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Gast
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20.01.2017 20:10 Wie weit sollte die Kunstfreiheit reichen? von Gast
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Bitte um sachlich engagierte Kommentare!
Der Begriff Kunstfreiheit fiel hier. Ich greife ihn mal auf, denn es steckt viel dahinter. Kunstfreiheit betrifft jeden Autor!
Wer Jurist ist, kann das hier überlesen oder auch gern widerspechen, falls er Unrichtiges entdeckt.
Was ist Kunstfreiheit überhaupt? Man hört diesen Begriff überall als Schlagwort, aber was bedeutet er genau? Kann man Kunstfreiheit anwenden? Wie macht man das? Verstieße das Schriftstellerforum eigentlich gegen die Kunstfreiheit, wenn es einen Text herausnimmt, oder verletzt ein Verlag die Kunstfreiheit, wenn er einen Text ablehnt? Man denkt intuitiv und richtigerweise: Nein. Aber warum genau ist das so? Hat Kunstfreiheit Grenzen? Wie definieren Richter eigentlich Kunst, wenn sie über entsprechende Fälle entscheiden müssen?
Zunächst: Kunstfreiheit ist in Art 5 Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes kodifiziert. Sie ist Bestandteil der Grundrechte, Art 1 bis 19 GG. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte GEGEN den Staat. Der Verlag, der einen Text ablehnt, oder das Forum welches Texte entfernt, verstößt nicht gegen die Kunstfreiheit, wenn es keine staatliche Beteiligung gibt.
Was also genau passiert, wenn Art.5 III GG angewendet wird und wie sieht das typischerweise aus? Beispiel: Mein Nachbar sprüht ein Grafitti an meine Hauswand. Ich rufe die Polizei. Die erteilen ihm einen Platzverweis und untersagen das Sprühen Das stellt einen Verwaltungsakt dar, zuständig ist das Verwaltungsgericht, falls sich mein Nachbar beschwert und gerichtliche Klarstellung wünscht.
Der Richter macht nun Folgendes. Er prüft zuerst, ob es sich um Kunst handelt und wird dabei vom Gesetzgeber geschuriegelt. Kunst ist nämlich danach alles, was einer Werkgruppe zuzuordnen und mehrfach interpretierbar ist. Also jedes Gemälde , jeder Text, jede Satire ist automatisch immer Kunst. Ein Kontoauszug wäre keine. Durch diese weite Auslegung soll verhindert werden, dass ein Richter, der im Zweifel keine Ahnung von Kunst hat, etwas von vornherein durch die Feststellung verbietet, etwas sei gar keine Kunst und darum nicht schutzwürdig ( bitte über diesen nicht ganz einfachen Punkt einmal nachdenken, denn es ist die geniale Antwort des Gesetzgebers auf die Frage: Was ist Kunst?).
Ein Richter würde also beim Grafitti feststellen: Kunst, Werkgruppe Malerei, also schutzwürdig! Der Schutzbereich des Artikel 5 III wäre eröffnet, hier greift er. Kann die Kunstfreiheit eingeschränkt werden? Ja, obwohl sie einen besonders hohen Rang einnimmt! Durch andere Grundrechte z.B., Recht auf Eigentum, Art. 14GG. Das Grafitti stellt sogar eine Sachbeschädigung, also ein Delikt dar. Der Richter wägt nun ab, in einer sog. praktischen Konkordanz. Welches Rechtsgut wiegt schwerer? Eigentumsrecht oder Recht auf Kunstfreiheit. Im geschilderten Fall wäre es mir nicht zuzumuten, das Grafitti hinzunehmen. Man muss auch keine Körperverletzungen, Beleidigungen oder andere Beeinträchtigungen hinnehmen, weil sich jemand künstlerisch betätigt, aber das muss dann jeweils konkret abgewogen werden.
Würde der Richter meinem Nachbarn in der Urteilsbegrüngung bekunden, dass sein Grafitti gar keine Kunst ist und schon deshalb verboten gehört, dann wäre das ein Ermessensfehler und das Urteil müsste in nächster Instanz aufgehoben werden, egal was sonst darin steht. Grund: Der Richter darf nicht über Kunst urteilen, so schlecht sie auch augenscheinlich sein mag. Ein Verstoß stellt einen Revisionsgrund dar.
Ich glaube Tucholsky sagte mal, dass Kunst oder Satire alles dürfe. Das stimmt so nicht.
Was denkt ihr über den Böhmermannfall? Ein Staatsanwalt hat die Anklage gecancelt. Zurecht?
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Eris Ado Klammeraffe
Beiträge: 752
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20.01.2017 21:01
von Eris Ado
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Die Sachen mit der Ablehnung von Texten hat m.E. nichts mit Kunstfreiheit zu tun. Natürlich ist ein Verlag (oder ein Forum) nicht dazu verpflichtet irgendwelche Texte abzudrucken oder zugänglich zu machen.
Eine Einschränkung der künstlerischen Freiheit wäre nur gegeben, wenn man das Abdrucken verböte. (Das ist wie mit der Redefreiheit: Man hat das Recht zu sagen was man will, aber niemand hat die Pflicht zuzuhören.)
In beiden Fällen gibt es Ausnahmen: Volksverhetzung, Beleidigungen und "Blasphemie" können strafbar sein. Den "Blasphemieparagraphen" sollte man meiner Meinung nach streichen.
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Gast
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20.01.2017 21:16
von Gast
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Eris Ado hat Folgendes geschrieben: | Die Sachen mit der Ablehnung von Texten hat m.E. nichts mit Kunstfreiheit zu tun. Natürlich ist ein Verlag (oder ein Forum) nicht dazu verpflichtet irgendwelche Texte abzudrucken oder zugänglich zu machen.
Eine Einschränkung der künstlerischen Freiheit wäre nur gegeben, wenn man das Abdrucken verböte. (Das ist wie mit der Redefreiheit: Man hat das Recht zu sagen was man will, aber niemand hat die Pflicht zuzuhören.)
In beiden Fällen gibt es Ausnahmen: Volksverhetzung, Beleidigungen und "Blasphemie" können strafbar sein. Den "Blasphemieparagraphen" sollte man meiner Meinung nach streichen. |
Das Natürlich ist nicht so natürlich.
Ja, wenn man es verböte! Verbieten kann nur der Staat. Es gibt aber andere Grundrechte, die mittlerweile direkt zwischen Privaten gelten, zB. das Antidiskriminierungsgesetz. Das gilt jetzt auch für Private und nicht nur als Gleichheitssatz in Artikel 3 GG für den Staat.
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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21.01.2017 22:26
von firstoffertio
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Wäre das nicht besser in" Auf ein Wort" aufgehoben?
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Gast
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21.01.2017 22:42
von Gast
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Ob es hier oder dort nicht verstanden wird, ist relativ egal...
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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21.01.2017 23:02
von firstoffertio
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Hier geht es unter, und hier wird mehr gespielt.
Drüben ist man vielleicht mehr auf Verstehen eingestellt.
Ein Moderator müsste dies verschieben, falls du möchtest.
Ich finde das interessant.
Keine Ahnung, wie Kunstfreiheit hier geregelt ist.
Den von dir zu letzt angesprochenen Fall habe ich nur aus der Ferne mitbekommen.
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Gast
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21.01.2017 23:07
von Gast
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Ist egal.
Ich sehe, du wohnst in Irland. Jan Böhmermann hatte über Erdogan gewitzelt und die Kanzlerin in geistiger Umnachtung vergaß sogar die Gewaltenteilung.
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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21.01.2017 23:30
von firstoffertio
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Das mit Graffiti ist interessant.
Werden die nicht meistens auf fremdem Eigentum kreiert?
Oft auf öffentlichem, also Gemeinde- oder Staatseigentum. Da stellt sich dann die Frage, ob das fremdes Eigentum ist.
Ich fahre gerade oft mit dem Zug, und um Dublin rum ist fast jede Mauer, Brückenpfeiler, etc. entlang der Gleise mit Graffiti besprüht.
Was mir nicht so gefällt dabei, ist, dass das meistens irgendwelche Buchstaben sind, die ich kaum entziffern/verstehen kann. Da wünschte ich mir eine größere Vielfalt von Genres.
Aber das geht nun an deinem eigentlichen Anliegen vorbei.
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Gast
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21.01.2017 23:57
von Gast
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben: | Das mit Graffiti ist interessant.
Werden die nicht meistens auf fremdem Eigentum kreiert?
Oft auf öffentlichem, also Gemeinde- oder Staatseigentum. Da stellt sich dann die Frage, ob das fremdes Eigentum ist.
Ich fahre gerade oft mit dem Zug, und um Dublin rum ist fast jede Mauer, Brückenpfeiler, etc. entlang der Gleise mit Graffiti besprüht.
Was mir nicht so gefällt dabei, ist, dass das meistens irgendwelche Buchstaben sind, die ich kaum entziffern/verstehen kann. Da wünschte ich mir eine größere Vielfalt von Genres.
Aber das geht nun an deinem eigentlichen Anliegen vorbei. |
Es heißt ja, dass Kunst alles dürfen müsse! Kein Künstler möchte sich beschränken lassen, aber das hört natürlich sofort auf, wenn es um das eigene Eigentum geht, dass ein anderer beeinträchtigt. Darum dieses Beispiel.
Brückenpfeiler sind öffentliches Eigentum, die darf man nicht besprühen, Wände von Häusern genausowenig, das wird als Sachbeschädigung ausgelegt.
Vielleicht hast du schon mal vom "Sprayer von Zürich " gehört? Das war ein Grafittikünstler, Harald Nägli, der per Haftbefehl in der Schweiz gesucht wurde und ungefähr zeitgleich in Deutschland zum Kunstprofessor berufen wurde. Es kam dann zur kuriosen Situation, dass die Sachbeschädigungen ( also die Grafittis) wertvoll wurden. Und so mancher hat sich dann wohl überlegt, ob er sie tatsächlich entfernen soll.
So kann's gehen... Grüße.
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