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Das Spiegelbild


 
 
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Ghost
Geschlecht:weiblichErklärbär
G

Alter: 40
Beiträge: 3



G
Beitrag15.02.2014 22:33
Das Spiegelbild
von Ghost
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo liebe Community!

Ich geistere nun seit ein paar Tagen bei euch herum und dachte mir, es wäre an der Zeit für meinen Einstand. Der folgende Textauszug stammt nicht aus meinem aktuellen "Werk". Vielmehr ist er bei einem Projekt vor etwa einem Jahr entstanden. Ich habe ihn nach meinen jetzigen Wissensstand überarbeitet und hoffe, ihr habt viel Spaß beim Zerlegen. Wink


Fassungslos starre ich in den Spiegel. Die Sekunden zerfließen, werden zu Minuten. Irgendetwas ist heute Morgen anders. Etwas stimmt nicht.
Anstatt meine Fassungslosigkeit auf mich zurückzuwerfen, zeigt der Spiegel mir ein Grinsen. Frech, fast hämisch sind meine Lippen verzogen. Unter gesenkten Liedern blitzen blaue Augen mich boshaft an. In meinem Kopf herrscht Funkstille. Ich stehe da, hypnotisiert von meinem Blick, verdammt zur Unbeweglichkeit. Mein Spiegelbild neigt den Kopf, ohne mein Zutun. Braune Locken ergießen sich über die Schulter. Ich spüre die Strähnen, wie sie meine nackte Haut umschmeicheln, an ihr lecken. Sind sie wirklich da? Ich blinzle, will den Blick abwenden und nachsehen. Doch da hebt mein Gegenstück im Spiegel träge die rechte Hand. Mit erhobenem Zeigefinger hält es mich davon ab. Das Grinsen wächst weiter proportional zu meiner Bestürzung. Ich spüre wie mein Mund sich zu einer Frage, einem Schrei öffnet - doch es dringt kein Ton hervor.
»Ria?«
Ertappt fahre ich zusammen, als die Stimme meiner Mutter durch das Haus hallt. Mein Puls donnert, dröhnt mir in den Ohren, während ich einen Wimpernschlag lang zur geschlossenen Badezimmertür und sogleich zurück in den Spiegel blicke.
Nichts.
Nur ich, wie ich mich aus den schwarzen Löchern, die einst meine Pupillen waren, anstarre. Zittrig hole ich Luft und schließe die Augen. Augenblicklich breitet sich eine dunkle Wolke der Angst in mir aus. Wenn ich die Augen nun wieder öffne, was wird mich erwarten? Ich selbst, oder- Sie?
»Ria, wir kommen zu spät!«, gellt es ungeduldig durch das Treppenhaus.
Was, wenn ich nicht mich selbst erblicke? Was soll ich dann machen?
Ich merke, wie sich mein gesamter Körper verkrampft. Es ist wie damals, als ich Angst vor der Dunkelheit hatte. Angst, sie würde mich an den Füßen unter mein Bett ziehen - mich zerfetzen, wenn ich es wagte aufzustehen. Aus einer tiefen Ecke meines Gehirns kommt der Impuls, nach meiner Mutter zu rufen. Doch das würde die Situation nicht besser machen. Ganz im Gegenteil, wenn ich es mit dem rechten Maß bedenke. Ich habe es lediglich dem Votum meines Vaters zu verdanken, das ich nun hier und nicht in irgendeiner Irrenanstalt bin.
»Ria! Muss ich erst hochkommen?!«
Reiß dich am Riemen, Ria. Es ist alles in Ordnung. Einmal tief durchatmen, beruhige dich!
Ich bete mir diese drei Sätze einen Moment lang vor. Wiederhole sie wie eine Litanei, klammere mich an sie.
Es ist nicht das erste Mal in deinem Leben, das du Dinge siehst, die nicht da sind! Versuche ich mich selbst zu überzeugen. Also: Augen auf und durch. Sonst bleibt es nicht lange bei der ambulanten Therapie!
Ein letzter tiefer Atemzug und ich schlage die Augen auf. Die Anspannung sickert aus meinem Körper, wie Wasser aus einem undichten Eimer. Der Spiegel zeigt mich. Ich hebe die rechte Hand und winke mir zu. Ein Seufzen entweicht mir, denn im Spiegel verhalte ich mich genauso.
»Ria!«
Ich zucke zusammen, haste auf den Spiegel zu und schnappe mir das Haargummi von der Ablage. Ein Schauer rieselt mir den Rücken herab, als ich zur Türe eile und sie aufreiße. Es kommt mir vor, als würde sich ein kalter Blick in meinen Rücken bohren. Ohne mich umzudrehen, poltere ich die Treppe herab und pralle fast mit meiner Mutter zusammen.
»Ria. Was soll …«, sie stockt, fasst mich bei den Schultern und sieht mich aus eisgrauen Augen eindringlich an. Ihre Stirn legt sich in Falten. Eine Röte steigt ihren Hals hoch, als sie mich vom Scheitel bis zur Sohle in Augenschein nimmt. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, hauche ich und könnte mir im selben Moment eine Ohrfeige für meine zittrige Stimme geben.
Der Blick meiner Mutter wandert die Treppe hoch, ruckt dann wieder zurück. Langsam heben sich ihre gezupften Augenbrauen in die Höhe.
»Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich habe nur die Zeit aus den Augen verloren.« Ich senke pflichtschuldig meinen Kopf. Wie ein dichter Vorhang fallen mir die Locken vors Gesicht. »Es tut mir leid …«
Sie seufzt und verdreht die Augen.




Lg Ghost

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Nicki
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 68
Beiträge: 3613
Wohnort: Mönchengladbach
Ei 10


Beitrag15.02.2014 22:59
Re: Das Spiegelbild
von Nicki
Antworten mit Zitat

Ich werde deinen Text mal ein bisschen zerpflücken, okay?

Ghost hat Folgendes geschrieben:
Hallo liebe Community!

Ich geistere nun seit ein paar Tagen bei euch herum und dachte mir, es wäre an der Zeit für meinen Einstand. Der folgende Textauszug stammt nicht aus meinem aktuellen "Werk". Vielmehr ist er bei einem Projekt vor etwa einem Jahr entstanden. Ich habe ihn nach meinen jetzigen Wissensstand überarbeitet und hoffe, ihr habt viel Spaß beim Zerlegen. Wink


Fassungslos starre ich in den Spiegel. Die Sekunden zerfließen, werden zu Minuten. Irgendetwas ist heute Morgen anders. Etwas stimmt nicht. Gut bis hierher.
Anstatt meine Fassungslosigkeit auf mich zurückzuwerfen, zeigt der Spiegel mir ein Grinsen. Frech, fast hämisch sind meine wirklich deine oder die des Spiegelbildes? Lippen verzogen. Unter gesenkten Liedern blitzen blaue Augen mich boshaft an. Wenn deine Lider gesenkt sind, kannst du dich nicht mehr im Spiegel anschauen. In meinem Kopf herrscht Funkstille. Ich stehe da, hypnotisiert von meinem Blick, verdammt zur Unbeweglichkeit. Mein Spiegelbild neigt den Kopf, ohne mein Zutun. Braune Locken ergießen sich über die Schulter. Ich spüre die Strähnen, wie sie meine nackte Haut umschmeicheln, an ihr lecken. Sind sie wirklich da? Ich blinzle, will den Blick abwenden und nachsehen. Doch da hebt mein Gegenstück im Spiegel träge die rechte Hand. Mit erhobenem Zeigefinger hält es mich davon ab. Das Grinsen wächst weiter proportional zu meiner Bestürzung. Ich spüre wie mein Mund sich zu einer Frage, einem Schrei öffnet - doch es dringt kein Ton hervor.
»Ria?«
Ertappt fahre ich zusammen, als die Stimme meiner Mutter durch das Haus hallt. Mein Puls donnert, dröhnt mir in den Ohren, während ich einen Wimpernschlag lang zur geschlossenen Badezimmertür und sogleich zurück in den Spiegel blicke.
Nichts.
Nur ich, wie ich mich aus den schwarzen Löchern, die einst meine Pupillen waren, Pupillen sind schwarze Löcher anstarre. Zittrig hole ich Luft und schließe die Augen. Augenblicklich breitet sich eine dunkle Wolke der Angst in mir aus. Wenn ich die Augen nun wieder öffne, was wird mich erwarten? Ich selbst, oder- Sie?
»Ria, wir kommen zu spät!«, gellt es ungeduldig durch das Treppenhaus.
Was, wenn ich nicht mich selbst erblicke? Was soll ich dann machen?
Ich merke, wie sich mein gesamter Körper verkrampft. Es ist wie damals, als ich Angst vor der Dunkelheit hatte. Angst, sie würde mich an den Füßen unter mein Bett ziehen - mich zerfetzen, wenn ich es wagte aufzustehen. Aus einer tiefen Ecke meines Gehirns kommt der Impuls, nach meiner Mutter zu rufen. Doch das würde die Situation nicht besser machen. Ganz im Gegenteil, wenn ich es mit dem rechten Maß bedenke. Ich habe es lediglich dem Votum meines Vaters zu verdanken, das ich nun hier und nicht in irgendeiner Irrenanstalt bin.
»Ria! Muss ich erst hochkommen?!«
Reiß dich am Riemen, Ria. Es ist alles in Ordnung. Einmal tief durchatmen, beruhige dich!
Ich bete mir diese drei Sätze einen Moment lang vor. Wiederhole sie wie eine Litanei, klammere mich an sie.
Es ist nicht das erste Mal in deinem Leben, das du Dinge siehst, die nicht da sind! Versuche ich mich selbst zu überzeugen. Also: Augen auf und durch. Sonst bleibt es nicht lange bei der ambulanten Therapie!
Ein letzter tiefer Atemzug und ich schlage die Augen auf. Die Anspannung sickert aus meinem Körper, wie Wasser aus einem undichten Eimer. Der Spiegel zeigt mich. Ich hebe die rechte Hand und winke mir zu. Ein Seufzen entweicht mir, denn im Spiegel verhalte ich mich genauso.
»Ria!«
Ich zucke zusammen, haste auf den Spiegel zu und schnappe mir das Haargummi von der Ablage. Ein Schauer rieselt mir den Rücken herab, als ich zur Türe eile und sie aufreiße. Es kommt mir vor, als würde sich ein kalter Blick in meinen Rücken bohren. Du bist viel näher an deiner Prota, wen du den Satz als direkte Frage formulierst. Bohrt sich nicht plötzlich ein kalter Blick ... Ohne mich umzudrehen, poltere ich die Treppe herab und pralle fast mit meiner Mutter zusammen.
»Ria. Was soll …«, sie stockt, fasst mich bei den Schultern und sieht mich aus eisgrauen Augen eindringlich an. Ihre Stirn legt sich in Falten. Eine Röte steigt ihren Hals hoch, als sie mich vom Scheitel bis zur Sohle in Augenschein nimmt. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, hauche ich und könnte mir im selben Moment eine Ohrfeige für meine zittrige Stimme geben.
Der Blick meiner Mutter wandert die Treppe hoch, ruckt dann wieder zurück. Langsam heben sich ihre gezupften Augenbrauen in die Höhe.
»Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich habe nur die Zeit aus den Augen verloren.« Ich senke pflichtschuldig wieso das? meinen Kopf. Wie ein dichter Vorhang fallen mir die Locken vors Gesicht. »Es tut mir leid …«
Sie seufzt und verdreht die Augen.




Lg Ghost





Ich konnte mir die Szene recht gut vorstellen, die Kleinigkeiten habe ich dir angemarkert. Der direkte Hinweis auf die ambulante Therapie und die Irrenanstalt, die übrigens heutzutage keiner mehr so bezeichnen würde, ist überflüssig. Die Szene ist ohne deine gut gemeinte Aufklärung viel eindringlicher.
Für den letzten Satz hätte ich mir etwas anderes gewünscht. Eine besondere Wendung, etwas, ds der Leser nicht erwartet. So hängt man ein bisschen in der Luft und überlegt: Und jetzt?
Das ist das, was mir aufgefallen ist. Mal sehen, was andere zu deinem Text sagen.


_________________
MfG
Nicki

"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." Henry Ford
"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt." A.Einstein


*Sommerblues* September 2017 Eisermann Verlag
*Trommelfeuer* November 2017 Eisermann Verlag
*Silvesterliebe* 30. November 2018 Eisermann Verlag
*Gestohlene Jahre* Work in Progress
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Ghost
Geschlecht:weiblichErklärbär
G

Alter: 40
Beiträge: 3



G
Beitrag16.02.2014 11:12

von Ghost
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Nicki,

und danke für dein Feedback
Das Ende ist unglücklich gewählt, stimmt wohl. Ich wollte euch nicht direkt mit einem riesigen Block zu texten, weswegen ich dort unterbrochen habe. Embarassed

Zitat:
Frech, fast hämisch sind meine wirklich deine oder die des Spiegelbildes? Lippen verzogen

Danke, stimmt.

Zitat:
Wenn deine Lider gesenkt sind, kannst du dich nicht mehr im Spiegel anschauen.

Ebenso Rolling Eyes

Zitat:
Pupillen sind schwarze Löcher

Ein klarer Fall von "Verschlimmbesserung" meinerseits. Vorher waren es glaube ich: aufgerissene Augen Laughing

Die von dir gestrichenen Stellen, werde ich so übernehmen. Die letzte war mir bereits aufgefallen, ich war mir bisher nicht sicher.
Und noch ein letztes Danke schön, für den Tipp mit der direkten Frage, die mehr nähe zum Prota herstellt. Daran habe ich gestern noch getüftelt, habe es aber nicht sinnvoller hinbekommen.

Lg
Ghost
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F_Benjamin_Studer
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 60



Beitrag16.02.2014 19:42

von F_Benjamin_Studer
Antworten mit Zitat

Sehr gut geschrieben. Ich kann mir den Zustand des Protas gut vorstellen. Ich interpretiere es (hoffentlich treffend) als eine Situation, in welcher der Prota einen starken psychotischen Zustand durchmacht und/oder unter dem Einfluss von bewusstseinsverändernden Stoffen steht. Die Beschreibungen und Gedanken sind sehr greifbar und erscheinen sehr echt. Ich frage mich allerdings auch, wie es jemand liest, der wenig Einsicht in außergewöhnliche Bewusstseinszustände hat. Ich selbst habe Erfahrung mit bewusstseinsverändernden Stoffen, Psychonautik und Klarträumen, und weiß ein bisschen etwas über Psychologie einschl. Wahrnehmungspsychologie und Psychopathologie. Ich konnte vieles mit eigenen, bereits bestehenden Vorstellungen und Erfahrungen verknüpfen. (Die Antworten der anderen habe ich noch nicht gelesen, weil ich, bevor ich meine Antwort schreibe, die anderen Antworten nicht lese, um nicht unnötig beeinflusst zu werden.)

Ein paar Ausdrücke kamen mir erst etwas zu aufgebläht vor. Im Zusammenhang mit der Situation, in der sich der Prota befindet, fand ich einiges davon dann trotzdem noch treffend.

Es war schwierig für mich die Sprache zu analysieren, weil ich immer wieder in die Handlung gerissen wurde.


Ghost hat Folgendes geschrieben:
Fassungslos starre ich in den Spiegel. Die Sekunden zerfließen, werden zu Minuten.


Sehr guter Anfang. Der bildliche Ausdruck für Überraschung, "Fassungslos", geht Hand in Hand mit dem bildlichen Ausdruck für vergehen des nächsten Satzes, "zerfließen". Etwas, was zerfließt, kann man nicht richtig fassen. So wie vermutlich die ganze Wahrnehmung des Protas in der geschilderten Situation.



Ghost hat Folgendes geschrieben:
Ich spüre die Strähnen, wie sie meine nackte Haut umschmeicheln, an ihr lecken.


Hier konnte ich die Wortwahl beim ersten Lesen überhaupt nicht deuten. Auch nicht in den anderen Zusammenhang bringen. Es könnte sein, dass sie (die Wortwahl), durch die Personifizierung eines Teils des Körpers, der als fremd wahrgenommen wird, auf eine Schizophrenie oder schizophrene Zustände hindeuten soll. Es könnte sein, dass sie symbolisch auf Gedanken an den Tod, der bevorstehen könnte, hindeuten soll, indem der tote Teil des Körpers, den ein Mensch stets mit sich herum trägt (Haare), durch ihre Umschmeichelung und ihr Lecken praktisch anklopfen. Könnte auch sein, dass ich einfach keinen blassen Dunst von den Beweggründen dieser speziellen Wortwahl habe. Kann's nicht richtig deuten. Aber in Verbindung mit "Ich selbst, oder- Sie?" dachte ich später an erstere Vermutung.



Ghost hat Folgendes geschrieben:
Das Grinsen wächst weiter proportional zu meiner Bestürzung.


"proportional" ist hier, finde ich, ein etwas zu wissenschaftlich klingender Ausdruck. Der Duden kategorisiert "proportional" als "bildungssprachlich" bzw. Fachausdruck der "Mathematik". Synonyme Ausdrücke, die ich fand und die du stattdessen verwenden könntest, sind:

> je - desto
> entsprechend
> verhältnisgleich
> im gleichen Verhältnis (oder auch "im selben Verhältnis", wenn du nochmals auf den (kausalen) Zusammenhang zwischen Grinsen und Bestürzung hindeuten möchtest.)



Ghost hat Folgendes geschrieben:
Ich spüre wie mein Mund sich zu einer Frage, einem Schrei öffnet - doch es dringt kein Ton hervor.


Sehr mitreißend ausgedrückt. Die Verbindung - in diesem Zusammenhang - zwischen Frage und Schrei: toll.



Ghost hat Folgendes geschrieben:
Ich habe es lediglich dem Votum meines Vaters zu verdanken, das ich nun hier und nicht in irgendeiner Irrenanstalt bin.


In diesem Satz meine ich, einen Hinweis dafür zu sehen, dass der Prota nicht unter sehr schweren Depressionen leidet, oder bereits über einen längeren Zeitraum die Bewältigung dieser erlernt hat, weil er hier seine eigene Situation in den Kontrast mit einer schlimmeren Szenerie stellt, anstatt einer besseren, wie es bei sehr schweren Depressionen ohne Bewältigungsstrategie üblich wäre. Falls das so gedacht war, ist alles in Ordnung.

Rechtschreibung: ->"[...] verdanken, dass ich nun [...]"


Es wird kaum der Schauplatz beschrieben. Bis zu der Stelle, an der sich der Prota herumbewegt, passt das wohl auch gut zu dem krankhaften Zustand. Ab der Bewegung durch Treppe usw. halte ich es aber für angebracht, zumindest die Atmosphäre des Schauplatzes zu transportieren.

Insgesamt tippe ich anhand der Symptomatik auf eine Schizophrenie oder zumindest einen schizophrenen Zustand (letzteres z. B. aufgrund einer Substanzpsychose oder -einnahme). Halluzinationen, Verlust der Kontrolle über den Körper, eigene Körperteile werden als fremd wahrgenommen. Der Prota hat dennoch eine funktionierende Impulskontrolle, was bei Schizophrenie trotz Schwere der Krankheit häufig ist und somit viele andere mögliche Krankheiten ausschließt. Auch typisch: die Wiederholung von und die Konzentration auf sprachliche Gedanken. Der Prota hat anscheinend einen sehr aktiven Präfrontal-Kortex (Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Impulsen und die Versuche, sich selbst zur Vernunft zu überzeugen [limbischer Präfrontal-Kortex], sowie der erwähnte Hang zu sprachlichen Gedanken [kognitiver Präfrontal-Kortex] ) , was, wie ich meine, zum Krankheitsbild der Schizophrenie ebenfalls passt. Auch fand ich leichte Andeutungen auf Paranoia (Vorstellung von einem Blick, der sich in den Rücken zu bohrt, der Hinweis auf die Angst vor Dunkelheit), was bei "paranoider Schizophrenie" (offensichtlich, weil der Name sonst "schizophren" wäre, lol) gegeben ist. Die Differenzialdiagnose der bipolaren affektiven Störung ist noch denkbar, halte ich aber für weniger wahrscheinlich. Ich könnte mich aber auch irren. Sollte ich richtig liegen, und wir nicht zufällig beide dieselben falschen Annahmen über Schizophrenie bzw. schizophrenen Zustand haben sollten, wurde hier sehr gut recherchiert!


_________________
"Immer wenn andere mit mir einer Meinung sind, habe ich das Gefühl, mich irren zu müssen"

- Oscar Wilde
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Equik Bouard
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E

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Beiträge: 18
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E
Beitrag17.02.2014 11:02

von Equik Bouard
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Hallo Ghost,

mich hat die Geschichte schon ziemlich berührt. Das Gefühl der Unsicherheit und Angst wurde mir sehr gut vermittelt. In den technischen Einzelheiten bin ich nicht so bewandert, wie meine Vorschreiber, man könnte also bestimmt noch einiges verbessern, aber der kurze Text hat mich schon neugierig auf die dahinterstehende Geschichte gemacht und ich würde gerne mehr über das Schicksal dieses Mädchens erfahren...


_________________
Heavy Plastic-Psychochiller-Spleenpunk
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Ghost
Geschlecht:weiblichErklärbär
G

Alter: 40
Beiträge: 3



G
Beitrag17.02.2014 14:15

von Ghost
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Hallo ihr beiden!

Freut mich, dass der Textschnipsel euch gefallen hat! Very Happy

@Benjamin
Du liegst mit deiner Verdachtsdiagnose Schizophrenie richtig. Das es anhand so weniger Zeilen erkennbar ist, freut mich!

Zitat:
Es wird kaum der Schauplatz beschrieben. Bis zu der Stelle, an der sich der Prota herumbewegt, passt das wohl auch gut zu dem krankhaften Zustand. Ab der Bewegung durch Treppe usw. halte ich es aber für angebracht, zumindest die Atmosphäre des Schauplatzes zu transportieren.


Ich habe bei diesem Projekt mit meinen Möglichkeiten gespielt. Das Ziel war es, möglichst viel des inneren Chaos rüberzubringen. Obendrein sehen wir das Haus so schnell nicht wieder, weil sie zeitnah einen psychotischen Schub hat und der Alptraum sich erfüllt: Sie kommt ins Krankenhaus auf eine Geschlossene Station.
Dort gehe ich etwas mehr auf die Außenwelt ein. Aber die eigene Gedankenwelt nimmt weiterhin den größten Teil ein.

@ Equik
Es gibt bereits mehr über das Mädchen. Etwa 100 Seiten mehr. Wink
Ich habe das Projekt auf Wunsch einer Freundin begonnen. Sie wollte ein Fan- Fiction Drama haben, und das kam dabei heraus. Viel Fiction, zugegebenermaßen wenig Fan. Damit kann ich irgendwie nicht viel anfangen. Was wohl auch der Grund war, warum ich das Projekt eingestellt habe. Aber manchmal juckt es mich nach wie vor in den Fingern. Dann kommen ein paar Seiten hinzu…

Lg
Ghost
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4290

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag02.03.2014 21:02

von hobbes
Antworten mit Zitat

Hi Ghost,

das ist ingesamt leider nicht so mein Text, vielleicht liege ich auch einfach völlig außerhalb deiner Zielgruppe. Doch gerade im ersten Abschnitt könntest du meiner Meinung nach noch einiges am Sprachlichen feilen. Wobei - mir ist das generell ein wenig zu theatralisch, zu sehr in Allgemeinplätzen gesprochen, als dass es mich wirklich mitreißt. Aber zurück zum ersten Abschnitt. Das sind zwar alles nur Kleinigkeiten, nichtsdestotrotz reißen sie mich aus dem Lesefluss.

Zitat:
Anstatt meine Fassungslosigkeit auf mich zurückzuwerfen, zeigt mir der Spiegel mir ein Grinsen. Frech, fast hämisch sind meine Lippen verzogen. Unter gesenkten Liedern blitzen mich blaue Augen mich boshaft an. In meinem Kopf herrscht Funkstille. -> Das ist zum Beispiel einer dieser Allgemeinplätze. Unnötig ist er noch dazu, weil der nächste Satz genau das gleiche aussagt Ich stehe da, hypnotisiert von meinem Blick, verdammt (-> das ist z.B. so etwas, das mir zu theatralisch ist) zur Unbeweglichkeit. Mein Spiegelbild neigt ohne mein Zutun den Kopf, ohne mein Zutun. Braune Locken ergießen sich über die (-> dieses "die" impliziert eine Spezifizierung, auf die ich dann vergeblich warte) Schulter. Ich spüre die Strähnen, wie sie meine nackte Haut umschmeicheln, an ihr lecken (das Wort erscheint mir völlig fehl am Platz. Sind sie wirklich da? Ich blinzle, will den Blick abwenden und nachsehen. Doch da hebt mein Gegenstück im Spiegel träge die rechte Hand. Mit erhobenem Zeigefinger hält es mich davon ab (von was - der Bezug zum Satz davor ist bis hierhin verloren, das müsstest du auf andere Weise ineinander verknüpfen. Das (-> hier auch wieder: welches ?) Grinsen wächst weiter proportional zu meiner Bestürzung. Ich spüre wie mein Mund öffnet sich zu einer Frage, einem Schrei öffnet - doch es dringt (-> scheint mir auch das falsche Wort, der falsche Ausdruck zu sein) kein Ton hervor.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag05.03.2014 01:33

von Constantine
Antworten mit Zitat

Liebe Ghost,

vielen Dank für deinen schönen Einstand und einer Kostprobe von dir. Gefällt mir gut, wie du deine Protagonistin und ihre Schizophrenie beschreibst. Die kleinen Unterbrechungen durch die Rufe von Marias Mutter geben der Szene eine zusätzliche Dynamik und geben Maria den nötigen Halt sich nicht hier und jetzt zu verlieren. Prima. Dass das doch in naher Zukunft passieren könnte bzw. wird, geben der Szene ihre Spannung.
Von den anderen hast du bereits viele hilfreiche Vorschläge bekommen, um deinem Text mehr Schliff zu geben und einige Logiklöcher zu umschiffen.

Danke fürs Teilen. Gerne gelesen. Weiterhin viel Erfolg und Spaß am Weiterspinnen dieser Geschichte. Auch wenn es keine Fan-Fiction geworden ist, sondern eine eigene Arbeit (sozusagen Befreiung vom Fan-Fiction-Korsett und hin zum Eigenen), würde ich weiter daran schreiben. Wäre schade um das bereits entstandene Material.

LG,
Constantine
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Nicnak
Eselsohr

Alter: 39
Beiträge: 206
Wohnort: Pendler zwischen Berlin und Bayern


Beitrag05.03.2014 19:41

von Nicnak
Antworten mit Zitat

Hallo Ghost,

ich finde es auch sehr gelungen, weiß gar nicht recht was ich kritisieren soll.

Der Szene hätte durch ein unwillkürliches Zucken, durch dass etwas vor dem Spiegel umgeworfen werden könnte, (z.B. eine Schachtel mit Ohrenstäbchen, die auf den Boden fallen und wild umherspringen etc.) noch an Fahrt aufnehmen können.

Das wäre auch schon alles was mir einfallen würde, und da es ja nicht für einen Roman ist, sondern so da steht wie es ist und auch so bleibt, unnötige Erbsenzählerei.

Wirklich gelungener Text.

Wie hast du eigentlich die  «  » gemacht, ich kenne die nur als ASCII Code,
hab mal gehört man könne die Tastatur auf französisch umstellen, geht da sonst noch was verloren?

Werd`s mal ausprobieren.

Nette Geschichte jedenfalls.

Gruß Nicnak
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