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Marc Duchute


 
 
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ricochet
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 389
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Beitrag19.04.2008 08:04
Marc Duchute
von ricochet
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Da ich mich mit diesem Text an einem Preisausschreiben beteiligen möchte, bitte ich um besonders detaillierte Rückmeldungen. Vor allem zum Titel könnte ich Vorschläge brauchen:



Gelangweilt kaute der König an seinem Abendessen. Nein, das Huhn schmeckte nicht. Die Musik im Hintergrund ödete ihn an, war es doch das immer gleiche, einschläfernde Lautengeklimper. Die Konversation zu Tische erschöpfte sich in den üblichen, nichtssagenden Belanglosigkeiten. Ja, das Volk murrte, aber wann tat es das nicht? Und die Mode? Naja ... Selbst seine Konkubinen, sorgfältig verteilt unter den Gästen am Tisch, reizten ihn heute nicht. Und das, obwohl sich manch eine viel Mühe gab, des Königs Aufmerksamkeit zu erregen. An seine Ehegattin dachte dieser ohnehin nur der Vollständigkeit oder der Höflichkeit halber.
Unwirsch winkte der König den Zeremonienmeister zu sich: "Es ist ein furchtbarer Abend. Lass den Hofnarren kommen, vielleicht amüsiert er mich ein bisschen. Aber ein bisschen plötzlich."
Schon war der Narr zur Stelle mit seinem bunten Kostüm und sprang zwischen den essenden Höflingen herum. Tatsächlich brachte er den oder anderen mit allerlei witzigen, frivolen Sprüchen und den üblichen Faxen zum Lachen. So sehr er sich auch Mühe gab, des Königs Laune besserte sich nicht. Als es diesem zu bunt wurde, brüllte er: "Raus mit dir!"
Das musste er sich wohl oder übel selbst etwas einfallen lassen. Erneut deutete er dem Zeremonienmeister, zu kommen und gab ihm die Anweisung: "Erteil den Wachen den Befehl, den fünfzehnten meiner Untertanen, der am Palast vorbeigeht, zu mir zu bringen."
Wenig später wurde ihm ein junger Mann vorgeführt. Der König sagte: "Wie heißt du?"
"Marc Duchute, Eure Hoheit", anwortete dieser unsicher.
"Nun, Marc Duchute, ich langweile mich und du sollst für meine Unterhaltung sorgen."
"Ja, aber wie denn? Was möchtet Ihr, dass ich für Euch tue?"
"Lass dir etwas einfallen. Streng dich gefälligst für deinen König etwas an."
"Ich habe ja keine Ahnung, woran Ihr Gefallen findet. Das braucht Zeit, mein König."
"Zeit? Meinetwegen, die sollst du haben", sagte der König. "Drei Tage und drei Nächte sollst du im Kerker nachdenken dürfen. Wenn dir bis zum vierten Tag etwas eingefallen ist, was mein Herz erfreut, wirst du reich belohnt und kannst im Schloss wohnen. Sollte das aber nicht der Fall sein, rollt dein Kopf. Einen Kopf, in dem nichts drin ist, brauchst du sowieso nicht."
Da lachten die Höflinge. Wie geistreich der König heute wieder war!
Als sich der Schlüssel zur Kerkertür hinter Marc geräuschvoll drehte, sagte der junge Mann zum Gefängniswärter: "He, du, kannst du mir sagen, womit sich der König die Zeit vertreibt? Was macht ihm denn Spaß?"
Der Kerkermeister hielt inne: "Naja, gerne hört er ordinäre Witze, aber ich glaube, es gibt keinen, den er nicht schon fünfmal gehört hätte. Dann sind da noch seine Weiber, ach ja, und zwischendurch frisst er sich den Wanst voll."
Marc setzte sich auf einen Haufen stinkenden Strohs, wodurch er eine Ratte aufscheuchte und starrte die abweisenden Mauern an. Er konnte es gar nicht glauben. Da lebte der König in Saus und Braus und doch langweilte ihn sein Leben! Die Nacht verging, der folgende Tag dazu und nichts, aber schon gar nichts, war Marc eingefallen. In der zweiten Nacht erschien ihm Schlag Mitternacht ein leicht verwachsener, etwas zu kurz geratener Mann und sagte ihm: "Ich kann dir helfen, Marc."
"Dich schickt der Himmel."
"Abwarten, das ist nicht gesagt. Hör mir zu, denn ich habe zwei Vorschläge für dich. Entweder ich verrate dir ein Rezept für eine Kartoffelsuppe, die so einfach, billig und nahrhaft zugleich ist, dass sie den Hunger der armen Leute stillen kann. Nur der König ... nein, der wird daran keine Freude haben. Eine Kartoffelsuppe mit seinen Untertanen löffeln! Ich werde dich zwar retten, denn er wird wütend werden, dein Leben ist nicht in Gefahr, aber du wirst für immer untertauchen müssen. Alle Welt wird deine Suppe essen, aber du selbst hast nichts davon. Oder Vorschlag 2. Ich verrate dir ein Rezept, das den König hellauf begeistern wird und mit ihm die reichen Leute, denn nur die werden sich diese Speise leisten können. Dann kriegst du die stolze Belohnung deines Königs, aber die einfachen Leute hungern weiter. Also auch deine Familie, deine Freunde ..."
Marc entgegnete: "Und was forderst du als Gegenleistung?"
"Egal, wofür du dich entscheidest, nach Ablauf von drei Jahren musst du wissen, wer ich bin und wie ich heisse."
"Und wenn es mir nicht gelungen ist, das herauszufinden?"
"Dann kostet es dich dein Leben. Überlege gut, morgen Nacht komme ich wieder."
Damit war er verschwunden. Marc zermarterte sich den Kopf. Drei Jahre waren eine lange Zeit, da würde er bestimmt in Erfahrung bringen, wie der komische Kauz hieß. Als Günstling des Königs standen ihm alle Türen und Tore offen. Andererseits hatte er mit der Suppe die einmalige Gelegenheit für das kleine Volk, seine eigenen Leute, etwas zu tun. Stöhnten und ächzten doch alle unter Hunger und Elend. Wie schön, könnte er einen so wertvollen Beitrag, zur Linderung der Situation leisten. Doch zu welchem Preis? Sollte er, in seinen jungen Jahren für den Rest seines Lebens darauf verzichten jemals eine Stellung in der Verwaltung zu bekleiden? Untertauchen sollte er, weil beim König in Ungnade gefallen! Wünschte er sich doch nichts sehnlicher, als seinen traurigen Verhältnissen entfliehen zu können? Jetzt war die Gelegenheit dazu, was sollte ihn zurückhalten? Auch in der Umgebung des Königs würde es Gelegenheiten geben, sich für die kleinen Leute stark zu machen. Da und dort dem einen etwas Geld zukommen lassen, damit er sich den Arzt für seine Frau leisten könnte, das übriggeblieben Essen von des Königs Tafel verteilen ... War denn das nichts? Man kann im Leben nicht alle Menschen glücklich machen.
Als in der dritten Nacht zur nämlichen Stunde der Fremde wieder erschien, fing Marc zu reden an: "Also, ich habe mir überlegt, ..."
"Nein", unterbrach ihn der Fremde. "Sag mir einfach, wie du dich entschieden hast. Deine Gründe sind deine Sache, die interessieren mich nicht. Sag mir einfach: Ein Rezept für den König oder für das Volk?"
"Für den König."
Und schon war der Fremde wieder verschwunden. Als Marc am Vormittag des vierten Tages Ludwig XVI., dem König von Frankreich, vorgeführt wurde, sagte er: "Herr König, lasst mich in die Küche gehen und gebt mir dort zwei Stunden Zeit. Erwartet um die Mittagsstunde meine Überraschung zu Eurer Freude."
Zur Tafel erschien er mit einem neuen Gericht: zartes Kalbfleisch, appetitlich paniert, lag auf König Ludwigs Teller. Nichts besonderes, so fand der König beim ersten Bissen, und schon begann sich seine Miene zu verfinstern. Die Miene des Hoftsaates verfinsterte sich ebenso. Doch schon beim nächsten Bissen begann sich ein Duft von geschmolzenem Käse, gemischt mit Schinken auszubreiten. Dieser Marc Duchute hatte das Fleisch aufgeschnitten und es mit Käse und Schinken gefüllt. Wie originell und wohlschmeckend zugleich! Ein bewunderndes "Aaaah ...!" entfuhr Ludwig XVI., worauf der Hofstaat in Verzückung ausbrach. Hocherfreut und noch mit vollem Mund verlieh der französische König Marc Duchute die Auszeichnung des "Blauen Bandes", "Cordon bleu" genannt. Während er sein Glas Champagner in die Luft hielt, verfügte Ludwig XVI.: "Und weil du für dein Gericht diese Auszeichnung erhalten hast, soll auch die Speise künftig Cordon bleu genannt werden. Damit sich alle Welt an deinen Namen erinnert. Ab sofort bist du mein oberster Küchenmeister und lebst im Schloss."
Von Stunde an lebte Marc im Wohlstand. Mit Fleiß und Klugheit stand er des Königs liebster Abteilung des Hauses, der Küche, vor. Übers Jahr war er sogar verheiratet.
Eines Tages stand er wieder in der Küche und schalt einen Küchenjungen, der vergessen hatte, die Hühnersuppe rechtzeitig vom Feuer zu nehmen. Als er gerade dabei war, dem Jungen mit dem Kochlöffel in der Hand nachzulaufen, kam er plötzlich vor dem Fremden zu stehen. Wie aus dem Nichts schien dieser aufgetaucht. Überrascht sagte Marc: "Ohh, du! Drei Jahre, hast du gesagt."
Der Fremde sah ihn seltsam an und erwiderte: "Ja, die sind heute vorbei. Wie schnell das doch geht, nicht wahr? Und hast du die Antworten auf meine Fragen?"
Du meine Güte, darauf hatte Marc doch gänzlich vergessen! Er war die ganze Zeit dabei gewesen, Reichtümer anzuscheffeln, sich als Koch Ruhm und Ehre zu verschaffen, dass für Anderes gar keine Zeit gewesen war. Davon abgesehen konnte er sich gar nicht vorstellen, dass ihm der mysteriöser Mann mit seinen dunklen Ankündigungen wirklich etwas anhaben konnte.
"Ich habe keine Ahnung", räumte Marc zähneknirschend ein. "Ist das denn so tragisch? Oder können wir morgen darüber weiterreden? Wir sind im Hause des Königs, da wird den ganzen Tag lang verhandelt."
Der Fremde schien nicht einverstanden. Er sagte: "Sieh zum Fenster hinaus. Erblickst du da die Bettler? Du hättest sie satt machen können, statt dessen hast du dich für das Wohl eines verwöhnten Königs, der auf Kosten seines Volkes lebt, gesorgt. Die da draussen, die könnten dir sagen, wer ich bin und wie ich heisse, denn die kennen mich bestens. Aber du hast dich in dieser tollen Küche hier selbst eingesperrt."
"Sprichst du jetzt einen Fluch aus über mich, oder sowas Ähnliches?", meinte Marc leicht spöttisch.
"Oh nein, viel schlimmer. Was dir in den nächsten Tagen begegnen wird, ist die einzig logische Folge deines eigenen Tuns, deiner Entscheidung von damals. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird es dein Ende sein."
"Da ich nicht dahintergekommen bin, verrate mir bitte dein Geheimnis: Wer bist du und wie heißt du?"
"Bald wirst du es wissen, sehr bald ..."
Ein letztes Mal war der Mann verschwunden.
Am nächsten Morgen begann die Französische Revolution. Wie die Fluten des Meeres stürmten die Bürgerwehren im Kampf mit den königstreuen Soldaten durch die blutigen Strassen von Paris, die Leichen türmten sich. Unaufhaltsam brandete der Volkszorn innerhalb weniger Stunden an die Tore des Palastes. Im Nu waren die Wachen besiegt, das Schloss eingenommen. König Ludwig, seine Familie und auch Marc Duchute, als königstreuer Vasalle, wurden in den Kerker geworfen. Nach Jahren fand sich Marc im selben Verlies wieder, in dem er sich damals für des Königs Rezept entschieden hatte. Als Marc eine Woche später mitten in der wütenden Menschenmenge zum Schafott auf dem Pariser Hauptplatz geleitet wurde, kam er an dem Fremden vorbei. Dieser stand in vorderster Reihe, umgeben von fünf oder sechs schwer bewaffneten Bürgern. Offenbar leitete er die Hinrichtungen. Als Marc an ihm vorbeigestossen wurde, zeigte ihm der Fremde die französische Flagge, indem er sagte: "Blau wie die Auszeichnung, die du erhalten hast, rot, wie das Blut, das vergiessen wirst und weiss wie die Unschuld deiner Seele, die du verloren hast."
Der Henker spannte Marcs Hals in die Mechanik ein. Dann wandte er sich dem Fremden zu und fragte: "Bürger Robespierre, soll ich ...?"
Der Bürger nickte mit dem Kopf. Resigniert sah er zur Seite. Sssssssssssssssst, so fiel das Beil ... Es war die einzige Enthauptung der Französischen Revolution, die sich Robespierre nicht angesehen hatte.



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silvie111
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Beitrag19.04.2008 13:53

von silvie111
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Hallo ricochet,

deine Geschichte, im Stil von Kalendergeschichten geschrieben, fängt gut und unterhaltsam an, wird im Verlauf aber schwächer. Sie ist im Ganzen zu lang und das Ende hängt ein wenig, vor allem bei unwissenden Lesern, in der Luft. Der Witz bei solchen Geschichten ist es auch, unwissenden Lesern Geschichte und historische Persönlchkeiten nahezubringen. Das schaffst du am Ende nicht. Die Pointe kommt gar nicht raus, und da muss unbedingt eine gute hin!
Natürlich würde es mch interessieren, welches Thema der Wettbewerb hat.

So, jetzt zu detaillierten Anmerkungen:

Zitat:
Lass den Hofnarren kommen, vielleicht amüsiert er mich ein bisschen. Aber ein bisschen plötzlich."

das "aber ein bisschen plötzlich" bezieht sich auf "kommen", wird aber gesperrt durch "vielleicht amüsuert er mich ein bisschen". Die Wortwiederholung von "bisschen" verbidnet die beiden Sätze stärker als sie sollten. Hier musst du die Halbsätze umstellen

Zitat:
"Marc Duchute, Eure Hoheit", anwortete dieser unsicher.

Die Gefühle von Marc kommen in der ganzen geschichte viel zu wenig heraus. Er fragt sich kaum, warum er whl hier hineingeraten ist, womit er das verdient hat, usw. usw, eben das, was man erwartet hätte in soclhen Situationen

Die Dialge wirken oft zu platt, etwa hier :
: "He, du, kannst du mir sagen, womit sich der König die Zeit vertreibt? Was macht ihm denn Spaß?" und hier: "Ist das denn so tragisch? Oder können wir morgen darüber weiterreden? Wir sind im Hause des Königs, da wird den ganzen Tag lang verhandelt."

Das wirkt ein wenig leblos, teilweise.

Zitat:
Die Nacht verging, der folgende Tag dazu

"der folgende Tag dazu" passt nicht, da fehlt auch das Verb zum besseren Lesefluss

Zitat:
"Dich schickt der Himmel."

- fehlendes !
- Ist Marc wirklich so verbissen auf die Aufgabe konzentriert? Fragt er sich nicht, was der Fremde hier macht, woher er kommt, ist das Zauberei? Bildet er sich das nicht nur ein? etc., etc.

Zitat:
Entweder ich verrate dir ein Rezept für eine Kartoffelsuppe, die so einfach, billig und nahrhaft zugleich ist, dass sie den Hunger der armen Leute stillen kann. Nur der König ... nein, der wird daran keine Freude haben. Eine Kartoffelsuppe mit seinen Untertanen löffeln! Ich werde dich zwar retten, denn er wird wütend werden, dein Leben ist nicht in Gefahr, aber du wirst für immer untertauchen müssen. Alle Welt wird deine Suppe essen, aber du selbst hast nichts davon. Oder Vorschlag 2. Ich verrate dir ein Rezept, das den König hellauf begeistern wird und mit ihm die reichen Leute, denn nur die werden sich diese Speise leisten können. Dann kriegst du die stolze Belohnung deines Königs, aber die einfachen Leute hungern weiter. Also auch deine Familie, deine Freunde ..."

viiiiel zu lang

Zitat:
wie ich heisse."

heiße

Zitat:
Untertauchen sollte er, weil beim König in Ungnade gefallen!

liest sich nicht so gut

Zitat:
übriggeblieben Essen

übrig gebliebene

Zitat:
Dieser Marc Duchute hatte das Fleisch aufgeschnitten und es mit Käse und Schinken gefüllt.

Die Beschreibung des Cordon Bleus hätte ich mir lebhafter und pfiffiger vorgestellt (Natürlich nciht als blose Beschreibung, sondern durch dei Augend es Königs und des Hofes). Da ist noch wenig Leben drin

Zitat:
Jungen mit dem Kochlöffel in der Hand nachzulaufen, kam er plötzlich vor dem Fremden zu

ich würde "einem Fremden, den er kannte" schreiben oder so ähnlich. Sonst denkt man, "der Fremde" bezieht sich auf den Küchenjungen

Zitat:
darauf hatte Marc doch gänzlich vergessen!

das hatte....

Zitat:
der mysteriöser Mann

der mysteriöse Mann

Zitat:
statt dessen

stattdessen

Zitat:
da draussen

draußen

Zitat:
heisse

heiße

Zitat:
sowas
so was

Zitat:
Wie die Fluten des Meeres stürmten die Bürgerwehren im Kampf mit den königstreuen Soldaten durch die blutigen Strassen von Paris, die Leichen türmten sich. Unaufhaltsam brandete der Volkszorn innerhalb weniger Stunden an die Tore des Palastes.

Der Sturm auf die Bastille war ja auch nicht wirklich das Großereignis, wozu es gemacht wurde. Und die Absicht des Volkes war zunächst eine andere als in diesem Text angegeben. Du fasst mehrere Ereignisse zusammen und setzt sie auf einen Tag. Das ist historisch ungenau

Zitat:
vorbeigestossen

vorbei gestoßen

Zitat:
das vergiessen wirst

das vergossen werden wird

Zitat:
weiss

weiß

Zitat:
spannte Marcs Hals in die Mechanik ein

spannt man den Kopf ein oder legt an ihn nicht einfach auf die Aussparung?

Insgesamt muss der Text lebhafter und pointiert werden, v.a. die Dialoge. Das Ende würde ich ganz umschrieben. An manchen Stellen kürzen, an anderen, die es nötig haben, ausführlciher und lebendiger werden.

V.a. die Gedanken der Personen kommen noch zu kurz.

LG,

silvie


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Merlinor
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Beitrag19.04.2008 14:11

von Merlinor
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Hallo ricochet

Also Robespierre hat das "Cordon bleu" erfunden. Gut zu wissen ... ER war wohl auch ein besonderer Mann, der des nächtens Einlass in des Königs Kerker fand. Ganz nach Belieben ...

Allerdings frage ich mich natürlich, warum Robespierre dem darbenden Volk das Rezept der Kartoffelsuppe vorenthielt, welches er ja offensichtlich besaß. Wollte Robespierre lieber die Revolution und nicht den Hunger der Armen lindern? Böser Mann!

Warum bot er dem guten Marc Duchute aber dann genau dieses Rezept zur Wahl an? Was ist so wichtig an Marc Duchute, dass nur er den Hunger des Volkes lindern durfte? Was wusste Robespierre, der Bezwinger der Kerkermauern, was wir nicht wissen?

Wenn Marc sich für das Gute entschieden hätte, wäre Robespierres Revolution nicht zu Stande gekommen. Was für ein Schlamassel!

Langer Rede kurzer Sinn: Das Problem Deines Textes ist, dass der Plot an sich zu widersprüchlich ist. Ein derartiges Märchen um die französische Revolution und die ungeklärte Herkunft einer Speise zu ranken, erscheint mir deshalb nur auf den ersten Blick verführerisch ...

Auf die Rechtschreibung hat meine Vorrednerin Dich ja schon hingewiesen, auch auf einige stilistische Mängel.

Herzlich  Very Happy

Merlinor
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ricochet
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Beitrag21.04.2008 10:14

von ricochet
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Liebe Silvie 111,

danke für Deine substanzielle Beschäftigung mit dem Text. Ich weiß es zu schätzen. Die Rechtschreibfehler sind inzwischen korrigiert, sowie einige stilistische Mängel, auf die Du hingewiesen hast. Deinem Hinweis, bezüglich Küchenjunge und Fremder hingegen kann ich mich nicht anschließen. Es besteht hier keine Notwendigkeit einer Abgrenzung, denn der Küchenjunge kann Marc nicht fremd sein und "der Fremde, den er kannte" ist in sich ein Widerspruch. Einen Fremden kennt man halt per definitionem nicht.

Ich habe diesen Text, so wie er hier gepostet ist, am selben Tag geschrieben. Er ist also das Werk einiger weniger Stunden. Insofern habe ich den Text einen Tick zu früh eingestellt. Es wird mir eine Lehre sein.

Was die Franz. Revolution angeht, war die - unabhängig vom exakten Ablauf der historischen Ereignisse - sehr wohl ein einschneidendes Großereignis. Nur, bei Begebenheiten dieser Art bleibt gerne das "Große Ganze" oder auch das "Plakative" übrig. Da der Text (aus anderweitigen Gründen) nicht länger sein darf, knüpfte ich kurzerhand an das Plakative an. Etwas anderes wäre gar nicht möglich.

Deine sonstigen Hinweise bez. Stilschicht der Dialoge und Ausführlichkeit der Szenen überdenke ich noch. Mir ist klar, der Text "ruckelt" zurzeit, wie ich immer sage. Allerdings - tunen braucht Zeit. Mir ist es mein Text wert, dass ich mir diese nehme. Ich habe den Text auch hier eingestellt, damit ich einige Hinweise dazu kriege.

Ich hoffe, ich kann mich bei Gelegenheit durch einen kongenialen Kommentar einer Deiner Texte revanchieren (wenn Du es möchtest, freilich).


Lieber Merlinor,

das ist ein Märchen und bleibt es trotz aller historischer Anspielungen zum Trotz bis zuletzt. Ich habe den Eindruck, Du liest den Text durch die Brille eines realistischen Autors. Wechsel doch mal die Brille. Deswegen ist auch historische Detailtreue nur ein marginales Thema. Historische Fakten sind:

Das Cordon bleu wurde am franz. Hof von einem Koch erfunden, der dafür die Auszeichnung des "Blauen Bandes" (franz.: Cordon bleu) erhalten hat. Im Laufe der Zeit ging die Bezeichnung für die Auszeichnung auf die Speise über.

Im 18. Jahrhundert gab es in Irland eine Reihe von Hungersnöten, denen man hauptsächlich durch den Anbau der Kartoffel Herr werden konnte. Die Kartoffel hat den Armen Irlands das Leben gerettet.

Davon abgesehen musst Du Dir den Fremden als Typ "Rumpelstilzchen" vorstellen. Da er sich gegen Ende des Textes in die historische Person des Robespierre (der von Zeitgenossen in der Tat als verwachsen geschildert wurde) verwandelt, lass uns lieber von "Stumpelrilzchen" reden.

Stumpelrilzchen ist ein magisches Wesen, bei dem wir uns über naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten nicht mehr unterhalten müssen. Das ist gut so, weil uns Stumpelrilzchen damit unabhängig von der Frage, woher es den Schlüssel zum Kerker hat, flugs zum Kern der Sache führen kann:

Kartoffelsuppe für alle oder eine Gaumenschweinerei für den König? Letztlich ist es das Anliegen des Textes, diese Frage aufzuwerfen, nicht jedoch, diese zu beantworten. Das soll nämlich der Leser. Aus diesem Grunde nehme ich mir auch die Freiheit, bei diesem Kernpunkt hinsichtlich des Textvolumens ein paar Takte länger zu verweilen, als es streng genommen unbedingt nötig ist.

Meine Absicht geht auf, denn sehr richtig stellst Du die Frage, was wäre gewesen, hätte sich Marc anders entschieden? Bei ausreichender Affinität zu freier Interpretation kann man die Franz. Revolution auch als reinigendes Gewitter verstehen, das Marc mit seiner Entscheidung verhindert hätte. Folglich wäre die missliche soziale Lage der breiten Bevölkerung nur verschleppt worden. Oder doch nicht? So selbstverständlich, dass sich Marc falsch entschieden hat, ist es ganz und gar nicht ...

Ich habe mir allen Ernstes überlegt, eine Gegengeschichte zu schreiben, in der sich Marc für die Kartoffeluppe entscheidet. Aber jetzt bringe ich zuerst einmal diesen Text auf Vordermann.

Tschüss

ricochet


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Merlinor
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Beitrag21.04.2008 12:58

von Merlinor
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Hallo ricochet

Tut mir Leid, wenn meine Anmerkungen bei Dir nicht gut angekommen sind. Die waren ganz sicher nicht böse gemeint, sondern halt das, was mir an Deinem Text aufgefallen ist. Wenn es auf Dich negativ gewirkt hat, dann entschuldige ich mich hier gerne.

Soweit mir bekannt, ist der Begriff „Cordon Bleu“ historisch nicht eindeutig zuzuordnen. Es ranken sich diverse Legenden um seine Entstehung, darunter eine im Zusammenhang mit Ludwig XV. Aber es gibt auch andere, zum Beispiel die von einem Schweizer Koch auf der „Bremen“, welcher dieses Gericht anlässlich einer Atlantiküberquerung zur Erringung des „blauen Bandes“ („Cordon Bleu“) kreiert haben soll. Die wirkliche Herkunft dieser Speise kann heutzutage nicht mehr nachvollzogen werden.

Doch dies nur nebenbei. Problematisch scheint mir Dein Text deshalb zu sein, weil er tatsächliche historische Ereignisse und Personen mit einem reinen Märchen verknüpft. Nun ist gerade die französische Revolution ein geschichtlicher Vorgang von besonderer Bedeutung und wurde deshalb von vielen verschiedenen Denkern und Dichtern sehr genau beleuchtet und gedeutet.

Hier eine Person wie „Robespierre“ in ein magisches Geschöpf zu verwandeln, erscheint mir persönlich schon etwas weit hergeholt und gewagt. Du schreibst ja, dass Du diesen Text für einen Wettbewerb entwickelt hast. Ich fürchte, eine Jury, die Deine Geschichte beurteilen soll, wird sich ebenso wie ich an dieser Vermengung stoßen.

Doch dies ist nicht mein vollständiger Einwand. Auch wenn man die Verquickung magischer Element mit realen Personen und Ereignissen einräumt, enthält Deine Geschichte ja noch einen logischen Bruch: Der wirkliche Bösewicht ist am Ende ja nicht Dein Protagonist Marc Duchute, sondern ein ins magische gehobener „Bürger Robespierre“, der beide Rezepte hält, sowohl die „Gaumenschweinerei“ des Königs, als auch die lebensrettende „Kartoffelsuppe“ für das Volk.

Der magische Robespierre hätte also in der Hand, das Volk vor dem Hungerstod zu retten, aber genau dies tut er eben nicht. Nein, aus unergründlichen und für den Leser schwer nachzuvollziehenden Gründen, macht er daraus ein moralisches Spiel mit Deinem Protagonisten.

Da dieser sich vorgeblich „falsch“ entscheidet, verhungern weiter Menschen und kommt es schlussendlich zur blutigen Revolution. Ich denke so etwas geht einfach nicht: Immerhin hatte der arme Duchute gute und aus seiner Lebensgeschichte nachvollziehbare Gründe, für seine Wahl. Robespierre hingegen nicht: Die Lösung zur Rettung des Volkes in der Hand zu halten und diese in einem albernen Spiel mit dem unbedeutenden Marc Duchute zu vergeuden ist nicht nachvollziehbar.

Ich denke, auch Märchen und Fantasie-Romane müssen eine innere Logik und Konsistenz haben. Diese Geschichte hat sie meiner Meinung nach nicht. Es wäre zum Einen wohl besser gewesen, sie außerhalb eines tatsächlichen historischen Kontexts anzusiedeln, zum Anderen ihre Moral nicht durch das widersprüchliche Verhalten des „Robespierre“ zu beschädigen.

Der hatte ja wohl das geringste Recht, am Schluss neben dem Schaffot zu stehen und die Hinrichtung des armen Duchute zu befehlen. Er hätte seine eigene Hinrichtung befehlen müssen ...

Aber das ist nur meine ganz persönliche Ansicht zu deiner Geschichte. Ich bitte Dich, mir diese nicht übelzunehmen.

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Olifant
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Beitrag21.04.2008 13:35

von Olifant
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Hi Ricochet,

da Du um ausführliche Korrektur gebeten hast, sei Deiner Bitte hiermit entsprochen.

Zu Deinem letzten Kommentar habe ich weiter unten noch was geschrieben.

Das nicht ganz gelungene, zu wenig pointierte Ende wurde ja bereits angemerkt. Der Kritik schließe ich mich an.

Zum Stil ist mir aufgefallen, dass Du sehr häufig "dieser" verwendest. Ggfs. lässt sich die Häufigkeit des Worts verringern durch "der, er, der König ...".

Noch ein paar Dinge für den Mittelteil:
Rotes kann man streichen, fett gedrucktes einfügen. Kommentare habe ich kursiv gehalten.

ricochet hat Folgendes geschrieben:
An seine Ehegattin dachte dieser ohnehin nur der Vollständigkeit oder der Höflichkeit halber.
...
Tatsächlich brachte er den ein oder anderen mit allerlei witzigen, frivolen Sprüchen und den üblichen Faxen zum Lachen.
...
Als es diesem zu bunt wurde, brüllte er: "Raus mit dir!"
Das musste er sich wohl oder übel selbst etwas einfallen lassen. Erneut bedeutete er dem Zeremonienmeister, her zu kommen und gab ihm die Anweisung: "Erteil den Wachen den Befehl, den fünfzehnten (wieso nicht den ersten? Wenn sie jeden Fünfzehnten bringen sollten, wäre diese Zahl evtl. irgendwie nachvollziehbar) meiner Untertanen, der am Palast vorbeigeht, zu mir zu bringen."
...
"Marc Duchute, Eure Hoheit.", anwortete dieser unsicher.
"Nun, Marc Duchute, ich langweile mich und du sollst für meine Unterhaltung sorgen."
(Hier fehlt etwas: Marc antwortet zu schnell, scheinbar ohne nachzudenken.)
"Ja, aber wie denn? Was möchtet Ihr, dass ich für Euch tue?"
...
Wenn dir bis zum vierten Tag etwas eingefallen ist, was mein Herz erfreut, wirst du reich belohnt und kannst im Schloss wohnen.
...
Stöhnten und ächzten doch alle unter dem allgegenwärtigen Hunger und Elend. Wie schön, könnte er einen so wertvollen Beitrag, zur Linderung des Elends der Situation leisten.
...
War denn das nichts?(War das denn nichts? Hört sich runder an!) ...
...
Als in der dritten Nacht zur nämlichen Stunde der Fremde wieder erschien, fing Marc zu reden an: "Also, ich habe mir überlegt, ..."
"Nein", unterbrach ihn der Fremde. "Sag mir einfach, wie du dich entschieden hast. Deine Gründe sind deine Sache, die interessieren mich nicht. Sag mir einfach: Ein Rezept für den König oder für das Volk?"
"Für den König." (Der Teil ist ein bisschen schwafelig. Besser ist es, beim Thema zu bleiben: der Fremde erscheint und fragt. Marc antwortet, der Fremde verschwindet.)
...
Als Marc am Vormittag des vierten Tages Ludwig XVI., dem König von Frankreich, vorgeführt wurde, sagte er: "Herr König, (Herr König? Spätestens da rollt doch schon der Kopf, oder?)
...
Die Miene des Hoftsaates verfinsterte sich ebenso. (Ausdruck: der Hofstaat als solcher hat keine Miene, da es sich dabei um einen Überbegriff über mehrere Personen handelt)
...
Übers Jahr war er sogar verheiratet. (Einfach weglassen, denn es hat ja keinerlei Relevanz, macht aber neugierig. Darüber hinaus würde das "Jahr" nicht zu dem Zeitraum von 3 Jahren passen, der anscheinend schon vergangen ist.)
...
Wie aus dem Nichts schien dieser aufgetaucht. (Es schien ja nicht nur so, sondern er war wirklich aufgetaucht.)
...
Du meine Güte, darauf hatte Marc doch gänzlich vergessen! Er war die ganze Zeit dabei gewesen, Reichtümer zu anzuscheffeln, sich als Koch einen ruhmvollen Namen zu machen Ruhm und Ehre zu verschaffen, dass für Anderes gar keine Zeit gewesen war.
...
Davon abgesehen konnte er sich gar nicht vorstellen, dass ihm der mysteriöser Mann mit seinen dunklen Ankündigungen wirklich etwas anhaben konnte. (Unlogisch, denn auf diese mysteriöse Art hat er ja auch erfolgreich geholfen)
...
Du hättest sie satt machen können, stattdessen hast du dich für das Wohl eines verwöhnten Königs, der auf Kosten seines Volkes lebt, um dein eigenes Wohl gesorgt.
...
Aber du hast dich in dieser tollen Küche hier selbst eingesperrt. (Besser: Du aber hast dich in deine eigene Küche eingeschlossen)
...
Was dir in den nächsten Tagen begegnen wird, ist nur die einzig logische Folge deines eigenen Tuns, deiner Entscheidung von damals. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird es dein Ende sein."
...
Dieser stand in vorderster Reihe, umgeben von fünf oder sechs schwer bewaffneten Bürgern. Offenbar leitete er die Hinrichtungen.

Als Marc an ihm vorbeigestossen wurde, zeigte ihm der Fremde die französische Flagge (Die Tricolore wurde erst während der Revolution zur neuen französischen Flagge. Marc würde die Tricolore also nicht als "französische Flagge" erkennen.)
...
Der Henker spannte Marcs Hals in die Mechanik ein. Dann wandte er sich dem Fremden zu und fragte: "Bürger Robespierre, soll ich ...?" (ich denke nicht, dass der Henker bei jedem Köpfkandidaten erst nachgefragt hat.)
Der Bürger nickte mit dem Kopf. Resigniert sah er zur Seite. (warum resigniert?)
...
Es war die einzige Enthauptung der Französischen Revolution, die sich Robespierre nicht angesehen hatte. (Dann hat er anscheinend jahrelang nichts anderes getan, als sich Hinrichtungen anzusehen. Wie schon von anderen erwähnt, passt das nicht in den historischen Kontext)



Zu Deinem zwischenzeitlich eingetroffenen Kommentar
ricochet hat Folgendes geschrieben:
Ich habe den Eindruck, Du liest den Text durch die Brille eines realistischen Autors. Wechsel doch mal die Brille. Deswegen ist auch historische Detailtreue nur ein marginales Thema.
Das halte ich für einen sehr weit verbreiteten Irrtum!
Dass sich der Deus ex Machina Robespierre als ein Rumpelstilzchen erweist, welches nach Belieben auf- und untertaucht, ist für mich kein Problem. So hatte ich es auch beim Lesen interpretiert. Kein Thema. Alles, was sich mit Fiktivem beschäftigt, darf so abstrus sein, wie Du willst. Aber alles, was sich mit dem realen Faktengerüst beschäftigt, MUSS sich an den allseits bekannten historischen Tatsachen orientieren, da sonst der Effekt des Märchens verpufft. Das liegt einfach daran, dass man intuitiv dem Autor Unkenntnis unterstellt. Ein Märchen enthält ja oftmals eine Lehre, die man auf diese Weise dem Leser vermitteln möchte.
Macht der Autor eklatante Fehler beim Rahmen, nimmt man auch das Märchen nicht mehr ernst. (Wenn das mal nicht paradox ist!)

Allerdings gebe ich gerne zu, dass diese historischen Ungenauigkeiten in Deiner Story gerade noch so erträglich sind. Laughing Hardy Kern wird Dir sicher bestätigen, dass ich hier normalerweise eher gnadenlos bin.

Nette Idee, das mit der Kartoffel!


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Liebe Grüße,

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silvie111
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Beitrag21.04.2008 20:01

von silvie111
Antworten mit Zitat

Zitat:
danke für Deine substanzielle Beschäftigung mit dem Text. Ich weiß es zu schätzen. Die Rechtschreibfehler sind inzwischen korrigiert, sowie einige stilistische Mängel, auf die Du hingewiesen hast.


Ich bin froh, dass ich helfen konnte und hab's gerne gemacht!  smile

Zitat:
Deinem Hinweis, bezüglich Küchenjunge und Fremder hingegen kann ich mich nicht anschließen. Es besteht hier keine Notwendigkeit einer Abgrenzung, denn der Küchenjunge kann Marc nicht fremd sein und "der Fremde, den er kannte" ist in sich ein Widerspruch. Einen Fremden kennt man halt per definitionem nicht.


Das stimmt schon , den logischen Zusammenhang sehe ich auch. Nur holperte die Formulierung im Text ein wenig. Als Leser weiß man schon, was gemeint ist, nur könnte man das besser formulieren. Nur eine Minisache

Zitat:
Ich habe diesen Text, so wie er hier gepostet ist, am selben Tag geschrieben. Er ist also das Werk einiger weniger Stunden. Insofern habe ich den Text einen Tick zu früh eingestellt. Es wird mir eine Lehre sein.


Dafür ist der Text schon beachtlich gut. Ich wünschte, ich könnte in wenigen Stunden so was schreiben.  smile  Bei mir dauert das immer Monate, bis ein Text reif für ein Publikum ist.

Zitat:
Was die Franz. Revolution angeht, war die - unabhängig vom exakten Ablauf der historischen Ereignisse - sehr wohl ein einschneidendes Großereignis. Nur, bei Begebenheiten dieser Art bleibt gerne das "Große Ganze" oder auch das "Plakative" übrig. Da der Text (aus anderweitigen Gründen) nicht länger sein darf, knüpfte ich kurzerhand an das Plakative an. Etwas anderes wäre gar nicht möglich.


Die Franz. Rev. war ganz klar ein einschneidendes Erlebnis. Was ich meinte war der Sturm auf die Bastille und dass war ja nicht wirklich ein Großereignis. Im Text kam das so rüber, als beschreibtest du nur den Sturm auf die Bastille. Kann  aber auch sein, dass mein Hirn mir da nen Streich gespielt hat. Muss da noch mal drüberlesen.

Zitat:
Deine sonstigen Hinweise bez. Stilschicht der Dialoge und Ausführlichkeit der Szenen überdenke ich noch. Mir ist klar, der Text "ruckelt" zurzeit, wie ich immer sage. Allerdings - tunen braucht Zeit. Mir ist es mein Text wert, dass ich mir diese nehme. Ich habe den Text auch hier eingestellt, damit ich einige Hinweise dazu kriege.


Der Text ist es auf jeden Fall wert, überarbeitet zu werden. Klar, tunen braucht seine Zeit, aber ich bin mir sicher, dass du die Fähigkeit dazu hast!

Zitat:
Ich hoffe, ich kann mich bei Gelegenheit durch einen kongenialen Kommentar einer Deiner Texte revanchieren (wenn Du es möchtest, freilich).


Um nicht unnötig Werbung für mich zu machen, schreib ich dir dazu ne PN

Liebe Grüße,

silvie


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Epos65
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Beitrag21.04.2008 23:10

von Epos65
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Hallo ricochet!

Grammatik und Rechtschreibung wurden ja eingehend kommentiert, hier mein Senf zu deiner Geschichte:

Zuerst: Bravo, wie du die Verbindung des Blauen Bandes und König Ludwig den XVI herstellst. War er doch einer der letzten Bourbonen, unter denen der Ritterorden des Blauen Bandes ein höchstangesehener war.

Ich finde deine Geschichte unheimlich interessant! Nur etwas verwirrt mich: Wenn Robespierre, der leicht verwachsene, etwas zu kurz geratene Mann war, der deinem Protagonisten zur Mitternacht erschien, und offensichtlich das Kartoffelsuppenrezept hatte, warum hat er es nicht gleich selbst unters Volk gebracht? Warum sich an einen Gefangenen des Königs wenden?
Dabei finde ich besonders die Idee "der Rezepte" so gelungen. Eins zum Wohl des Königs, eins zum Wohl des Volkes!
Könnte man den "leicht verwachsenen, etwas zu kurz geratenen Mann" nicht einfach "die Gerechtigkeit" sein lassen? Was für eine passende Beschreibung für die Gerechtigkeit zu dieser Zeit!
Und nachdem dein Protagonist sich nicht gebrauchen ließ, um ein Rezept zum Wohl des Volkes auszubreiten, obwohl ihm Schutz und die Sicherheit seines Lebens versprochen wurde, fand "die Gerechtigkeit" einen anderen, eben Robespierre!
Das Rezept zum Wohle des Volkes wäre dann eben "Demokratische Idee" oder so was.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir erklären konnte, was ich meine.
Auf alle Fälle finde ich die Grundidee deiner Geschichte genial!

Alles Liebe
Tina


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Olifant
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Beitrag22.04.2008 11:17

von Olifant
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Epos65 hat Folgendes geschrieben:
Nur etwas verwirrt mich: Wenn Robespierre, der leicht verwachsene, etwas zu kurz geratene Mann war, der deinem Protagonisten zur Mitternacht erschien, und offensichtlich das Kartoffelsuppenrezept hatte, warum hat er es nicht gleich selbst unters Volk gebracht? Warum sich an einen Gefangenen des Königs wenden?

Hi Epos,

also diese Frage stellt sich bei Parabel/Märchen/Fabel/... eigentlich gar nicht. Es geht dabei ja nicht um die Kartoffelsuppe oder Wohltaten an der Menschheit.
Sondern es geht um die Entscheidung eines Individuums, eine Art Gottesgeschenk für sich, oder für die Allgemeinheit zu verwenden.

In der Regel läuft das im Märchen folgendermaßen ab: ein Teufelchen stellt einen Herrscher vor die Wahl, mit seiner Macht moralisch umzugehen, oder schnell ans Ziel zu kommen.
Oder es geht um einen armen Schlucker, der die Wahl zwischen Geld und Glück hat. Der leichte Weg erfordert aber immer einen kleinen, angeblich harmlosen Einsatz.

Beide entscheiden sich anfangs für den leichten, persönlich lukrativeren Weg, bis dann die Rechnung beglichen werden soll und das große Geflenne losgeht.

Verwunderlich an der vorliegenden Geschichte ist, dass von einem Mann von der Straße moralisches Handeln verlangt wird. Das wäre eher eine Herausforderung für den König.
Und natürlich unterscheidet sich die Story vom Märchen dadurch, dass ein Happy End fehlt.
Kopf ab, Ende! Keine Chance, Läuterung zu erfahren und dazu zu lernen.


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Merlinor
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Beitrag22.04.2008 12:28

von Merlinor
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Das eigentliche Problem bei dieser Geschichte liegt meines Erachtens darin, dass der „Versucher“, also der „magische Robespierre“, nicht über der Geschichte steht.

Wenn er einfach nur ein Geist, Kobold oder Teufel wäre, dann wäre die Sache stimmig. Dann könnte er den armen Marc Duchute vor die Wahl stellen, Gutes zu tun, oder die eigene Karriere zu fördern.

Aber dieser "Robespierre" ist ja zugleich der weltliche Initiator der Revolution. Und er ist im Besitz beider Rezepte!

Da ist es dann schon komisch, dass er das Rezept der Kartoffelsuppe nicht selbst dem Volk zuteil werden lässt. Und noch komischer ist es, dass er am Ende den Tod des Duchute anordnet, weil dieser sich für das falsche Rezept entschieden hatund dem Volk die kartoffelsuppe vorenthalten hat.

Wie schon gesagt: Eigentlich müsste Robespierre hier doch seine eigene Hinrichtung anordnen ...
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Epos65
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Beitrag22.04.2008 12:53

von Epos65
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Ja, Merlinor, so sehe ich das auch. Darum meine Anregung, die mitternächtliche Erscheinung "die Gerechtigkeit" sein zu lassen, und Robespierre, als dritte Figur zum Schluss ein zuführen. Den muss man ja auch gar nicht weiter erklären, es genügt, ihn im letzten Satz zu erwähnen, weil er ja hinlänglich bekannt ist. Und die Moral von der Geschicht' : Wenn du zu etwas Weltbewegendem berufen bist, dich aber aus egoistischen Gründen gegen deine Berufung entscheidest, findet sich jemand anders, und du hast den eigentlichen Sinn deines Lebens verspielt. Dass hier ein Kopf rollt, finde ich dann auch seeehr symbolträchtig.

Alles Liebe
Tina


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sleepless_lives
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Beitrag22.04.2008 15:14

von sleepless_lives
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Hallo ricochet,
Robespierre als Märchenfee? Nur über meine kopflose Leiche... Im Ernst, das kannst du ihm nicht antun. Selbst Roux und Danton würden ihn wahrscheinlich dagegen verteidigen, obwohl deren Verhältnisse zu R. nach der Sache mit dem Fallbeil ein bisschen gespannt sind. Das Volk mit Märchen, wo die Lösung der sozialen Probleme von irgendwelchen wundersamen Dingen oder Ereignissen bewerkstelligt wird, ruhig zu halten, das hat der erste und zweite Stand lange erfolgreich durchgezogen (und nach dem sie Macht hatten, haben die Bürgerlichen dasselbe getan). Das ist vorbei, R. glaubt nicht an das Wunder, das alles gut macht. Er verändert die Gesellschaft, ziemlich schnell ziemlich blutig und am Ende total paranoid. Und jetzt wird ausgerechnet er dazu benutzt, das alte Märchen wiederauferstehen zu lassen. Almosen statt Veränderung mit R als Hauptfigur. Nur über meine kopflose Leiche... ach, sagt ich schon.

Außerdem, wenn man nichts zu Fressen hat, hilft auch das beste Rezept nichts. Das geht auch im Märchen schlecht, da sollte man doch zumindest einen großen Topf voll Kartoffelbrei haben, der nie weniger wird. Oder eine Fritteuse, wo aus den tiefen, bräunlichen Fettgründen in regelmäßigen Abständen einzelne Pommes frites auftauchen (Korrektur: gibt's schon, vgl. McDonalds). Vorsichtshalber hab ich trotzdem schon mal mein bestes Casserole-Rezept nach Äthiopien geschickt (um Anfragen vorzubeugen, das hab ich erfunden, ich hab kein Casserole-Rezept).
Ironischerweise wird die Rezeptproblematik durch die Geschichte Irlands, auf die du in deinem Kommentar hinweist, ins Gegenteil umgedreht.
Zitat:
Im 18. Jahrhundert gab es in Irland eine Reihe von Hungersnöten, denen man hauptsächlich durch den Anbau der Kartoffel Herr werden konnte. Die Kartoffel hat den Armen Irlands das Leben gerettet.

Die Kartoffel wurde erst 1780 in Irland eingeführt. Sie führte wegen ihrer guten Nährwerte zu einer Bevölkerungsexplosion und zur totalen Abhängigkeit der Kleinbauern von der Kartoffel. In den Jahren 1845-52 kam es zur schlimmsten Hungersnot in der Geschichte Irlands (The Great Famine, the Irisch Potato Famine) aufgrund eines fast  totalen Ernteausfalls bei der Kartoffel (Kartoffelfäule). Zwischen 500.000 und einer Million Iren starben, hundertausende andere wanderten aus. Ach hätte sich der irische Marc Duchute doch fürs Cordon bleu entschieden...

Vive la révolution!

- sleepless_lives


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ricochet
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Beitrag23.04.2008 10:57
Überarbeitete Version
von ricochet
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Auf Grund der vielen Anregungen, Hinweise, Kritik aller Art, war es mein Wunsch, der Geschichte "die Nase zu schneuzen, ihr einen Scheitel zu frisieren". Herzlichen Dank an alle, die die alte Version gelesen haben. Ich habe alle Hinweise eingearbeitet, soweit ich mich ihnen anschließen kann.

Das ist dabei herausgekommen:



Gelangweilt kaute der König an seinem Abendessen. Nein, das Huhn in Pfefferminzsauce schmeckte nicht. Die Musik im Hintergrund ödete ihn an, war es doch das immer gleiche, einschläfernde Lautengeklimper. Die Konversation zu Tische erschöpfte sich in den üblichen, nichtssagenden Belanglosigkeiten. Ja, das Volk murrte, aber wann tat es das nicht? Und die Mode? Naja ... Selbst seine Konkubinen, sorgfältig verteilt unter den Gästen am Tisch, reizten ihn heute nicht. Und das, obwohl sich manch eine viel Mühe gab, des Königs Aufmerksamkeit zu erregen. An seine Ehegattin dachte dieser ohnehin nur der Höflichkeit halber.
Unwirsch winkte der König den Zeremonienmeister zu sich: "Es ist ein furchtbarer Abend. Erteil den Wachen den Befehl, den, Moment mal ...“ Er zählte die Knöpfe seiner Jacke ab „den fünfzehnten meiner Untertanen, der am Palast vorbeigeht, zu mir zu bringen."
Wenig später wurde ihm ein junger Mann vorgeführt.
Der König sagte: "Wie heißt du?"
"Marc Duchute, Eure Hoheit"
"Nun, Marc Duchute, ich langweile mich und ich erlaube dir in meiner Großmut, für meine Unterhaltung sorgen."
Marc überlegte in aller Eile, wie er sich verhalten sollte. Er entschloss sich, nachzufragen:"Ja, aber wie denn? Was möchtet Ihr, dass ich für Euch tue, Hoheit?"
"Lass dir etwas einfallen. Streng dich gefälligst für deinen König etwas an."
"Ich habe keine Ahnung, woran Ihr Gefallen findet. Das braucht Zeit, Eure Hoheit."
"Zeit? Meinetwegen, die sollst du haben", sagte der König. "Drei Tage und drei Nächte sollst du im Kerker nachdenken dürfen. Wenn dir bis zum vierten Tag etwas eingefallen ist, was mein Herz erfreut, wirst du reich belohnt und darfst für den Rest des Lebens im Schloss wohnen. Sollte das aber nicht der Fall sein, rollt dein Kopf. Einen Kopf, in dem nichts drin ist, brauchst du sowieso nicht."
Da lachten die Höflinge. Wie geistreich der König heute wieder war!
Als sich der Schlüssel zur Kerkertür hinter Marc geräuschvoll drehte, sagte der junge Mann zum Gefängniswärter: "Kannst du mir sagen, womit sich Seine Majestät gerne unterhält?"
Der Kerkermeister hielt inne: "Mit Vorliebe hört er ordinäre Witze, aber ich glaube, es gibt keinen, den er nicht schon fünfmal gehört hätte. Dann sind da noch seine Weiber, ach ja, und zwischendurch frisst er sich den Wanst voll."
Marc setzte sich auf einen Haufen stinkenden Strohs, wodurch er eine Ratte aufscheuchte und starrte kopfschüttelnd die abweisenden Mauern an. Er konnte es nicht glauben. Da lebte der König in Saus und Braus und doch langweilte er sich! Die Nacht verging, der folgende Tag ebenso und nichts, aber schon gar nichts, war Marc eingefallen. In der zweiten Nacht erschien ihm Schlag Mitternacht ein leicht verwachsener, etwas zu kurz geratener Mann und sagte ihm: "Ich kann dir helfen, Marc."
"Dich schickt der Himmel."
"Abwarten, das ist nicht gesagt. Hör mir zu, denn ich habe zwei Vorschläge für dich. Vorschlag 1. Ich verrate dir ein Rezept für eine Kartoffelsuppe, die so einfach, billig und nahrhaft zugleich ist, dass sie den Hunger der armen Leute stillen kann. Nur der König ... nein, der wird daran keine Freude haben. Ich werde dich zwar retten, denn er wird wütend werden, aber du wirst für immer untertauchen müssen. Alle Welt wird deine Suppe essen, aber du selbst hast nichts davon. Oder Vorschlag 2. Ich verrate dir ein Rezept, das den König hellauf begeistern wird und mit ihm die reichen Leute, denn nur die werden sich diese Speise leisten können. Dann kriegst du die stolze Belohnung, aber die einfachen Leute hungern weiter. Also auch deine Familie, deine Freunde ..."
Marc entgegnete mißtrauisch: "Und was forderst du als Gegenleistung?"
"Egal, wofür du dich entscheidest, nach Ablauf von fünf Jahren musst du wissen, wer ich bin und wie ich heiße."
"Und wenn es mir nicht gelungen ist, das herauszufinden?"
"Dann kostet es dich dein Leben. Überlege gut, morgen Nacht komme ich wieder."
Damit war er verschwunden. Marc zermarterte sich den Kopf. Fünf Jahre waren eine lange Zeit, da würde er bestimmt in Erfahrung bringen, wie der komische Kauz hieß. Als Günstling des Königs standen ihm alle Türen und Tore offen. Andererseits hatte er mit der Suppe die einmalige Gelegenheit für das kleine Volk, seine eigenen Leute, etwas zu tun. Stöhnten und ächzten doch alle unter dem allgegenwärtigen Hunger. Wie schön, könnte er einen so wertvollen Beitrag zur Linderung des Elends leisten. Doch zu welchem Preis? Sollte er, in seinen jungen Jahren, für den Rest seines Lebens darauf verzichten, jemals eine Stellung in der Verwaltung zu bekleiden? Untertauchen sollte er, weil beim König in Ungnade gefallen! Wünschte er sich doch nichts sehnlicher, als seinen traurigen Verhältnissen entfliehen zu können!? Jetzt war die Gelegenheit dazu, was sollte ihn zurückhalten? Auch in der Umgebung des Königs würde es Möglichkeiten geben, sich für die kleinen Leute stark zu machen. Da und dort dem einen etwas Geld zukommen lassen, damit er sich den Arzt für seine Frau leisten könnte, das übrig geblieben Essen von des Königs Tafel verteilen ... War das denn nichts? Man kann im Leben nicht alle Menschen glücklich machen.
Als in der dritten Nacht zur nämlichen Stunde der Fremde wieder erschien, fing Marc zu reden an: "Also, ich habe mir überlegt, ..."
"Nein", unterbrach ihn der Fremde. "Sag mir einfach, wie du dich entschieden hast. Deine Gründe sind deine Sache, die interessieren mich nicht. Sag mir einfach: Ein Rezept für den König oder für das Volk?"
"Für den König."
Und schon war der Fremde wieder verschwunden. Als Marc am Vormittag des vierten Tages Ludwig XVI., dem König von Frankreich, vorgeführt wurde, sagte er: "Eure Hoheit, lasst mich in die Küche gehen und gebt mir dort zwei Stunden Zeit. Erwartet um die Mittagsstunde meine Überraschung zu Eurem Vergnügen."
Zur Tafel erschien er mit einem neuen Gericht. Appetitlich paniert lag es auf König Ludwigs Teller. Nichts besonderes, so fand der König beim ersten Augenschein und schon begann sich seine Miene zu verfinstern. Die Miene des Hofstaates verfinsterte sich ebenso. Doch kaum war das Fleisch geschnitten, begann sich ein Duft von geschmolzenem Käse, gemischt mit Burgunderschinken auszubreiten. Wie betörend stieg dem König das Aroma in die Nase! Dieser Marc Duchute hatte zartes Kalbfleisch halbiert und es mit Käse und Schinken gefüllt. Ein Geschmackserlebnis der wahrlich besonderen Art begeisterte den König. "Aaaah ...!" entfuhr es Ludwig XVI. in seiner Bewunderung, worauf der Hofstaat in Verzückung ausbrach. So viel Originalität gehörte in der Tat belohnt. Hocherfreut und noch mit vollem Mund verlieh der französische König Marc Duchute die Auszeichnung des "Blauen Bandes", "Cordon bleu" genannt. Während er sein Glas Champagner in die Luft hielt, verfügte Ludwig XVI.: "Und weil du für dein Gericht diese Auszeichnung erhalten hast, soll auch deine Speise künftig Cordon bleu genannt werden. Damit sich alle Welt an deinen Namen erinnert. Ab sofort bist du mein oberster Küchenmeister und lebst im Schloss."
Von Stunde an erfreute sich Marc eines nie gekannten Wohlstandes, sowie einer Aufgabe, die seiner würdig war. Mit Fleiß und Klugheit stand er des Königs liebster Abteilung des Hauses, der Küche, vor. Von früh bis spät stand er zwischen Fasan, erlesenem Fisch, Kräutersuppe und exotischem Gewürz. Stets gab er sein Bestes zum Wohle des Königshauses und seines persönlichen Ruhmes.
Eines Tages stand er wieder in der Küche und schalt einen Küchenjungen, der vergessen hatte, den Hühnerbraten rechtzeitig vom Feuer zu nehmen. Als er gerade dabei war, dem Jungen mit dem Kochlöffel in der Hand nachzulaufen, kam er plötzlich vor dem Fremden zu stehen. Wie aus dem Nichts war dieser aufgetaucht. Überrascht sagte Marc: "Ohhh, du! Fünf Jahre, hast du gesagt!"
Der Fremde sah ihn seltsam an und erwiderte: "Ja, die sind heute vorbei. Wie schnell das doch geht, nicht wahr? Und hast du die Antworten auf meine Fragen?"
Du meine Güte, das hatte Marc doch gänzlich vergessen! Er war die ganze Zeit dabei gewesen, Reichtümer anzuhäufen, sich als Koch alle Ehre zu machen, dass für Anderes gar keine Zeit gewesen war. Davon abgesehen konnte er sich inzwischen nicht mehr vorstellen, dass ihm der mysteriöse Mann mit seinen dunklen Ankündigungen wirklich etwas anhaben konnte.
"Ich habe es nicht in Erfahrung gebracht", räumte Marc zähneknirschend ein. "Ist das denn so tragisch? Oder können wir morgen darüber weiterreden? Wir sind im Hause des Königs, da wird den ganzen Tag lang verhandelt."
Mitnichten schien der Fremde einverstanden. Er sagte: "Sieh zum Fenster hinaus. Erblickst du da die Bettler auf der anderen Straßenseite? Du hättest sie satt machen können, stattdessen hast du dich für das Wohl eines verwöhnten Königs, der auf Kosten seines Volkes lebt, gesorgt. Die da draußen, die könnten dir sagen, wer ich bin und wie ich heiße, denn die kennen mich bestens. Aber du hast dich lieber in des Königs Küche eingeschlossen."
"Sprichst du jetzt einen Fluch aus über mich?", meinte Marc leicht spöttisch.
"Oh nein, viel schlimmer. Was dir in den nächsten Tagen begegnen wird, ist nur die einzig logische Folge deines Tuns, deiner Entscheidung von damals. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird es dein Ende sein."
"Da ich nicht dahintergekommen bin, verrate mir bitte dein Geheimnis: Wer bist du und wie heißt du?"
"Bald wirst du es wissen, sehr bald ..."
Ein letztes Mal war der Mann verschwunden.
Am nächsten Tag, am 10. August 1792, brandete die Französische Revolution unaufhaltsam an die Tore des Palais des Tuileries, dem Sitz des Königs. Wie die Fluten des Meeres stürmten die Bürgerwehren im Kampf mit den königstreuen Soldaten durch die blutigen Strassen von Paris, die Leichen türmten sich. Im Nu waren die Wachen besiegt, das Schloss eingenommen. König Ludwig XVI., seine Frau Marie Antoinette, seine Kinder und auch Marc Duchute, als königstreuer Vasalle, wurden in das Temple-Gefängnis geworfen. Nach Jahren fand sich Marc erneut im Kerker wieder, so wie damals, als er sich für des Königs Rezept entschieden hatte. Nur dass dieses Mal Hunderte Menschen gemeinsam mit ihm den Kerker teilten. Täglich wurden es mehr.
Aus den Gesprächen der Gefängniswärter hörte er in den folgenden Wochen gelegentlich, dass königstreue Truppen von der Provinz her im Anmarsch auf Paris wären. War das die Befreiung oder würde man die Häftlinge in aller Eile hinrichten, um einem Aufstand vorzubeugen? Bange Fragen quälten Marc.
Kaum war es September geworden, wurde Marc eines Morgens aus seiner Gefängniszelle auf einen Holzkarren gezerrt. Gemeinsam mit sechs Mithäftlingen karrte man ihn mitten durch eine wütende Menschenmenge zum Schafott auf den Pariser Hauptplatz. Als er die drohend geballten Fäuste ausgemergelter Frauen und Kinder sah, fragte er sich: „Hätte ich das verhindern können? Kann es wirklich sein, dass das die logische Folge meiner Entscheidung ist?“
Auf dem Hauptplatz kam er an dem Fremden vorbei. Dieser stand in vorderster Reihe, umgeben von fünf oder sechs schwer bewaffneten Bürgern. Offenbar leitete er die Hinrichtungen.
Als Marc an ihm vorbei gestoßen wurde, zeigte ihm der Fremde die neue französische Flagge, die Tricolore, indem er sagte: "Blau wie die Auszeichnung, die du erhalten hast, rot, wie das Blut, das du vergießen wirst und weiß wie die Unschuld deiner Seele, die du verloren hast."
Der Henker spannte Marcs Hals in die Mechanik ein. Dann wandte er sich dem Fremden zu und fragte: "Bürger Robespierre, soll ich ...?"
Der Bürger nickte mit dem Kopf. Sssssssssst, so fiel das Beil.


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MosesBob
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Beitrag24.04.2008 11:16

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Guten Morgen, ricochet!

Dein Erzählstil ist souverän und sehr flüssig zu lesen. Mir hat die Geschichte (ich habe die neue Version gelesen, die alte nicht) sehr gut gefallen, wenn mir auch zum Schluss schmerzlich ein pointierter Zungenschnalzer fehlt. Aber der ganze Rest ist toll geschrieben. Gerne gelesen.

Beste Grüße,

Martin


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Beitrag25.04.2008 11:59

von silvie111
Antworten mit Zitat

Hallo ricochet,

hab mir jetzt den überarbeiteten Teil durchgelesen und ich finde ihn besser als den ersten. Mit dem Ende bin ich, wie MosesBob, noch immer nicht zufrieden. Auch fehlt mir noch immer die Innenwelt des Marc Duchute. Er wirkt auf mich noch immer ein wenig distanziert. Erinnert mich an die Hautperson von "L'Etranger" von Albert Camus.

Einige Details würde ich auch noch ein wenig umschreiben.

Zitat:
Lautengeklimper

da denkt man im ersten Moment ans Mittelalter

Zitat:
Er zählte die Knöpfe seiner Jacke ab

Die Idee ist gut!

Zitat:
Wenig später wurde ihm ein junger Mann vorgeführt.

das geht auch ein wneig schnell. Vielleicht müssten noch ein, zwei Sätze davor eingeschoben werden. Das war beim ersten Mal, glaub ich, besser

Zitat:
"Marc Duchute, Eure Hoheit"

genau hier wirkt Marc zu distanziert. Ich würde in etwa so etwas einfügen:
Oh Gott, was mache ich hier? Ich habe doch nichts verbrochen? Was will der König von mir? etc.etc.

und genauso auch hier:

Zitat:
"Kannst du mir sagen, womit sich Seine Majestät gerne unterhält?"

Ich bin im Gefängnis! Was mache ich hier? Wie komme ich wieder aus diesem Schlamassel raus?

und hier:

Zitat:
"Dich schickt der Himmel."

Was ist das? Wer ist er? Woher kommt er auf einmal? Ist er gekommen, um mir zu helfen?

Zitat:
Vorschlag 1.
Oder Vorschlag 2

Mein erster Vorschlag:
Oder mein zweiter Vorschlag:

Zitat:
denn nur die werden

denn nur sie

Zitat:
Dann kriegst

Dann bekommst

Zitat:
Also auch deine Familie, deine Freunde ..."

auch deine Familie und deine Freunde

Zitat:
Nichts besonderes

Nichts Besonderes

Zitat:
Die Miene des Hofstaates verfinsterte sich ebenso.

Das pars pro toto ist gut!

Zitat:
Kalbfleisch halbiert und es mit Käse und Schinken gefüllt.

halbiert, gefüllt? Das liest sich wie aus einem distanzierten Kochbuch.
Das könnte man noch blumiger umschreiben

Zitat:
Damit sich alle Welt an deinen Namen erinnert

Aber es heißt doch Cordon Bleu und nicht Marc Duchute

Zitat:
"Ist das denn so tragisch? Oder können wir morgen darüber weiterreden? Wir sind im Hause des Königs, da wird den ganzen Tag lang verhandelt."

gefällt mir noch immer nicht so ganz

LG,

silvie


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