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Charo Gänsefüßchen
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Beiträge: 25
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C 02.02.2024 12:20 Schnitzel essen von Charo
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Schnitzel essen
Gemeinsames Mittagessen unter Kolleginnen stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl, sagt Bettina immer. Eigentlich ist Bettina ja gar nicht unsere Chefin, aber als „Dienstälteste“ fühlt sie sich für uns fünf wohl verantwortlich. Ausserdem weiss sie, was für uns gut ist, weshalb wir immer in so ein vegetarisches Lokal gehen, wo die Gerichte „Tofu-Schnitzel an glazierten Zwiebeln mit Bio-Karotten“ heissen. Mir wäre ein echtes Schnitzel lieber. Und letzte Woche war es soweit – ich wollte mal woanders hin.
„Ich stimme für den Schnitzelkaiser!“
Bettina starrte mich an.
Luisa bekam Schnappatmung.
Eva blickte unsicher hin und her.
Carola zuckte nur mit den Schultern. „Naja, warum nicht?“
„Aber ... aber der Schnitzelkaiser ... das ist so ... deutsch“, jammerte Luisa.
„Und gar nicht vegetarisch“, fügte Bettina hinzu.
„Ja, eben. Seit Wochen gehen wir nur in diese Veganerklitsche. Ich will mal was anderes. Und ich gehe da jetzt hin“, ich schnappte mir meine Handtasche, „notfalls alleine.“
Das konnte Bettina natürlich nicht zulassen, von wegen Zusammengehörigkeit und so. Also machten wir uns auf den Weg zum Schnitzelkaiser. Der ja wohl auch irgendwas salatiges haben werde.
Das Lokal war so eingerichtet, wie ein typisch deutsches Lokal, viel Holz, polsterbezogene Bänke und ein Schild, auf dem stand: Für Garderobe wird nicht gehaftet. Wir fanden einen netten runden Tisch für fünf Personen, bestellten Getränke und vertieften uns in die Speisekarte.
Kurz darauf stiess Eva Bettina an und deutete auf irgendetwas, was auf der Karte stand. Dann steckten sie mit Luisa hinter der vorgehaltenen Karte die Köpfe zusammen und sahen schliesslich wieder auf.
Bettina starrte mich an.
Luisa bekam Schnappatmung.
Eva blickte unsicher hin und her.
Carola zuckte nur mit den Schultern und sah mich an. Sie war anscheinend zusammen mit mir die Einzige am Tisch, die das Verhalten nicht zu deuten wusste.
Nun schauten alle drei abwechselnd mich an und in die Karte. Ich beschloss, die Speisekarte genauer zu inspizieren, um herauszufinden, ob etwa ich selber da drinstand. Ich fand aber nichts, was an mich erinnerte. Nur eben Schnitzel. Wiener Schnitzel, Pfefferschnitzel, Jägerschnitzel, Zigeu ... ach du meine Güte. Das also war´s.
Ehe ich reagieren konnte, hatte Bettina schon den Kellner herangewunken. „Können Sie mir das da mal erklären?“, fragte sie extra laut.
Die Bedienung beugte sich vor. „Ah, ja, das ist unser Zigeunerschnitzel. Das servieren wir mit einer feinen Zigeunersosse, also Paprika und Zwiebeln, und dazu ...“
„Ich höre hier immer das Z-Wort!“ Bettinas Stimme war so kalt, dass man mit ihr einen Eisschrank hätte betreiben können.
Ich verdrehte die Augen. Das verstand Bettina leider falsch. „Ihre Speisekarte ist diskriminierend und beleidigend“, fauchte sie den Kellner an.
Allmählich war mir auch zum Fauchen. Weiss der Himmel, wieso meine Arbeitskollegin irgendwann mal beschlossen hatte, dass ich mich beleidigt fühlen muss, wenn man ´Zigeuner´ sagt. Und der Kellner tat mir inzwischen leid.
„Äh ... äh ... also, seien Sie unbesorgt“, stammelte er, „natürlich schneiden wir keinen Zig ... also, das ist eigentlich nur ein Wiener Schnitzel mit Zigeu ... Sinti-Sosse drüber ...“
Unsicher blickte er zwischen Bettina und mir hin und her, und ich beschloss, dem Elend ein Ende zu machen.
„Das Zigeunerschnitzel stammt gar nicht von einem Zigeuner?“ fragte ich.
„Natürlich nicht.“
„Dann ist das Wiener Schnitzel auch nicht von einem Wiener?“
„Nein“, rief unsere Bedienung entsetzt.
„Schade. Ich dachte immer, wenn die Wiener so zart sind wie ihre Würstchen, wollte ich so gerne mal einen von denen probieren ...“
„Unsere Schnitzel sind alle vom Kalb oder Schwein ...“
„Prima. Ich nehm dann eben so ein Zigeunerschnitzel“, sagte ich.
Bettina sah mich an. „Nein, tust du nicht. Das musst du dir nicht bieten lassen.“
„Aber ich will eines. Ich habe Hunger.“
„Wirklich“, fing jetzt unser Kellner wieder an, „wenn wir, also ich, also unser Haus Sie belei...“
„Kann ich jetzt bitte mein Zigeunerschnitzel bestellen?“
„Es ist ja eigentlich nur ein Wiener Schnitzel mit So ...“
Mir wurde das zu bunt. „Ich will jetzt endlich mein Zigeunerschnitzel“, fauchte ich. „Mit extra viel Sinti-Sosse und Roma-Remoulade dabei. Und Calo-Caldo!“ Letzteres verstand er vermutlich nicht, aber es passte so schön dazu.
„Ja ... ja natürlich.“ Der Kellner entfernte sich, vor Verwirrung vergass er ganz, die anderen Bestellungen aufzunehmen.
„Ich habe es nur gut gemeint!“ Bettina schmollte mich an.
„Das hat sie wirklich“, meinte Luisa hinzufügen zu müssen.
„Mir egal. Ich habe Hunger und will Fleisch!“
Carola grinste. „Mit dir kann man wirklich nirgendwo hingehen“.
Ich sah dem Kellner nach. „Ich hoffe nur, er schneidet für das Schnitzel jetzt echt keinen Zigeuner an. Wir sind nämlich ziemlich zäh!“
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Christof Lais Sperl Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 944 Wohnort: Hangover
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02.02.2024 13:12
von Christof Lais Sperl
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Hübsch.
Als ehemaliger Fleischwolf allerdings sage ich auch: Mittlerweile gibt's Schnitzel aus Fleischersatz, die schmecken besser als ein reguläres Produkt!
_________________ Lais |
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Haro Eselsohr
Beiträge: 388 Wohnort: Pfalz
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02.02.2024 13:35 Re: Schnitzel essen von Haro
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Charo hat Folgendes geschrieben: | „Das Zigeunerschnitzel stammt gar nicht von einem Zigeuner?“ fragte ich. |
Ich hatte gerade ein leckeres Stück Kassler - vermutlich auch nicht von einem Einwohner Kassels.
Danke für den Nachtisch! Hat mir gut gefallen.
LG Haro
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Arminius Reißwolf
Alter: 65 Beiträge: 1244 Wohnort: An der Elbe
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02.02.2024 15:18
von Arminius
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So viel zum Thema "Man kann es nicht allen Recht machen".
Amüsante Geschichte. Fehlt nur noch Tote Oma auf der Speisekarte. Oder Kalter Hund
_________________ A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music. Music is the best (Frank Zappa) |
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Drakenheim Eselsohr
Alter: 44 Beiträge: 392 NaNoWriMo: 50166 Wohnort: Burg Drakenheim Gelehrtenturm
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02.02.2024 19:17
von Drakenheim
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Man man man. Nichts zu meckern. Flüssig geschrieben, rutscht leicht übers Auge und das Hirn in die Schmunzelmuskeln und fällt nicht mal mit Schreib- oder Flüchtigkeitsfehlern unangenehm auf.
Selbst die auffälligste Wiederholung ist mir erst beim zweiten Lesen aufgefallen.
Zitat: | Bettina starrte mich an.
Luisa bekam Schnappatmung.
Eva blickte unsicher hin und her.
Carola zuckte nur mit den Schultern. |
Und wenn Stilmittel so eingesetzt sind, dass sie sich nicht als Stilmittel aufdrängen, dann mag ich sie. Und ich glaube, ich mag deine Carola.
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Charo Gänsefüßchen
C
Beiträge: 25
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Charo Gänsefüßchen
C
Beiträge: 25
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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13.02.2024 14:07
von nebenfluss
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Arminius hat Folgendes geschrieben: | Fehlt nur noch Tote Oma auf der Speisekarte. Oder Kalter Hund |
Ich hatte noch auf das Kinderschnitzel gewartet.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Anka Gänsefüßchen
A
Beiträge: 15 Wohnort: 74081 Heilbronn
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A 14.02.2024 14:15
von Anka
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Also. Das Lokal war so eingerichtet, wie ein typisch deutsches Lokal? Würde ich ändern. Es gibt kein typisch deutsches Lokal. In Berlin und Bayern gibt es Lokale unterschiedlichster Bauart. Alle sind in Deutschland. Was ist daran typisch Deutsch, oder andersherum. Nicht Deutsch? Sinti-Sosse drüber? Das würde ein Kellner nie sagen. Die Bedingung oder der Kellner. Was den nun? Es ist ja eigentlich nur ein Wiener Schnitzel mit So ...“ ?Soße auf einem panierten Schnitzel ist eine kulinarische Katastrophe und der Kellner schneidet auch kein Fleisch, sondern dafür ist das Küchenpersonal zuständig. Ein Schnitzel Zigeuner Art ist immer Natur gebraten, mit der entsprechenden Garnitur. Wie z.B. Jägerschnitzel mit Pilzen. Mein Tipp. Fahr nach Wien. Hinterm Stephansdom ist das nostalgische Lokal Figlmüller. Dort wirst du von ausgebildeten Kellner bedient. Original Wiener Schnitzel mit Vogerlsalat und schlonzigem Kartoffelsalat. Mit einem Hauch von steirischem Kürbiskernöl, darüber. Guten Appetit wünsche ich dir und noch einen schönen Tag.
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