann im Kindergarten, setzte sich in Grundschule und Realschule fort, und auch in der Ausbildung, danach fand ich keine Arbeit und lebte jahrelang von Hartz IV, auch in den Maßnahmen und Ein Euro Jobs wurde ich aufs Schlimmste gemobbt...
Nen richtigen Job hatte ich nie, und Freunde hatte ich auch noch nie...also worüber sollte ich schreiben...in meinem Leben fand keinerlei soziale Interaktion statt?
Dann kam die Frührente, und ich bin immer noch ein Mensch, der vor allem in Traumwelten lebt und die meiste zeit mit Schreiben und Bücherlesen verbringt und sich verzweifelt danach sehnt, mal den Lieblingsautor und die Lieblingsschauspielerin zu treffen, was wir aber wegen meiner Bedeutungslosigkeit immer verwehrt bleiben wird, und das wars, das war mein ganzes beschissenes Leben, nicht wert darüber eine Biographie zu schreiben, denn wer will sowas deprimierendes lesen?
In meinem Leben gibt es wirklich nichts, was wert wäre, aufgeschrieben zu werden, dafür ist mein Leben zu beschissen, zu deprimierend, schon seit ich auf der Welt bin.
Ich lasse manchmal Sachen aus meinem Leben in meine Romancharakere einfließen, aber nicht zu viel, weil das dann für den Leser nicht mehr spannend wäre.
Aber was Biographisches würde ich nie schreiben, denn um eine Biographie zu schrieben, muss man doch auch was erlebt haben, was man da reinschreiben kann und das ist bei mir eben nicht der Fall.
Ich könnte nur das schreiben was ich beim Schreiben erlebt habe, also wie ich in meinen Charakteren lebe, weil ich lieber jemand anders wäre als ich selbst, aber sowas findet doch keine Leser, interessiert echt keinen.
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