Herr von Ribbeck ...!

[Die Drahthexe]

Nach meinem ernsten Einstand im Prosa-Bereich möchte ich hier eine kleine Bastelei ausschließlich zur sommerlichen Erheiterung präsentieren.

(Die erste Version des Textes ist schon älter und war mehr als doppelt so lang wie das Original. Ich hoffe, dass ich die "richtigen" Strophen rausgenommen habe.
Außerdem grämt es mich ein wenig, dass ich den begonnenen m/w Kadenzwechsel nicht durchgehend beibehalten konnte. Vorschläge wären willkommen ...!)

Ähnlichkeiten mit real existierendem Kulturgut sind beabsichtigt, aber natürlich völlig unentschuldbar.
Auf geht's!

Herr von Ribbeck...!

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
als Giveaway-Gutsherr beliebt und bekannt,
denkt oftmals zurück an vergangene Zeiten
als pflückfrische Birnen die Kinder erfreuten.
Weil die Nachfrage schwand, gar auf Null zurückging
griff von Ribbeck zum Zielgruppen-Marketing:
„Mit bunten Bildern und zwei, drei Tabellen
werd’ ich den Kleinen die Werte erhellen
von frischem versus fastem Food
… dann wird bald alles wieder gut!“

So kam es, dass Ribbeck im Casual-Gewand
kurz darauf vor nichtsahnenden Erstklässlern stand:
„Nur Pizza und Pommes und Cola im Magen,
sagt, wollt ihr das wagen und Bauchweh ertragen ...?“
Schnell vergaß er voll Birnenbegeisterung
die Gefahr der mentalen Verkleisterung
fuhr fort, bis der Gongschlag die Kinder befreite
- und die suchten ausnahms- und fruchtlos das Weite.
„Versuchen wir’s als Nächstes dann
mehr so in Richtung ‚Fruit and Fun‘.
Ein kultiges Idol muss her,
genannt … äh … Captain … Power Pear!“

So trat er erneut vor die goldigen Kleinen,
doch deren Feedback brachte ihn fast zum Weinen.
Als matschweicher Obstelix übelst beschimpft
wurde sein Held restlos niedergeglimpft.
„Noch geb ich nicht auf! Nun geht’s ans Destillieren
um die Birnen-Essenz flüssig zu applizieren!“
Lang brodeln die Kolben, dann ist es soweit
und von Ribbeck probiert voll Verwegenheit.
Es spreizt ihm die Zehen, es sträubt ihm die Ohren
– das Säftchen ist offenbar recht gut vergoren!

Zwar sind B, C und E in dem Trunk nun geballt
doch liegt dessen Reinalkoholgehalt
mittig zwischen bewusster Erheiterung
und Fullsize-Bewusstseinserweiterung.
Von Ribbeck erwägt, ihn auf Vorrat zu keltern
aber nicht für die Kids, sondern für deren Eltern!
Denn Erziehungsberechtigten-Konsolation
sei ab sofort seine wahre Mission.

So nippt er genüsslich an seinen Likören
und zwitschert auf all die verzogenen Gören.

 

[Harald]

Hallo Drahthexe,

Mich persönlich spricht das nicht an.

Es beginnt mit knapp 4 Zeilen, die auf Ribbeck einstimmen, und dann geht es kreuz und quer. da sind interesante Wortspiele dabei, aber irgendwie wirkt das alles ein wenig zerissen.

Da es zwischenzeitlich metrisch auch kreuz und quer geht sage ich mal einfach:

Ziel verfehlt.

Aus dem Text ließe sich mehr machen, wie,
das weiß ich leider auch nicht …

[MoL]

Hallo, liebe Drahthexe!

Danke sehr für diese heitere Geschichte, die mich oft zum Schmunzeln brachte!

Allerdings muss ich Harald auch Recht geben: Du arbeitest stellenweise nicht sauber, opferst den Rhythmus zugunsten der Wortgebilde und das darf nicht sein!

Ich stelle mir das Ganze gerade in so einem Buch a la Wilhelm Busch vor, mit so richtig alten Strichzeichnungen bei, herrlich!

Also mich spricht es an! Besonders gut gefällt mir die (Anti-)Einbettung diverser Schlagworte, sehr schön!

[Soleatus]

Hallo Drahthexe!

Das ist, rhythmisch gesehen, für den Leser sehr unangenehm, denn du zwingst ihn andauernd dazu, sich zu verbessern. Beispiel: "mittig zwischen bewusster Erheiterung" - das liest man, unbefangen, erst einmal mit Betonung auf "mit-", wogegen im Knittel (den du hier, denke ich, nach Fontanes Beispiel benutzt?!) nichts spricht; und erst am Ende des Verses bemerkt man, dass durch die zwei Betonungen, die "Erheiterung" in Anspruch nimmt, das "mittig" vorne unbetont bleiben muss, sprich: die letzte Silbe des Verses klärt, wie die erste ausgesprochen werden muss! ("Schnell vergaß er voll Birnenbegeisterung", "griff von Ribbeck zum Zielgruppen-Marketing:" sind ziemlich dasselbe.)

Davon ab sind mir die Verse oft zu ungegliedert, was sie sehr ins Rennen kommen lässt und dadurch formlos macht: "und die suchten ausnahms- und fruchtlos das Weite." Nur als Beispiel, nicht als inhaltlicher Änderungsvorschlag: "und die suchten voll Furcht, doch fruchtlos das Weite." Derartige Verse haben mehr Halt und Form?!

 Weiter gibt es Fälle, wo die gedachte Betonung unklar bleibt: "um die Birnen-Essenz flüssig zu applizieren!" Ist das ...

um die Birnen-Essenz flüssig zu applizieren!"

... oder ...

um die Birnen-Essenz flüssig zu applizieren!“

... ist es das? Die erste Lesung ist im Knittel ohne Schwierigkeit möglich, nur hat dafür heute kaum noch jemand ein Gefühl; und wenn man's rein anapästisch versucht und das "flüssig" in die Senkung drücken muss, während das "zu" in die Hebung kommt, braucht es gleichfalls einiges an Vortragserfahrung, um den Vers zum Klingen zu bringen?!

Ein Randpunkt ist noch: Es fehlen ziemlich viele Kommata, die müsstest du vielleicht noch nachtragen.

Insgesamt: Das ist ein Text, bei dem ich mir sicher bin, dass er den mündlichen Vortrag braucht, um wirken zu können. Sprich ihn doch mal ein und hänge die entsprechende Datei hier an; ich denke, dann wird man hören können, er bewegt sich eigentlich ziemlich frech und frisch, manchmal auch mutwillig, aber durchaus anhörbar. Als Lesestück dagegen ist er dem Leser ein Labyrinth, eine mühsame Rechenaufgabe, die zu lösen die wenigsten bereit sein werden ...

Gruß,

Soleatus

[Die Drahthexe]

Potzblitz!
Da hakt es öfter, als mir bewusst war.  
Also zurück ins Knittel-Korsett und ein paar Gags einbüßen, oder lieber ganz was Neues wagen - ?  
Als erste Sofortmaßnahme hab ich mal den internen Arbeitstitel geändert in "Die Birne der Pandora" ...