18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Teil 24 Man lebt sich ein ... (II)


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag07.05.2008 17:53
Teil 24 Man lebt sich ein ... (II)
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wir gewöhnten uns ein. Allerdings gab es Eigenarten in der Kosmetik, mit denen ich mich nicht anfreunden konnte.
Wenn Frau hier eine Schönheitsmaske, oder Vitaminmaske für die Gesichtshaut auflegte, verbarrikadierte sie sich nicht zu hause, um die Nachbarn nicht zu schocken. Nein, hier ging Frau mit festgeklebter dick aufgetragener Schönheitsmaske genauso auf die Straße, in die Bank oder zum Einkauf. Sogar in die Gaststätte zum Essen ging Frau mit dieser hellen verschmierten Kruste im Gesicht. Die Augen fein freigehalten.
Dieser Anblick war ebenso gewöhnungsbedürftig, wie die Eigenart ein bestimmtes Fett in die Haare zu reiben, damit es glatt wird und hält. Es hielt meist so gut, dass die Haare weder natürlich im Wind wehten, noch sonstige Bewegungen mitmachten. Diese Haartracht sah dann einfach stumpf aus und roch übel. Die Haare waren zwar glatt, aber ähnelten mehr einem Deckel aus Pappe, als schönem natürlichem Haar.
Die Frauen hatten hier ein anderes Schönheitsideal als in Europa. Schick waren möglichst glatte Haare. Und je heller die Haut, desto angesehener war man.
Fanja in Tana wollte kaum glauben als ich ihr erzählte, was Frauen in Deutschland für eine Dauerwelle ausgeben, nur um ein paar Locken auf dem Kopf zu haben und wie viele Menschen jede Woche ins Solarium laufen, da eine gebräunte Hautfarbe ein Markenzeichen für Pflege, Fitness und Körperkult geworden ist.
Ja, ja, die Menschen wollen immer das, was sie nicht haben.

Wir lebten uns ein, das heißt auch, wir sahen die vielen kleinen Momente, die Freude bereiteten.
Beim Gemüsekauf auf dem Markt gingen wir immer zum gleichen Stand. Eine mollige lustige Frau bediente dort. Ihre Kinder packten das Gekaufte in die Tasche. Sie wussten schon, wenn sie uns sahen, was wir bevorzugten. Ein Spaß war das Bezahlen. Sebastian gab ihr erst das Geld, wenn sie versuchte, den Preis auf Deutsch zu sagen. Alle lachten, auch die Marktfrauen von den anderen Ständen in der Markthalle.

Ich genoß es sehr mit dem Auto durch die Stadt zum Einkauf zu fahren und diese Freiheit zu spüren. Es war einfach schön: Sonne auf dem Tank, blauer Himmel, überall nette Leute ein buntes Gewühl.

In Tsara Mandroso, einem Stadtteil von Majunga, da tobte das Leben. Unzählige kleine Händler, Läden, Verkaufsstände, viele Menschen, in afrikanischer, modischer, oder moslemischer Kleidung, bunt, grell, viel Haut oder sittsam.
Hier in das menschliche Gewühl eintauchen, da pulsierte das Leben. Was konnte es Schöneres geben? Es roch nach allerlei exotischen Gewürzen, nach Meer, Fisch und nach brennender Grillkohle, gerösteten Nüssen und gebratenen Fleischspießen.
Das war mein Mahajanga.

Beim Fahren musste man höllisch aufpassen. Radfahrer und Pousse Pousse fuhren achtlos auf der Straße, ohne Rückspiegel, ohne Licht. Fußgänger liefen kreuz und quer.
Einfach Hupen und durch.
„Rondro! Warum passen sie nicht auf? Das Gesundheitswesen ist doch nun wirklich nicht so gut und die Gefahr eines Unfalls sehr hoch.“
Sie lachte. „Die Leute sagen, die Autos haben Angst vor den Füßgängern.“
So gesehen stimmte das auch, denn ich fuhr sehr vorsichtig und mehr als aufmerksam.

In der Stadt wurde nur 20kmh gefahren, am Stadtrand 40 kmh, aber teilweise waren die Straßen ohnehin in einem Zustand, der keine andere Geschwindigkeit zuließ, wollte man sich nicht den Unterboden wegreißen.
Allerdings gab es auch keine Geschwindigkeitskontrollen. „Alkoholtest“ war hier ein Fremdwort und entsprechend gefährlich war es auch abends auf den Straßen. War man unsicher an der Kreuzung, wer zuerst fahren durfe, dann hatte das größere Auto den Vorrang oder wer zuerst hupte. Trotzdem gab es immer wieder Polizeikontrollen in der Stadt.

Jan und Gunter wurden zwei Mal kontrolliert. Das erste Mal waren es gleich drei Polizistinnen, die meinten: „Wenn das Auto frisch aus dem Zoll kommt, muss es ordentlich begossen werden.“ Das hieß, sie bekamen Geld.
Das zweite Mal wurden sie "erwischt", als Jan eine Einbahnstraße verkehrt herum befuhr, also wieder löhnen. Der Clou dabei aber war, dass es kaum Straßenverkehrsschilder gab, auch nicht bei Einbahnstraßen. Man konnte nur raten, ob man in einer Einbahnstraße war.

Ich wurde auch schon angehalten. Einmal hatte ich Glück, Rondro war dabei. Sie konnte die Diskussion um meine Fahrerlaubnis, die sie nicht (deutsch) lesen konnten, beenden.
War ich allein im Auto unterwegs, sprach ich stur deutsch und sie gaben irgendwann entnervt auf.
Mit der Zeit kannten wir die Polizisten in der Stadt. Wir wussten, wann und wo sie standen. Sie hingegen kannten den Opel schon und hielten uns nur noch an, wenn sie etwas Geld zum Trinken brauchten.
An der Kreuzung vor dem großen Markt stand meistens ein Polizist. Er gab mir die Vorfahrt, grüßte und ich lachte.

Nun lebten wir hier und lebten uns ein. Um den verwilderten Garten ein schöneres Gesicht zu geben, hatten wir noch keine Zeit. Doch es kamen immer wieder Jungs, die nach Arbeit fragten oder sich anboten die Wiese zu schneiden. Okay, warum nicht ?
So begannen eines Tages zwei junge Männer das Gras zu mähen, mit einer Handsichel, so groß, wie ein Küchenmesser. Nach einem Tag waren sie fertig. Unglaublich.
Ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie die Schere vorgeholt und damit noch einmal nach gebessert hätten.

Gunter war wieder einmal nach Tana gefahren, um Dokumente für den Zoll zu besorgen. Jan war seltsamerweise sehr oft zu Hause und immer öfter legte er sich ins Bett. Wollte nicht gestört werden.
Eines Abends klagte er über Schmerzen. Er konnte weder sitzen noch liegen. Er beichtete mir, dass er schon seit einer Woche diese Schmerzen hatte. Nun war es dick geschwollen. Er hatte mittlerweile so starke Schmerzen, dass er weder sitzen noch liegen konnte. Wieder nahm ich mein Kräuterbuch zur Hilfe. Ich hatte Tee, der helfen konnte. Ein Arzt wäre besser gewesen, aber er scheute sich. Also bekam er nun jeden Tag Tee, Zuspruch und Kühlung.
Im Internet recherchierte ich, was es sein konnte, was er sich da zugezogen hatte. Es passte, die Nacht, in der er nicht heimkam, lag etwa fünf Wochen zurück...

Na, da hat wohl der "da oben" für Strafe gesorgt, dachte ich mir und übernahm nun zur Lauferei zu den Ämtern, den Einkäufen, das Kochen, auch noch die Pflege des Kranken und legte mir ein dickes Fell gegen sein Gejammer und Gestöhne zu.
Diese Krankheit zog sich über viele Wochen hin. Eine ärztliche Behandlung wäre dringend ratsam gewesen. Doch er blieb stur bei seiner Meinung: „Kein Arzt.“
Meine Mutti sagte immer: "Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen."
Es tat mir leid, ihn mit Schmerzen zu sehen. Ich gab mir alle Mühe und war besorgt um ihn. Doch andererseits sah ich es als ausgleichende Gerechtigkeit an und belastete mein Gemüt nicht damit.

Als er sich nach Genesung von dieser Krankheit mir nähern wollte, gab es einen riesigen Krach. Unter anderen Umständen hätte ich uns eine Chance gegeben, denn die Gefühle für ihn polterten in ihrer Kiste und wollten heraus. Aber nachdem was passiert war...
„Du schläfst ohne Kondom mit den Nutten in einem Dritte Welt Land, wirst krank, gehst nicht zum Arzt. Du lässt keinen Test machen und nun willst du mich anstecken? Spinnst du? Vergiß es gleich wieder! Du kannst gern ausgehen, aber mich lass in Ruhe! Ich habe keine Lust deinetwegen krank zu werden! Du bist verantwortungslos und egoistisch! Das hat nichts mit Liebe zu tun, Jan!“
Er riss die Augen auf und schwieg.
Er achtete auch weiterhin nicht auf Sicherheit. Aber dieser Punkt zwischen uns war für alle Zeit geklärt. Diese Entscheidung hatte er selbst getroffen.

Dessen ungeachtet genoss ich die Lebensfreude pur. Täglich gab es einen fantastischen Sonnenuntergang, morgens herrlichen Sonnenschein, Palmen, gute Laune und Sommer, Meer und Küste inklusive.
Was wollte ich mehr?

Ich hatte einen Sinn für Frieden, für jenen unerschütterlichen inneren Frieden, der nicht von äußeren Umständen abhängt.
So viel Chaos auch herrschen mochte, so viele Dinge passierten, so viele Gefühle durch mich hindurch rauschten, mich zerrissen oder gänzlich ein nahmen, es wäre ein Irrtum zu glauben, wenn dies oder jenes anders wäre, würde ich glücklich sein. Wenn dieses oder jenes Problem gelöst sei, wäre ich wieder eins mit mir. Es wäre Illusion.
Ich war jetzt friedlich. Ich war jetzt glücklich. Und ich ließ meiner Freude freien Lauf.
Ein Freund erinnerte mich in dieser Zeit an die Worte: "Der Weg ist das Ziel."



_________________
Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Ein freundliches "Hallo" ...
von Mademoiselle_Mel
Mademoiselle_Mel Roter Teppich & Check-In 2 26.04.2024 11:58 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Ein freundliches Hallo einer Hufflepuff!
von Elli.Evans
Elli.Evans Roter Teppich & Check-In 5 25.04.2024 20:24 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Trash
Stricken ist so ein schönes Hobby
von Inkognito
Inkognito Trash 1 24.04.2024 19:11 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Eine Frau wie ich hat immer ein Gehei...
von Hera Klit
Hera Klit Feedback 0 23.04.2024 09:26 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtliches / Urheberrecht / Copyright
Nach Vertragsabschluss wird der Verla...
von Mion
Mion Rechtliches / Urheberrecht / Copyright 34 22.04.2024 12:05 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Beka

von EdgarAllanPoe

von Fao

von MoL

von Enfant Terrible

von pna

von Mercedes de Bonaventura

von Dichternarzisse

von Valerie J. Long

von Literättin

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!