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Spiegelbild


 
 
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Easton G. Parker
Gänsefüßchen
E


Beiträge: 16



E
Beitrag09.03.2024 14:45
Spiegelbild
von Easton G. Parker
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

hier ist mein zweiter Einstandbeitrag. Dieser Auszug aus einer Kurzgeschichte bedarf noch einiger Überarbeitung, nichtsdestotrotz wollte ich ihn teilen. Denke, dass sich da noch mehr rausholen lässt. Viel Spaß beim Lesen. smile

Liebe Grüße
Easton



Sie betrachtete ihren Körper im Spiegel. Kein Ausdruck in ihren Augen. Was sie sah, berührte sie nicht. Als sei die Person, die ihr gegenüberstand, eine ihr unbekannte Frau. Unbedeutend. Nicht wichtig. Nicht für sie. Ohne jede Emotion. Leere. Leere in ihren Augen. Leere in ihrer Seele. Ohne jeglichen Bezug. Sie sah sie nur an. Sah sich an. Sich. Und wandte die Augen ab.

Es überkam sie ohne Vorwarnung, wobei es nicht das erste Mal war. Sie kannte das.

Ekel. Enttäuschung. Verzweiflung. Wut. Ohnmacht. Machtlosigkeit. Einsamkeit. Und es war noch mehr als das. Ein Tsunami an Gefühlen. Ein Vulkanausbruch an Emotionen. Plötzlich. Gewaltig. Unbändig. Wild. Nicht zähmbar. Nicht dagegen ankommend. Zu hoch. Zu viel. Zu groß. Zu mächtig für die junge Frau. Zu gewaltig, um diese Massen zu besiegen.

Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen irrte die Frau in ihrer Wohnung herum. Fing Sachen an, ließ sie liegen, nur um dann etwas Neues zu beginnen. Das reinste Chaos. Chaos in ihrem Zuhause. Chaos im Herzen. Chaos im Kopf. Sie war rastlos, hatte das Bedürfnis, zu handeln, um voranzukommen, nur um dann doch in derselben Situation zu landen und nicht vorwärts gekommen zu sein.

Sie hielt inne. Atmete durch, versuchte Klarheit zu bekommen, die Nebelwand beiseite zu schieben. Es gelang ihr nicht. Je mehr sie versuchte, dagegen anzukämpfen, desto dichter und undurchsichtiger wurde die Wand, desto tiefer legte sich der Gedankenschleier, so weit, bis sie ihren einzigen Ausweg darin sah, einfach an Ort und Stelle zu verweilen. Sich nicht zu bewegen, nichts zu tun. Nur zu sehen.

Sie stand wieder vor ihrem Spiegel. Diesem großen Ebenbild ihrer Selbst, das sie daraus heraus anstarrte. Ohne Emotion, ohne Gefühl, nur mit Leere. So, wie sie selbst. Eine Hülle ohne Inhalt. Der Ekel war vergangen, ebenso die Enttäuschung. Auch die Verzweiflung, Wut, Ohnmacht und Machtlosigkeit. Auch die Einsamkeit. Nichts war da. Nur diese Frau, die sie aus dem Spiegel heraus ansah. Bedeutungslos, ohne jegliche Verbindung. Sie war einfach da. Und sah sie an. Sah sich satt. Wollte aber eigentlich nicht sehen. Wollte wegsehen, sich abwenden. Oder doch etwas anderes sehen? Und wenn ja, was?
 
Augen zu.

Augen auf.

Ihr eigener Blick durchbohrte ihre Augen. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit sah sie wirklich hin, in ihre Seele. Und fühlte den Schmerz erneut über sich kommen. Wie eine kalte Woge zog es sie aus dem Zimmer, hinein in sich selbst. Und fand sich wieder am einsamsten Punkt, im dunkelsten Teil ihres Ichs. Sie wollte nur eines: geliebt werden, geliebt sein. Und dort, wo sie sich wiederfand, in sich, allein, von allen Gefühlen überrannt, schwamm ihre Seele in einem Tränenmeer davon, ließ sich treiben, ohne Kraft und Willen. Hinab in die Tiefe, ins Dunkel.

Allein.

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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1243
Wohnort: An der Elbe


Beitrag09.03.2024 15:16

von Arminius
Antworten mit Zitat

Viel Spaß beim Lesen? Kleiner Scherz, was? Mr. Green
Ein verstörendes Unwetter an negativen Emotionen und Selbsthass, das einem fast der Atem schwindet.
Nicht ganz rund finde ich:
als sei die Person, die ihr gegenüberstand diese Formulierung erzeugt m.E. ein falsches Bild. Es ist ja nur das imaginäre Bild ihrer selbst, das sie im Spiegel sieht.
Ohnmacht. Machtlosigkeit. Doppelt gemoppelt.
Bin, ehrlich gesagt, etwas ratlos.
Gruß
Arminius


_________________
A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
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ichbinderautor
Geschlecht:männlichSchneckenpost

Alter: 28
Beiträge: 14
Wohnort: Koblenz


Beitrag09.03.2024 19:49

von ichbinderautor
Antworten mit Zitat

Macht auf jeden Fall Lust auf mehr und ich möchte die Hintergründe dieser Figur erfahren. Wenn ich jetzt ins Blaue hineinrate, würde ich davon ausgehen, dass sie sogar möglicherweise an einer körperdysmorphen Störung leidet.
So oder so liest sich diese Selbstbetrachtung sehr rasant, was wohl durch die kurzen Satzfragmente und Umschreibungen herrührt. Vielleicht ist es sogar stellenweise ZU gerafft und könnte hier und da etwas entschleunigt werden. Nichtsdestotrotz bin ich angefixt und möchte die Ursache erfahren
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Easton G. Parker
Gänsefüßchen
E


Beiträge: 16



E
Beitrag10.03.2024 00:19

von Easton G. Parker
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Dankeschön für euer Feedback und die Tipps.

@Arminius: Die Dopplung habe ich schon in meinem Dokument entfernt. Auch hinsichtlich ihres Spiegelbildes und dessen Wahrnehmung werde ich noch Änderungen vornehmen.

@ichbinderautor: In der Tat, der Text liest sich aufgrund seiner Schreibweise ziemlich rasant. Normalerweise ist das nicht meine Art, hier war das ein Experiment. Ich würde den Stil im Groben für die gesamte Geschichte gern beibehalten, nur werde ich es beherzigen das Tempo etwas zu drosseln. smile

Die Frau in meiner Geschichte hat -aufgrund ihrer Erlebnisse in der Vergangenheit- u.a. mit starken Minderwertigkeitsgefühlen sowie einem verfremdeten Blick auf sich selbst und die Welt zu kämpfen. Ob dies Teil einer Persönlichkeitsstörung oder anderen psychischen Störung/Krankheit ist, weiß ich tatsächlich noch nicht.

Mir kam damals dieses Bild in den Kopf, von einer Frau vor einem Spiegel, die das, was sie wahrnimmt, nicht annehmen kann. Es im Gegenteil zutiefst ablehnt. Und dieses Bild wuchs und wuchs, mit immer mehr Details, dann kamen "Gedankenfragmente" der Frau selbst hinzu. Irgendwie hat sich das verselbstständigt und ich war mittendrin in der Story. wink

Der Auszug sollte übrigens eine der Schlüsselszenen darstellen.
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Veritas
Gänsefüßchen
V


Beiträge: 18



V
Beitrag20.03.2024 00:08

von Veritas
Antworten mit Zitat

Hallo Easton,

ich hab Deinen Text gerade zum zweiten Mal besucht und bin auch nach dem zweiten Lesen eher ratlos. Das Geschriebene sollte mich berühren (sagt der Verstand), schon weil mir so viele bedeutungsschwere Worte entgegenströmen. Allein dieser Absatz hat es verbal mächtig in sich: "Ekel. Enttäuschung. Verzweiflung. Wut. Ohnmacht. Machtlosigkeit. Einsamkeit. Und es war noch mehr als das. Ein Tsunami an Gefühlen. Ein Vulkanausbruch an Emotionen. Plötzlich. Gewaltig. Unbändig. Wild. Nicht zähmbar. Nicht dagegen ankommend. Zu hoch. Zu viel. Zu groß. Zu mächtig für die junge Frau. Zu gewaltig, um diese Massen zu besiegen."

Merkwürdigerweise berührt mich das kaum. Ich habe mich gefragt, woran das liegt, kann es aber nur schwer in Worte fassen. Ich versuchs trotzdem mal: Bei mir sind es oft Beschreibungen von Kleinigkeiten, die für eine emotionale Verbindung zu einem Protagonisten sorgen. Die fehlen mir hier. Du beschreibst die Szene überwiegend mit allgemeinen Worten und widmest Dich nicht den konkreten Details (die das Ganze für mich erst lebendig machen würden).

"Unfähig [Komma] einen klaren Gedanken zu fassen [Komma] irrte die Frau in ihrer Wohnung herum. Fing Sachen an, ließ sie liegen, nur um dann etwas Neues zu beginnen." Das ist fast die einzige Stelle, an der du die Allgemeinplätze wie "Wut", "Ekel", "Nebelwand", "Tränenmeer" usw. beinahe verlässt und fast konkret wirst. Letztlich bleibst du aber doch wieder auf Distanz. Sie irrt herum, fängt Sachen an und lässt sie liegen. Da kann ich mir alles und nichts vorstellen. Ich würde gern lesen, durch welche Räume sie irrt, ob sie sich unterwegs den Zeh stößt, ein schief hängendes Bild geraderückt, eine Postkarte vom Kühlschrank reißt, was sie anfängt und liegen lässt (Radio an, Radio aus, eine Handarbeit, ein Buch, eine Kritzelei, ein Sudoku, ob sie putzt, wäscht, das Telefon nimmt und dann doch wieder weglegt, die Katze des Nachbarn verscheucht oder was auch immer.) Das wären Dinge, die (für mich) aus einer lediglich gedachten Frau einen Menschen machen würden, mit dem ich mich verbunden fühlen kann.

Vielleicht lassen sich meine Leseeindrücke ganz gut mit dem Betrachten eines Bildes vergleichen. Es bleibt insgesamt noch etwas verschwommen, eher wie ein Entwurf, auf dessen Details ich neugierig wäre, die ich aber (noch) nicht erkennen kann.
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Easton G. Parker
Gänsefüßchen
E


Beiträge: 16



E
Beitrag24.03.2024 13:44

von Easton G. Parker
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Veritas,

vielen Dank für dein Feedback, das schätze ich sehr.

Auch, wenn du sagst, dass du es nur schwer in Worte fassen kannst, so finde ich, hast du es doch gut getroffen. Ich verstehe durchaus, was du meinst.

Dadurch, dass ich nicht wirklich konkret geworden, mit Details sagen wir "sehr sparsam" (eher geizig) umgegangen bin und es eben, wie du sagtest, mehr allgemein gehalten habe, ist es nichts Halbes und nichts Ganzes. Habe ich das so richtig verstanden?

Veritas hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht lassen sich meine Leseeindrücke ganz gut mit dem Betrachten eines Bildes vergleichen. Es bleibt insgesamt noch etwas verschwommen, eher wie ein Entwurf, auf dessen Details ich neugierig wäre, die ich aber (noch) nicht erkennen kann.


Dieses Zitat von dir finde ich da sehr passend und schön. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und so ausführlich angemerkt hast, wo es hakt und wie ich es in Zukunft besser machen kann.
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sluver
Wortedrechsler
S


Beiträge: 55



S
Beitrag24.03.2024 18:53

von sluver
Antworten mit Zitat

Hallo Easton,

neben dem sehr guten Punkt, den Veritas angeführt hat, fällt mir das Nebeneinander von gegensätzlichen Zuständen auf. Im ersten Absatz betonst du die innere Leere der Figur, drei Zeilen weiter bricht schon die Emotionsflut über sie herein. Du willst den plötzlichen Wechsel und den Leidensdruck, den dies auf die Frau ausübt, darstellen, beim Lesen wird mir allerdings ein bisschen schwindlig. Vielleicht könntest du dich noch ein paar Zeilen der Leere widmen, so dass die negativen Emotionen noch wuchtiger wirken, wenn sie plötzlich heranspülen? Innere Leere wird ja häufig als "Gefühl der Gefühllosigkeit" bezeichnet. Hier interessiert mich: was hat die Frau verloren? Was war da vorher, was nun "leer" ist? - Natürlich ist es nur ein Textausschnitt und die Szene so isoliert zu bewerten, ist schwer. Ich würde hier - analog zu Veritas' Vorschlag - konkreter werden. Wann hat die Frau zuletzt gegessen? Eingekauft? Sich geduscht? Mit einem anderen Menschen gesprochen?
Wenn du introspektiv bleiben möchtest, würde ich Körpersensationen vorschlagen. Ein Sonnenstrahl auf ihrer Haut, den sie vertreibt, weil er da nichts zu suchen hat. Den Gestank in der Küche durch das nicht abgespülte Geschirr (oder ihr eigener Körpergeruch), wie fühlen sich ihre Haare an?
Könnte man ihr die innere Leere ansehen oder lächelt sie? Probiert sie zu lächeln, wenn sie in den Spiegel sieht?
- soweit meine spontanen Gedanken. Viel Erfolg!
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