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Neumond


 
 
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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag22.03.2008 14:26
Neumond
von RunaSomberg
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Auf der schnurgeraden Landstraße fuhr ein Jeep gemächlich gegen Westen. Dort, wo die Sonne vor ein paar Minuten in den Atlantik getaucht war, hatte der Himmel einen pinkfarbenen Lichtschimmer angenommen. Der Wagen hielt, und aus dem Auto stiegen drei Frauen. Sie bauten sich neben den offen stehenden Türen hintereinander auf. "Wir müssen ihn begrüßen, denn er ist neu!" sagte die eine der drei Frauen, eine hagere mit aschblondem Haarschopf und matten aufgerissenen blauen Augen. Die beiden anderen Frauen schauten sich verständnisinnig kurz an. "Wenn Du meinst", sagte die große mit den ausgebleichten Haaren. "Ich bin dabei". "Klaus meint, dass es so ungeheuer wichtig ist, ihn zu begrüßen!" Damit ging sie als kleinste der drei Frauen in die vorderste Position. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und verbeugte sich tief. Mit einem verklärten Lächeln im Gesicht, die großen matten Augen weit aufgerissen, richtete sie den Blick nach oben. Die beiden anderen folgten diesem Zeremoniell ein wenig verzögert, aber durchaus bereit, das Spiel nicht zu verderben. Dreimal verbeugten sich die drei Frauen andächtig vor dem Neuen und sollten sich bei jeder Verbeugung etwas wünschen. Das hatte ihnen die mattäugige Aschblonde vorher gesagt. "Ich wünsche mir unbedingt die Finca, und dazu brauche ich die beiden anderen Wünsche erfüllt, nämlich viel Geld und ganz tollen Erfolg", meinte sie. Und wie sie dies sagte, glaubten ihr die beiden anderen die naive Ernsthaftigkeit, mit der sie von ihren Wünschen sprach.
Kein Auto, kein Tier, kein Mensch störten die entrückte, verrückte Stimmung, die das Ritual der Drei verbreitete.
Es war der erste Abend nach Neumond, und die schmale Sichel hing wie eine dünne schrägstehende Untertasse am Himmel der Küste des Lichts, dessen Farbe von Minute zu Minute von einem lichtdurchfluteten kräftigen Blau ins nächtliche Tiefdunkelblau überging. Die Farbe des Himmels erinnerte die große der drei Frauen an einen nachtblauen Hosenanzug, den sie vor Jahren in einer Grotte auf Lanzarote an einem kantigen Geländer zerrissen hatte. Die dritte der Frauen – eine etwas kräftig gebaute Brünette mit langem, üppig frisiertem Haar und zu langen nicht perfekt gepinselten blauen Lidstrichen – lächelte nachsichtig vor sich hin. Sie war im Urlaub und zu Besuch bei der großen der drei Frauen.
Höchst befriedigt über den gelungenen Akt der Begrüßung der jungen Mondsichel befahl die Anführerin des seltsamen Zeremoniells die Fahrt fortzusetzen.
Als die drei Frauen in das Fahrzeug stiegen, beschlugen die Scheiben. Vom Atlantik her kam kühle, feuchte Luft. Die große Blonde setzte sich wieder ans Steuer, und die Fahrt führte nach einer kurzen Strecke über die asphaltierte Landstraße auf einen Schotterweg, parallel zum Meer.
Das Haus, vor dem sie hielten, war von innen beleuchtet mit blinkenden grünen und roten Lichtschlangen.
Zwei Katzen mit struppigen, verklebten Fellkleidern sprangen vom Tisch herunter, als die drei Frauen das Haus betraten. Im ganzen Haus duftete es stark nach gerösteten Rosmarinstängeln. Von oben ertönten monoton gregorianische Klänge. Zwei riesige Kerzenleuchter, betropft von Hunderten von Kerzen, standen neben einer großen Käseglocke auf dem langen Tisch. Zeitungen, Teller, Bestecke, eine Schüssel mit Obst und viele, viele Schalen von Sonnenblumenkernen und Taschenbücher mit esoterischen Titeln füllten jede einzelne Fläche der großen Tafel, die fast die Hälfte des großen Raumes einnahm. Zwei Hunde stritten sich um die letzten Krümel in einem schmutzigen Fressnapf, während die Frauen auf den antiken Stühlen am Tisch Platz nahmen. Ein weißhaariger Mann mit blauen Augen und betont jugendlichem Verhalten stieß zu den drei Frauen. „Schatzilein, wir haben ihn begrüßt“ sagte die Aschblonde mit den stumpfen blauen Augen. „Gut so“ entgegnete er. „Wollt Ihr einen Fino trinken?“ Er bediente sich fraglos aus einer Zigarettenschachtel, die die Brünette mit den langen Lidstrichen vor sich auf ein winziges freies Plätzchen auf den Tisch gelegt hatte.
„Dieses Andalusien hat was“ meinte die Frau mit den stumpfblauen Augen. „Hier entwickeln sich die Fähigkeiten, hellzusehen“ setzte sie hinzu.
„Ja, das stimmt“ meinte die große Frau mit den ausgebleichten Haaren. „Ich hatte einen ganz intensiven Traum letzte Nacht“. Sie erzählte den zwei Frauen und dem Mann, dass sie die Sonne hätte untergehen sehen. Dann sei die Sonne wieder nach oben gekommen und mitten aus der Sonne heraus hätte sich das Gesicht von Klaus gezeigt. Ganz groß, ganz gütig und mit einem wissenden zarten Lächeln. Alles wie in reines Gold getaucht. Und dann sei plötzlich eine Schachtel der Zigarettenmarke Golddollar im Traumbild gewesen. „Au fein, meinte die Aschblonde mit den glanzlosen Augen „das bedeutet sicher, dass wir bald viel Geld und viel Erfolg haben werden.“ Die Große mit den ausgebleichten Haaren wechselte einen kurzen Blick mit der Brünetten, deren zu langer Lidstrich im Schein des Kerzenlichtes ihrem Gesicht einen Hauch vom Aussehen eines alten Indianerhäuptlings gab.
„Wir müssen jetzt gehen, sonst sind die Hunde zu lange allein“ meinte die Große und stand auf.

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Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4832
Wohnort: Deutschland


Beitrag22.03.2008 22:30

von Hardy-Kern
Antworten mit Zitat

Shocked Was soll ich denn nun als Erster sagen? Ich glaube so langsam bekomme ich das Gruseln. Wird ja immer verwegener hier.
Warum kann ich denn solche Ideen nicht haben? Muss ich mal sehr nachdenken. Confused

Geschrieben ist es nicht übel, könnte man was draus machen.
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Azalee
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 40
Beiträge: 11
Wohnort: Hamburg


Beitrag23.03.2008 13:07

von Azalee
Antworten mit Zitat

Mir gefälllt dein Text. Ich finde, du hast die Situationen gut eingefangen, so dass ich sie mir leicht vorstellen konnte. Es ist, als wenn du mir einen Appetithäppchen hingelegt hättest und jetzt habe ich Hunger auf mehr wink

Aber eine kleine Kritik habe ich noch: Mich hat es ab und zu sehr aus dem Leserhytmus gehauen. Das liegt daran, dass du den drei Frauen auch im fortschreitenden Teil keine Namen gegeben hast. Aber das ist sicher subjektiv und jemand anders findet gerade das gut wink
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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag23.03.2008 13:20
Neumond
von RunaSomberg
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für Deine guten Worte. Hat mich gefreut und sehr an meine beste Telefonfreundin erinnert - sie starb allzu früh an Krebs. Auch sie sagte immer: Ich will mehr von Dir lesen.

Dass ich den drei Frauen keine Namen gegeben habe, liegt daran, dass ich Distanz wahren wollte zu den Figuren, um sie sachlich charakterisieren zu können. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber wenn ich einen Namen höre oder lese, habe ich immer gleich ein typisches, zum Namen passemdes Bild eines Menschen vor mir.   Blink
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Locard
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 36
Beiträge: 696
Wohnort: Münster


Beitrag23.03.2008 15:18

von Locard
Antworten mit Zitat

Hallo Runa!

Ich kann mich Hardy nur anschließen. Geschrieben ist es nicht übel, und man könnte mehr daraus machen. Ich würde dir einfach frecherweise raten, den Text in eine vernünftige Struktur zu bringen. Du solltest es konsequent beibehalten, dass du in einem Dialog jeden neuen Sprechanteil in eine eigene Zeile setzt. Das würde erleichtern, zu wissen, wer denn nun gerade spricht. Ich kam oft aus dem Rhythmus, weil ich überlegen musste, wer denn jetzt nun mit wem sprach und wer es überhaupt war. Das liegt unter anderem sicherlich daran, dass du den Charakteren keinen Namen gegeben hast. Du musst sie ja nicht unbedingt Heike, Claudia und Bianca nennen, sondern sie durch ihr Äußeres betiteln - sowas im Sinne von "die Dürre", die "Aschfahle" etc.
Hier und da solltest du einmal die Melodie des Satzes prüfen. Teilweise erklingen doch manche recht stockend.

Ein wenig plastische Chirurgie und das Ergebnis könnte sich sehen lassen
 Wink


_________________
"Komm, essen wir Opa!" - Pro Satzzeichen, denn sie retten Leben
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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag23.03.2008 16:32
Neumond
von RunaSomberg
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ja, ja - Du lieber Locard und Du lieber Hardy - Ihr habt ja so Recht. Wenn ich den "Neumond" wiederholt durchlese, sehe ich, was Ihr meint. Ich werde mich bessern und bei der kommenden Episode der Großen mit den ausgebleichten Haaren Eure gut gemeinten erfahrenen Ratschläge beherzigen. Versprochen.                                                                                        
Großen Dank Euch auch für die Aufmerksamkeit...

 Laughing
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