18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
53 Tage nach D-Day


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 78
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag28.03.2008 22:18
53 Tage nach D-Day
von Ernst Clemens
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vor einigen Jahren wurde in der Welt des sechzigsten Jahrestages der Invasion der Alliierten in der Normandie gedacht. Alle Medien sprachen vom "D-Day".

Schon zuvor hatten wir – in Anlehnung an dieses epochale Ereignis von 1944 – den realen Beginn unseres Projektes als „D-Day“ bezeichnet. Alles was wir uns in der Vorbereitungsphase ausdachten, überlegten, und das, was uns dann in der Durchführung widerfuhr, datierten wir stets auf X Tage vor, oder nach D-Day. Der normale Kalender mit seinen Jahren, Monaten und Wochentagen hatte für uns jede Bedeutung verloren. Ebenso die Jahrszeiten mit ihren unterschiedlichen Witterungs- und Temperaturverhältnissen. Auf den D-Day steuerten wir unablässig zu. Zuerst unbewusst, nur vage, dann aber immer klarer, bestimmter und verbissener.

Ja, unser Projekt, das eigentlich gar keinen Namen hatte, von dem aber viele Leute sagten: „verrückt, blöd, unbedacht...zu mehr sind ja junge Leute, die arbeitslos und ohne Perspektive sind, heute nicht mehr fähig.“ Unsere Freundinnen – bei Pierre war es sogar schon eine echte Braut – wandten sich von uns ab. Sie konnten mit unseren schemenhaften Ideen nichts anfangen und sahen sich lieber nach Freunden mit handfesteren Ideen und Anschauungen um.

Niemand erkannte, worum es uns ging. Keiner machte sich die Mühe, zu ergründen, was die wirklichen Ziele waren, die hinter unserem Projekt standen. Allerdings muss ich schon zugeben: Hätten sie uns offen danach gefragt, wir wären alle fünf nicht im Stande gewesen, mit einfachen uned klaren Worten zu erläutern, was denn die echten Beweggründe waren, die uns dazu trieben, das Projekt zu planen und später auch zu realisieren. Wir waren Phantasten. Wir hatten ein sicheres Gefühl für das, was wir wollten, aber keine klare Zielvorstellung.

Die Redaktion einer sensations-geilen Boulevard-Zeitung zahlte die runde Summe von 15.000 Euro aus, um unser Vorhaben zu finanzieren. Allerdings mussten wir uns alle vertraglich dazu verpflichten, die Story exklusiv nur diesem Blatt zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde im Vertrag eindeutig festgelegt, dass wir vorab Bilder und einen ersten Bericht über unsere Erlebnisse zu liefern hätten. Um diese Sache zu erleichtern, gab uns der Chefredakteur sogar persönlich noch eine kleine elektronische Kamera mit.

Die Idee zu unserem Projekt wurde, wie das so oft geschieht, in lustiger Runde nach dem Genuss von mehreren Gläsern Alkohol, geboren. Eigentlich aus einem Scherz heraus, den Pierre über der Krone seines frisch gezapften Bieres, mit breit grinsendem Gesicht, machte. Danach gönnte er sich mit sichtlichem Genuss den wunderbaren ersten Schluck. Der Schaum hing ihm danach in seinem Oberlippenbart und ließ Pierre um viele Jahre gealtert aussehen, mit jetzt weißem, statt seinem schwarzen Schnurrbart. Eigenartig war - und an diese Tatsache können wir uns alle fünf lebhaft erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre - dass keiner von uns in den kurzen Sekunden, in der Pierre trank, lachte. Es herrschte völlige Stille. Irgendwie schienen wir damals schon gespürt zu haben, dass die, von Pierre einfach so dahin gesagten Worte, für uns alles andere als ein Scherz waren. Dies fiel im Nachhinein umso mehr auf, als wir eine besonders witzige, sonst nie um eine Antwort verlegene, Gruppe von Freunden waren.

Nach diesem gemeinsamen Abend in der Kneipe kamen wir wiederholt auf den „Scherz“ zu sprechen, der sich dann immer mehr zu einer „Idée fixe“, wie es der Franzose Pierre nannte, verdichtete. Die Gespräche darüber wurden von uns mehr und mehr von der lustigen, witzigen Ebene auf eine reale und vernünftige Basis geholt. Es kristallisierte sich täglich deutlicher das Ziel heraus, gemeinsam eine Expedition „ans Ende der Welt“ zu unternehmen. Nein, natürlich waren wir alle weit entfernt von der vor-mittelalterlichen Weltschau, dass die Erde eine Scheibe wäre und man irgend einmal an den Tellerrand der Erde käme und somit ans Ende der Welt. Immerhin lebten wir im Zeitalter von Flugzeug, Weltraumrakete und Computer und hatten über Internet Zugang zu allem Wissen dieser Erde. Das Projekt nahm schon nach wenigen Wochen handfeste und realistische Züge an. Wir hatten uns alle fünf – jeder auf einem ganz bestimmten Gebiet, das wir vorher gemeinsam festgelegt hatten – Informationen beschafft. Klaus, der Naturwissenschaftler unter uns, stöberte tagelang in der Universitätsbibliothek herum, kopierte dort die wichtigsten Berichte, und fütterte uns damit. Wir anderen lasen die Unterlagen mit wachsendem Eifer und sahen dabei unser Ziel, den D-Day, immer näher rücken.

Das „Ende der Welt“ nahm für uns Gestalt an, wurde konkret. Wir konnten es geographisch genau mit Koordinaten festlegen. Es war weder der Nord-, noch der Südpol. Diese beiden fixen Punkte auf der Weltkugel interessierten uns nicht. Dorthin zog es in der Vergangenheit schon viel zu viele teils geglückte, meistens aber gescheiterte Expeditionen. Unser Punkt lag am Ende einer riesigen Eiswüste, die wir durchqueren mussten. Wir hatten uns genau erkundigt: eine Gegend wo noch nie jemand war. Und diesen weit entfernten Punkt wollten wir mit Mitteln erreichen, wie sie im ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts üblich waren. Allerdings gestatteten wir uns drei Ausnahmen, denn wir waren nicht lebensmüde! Erstens wollen wir uns eines modernen Navigationssystems, bedienen. Zweitens hatten wir vor, uns während der langen Reise mit Astronauten-Nahrung zu stärken. Die war gesund, leicht und sehr kompakt. Die dritte Annehmlichkeit, die wir zulassen wollten, war, mit einem Flugzeug zu dem Flughafen zu fliegen, der unserem endgültigen Ziel am nächsten lag. Weitere Zugeständnisse an die moderne Technik gönnten wir uns nicht. Wir wollten die Herausforderung möglichst hoch halten. Gut, zugegeben, die uns von der Zeitung aufgedrängte Kamera ließ sich beim besten Willen nicht ins achtzehnte Jahrhundert zurück datieren. Dann waren es eben insgesamt vier Ausnahmen.

Und nun waren wir schon gute sieben Wochen unterwegs. Genau gesagt: 53 Tage nach D-Day. Unentwegt kämpften wir gegen den Sturm. Wir spürten, dass wir mit unseren Kräften nahezu am Ende waren. Pierre, obwohl weder von uns gewählt, noch bestimmt, und obwohl er nicht etwa der Älteste von uns war, hatte sich zum Führer unseres, in der Eiswüste taumelnden, Haufens aufgeschwungen. Ohne Widerrede wurde das befolgt, was er vorschlug, in den letzten Tagen sogar das, was er uns befahl. Pierre hatte ein fast untrügliches Gespür dafür entwickelt, was wir uns noch zutrauen konnten, und was unsere Kräfte endgültig überstiegen hätte.

Vom ersten Tag an, schon beim Verlassen des kleinen Flugzeuges, das uns hoch in den kalten Norden trug, hatten wir gegen den Sturm zu kämpfen. Die ersten paar Tage war der Sturm unangenehm, noch nicht schmerzhaft, aber doch sehr lästig. Immerhin blies diese ersten Tage der Wind überwiegend von hinten, brachte also unsere kleine Schlittenkolonne gut voran. Unser Mut und unser Humor waren damals ungebrochen und trieben uns täglich um einige Kilometer weiter, als wir es in unser Planung vorgesehen hatten. Klaus, der während unserer Expedition als Navigator diente, notierte täglich dreimal, zu festgesetzten Uhrzeiten, die jeweils erreichte Position auf seinem Palm-Computer, der ihm auch als Navigationssystem diente. Er verglich danach die real zurückgelegte Distanz mit der von uns ursprünglich in der Planung festgesetzten, und nickte jedes Mal zufrieden, wenn er den sich vergrößernden Vorsprung konstatierte.

Mir, dem literarischen Talent in unserem kleinen Kreis, fiel es zu, eine Art Tagebuch zu führen. Ich machte meine Notizen in einer extra dafür vorgesehenen Spalte, jeweils neben den Positionszahlen, die Klaus im Computer notierte. Als ich am Vorabend dieses 53. Tages nach D-Day meine eigenen Aufzeichnungen aus den ersten Tagen der Expedition las, überflog ich die Zeilen auf dem kleinen Display mit zusammengebissenen Zähnen und schmalen Lippen. Wie hatte sich doch in den wenigen Wochen alles verändert! Verschwunden waren humoristische Bemerkungen, sowohl in meinen Tagebucheintragungen, als auch im momentanen Zusammenleben. Unmut und Verbissenheit wurden tonangebend. Zynische Bemerkungen, mehr ausgestoßen, als gesprochen, vergifteten unser Gruppenklima. Jeder von uns spürte, dass bald einer von uns aufgeben würde. Die Frage war nur, wer von uns als erstes ins Gras – nein ins Eis – beißen würde. Einen unserer Schlittenhunde mussten wir schon töten, weil er sich verletzt hatte. Früher hätten wir uns gegenseitig gestützt, jetzt belauerte jeder beim anderen auftretende Schwächen und Anzeichen von nachlassender Willenskraft mit zynischer Freude. Klar, für vier Personen würden unsere knapp werdenden Vorräte länger reichen, als für fünf.

Wenn auch bis zu jenem Abend niemals offen darüber gesprochen wurde: beim Thema „Zigaretten“ kam es an den Tag. Erfahrungen aus früheren Expeditionen ins ewige Eis hatten uns gelehrt, dass Zigaretten, Alkohol und Frauen das einzige waren und sind, was ein demoralisiertes Grüppchen junger Männer in Lebensgefahr noch retten konnte. Nun, an Frauen war nicht zu denken, die waren mittlerweile schon Tausende Kilometer von uns getrennt. Die Sprache wurde immer zotiger, je größer der Abstand zu ihnen wurde. Menschliche Gefühle traten zu Gunsten von allzu menschlichen Gefühlen in den Hintergrund. Alkohol hatten wir noch und – dank Pierre – hatten wir unsere Vorräte klug eingeteilt.

„Verdammt, warum haben wir uns dazu hinreißen lassen, in den ersten Tagen so leichtsinnig zu sein, und uns zu große Zigaretten-Rationen zu gönnen! Heute reicht es nur noch für einen halben Glimmstengel pro Kopf und Tag“, sagte unser Jüngster und brach die Zigaretten für uns auseinander.

Ich war höllisch froh, dass ich, als einziger Pfeifenraucher, für mich Tabak eingepackt hatte. Und ich hielt mich all die Tage eisern an meine ursprünglich festgelegte Menge.

Diese Nacht vor dem 53. Tag nach D-Day war eine lausig kalte Nacht, gleich der letzten Nächte, die wir alle fünf im engen Zelt verbrachten, in unseren dicken Schlafsäcken eng aneinander geschmiegt, um das Wenige an Wärme, das unsere Körper noch produzierten, möglichst lange zu speichern. Nichts deutete darauf hin, dass etwas Ungewöhnliches passieren würde.

Das mechanische Piepsen des Weckers schnitt pünktlich, wie jeden Morgen, in die regelmäßigen Schnarchgeräusche unserer erschöpften Mannschaft. Wir waren froh, dass das kleine Solarpaneel, dass wir stets auf dem vordersten Schlitten, ganz oben auf unserem Gepäck festbanden, einwandfrei funktionierte, denn die extreme Kälte setzte den Akkus zu. Trotz des durch die langen Stürme stets reduzierten Lichtes, hat dieses kleine Wunder der Technik immer genügend Strom für unseren Computer erzeugt, der uns auch als Wecker diente. Ob wir es wahr haben wollten, oder nicht: Ohne den Palm-PC wären wir sofort verloren gewesen. Anders als unsere Vorfahren, hatte keiner von uns gelernt, nach den Gestirnen zu navigieren. Ganz abgesehen davon, dass wir weder Sonne noch Sterne in den letzten Wochen zu Gesicht bekamen.

Unartikulierte Laute und böses Schimpfen drang aus den verschiedenen Schlafsäcken. Keiner hatte Lust aufzustehen und sich erneut den Strapazen auszusetzen. Wir hatten die Nase voll.

Ich schob als erstes den Lappen unseres Zeltes beiseite und trat ins Freie. Fast wäre ich vornüber gefallen, denn ich hatte mich stark nach vorn geneigt, um den Winden zu trotzen; wie es immer erforderlich war. Aber siehe da, der Wind hatte nachgelassen.

Ich traute meinen Augen nicht. „Kommt raus“, rief ich meinen Kameraden aufgeregt zu, „seht euch dieses wunderbare Schauspiel an! Die Sonne steht wie eine große, kalte Scheibe über dem Horizont und badet alles in hellstes Licht.“

„Incroyable“, staunte Pierre, der als nächstes aus dem Zelt gekrochen kam und mit verschlafenen Augen in die helle Sonne blinzelte.

„Die letzten 287 Kilometer Luftlinie werden wir jetzt auch noch schaffen“, sagte Klaus aufmunternd und zeigte auf sein Navi-System, das ihm diese präzise Information lieferte.
 
Nie so schnell wie an jenem Morgen hatten wir heißen Tee und die Astronauten-Nahrung zu uns genommen, dann das Lager abgebrochen und unsere ganze Habe auf die Schlitten gepackt. Mit frischem Elan ging es in die Richtung weiter, die uns das Navigationssystem wies.

Die pessimistische Stimmung war verflogen. Erste Witzchen flogen hin und her. Die Zuversicht wurde greifbar. Der Optimismus sprang auch auf die Hunde über, die erstmals wieder mit ihren Schwänzen wedelten, als sie vor die Schlitten gespannt wurden.

Wir waren schon gut zwei Stunden unterwegs und kamen zügig voran. Die Sicht blieb ausgezeichnet, ja, wir hatten sogar das angenehme Gefühl, von der kalten Sonne so etwas wie Wärme durch unsere dick wattierte Kleidung zu spüren. Vielleicht nur Einbildung...

Bei Sturm ermüdete das Auge schnell durch die starken Winde. An diesem Tag aber war es das gleißende Licht und dazu die ewig weite Eintönigkeit, die uns zu schaffen machten. Die Augen fanden nirgends einen Halt. Der einzige Fixpunkt unseres Zuges in Richtung Nordosten war der Pfeil des Navigationssystems dem wir beharrlich folgten.

Plötzlich scheuten die Hunde kurz, brachen dann in wütendes Gebell aus und versuchten in Richtung Westen loszurennen. Nur mit Mühe konnten wir sie beruhigen und zurückhalten. Alle fünf legten wir die flache Hand über die Augen, um uns gegen das Licht zu schützen und um besser zu sehen. Aber diese Geste nützte hier nichts. Das Licht war allgegenwärtig und so gleißend, dass man nur mit zusammengekniffenen Augen, trotz Schneebrille, überhaupt etwas erkennen konnte. Und was wir sahen, mal mehr, mal weniger deutlich, war ein schwarzer Punkt in der Ferne. Mehr nicht.

Der in den letzten Wochen, durch Sturm und Resignation abgestumpfte Geist wurde schlagartig quicklebendig und die Phantasie schlug aufgeregt Purzelbäume.

„Ein Eisbär vielleicht“, meinte Klaus, der sich von uns allen am meisten vor einer Konfrontation mit diesem riesigen, unberechenbaren Tier fürchtete.

„Wohl kaum“, beruhigte ihn Pierre. „Eisbären suchen die Nähe des Wassers, da sie sich von Fischen ernähren. Und wir sind noch Tage lang entfernt von jenem eiförmigen, kleinen See, den wir auf den Satellitenbildern unserer Zielregion erkennen konnten.“

„Aber seid ihr sicher, dass die Angaben des Navi-Systems stimmen? Oder gaukelt uns die moderne Technik etwas vor, und wir sind ihr ausgeliefert?“ Eine böse Ahnung überkam uns.

Oder eine andere Möglichkeit: Waren doch schon vor uns Menschen in dieser, von Gott verlassenen, Gegend unterwegs? Auch diesen Gedanken verwarfen wir umgehend, da sowohl die zuständige Regierung, als auch Mitglieder der dortigen Armee und Marine in der Vorbereitungsphase klar signalisierten, dass noch kein Mensch je dort war. Das Ziel lag in einem absoluten Niemandsland.

Unsere Gefühle schwankten zwischen Angst und Neugierde. „Lasst uns das Rätsel lösen“, sagten Klaus und ich fast gleichzeitig.

Wir zogen, so schnell es unsere Hunde und Schlitten erlaubten, weg von unserer geplanten Richtung und hin zu dem geheimnisvollen, schwarzen Punkt.

Vorsichtshalber legten wir unsere Gewehre bereit und entsicherten sie.

Der Punkt war wesentlich weiter entfernt, als wir schätzten. Doch allmählich kamen wir näher. Wir glaubten etwas Hohes, Schmales, zu erkennen. Eine Säule vielleicht, oder ein Baumstamm. Beide Ideen waren natürlich abstrus, denn wer sollte in dieses Niemandsland eine Säule stellen? Wozu? Und wie sollte ein Baum hier im ewigen Eis wurzeln können?

Die Nervosität der Hunde steigerte sich. Sie begannen erneut zu bellen und fletschten ihre spitzen Zähne. Plötzlich blieben sie wie angewurzelt stehen, sperrten die Vorderläufe gegen den harten Schnee, knurrten böse und wir konnten sehen, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Wir nutzten den ungeplanten Halt. In Ruhe konnten wir alle genauer hinsehen. Einige von uns nahmen die Gewehre fester in die behandschuhten Hände. Die Spannung wuchs. Endlich sagte Klaus das, was wir alle schon vermuteten, es aber partout nicht wahr haben wollten. „Da vorne steht ein Mensch“, sagte er. Und jetzt sahen wir es alle deutlicher. Richtig, ganz aufrecht stand eine Gestalt einsam in der unendlichen Eiswüste. Sie drehte uns den Rücken zu.

Wir sahen uns gegenseitig an. Wut und Verzweiflung stieg in uns auf. „Also sind wir doch nicht die ersten. Ich hatte es stets befürchtet“, sprach Klaus weiter.

Die Wut verwandelte unsere Enttäuschung in Elan. Wir trieben die Hunde an, rannten selbst neben den Schlitten her. Jetzt wollten wir das Geheimnis schnell lüften.

„Wir machen einen großen Bogen um den Fremden, damit wir ihm nicht in den Rücken fallen. Es ist vorsichtiger, uns ihm von vorne nähern“, bestimmte Pierre.

Wir erkannten, dass der Fremde ein Mann war; etwas Anderes hatte eigentlich auch keiner von uns ernsthaft erwartet.

Jetzt standen wir mit unserem kleinen Treck nur noch wenige Meter von dem Mann entfernt. Er starrte uns direkt ins Gesicht, aber machte keine Anstalten, uns entgegen zu kommen, oder sich gegen uns zu wehren. Er stand einfach da. Aufrecht, beide Hände in die Hosentaschen geschoben. Unwillkürlich drehten wir uns um, um zu sehen, ob hinter unserem Rücken jemand war, der uns möglicherweise angreifen konnte. Aber niemand war da und nichts geschah. Völlige Stille herrschte, keine Bewegung war zu sehen.

Wir schoben Pierre vor, schließlich war er der Chef. „Sprich den Unbekannten an!“

Dreimal räusperte er sich, ehe er ein ängstliches "Hallo" herausbrachte. Der Fremde blieb stumm. Pierre der Franzose versuchte es mit einem etwas herzhafteren „Bonjour“ – aber auch das ließ der fremde Mann unbeantwortet. Jetzt ging Pierre, mit einem betont freundlichen Lächeln im Gesicht, und mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, aber der Fremdling rührte sich immer noch nicht aus seiner starren Haltung. Eiskristalle hingen im Schnurrbart des beharrlich ruhigen Menschen, und ließen den Oberlippenbart weiß erscheinen. Ich wurde plötzlich an das Bild vom scherzenden Pierre an jenem Abend in der Kneipe erinnert, als der Bierschaum seinen Moustache weiß färbte. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich.

„Der ist tot“, sagte Pierre und machte unwillkürlich einige Schritte zurück, "in seinem Gesicht sehe ich kein Leben mehr." Er trat an den Fremden heran, berührte ihn und stellte fest, dass er tatsächlich nicht mehr zu den Lebenden gezählt werden konnte. Er war kalt und starr. Die Hunde näherten sich jetzt ebenfalls, schnupperten kurz an ihm und ließen sofort wieder von ihm ab. Der eisige Mann hatte keine Ausdünstung und wurde somit für die Tiere uninteressant. Gelangweilt und müde streckten sie sich vor den Schlitten im Schnee aus.

Auch von uns wich die Spannung und machte einer großen Müdigkeit Platz. Die Gewehre, die wir bis zu diesem Moment ängstlich und fest umklammert hielten, wurden gesichert und auf einen der Schlitten gelegt. Wir setzten uns auf einen anderen. Die Erleichterung war uns allen ins Gesicht geschrieben, aber ebenso unsere Ratlosigkeit.

„Wer war der fremde Mann? Wie kam er hierher? War er allein? Wie lange war er schon hier? Und hauptsächlich die Frage, warum stand diese Leiche aufrecht?“ versuchte unser Anführer die Situation nüchtern zu analysieren.

Aus rein sicherheitstechnischen Gründen hätten wir uns zuerst den ersten drei Fragen widmen sollten. Aber neugieriger waren wir darauf, eine Antwort auf die letzte zu finden: Wie kommt es, dass eine Leiche senkrecht in der Landschaft steht? Keiner von uns hatte jemals von so etwas gehört, oder gelesen. Wir fingen also an, uns den Mann näher anzuschauen und zu analysieren, wer er sein könnte und eben, warum er aufrecht stand. Lehnte er sich an irgend eine Säule? Hatte er einen Stock zwischen Körper und Bekleidung geschoben, der ihn aufrecht hielt? Wir fanden keine Antwort auf die Frage. Nur ein stärker werdendes Unbehagen, das sich in der Magengegend bemerkbar machte.

Pierre überwand, wie üblich, als erster seine Lethargie und fing an mit Vorsicht und unter Zuhilfenahme seines Taschenmessers die Eiskristalle von dem Fremden abzuklopfen. Erst vom Gesicht, dann vom Rest des Körpers.

Wir hatten es in kurzer Zeit geschafft, den Fremden systematisch zu analysieren. Gesicht und Kopfform ließen darauf schließen, dass es ein Mensch aus Europa, Nordamerika, oder Australien sein musste. Es war keine Spur von asiatischen Schlitzaugen zu sehen, auch war die Hautfarbe zweifelsfrei nicht schwarz. „Hm“, meldete sich unser kritischer Jüngster zu Wort, „es könnte ja durchaus sein, dass der Teint unseres Freundes sich in der Zeit seiner Kühlschrankexistenz verändert hat." Wir mussten ihm Recht geben. Also suchten wir nach typisch negroiden Züge bei ihm, fanden aber weder aufgeworfene Lippen noch das, für die Schwarzen oft so typische Kraushaar. „Er erinnert mich irgendwie an Nick Knatterton“, meinte der Älteste von uns. „Ich habe vor einiger Zeit auf dem Speicher eine Kiste mit Jugendbüchern meines Vaters entdeckt, eine ganze Reihe von Nick Knatterton-Kriminalromanen. Dieser ewige Detektiv trug auch immer so komische Überfallhosen, wie unser Freund hier“. Wir anderen schafften es zwar nicht, mit diesem Bild eine rechte Vorstellung zu verknüpfen. Aber alle konnten wir uns vorstellen, dass so ungefähr ein typischer englischer Tourist ausgesehen haben mochte, der irgendwo in den Schweizer Alpen, bei herrlichem Sonnenschein in die Bergbahn eingestiegen, zur Bergstation hochgefahren und dort in die schneidende Kälte der Gletscherwelt hinausgetreten war. Das Ganze nur mit dem Ziel, sich, mit dem Eislabyrinth im Hintergrund, fotografieren zu lassen, um dann schnell wieder in die schützende Wärme der Bergstation zu fliehen und einen heißen Tee zu trinken. Genauso deplaziert wirkte der Fremde auf uns, mit seinem leichten Pullover und den altertümlichen Knickerbocker-Hosen.

Pierre umrundete den stehenden englischen Gentleman erneut. Die Sonne stand mittlerweilen so, dass sie ihm von schräg oben ins Gesicht schien. „Verdammt noch mal“, sagte er, „der Tote lächelt. Wie kommt es, dass eine aufrecht stehende Leiche lächelt? Oder grinst sie gar? Lacht sie uns aus?“

Das laue Gefühl im Magen, das wir für kurze Zeit mit Hilfe der Vorstellung vom harmlosen englischen Touristen vertrieben hatten, war schlagartig wieder da. Stärker und beklemmender als zuvor. Ein feixender Toter war noch unangenehmer, als eine Leiche mit ernsten Gesichtszügen. Pierre versuchte mit beherztem Griff die nach oben zeigenden Mundwinkel nach unten zu ziehen. Aber die Leiche ließ sich das Grinsen nicht verbieten. Wir hatten jetzt plötzlich das Gefühl, dass der Eisprinz Pierre mit einem strafenden Blick ansah – durch und durch. Es war wirklich beängstigend. Mit unserer angelernten Logik war nichts mehr erklärbar.

„Wir werden unsere Eisstatue jetzt fotografieren“, sagte Pierre und begann, die kleine Kamera auszupacken. „Das werden tolle Bilder für die Boulevardzeitung! Erinnert euch an das Ötzi-Furore; wir werden alle reich werden!“ Von allen Seiten knipste er den Fremdling, danach stellten wir uns alle neben diesen, zwei links und drei rechts, und machten mit dem Selbstauslöser einige Gruppenbilder. Wie froh waren wir, Pierre unter uns zu haben. Mit seiner Aktivität nahm er uns die Angst – wenigstens wieder für kurze Zeit.

Was uns erst nach und nach auffiel, war die Tatsache, dass sich der Wind, an den wir uns über Wochen gewöhnt hatten, nun vollkommen gelegt hatte, ja, dass er sogar einer uns unbekannten Stille Platz machte. Das Licht wurde noch gleißender, unwirklicher. Obwohl die Sonne immer noch schräg über uns stand, warf sie keinen Schatten. Schaffte es die Eiswüste, die Hell-Dunkel-Kontraste zu verhindern, den Schatten quasi zu absorbieren? Selbst unser Pierre kam jetzt in Panik. Unheimliches tat sich. Die lächelnde, oder gar grinsende, Leiche und ein Wetterphänomen, von dem wir noch nie gehört, oder gelesen hatten. „Wir werden umkehren“, murmelte Pierre in seinen Schnauzbart. Ganz leise, aber doch so laut, dass jeder von uns es hören musste. „Wir werden unseren Freund auf den letzten Schlitten schnallen und ihn als Faustpfand für unsere Entdeckung mitnehmen. Die Fotos allein würden nicht überzeugend genug sein."

Wie schnell wir ihm alle zustimmten! So flink wie an jenem Tag waren wir noch nie fertig zum Aufbruch! Mit Lederriemen machten wir den Garant für unseren künftigen Reichtum auf dem Schlitten fest und trieben die Hunde an, in Richtung Heimat zu laufen.

Wir kamen bei dem windlosen Wetter gut voran. Drei volle Tage dauerte diese Ausnahmesituation, dann zogen schwarze Wolken auf und der Sturm hielt uns wieder fest in seinen Klauen.

Erneut mussten wir uns gegen die eisigen Winde stemmen und von guter Sicht konnte längst keine Rede mehr sein. Diese widrigen Umstände trotzten uns die letzte Kraft ab, aber der Gedanke an Ruhm und Reichtum, die mit unserem Fund verbunden sein würden, ließ uns beharrlich weiter ziehen. Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach, indem er, schon fast automatisch und mechanisch, einen Fuß vor den anderen setzte. Obwohl unsere Hunde das zusätzliche Gewicht der Leiche zu schleppen hatten, spürten auch sie, dass es nach Hause ging. Sie schlugen eine schnellere Gangart an, und wir waren zufrieden damit, denn, obwohl die Leiche im Gepäck das Faustpfand zu unserem Glück war, war diese uns immer noch unheimlich. Es war gut zu wissen, in einigen Wochen wieder zuhause zu sein!

Doch wir freuten uns zu früh. Zum Sturm gesellte sich starker Schneefall. Man konnte die eigene Hand vor den Augen nicht mehr erkennen. Weglos war die Strecke, die wir zu gehen hatten ja ohnehin, aber bis jetzt konnten wir wenigstens unsere Route so legen, dass wir sichtbare Hindernisse, wie Berge und Schluchten, umgehen konnten. Seit drei Tagen konnten wir nur stur den Richtungspfeilen unseres Navigationssystems folgen, also praktisch Luftlinie nach Hause! Meterhohe Schneeverwehungen überdeckten gefährliche Spalten mit Brücken, von denen keiner von uns wusste, wie tragfähig diese sein würden.

„Auch auf die Gefahr hin, uns kurzfristig aus den Augen zu verlieren, werden wir die Abstände zwischen den Schlitten vergrößern. Wir müssen darauf achten, das Gewicht unseres Konvois gut zu verteilen.“ Widerspruchslos folgten wir Pierre’s Befehl. Wenn jemand von uns einbrach, dann riss er wenigstens nicht auch noch andere mit ins Verderben.

Wir kämpften uns mit schwindenden Kräften weitere fünf Tage durch die weiße Hölle. Die Vorräte nahmen in besorgniserregendem Maße ab. Wir waren gezwungen, die Rationen um weit mehr als die Hälfte zu reduzieren. Nachdem ein weiterer Hund einging – er starb an Entkräftung – ließen wir einen ganzen Schlitten zurück. Wir mussten unbedingt Ballast abwerfen.

Beim Anstieg auf einen niederen Bergrücken passierte es dann: der letzte Schlitten glitt seitlich ab und rutschte in eine Gletscherspalte. Mit vereinten Kräften schafften wir es, ihn wieder hochzuziehen – aber unser neuer Freund war aus seiner Verankerung mit den Lederriemen gerutscht und glitt so tief in die Spalte, dass wir ihn nicht mehr fanden.

Unsere Stimmung sank auf den Nullpunkt.

„Du hättest doch sehen müssen, dass der Schlitten in Schieflage kam,“ schimpfte unser Jüngster und Klaus sekundierte: „ausgerechnet unser Faustpfand verschwand in der Tiefe – ihr seid ganz schön bescheuert!“

Vorwürfe flogen hin und her und Pierre gelang es nur mit Not, eine tätliche Auseinandersetzung zu verhindern. Die Hoffnung auf Ruhm, Ehre und Reichtum nach unserer Rückkehr war im Eimer. Der ganze Aufwand und alle Entbehrungen für die Katz! All unsere Träume lösten sich in der frostigen Luft auf.

Keiner von uns hatte Lust, weiter zu gehen. Wir beschlossen an Ort und Stelle das Biwak aufzuschlagen, allerdings in sicherer Entfernung von der verdammten Spalte. Um die Stimmung etwas zu heben, verteilte Pierre die letzte Portion Zigaretten. Wie üblich lagen wir dicht gedrängt in unseren Schlafsäcken im Zelt. Energie für Licht musste gespart werden; lediglich die jeweils kurz aufglimmenden Zigaretten erleuchteten da und dort ein abgespanntes und enttäuschtes Gesicht. In der Dunkelheit berieten wir lustlos, wie es weitergehen sollte.

„Ich hab’s“, sagte Klaus unvermittelt und richtete sich in seinem Sack ruckartig auf. Es war für uns alle aus seiner Stimme erkennbar, dass es DIE zündende Idee sein musste: „Ich hab’s. Wir kennen ja die exakte Position der Stelle, an der wir unseren lächelnden Freund verloren haben. Sie lässt sich am Navigationssystem ablesen. Wir gehen jetzt auf dem schnellsten Weg nach Hause und starten dann, zusammen mit unserer Zeitung, eine neue Expedition, die das Ziel haben wird, unseren Eismann zu bergen. So etwas lässt sich ungeheuerlich publikumswirksam in Szene setzen. Auch das Fernsehen werden wir dazu einladen. Und wir fünf werden die Helden des Tages  sein!“

So schlagartig, wie unsere Stimmung zusammen mit dem Schlitten in die Tiefe rauschte, so unvermittelt ging sie jetzt wieder nach oben. Welch tolle Aussichten für uns! Das musste doch klappen!

Der Rest ist schnell erzählt.

Mit letzter Kraft erreichten wir mit den Hunden und Schlitten ohne weitere Zwischenfälle den kleinen Flughafen, wo uns das Flugzeug für den Heimtransport erwartete.

Die Fotos, die wir der Zeitungsredaktion vorlegten, schlugen ein. Wir wurden wie Helden gefeiert. Die von uns vorgeschlagene Expedition wurde in kürzester Zeit organisiert.

Morgen werden wir wieder in Richtung Nordosten starten! Sobald wir mit unserer stehenden und lächelnden Leiche zurück sein werden, ist unsere blendende Zukunft gesichert. Plötzlich wird unsere Arbeitskraft gefragt sein. Ich für meinen Teil habe bereits ein Angebot von unserer Zeitung als Reisejournalist in der Tasche. Auch meine vier Kollegen erhielten schon Anrufe von interessierten Arbeitgebern.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Olifant
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 417
Wohnort: München


Beitrag31.03.2008 15:46

von Olifant
Antworten mit Zitat

Hallo Ernst Clemens,

ganz schön langes Lesepröbchen! Ich gehe mal grob von vorn bis hinten durch Deinen Text durch. Eine Zusammenfassung kommt gaaaaaanz weit unten.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Vor einigen Jahren wurde in der Welt des sechzigsten Jahrestages der Invasion der Alliierten in der Normandie gedacht. Alle Medien sprachen vom "D-Day".

Schon zuvor hatten wir – in Anlehnung an dieses epochale Ereignis von 1944 – den realen Beginn unseres Projektes als „D-Day“ bezeichnet. Alles was wir uns in der Vorbereitungsphase ausdachten, überlegten, und das, was uns dann in der Durchführung widerfuhr, datierten wir stets auf X Tage vor, oder nach D-Day.
Der Anfang war für mich aus einem Grund verwirrend. Irgendwie suggeriert mir dieser Teil, dass die Gruppe die Organisation des D-Day-Jahrestags durchgeführt hat. Erst später wird klar, dass es sich um ein völlig anderes Projekt handelt, dessen Starttermin als D-Day bezeichnet wird. Zudem machst Du im ersten Abschnitt viel Wind um den D-Day, der allerdings im Rest der Geschichte überhaupt keine Bedeutung mehr hat.

Interessanter wäre es doch, wenn die Reisenden den Tag der Ankunft am „Ende der Welt“ als D-Day bezeichnen würde. Das hätte obendrein den Reiz, dass der Leser mithoffen kann, dass der Termin erreicht wird. Mit dem bloßen Startsignal „Wir steigen jetzt in den Flieger“ ist der Reiz Deiner Einleitung irgendwie schnell dahin.


Etwas unklar ist, weshalb der Punkt am Ende einer Eiswüste von der Gruppe als „Ende der Welt“ deklariert wurde. Es wurde vorher ein Naturwissenschaftler aus der Gruppe bemüht, der etliche Recherchen durchgeführt hat. Aber welches Ziel diese Recherchen haben bleibt ebenso unerwähnt, wie der Grund für die Festlegung des Zielpunkts. Orte, an denen noch nie ein Mensch zuvor gestanden hat, gibt es noch wie Sand am Meer, sogar wenn ich den Ozeanboden ausklammere. Das kann also nicht der einzig ausschlaggebende Punkt für die Zielkoordinaten gewesen sein.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Unser Punkt lag am Ende einer riesigen Eiswüste, die wir durchqueren mussten.
Diese Angabe ist mir ganz erheblich zu ungenau! Du schreibst ja, der Zielpunkt liegt nicht an den Polen. Wie viele Eiswüsten gibt es denn noch auf unserer überhitzten Erde? Wenn der Punkt am „Ende“ der Eiswüste ist, weshalb kommen sie dann nicht von der anderen Seite, wo anscheinend keine Eiswüste mehr ist?


Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Gut, zugegeben, die uns von der Zeitung aufgedrängte Kamera ließ sich beim besten Willen nicht ins achtzehnte Jahrhundert zurück datieren. Dann waren es eben insgesamt vier Ausnahmen.
Das mit dem Aufzählen der Ausnahmen würde ich komplett weglassen. Denn würde man wirklich ernsthaft nachzählen, käme man wohl auf weit mehr Ausnahmen, als Du aufzählst. Wie sieht es denn zum Beispiel mit dem später plötzlich vorhandenen Solarpaneel aus? Den Akkus? Und mit der Kleidung? Tragen die Leute alle eingefettete Mäntel, Filzhandschuhe und genagelte Bergschuhe, die man heute eigentlich nur noch im Museum findet? Eher nicht, denke ich.

Was für Schlitten benutzt die Truppe? Holzschlitten? Ziehen sie diese selbst – was beinahe an Selbstmord grenzt - oder haben sie sich Hunde und geleistet? Die Schlittenhunderklärung kommt etwas zu spät und wirft obendrein neue Fragen auf: woher können die das Hundeschlittenfahren?
Die Ausrüstung lässt generell ein bisschen zu viel Spekulationsspielraum, den Du hervorragend mit etwas mehr Details schmücken könntest. Die Geschichte würde damit auch an Leben gewinnen.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Früher hätten wir uns gegenseitig gestützt, jetzt belauerte jeder beim anderen auftretende Schwächen und Anzeichen von nachlassender Willenskraft mit zynischer Freude. Klar, für vier Personen würden unsere knapp werdenden Vorräte länger reichen, als für fünf.
Das ist ein bisschen zu heftig. Die Gruppe befindet sich erst auf der Hinreise und hat noch jede Menge Vorräte dabei. Dass hier schon derart übler Futterneid aufkommt, dass man sogar den Tod eines Kameraden herbeiwünscht, an den man sich des Nachts der Kälte wegen kuschelt, ist unglaubwürdig.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Nie so schnell wie an jenem Morgen hatten wir heißen Tee und die Astronauten-Nahrung zu uns genommen
Der Satzbau ist irgendwie komisch. Den Satz würde ich folgendermaßen umformulieren:
Olifant hat Folgendes geschrieben:
So schnell wie an jenem Morgen hatten wir den heißen Tee und die Astronauten-Nahrung noch nie zu uns genommen.
Ähnliche Satzbaukonstruktionen benutzt Du gelegentlich auch im Rest der Erzählung. Ich selbst habe bei eigenen Texten festgestellt, dass ich generell Sätze genauer anschauen muss, die sich beim nochmaligen Lesen eigenartig oder nicht ganz richtig anhören.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Eisbären suchen die Nähe des Wassers, da sie sich von Fischen ernähren.“
Klar. Weltbekannt sind die Filme über die wilden Unterwasserverfolgungsjagden, bei denen flinke Eisbären ganze Heringsschwärme einkreisen und erlegen. Laughing Sorry für den Scherz. Aber allein bei der Vorstellung hat’s mich vor Lachen geschüttelt. Eisbären jagen natürlich hauptsächlich Robben. Was aber natürlich nichts an der Logik Deines Textes ändert. Auch Robben leben schließlich am Wasser.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Aber seid ihr sicher, dass die Angaben des Navi-Systems stimmen? Oder gaukelt uns die moderne Technik etwas vor, und wir sind ihr ausgeliefert?“ Eine böse Ahnung überkam uns.

Oder eine andere Möglichkeit: Waren doch schon vor uns Menschen in dieser, von Gott verlassenen, Gegend unterwegs? Auch diesen Gedanken verwarfen wir umgehend, da sowohl die zuständige Regierung, als auch Mitglieder der dortigen Armee und Marine in der Vorbereitungsphase klar signalisierten, dass noch kein Mensch je dort war. Das Ziel lag in einem absoluten Niemandsland.
Abgesehen davon, dass die beiden ersten Sätze nicht zusammenpassen, fehlt an dieser Stelle die Information, welche böse Ahnung die Gruppe überkommt. Was gaukelt die Technik vor? Wieso ausgeliefert?
Wenn damit gemeint ist, dass vielleicht doch schon ein Mensch vorher an diesem entlegenen Ort war, dann darf der nächste Abschnitt nicht mit „Oder“ eingeleitet werden.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Wir machen einen großen Bogen um den Fremden, damit wir ihm nicht in den Rücken fallen. Es ist vorsichtiger, uns ihm von vorne nähern“, bestimmte Pierre.
Den Satz würde ich streichen. Es gibt keinen sinnvollen Grund, den Mann zu umrunden anstatt ihn direkt anzufahren. Zumal sie alle doch ziemlich neugierig und noch ein gutes Stück entfernt sind. Hätte er noch gelebt, hätte er sich sicherlich auch mal umgedreht oder die bellenden Hunde gehört.


Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Er war kalt und starr. Die Hunde näherten sich jetzt ebenfalls, schnupperten kurz an ihm und ließen sofort wieder von ihm ab. Der eisige Mann hatte keine Ausdünstung und wurde somit für die Tiere uninteressant.
Und das, nachdem sie vorher so einen Radau veranstaltet haben und sogar das Weiterlaufen verweigert haben? Irgendwie komisch, oder? Hunde sind eher für ihre Nasen berühmt, nicht wegen der scharfen Augen. Was also hat die Hunde aus der Ferne so erschreckt?


Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Gesicht und Kopfform ließen darauf schließen, dass es ein Mensch aus Europa, Nordamerika, oder Australien sein musste.
Du meinst vermutlich einen Europiden, einen weißen Mann vom europäischen Typus. Ein Mensch aus Nordamerika könnte auch ein Indianer sein, und einen dunkelhäutigen Aborigine würde man getrost als typischen Australier bezeichnen. Ebenso kann ein Westeuropäer in Asien leben.
Die Kleidung ist eigentlich das, was an einem Menschen neben der Haut- und Haarfarbe zuerst auffällt, gerade dann wenn der Mann so etwas wie die Knickerbocker von Nick Knatterton trägt. Das müsste der Gruppe also ins Auge gestochen haben, lange bevor sie das Gesicht untersuchen. Die Reihenfolge ist also falsch.


Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Meterhohe Schneeverwehungen überdeckten gefährliche Spalten mit Brücken, von denen keiner von uns wusste, wie tragfähig diese sein würden.
Spalten gibt es nur, wenn sich der Eisuntergrund bewegt. Dass sich die Kollegen daher auf einem Gletscher befinden müssen, wird einfach ausgelassen, bzw. viel zu spät in einem kleinen Sätzchen erwähnt.


Fazit
Ganz allgemein fehlen mir Details und genauere Schilderungen von der beschwerlichen Reise. Eine Expedition in eine Eiswüste ist eine spannende und schwierige Angelegenheit, die auch der Psyche der Teilnehmer sehr viel abverlangt. Textstellen, die genau diese Dinge hervorheben könnten, sind oftmals zu kurz und zu geschmacksneutral beschrieben.

Bis zum Ende bleibt halbwegs unklar, wie viele Leute sich an dem Projekt beteiligt haben. Eine einzige Person, - nämlich Pierre mit seinem französischen Wortschatz - erhält so etwas, wie ein vages Profil. Alle anderen laufen einfach nur mit. Beinahe namen- und teilnahmslos. Eine echte Identifikation mit den Expeditionsteilnehmern findet bei mir dadurch bis zum Schluss nicht statt. Obwohl ich als Leser mitfühlen und -leiden möchte, kann ich das nicht, weil ich keinen der Teilnehmer näher kennenlerne.

Ach ja, der Schluss: Das Ende kommt so schnell und unspektakulär, dass man sich beinahe ärgert, den ganzen Text gelesen zu haben. Die Leute haben das nur gemacht, um anschließend einen Job zu bekommen? Puh! Ganz schön schräg.
Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, Du hättest auf der Zielgeraden die Lust am Schreiben verloren. Zudem bleiben alle Fragen zu dem seltsamen Eismann unbeantwortet: wer war er, war er allein, warum stand er aufrecht da?
Unklar ist ebenso, weshalb die Expedition nicht trotzdem versucht hat, den eigentlichen Zielpunkt zu erreichen, der ja anscheinend nur noch ein paar zig Kilometer entfernt war?
Ein wenig befriedigendes Ergebnis nach einem eigentlich vielversprechenden Anfang.

Meine unqualifizierten Ratschläge:
Bring deutlich mehr Leben in Deine Protagonisten und schmücke die Geschichte mit Details aus, die einen Eindruck von der Härte der Expedition und den Entbehrungen widerspiegeln! Überlege Dir ein etwas spektakuläreres Ende, das die ganze Mühsal lohnt!

Tut mir ehrlich leid, wenn sich das nach einem Verriss anhört. Ich hoffe trotzdem, Dir damit ein wenig weitergeholfen zu haben.
Viel Glück und Spaß beim Basteln.


_________________
Liebe Grüße,

Olifant
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 78
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag31.03.2008 19:20

von Ernst Clemens
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo olifant,

also mal vorab: ich sehe eine konstruktive kritik (so wie deine!) niemals als verriss, sondern als hinweis auf mögliche verbesserungen.

deshalb möchte ich detailliert auf all deine punkte (in deiner reihenfolge) antworten, bzw. dazu stellung beziehen.

Zitat:
Der Anfang war für mich aus einem Grund verwirrend.
  
hier kann ich deiner kritik nicht folgen. woraus schließt du, dass die gruppe den D-day-jahrestag organisiert hat? ich benötige diese einleitung um zu erklären, was d-day ist und warum diese bezeichnung durch die gruppe übernommen wurde.

Zitat:
Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Unser Punkt lag am Ende einer riesigen Eiswüste, die wir durchqueren mussten.  
klar, das ist sehr vage ausgedrückt. es hätte zwar eine eindeutige koordinate gegeben. aber hätte die weiter geholfen? die eiswüste konnte man immerhin auf den sateliten-bildern als solche erkennen.

Zitat:
Das mit dem Aufzählen der Ausnahmen würde ich komplett weglassen.
da hast du recht, das ist inkonsequent. was meinst du zur idee, dass die boulevard-zeitung die konditionen festsetzt und dafür einen preis auslobt? (so eine art wettbewerb / mutprobe)?

Zitat:
und wirft obendrein neue Fragen auf: woher können die das Hundeschlittenfahren?
- sie benutzten die hunde nur als zugtiere für die schlitten. die jungs selbst liefen neben den schlitten her - was ja zusätzlich zur erschöpfung beitrug.

mir war immer wichtig zu zeigen, dass es eben KEINE professionelle expedition war, sondern eine "jugend-mutprobe".


Zitat:
Das ist ein bisschen zu heftig. Die Gruppe befindet sich erst auf der Hinreise und hat noch jede Menge Vorräte dabei.
aber ich wollte deutlich machen, dass alles viel länger dauerte, als von den Jungs berechnet wurde. sie hatten sich verschätzt und kamen jetzt in panik.

Zitat:
Eisbären jagen natürlich hauptsächlich Robben.
- da bin ich mir absolut nicht sicher. ich habe einige berichte gelesen, in welchen darüber berichtet wurde, dass eisbären von einer scholle aus mit ihren tatzen fische regelrecht erschlagen, wenn diese an der oberfläche schwimmen.

Zitat:
Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Aber seid ihr sicher, dass die Angaben des Navi-Systems stimmen? Oder gaukelt uns die moderne Technik etwas vor, und wir sind ihr ausgeliefert?“ Eine böse Ahnung überkam uns.

Oder eine andere Möglichkeit: Waren doch schon vor uns Menschen in dieser, von Gott verlassenen, Gegend unterwegs? Auch diesen Gedanken verwarfen wir umgehend, da sowohl die zuständige Regierung, als auch Mitglieder der dortigen Armee und Marine in der Vorbereitungsphase klar signalisierten, dass noch kein Mensch je dort war. Das Ziel lag in einem absoluten Niemandsland.
die gruppe spürte, dass etwas nicht stimmte und versuchten mit logischen überlegungen die lage zu analysieren. ich kann hier keinen widerspruch entdecken

Zitat:
Hunde sind eher für ihre Nasen berühmt, nicht wegen der scharfen Augen. Was also hat die Hunde aus der Ferne so erschreckt?
hier hast du mich voll erwischt! jetzt die frage an dich: wie lange behält eine tiefgefrorene leiche eine (für hunde auf distanz erkennbare) ausdünstung?

Zitat:
Die Kleidung ist eigentlich das, was an einem Menschen neben der Haut- und Haarfarbe zuerst auffällt, gerade dann wenn der Mann so etwas wie die Knickerbocker von Nick Knatterton trägt. Das müsste der Gruppe also ins Auge gestochen haben, lange bevor sie das Gesicht untersuchen. Die Reihenfolge ist also falsch.
-stimmt. werde ich auch ändern.

Zitat:
Dass sich die Kollegen daher auf einem Gletscher befinden müssen, wird einfach ausgelassen, bzw. viel zu spät in einem kleinen Sätzchen erwähnt.
- einverstanden, ich werde es in einem nebensatz aufnehmen.

Zitat:
Bring deutlich mehr Leben in Deine Protagonisten
- das ist für mich der wichtigste hinweis. hier hast du vollkommen recht. mehr beschreibungen von speziellen eigenarten, die die personen unterscheidbar machen und dem leser die möglichkeit verschaffen, mit ihnen zu fühlen.


danke für deine hinweise - sie sind mir wertvoll

ernst
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Olifant
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 417
Wohnort: München


Beitrag01.04.2008 00:59

von Olifant
Antworten mit Zitat

Hallo Ernst,

freut mich, dass ich Dir ein wenig helfen konnte. Anbei noch ein paar Erklärungen zu meinen anscheinend unverständlichen Kommentaren:


Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Der Anfang war für mich aus einem Grund verwirrend.
  
hier kann ich deiner kritik nicht folgen. woraus schließt du, dass die gruppe den D-day-jahrestag organisiert hat? ich benötige diese einleitung um zu erklären, was d-day ist und warum diese bezeichnung durch die gruppe übernommen wurde.
Der Leser weiß am Anfang nicht - im Gegensatz zum Autor - was für eine Art Projekt geplant wird. Da reimt man sich aus den bereits geschriebenen Zusammenhängen einfach etwas zusammen. Der von mir angeführte Absatzt suggeriert einfach irgendwie, dass das Projekt im Zusammenhang mit dem D-Day steht. Es würde ggfs. helfen, gleich am Anfang darauf hinzuweisen, dass die Jungs eine ganz andere Sache vorhaben, die mit der Invasion nicht das Geringste zu tun hat.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Unser Punkt lag am Ende einer riesigen Eiswüste, die wir durchqueren mussten.  
klar, das ist sehr vage ausgedrückt. es hätte zwar eine eindeutige koordinate gegeben. aber hätte die weiter geholfen? die eiswüste konnte man immerhin auf den sateliten-bildern als solche erkennen.
Nicht irgendwelche Koordinaten sind ausschlaggebend, sondern lediglich eine ungefähre Angabe, wo auf der Welt sich die Gruppe herumtreibt. Am wahrscheinlichsten findet man in der Antarktis einen Flecken, auf dem noch nie jemand war. Irgendein Berggipfel z.B. wäre da als Ziel geeignet.
Für das Thema "Ende einer Eiswüste" ist mir eingefallen, dass Du einfach "inmitten einer Eiswüste" schreiben könntest.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das mit dem Aufzählen der Ausnahmen würde ich komplett weglassen.
da hast du recht, das ist inkonsequent. was meinst du zur idee, dass die boulevard-zeitung die konditionen festsetzt und dafür einen preis auslobt? (so eine art wettbewerb / mutprobe)?
Das eine hat mit dem anderen zwar nichts zu tun. Aber wieso nicht? Allerdings müsste dann damit gerechnet werden, dass sich auch andere Gruppen zu Expeditionen zusammenschließen, die besser ausgerüstet und ausgebildet sind. Der derzeitige Rahmen (Dokumentation für eine Zeitung und Sponsorengelder) reicht eigentlich völlig aus. Auch ohne Preisgeld.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
und wirft obendrein neue Fragen auf: woher können die das Hundeschlittenfahren?
- sie benutzten die hunde nur als zugtiere für die schlitten. die jungs selbst liefen neben den schlitten her - was ja zusätzlich zur erschöpfung beitrug.

mir war immer wichtig zu zeigen, dass es eben KEINE professionelle expedition war, sondern eine "jugend-mutprobe".
Vielleicht können die Jungs ja vorher eine kurze Ausbildung gemacht haben. Es macht nämlich eigentlich keinen Unterschied, ob man auf dem Hundeschlitten fährt, oder nebenher geht. Unglaublich anstrengend ist beides. Und mit den Hunden und Schlitten muss man in beiden Fällen arbeiten und umgehen können. Das ist nicht so leicht, wie es vielleicht aussieht.
Dass eine Expedition ins Eis für den Normalsterblichen eine ungeheure Strapaze ist, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Die Geschichte mit den Zigaretten finde ich diesbezüglich eigentlich ganz pfiffig. Dauernd nur Astronautennahrung ist auf Dauer auch kein Genuss. Ich möchte wetten, dass ich schon nach 3 Tagen einen Kanten Brot mit einem Stückchen trockenem Käse als Delikatesse empfinden würde. Sogar dann, wenn ich die Strecke nicht gelaufen wäre, sondern auf einem "bequemen" Schneemobil hinter mich gebracht hätte. Ich bin schon so verwöhnt, dass mich sogar schon ein Tag mit nassen Socken zum Flennen bringt. Toilette ohne dreilagiges Klopapier geht überhaupt nicht. Einen Hundeschlitten brauche ich gar nicht, um mich im Schneesturm saumäßig unwohl zu fühlen, wenn Du verstehst, was ich meine. Wink

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das ist ein bisschen zu heftig. Die Gruppe befindet sich erst auf der Hinreise und hat noch jede Menge Vorräte dabei.
aber ich wollte deutlich machen, dass alles viel länger dauerte, als von den Jungs berechnet wurde. sie hatten sich verschätzt und kamen jetzt in panik.
Ja dann schreib doch einfach genau das! Das ist eher nachvollziehbar, als wegen Nikotinentzug den Tod eines Freundes sogar herbeizuwünschen. (Sorry, ich übertreibe natürlich  wink )

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Eisbären jagen natürlich hauptsächlich Robben.
- da bin ich mir absolut nicht sicher. ich habe einige berichte gelesen, in welchen darüber berichtet wurde, dass eisbären von einer scholle aus mit ihren tatzen fische regelrecht erschlagen, wenn diese an der oberfläche schwimmen.
Klar, Eisbären sind notgedrungen Allesfresser. Aber Fische und sonstige Kadaver sind eher die Ausnahme. Ich habe auch mal gesehen, dass ein Eisbär an einen gestrandeten Wal hingefressen hat. Daraus zu schließen, das sei seine Hauptnahrung, wäre aber trotzdem nicht richtig.
Spielt aber keine Rolle. Mach aus den Fischen einfach Robben und schon passt die Story wieder!

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
„Aber seid ihr sicher, dass die Angaben des Navi-Systems stimmen? Oder gaukelt uns die moderne Technik etwas vor, und wir sind ihr ausgeliefert?“ Eine böse Ahnung überkam uns.

Oder eine andere Möglichkeit: Waren doch schon vor uns Menschen in dieser, von Gott verlassenen, Gegend unterwegs? ....
die gruppe spürte, dass etwas nicht stimmte und versuchten mit logischen überlegungen die lage zu analysieren. ich kann hier keinen widerspruch entdecken
Es gibt möglicherweise auch gar keinen Widerspruch. Du müsstest einfach nur noch ein Sätzchen zur bösen Vorahnung schreiben. Als Leser weiß man einfach nicht, welcher Art diese Vorahnung ist. Etwa die, dass die Geräte sabotiert wurden? Oder dass Ufos die GPS-Satelliten umgepolt haben? Ich als Leser habe nämlich keine Ahnung, welche böse Ahnung die Jungs haben, so lange sie nicht von einem der Teilnehmer geäußert wird.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Hunde sind eher für ihre Nasen berühmt, nicht wegen der scharfen Augen. Was also hat die Hunde aus der Ferne so erschreckt?
hier hast du mich voll erwischt! jetzt die frage an dich: wie lange behält eine tiefgefrorene leiche eine (für hunde auf distanz erkennbare) ausdünstung?
Laughing  Laughing  Laughing Also ganz im Ernst: das ist mit Abstand das beste, was ich in diesem Jahr gefragt worden bin. Kein Scherz! Das liegt u.a. daran, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wer so eine Frage beantworten kann. Ein Inuit vielleicht?
Frage an alle: kennt sich hier irgend jemand mit Hunden und Leichen aus, die Jahrelang im Eis gelegen haben?
Ich glaube aber zu wissen, dass Hunde auch eingefrorene Fischkadaver im Eis aufspüren können. Die Szene bleibt, glaube ich, ganz realistisch, wenn Du die Hunde einfach nur nervös wittern lässt. Sie müssen nicht gleich in Panik geraten. Auch ein Hund, der seine Nase plötzlich in den Wind hält, kann für die Gruppe ein deutlicher Hinweis sein, dass es irgend etwas zu überprüfen gibt. Mildere einfach die Reaktion der Wufftis ein bisschen ab! Die Aufregung und Nervosität der Männer reicht als Nervenkitzel für den Leser völlig aus.


Zitat:
danke für deine hinweise - sie sind mir wertvoll
Das freut mich sehr. Da macht das Durcharbeiten gleich viel mehr Spaß. Daumen hoch

Liebe Grüße,

Martin


_________________
Liebe Grüße,

Olifant
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 78
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag11.04.2008 14:32

von Ernst Clemens
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo martin,

danke für deine zusätzlichen erläuterungen und sorry, dass ich erst heute darauf zurück komme - aber ich war auf reisen in den letzten tagen.

ich bin ja gespannt, ob jemand aus unserem kreis eine clevere antwort kennt zu deiner frage "an lalle"!  Smile

herzliche grüße
ernst
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4832
Wohnort: Deutschland


Beitrag11.04.2008 18:13

von Hardy-Kern
Antworten mit Zitat

Puff!!

Hallo Ernst,

einen ganz schöner Riemen den du hier produziert hast.
Es immer komisch- jedenfalls geht es mir so- dass einem beim Schreiben und Lesen so manche Dinge nicht auffallen. Natürlich, in der Kritik liegt dann alles offen dar-manchmal aber auch nicht. Die Idee ist an sich sehr gut, aber und dann kommen Olifants Einwände völlig berechtigt.

Natürlich kann man sich darüber streiten, ob man nun jede einzellne Handlung in's unendlich Detaillierte ausufern sollte. Die Personen könnten klarer rüberkommen, stimmt. Aber, ich kann das verschmerzen, da es wahrscheinlich nun kein Roman mehr werden kann, Dafür gibt der Stoff auch zu wenig her. Das war nun Glück oder Pech, dass du ausgerechnet in Olifant einen Geologen gefunden hast, der sich erst zufrieden gibt, wenn er sämtliche Moleküle von Eis, Wasser und Schnee katalogisiert und einen Namen verpasst hat. Very Happy Stimmts Oli?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 78
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag14.04.2008 07:52

von Ernst Clemens
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo hardy,
das ist ja gerade das schöne in diesen schreibforen: als autor bekommst du ein gefühl dafür, wie ANDERE deine geschichte lesen / interpretieren / beurteilen. dass das jeder mit anderen augen tut finde ich gut und hilfreich.

was allerdings nicht heisst, dass der autor jetzt grundsätzlich "das fähnchen nach dem wind" hängen muss. er kann und soll bei seiner sicht der dinge bleiben. aber selbst da gibt es immer verbesserungen, die man gut und gerne einfliessen lassen kann.

dir vielen dank für's lesen und für deine meinung zur story

ernst
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel
Satzzeichen vor und nach kursivem Wor...
von Golovin
Golovin Formsache und Manuskript / Software und Hilfsmittel 14 27.04.2024 13:45 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtliches / Urheberrecht / Copyright
Nach Vertragsabschluss wird der Verla...
von Mion
Mion Rechtliches / Urheberrecht / Copyright 34 22.04.2024 12:05 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Immer diese einsamen Tage
von Hera Klit
Hera Klit Feedback 3 04.04.2024 11:14 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Allgemeine Infos zum Literaturmarkt
Rückmeldeverhalten nach Anforderung ...
von Shakespia
Shakespia Allgemeine Infos zum Literaturmarkt 8 24.01.2024 16:12 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Nach neuen Erden
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 2 09.01.2024 14:04 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungBuchBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von EdgarAllanPoe

von madrilena

von Jocelyn

von Mercedes de Bonaventura

von fancy

von pna

von fancy

von Micki

von Mogmeier

von MT

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!