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Anton Maurer Gänsefüßchen
Alter: 34 Beiträge: 23 Wohnort: Baden bei Wien
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04.12.2016 16:59 Der Hardcore-Peter von Anton Maurer
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Eine moderne, ungereimte, etwas gestörte Variante des "Struwwelpeter":
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Es war einmal ein Peter, der hatte einen Musikgeschmack, der so hart war, dass man sich davon keine Scheibe abschneiden konnte. Das war aber nicht immer so gewesen. Früher war der Peter ein netter Junge mit einem sonnigen Gemüt. Er trug farbenfrohe Strickpullover, die ihm seine Großmutter zum Geburtstag schenkte, und hörte Mozart. Wenn er übermütig war, hörte er den Säbeltanz von Chatschaturjan.
Doch dann, eines Nachts, passierte es. Peter konnte nicht einschlafen. Und plötzlich vernahm er ein leises Stampfen, gefolgt von einem tiefen Gurgeln. Dann wieder ein Stampfen, diesmal lauter. Ein Klirren, dann Gelächter.
Na sowas, dachte sich Peter. Um diese Zeit muss man doch schlafen. Und weil er sehr neugierig war, zog er sich einen Strickpullover an, schlüpfte in seine blank geputzten schwarzen Schuhe, die er am Sonntag zum Kirchgang trug, und stahl sich aus dem Haus. Er folgte dem Getöse, das immer lauter wurde. Hinter der nächsten Ecke musste es sein! Auf Zehenspitzen schlich er bis zur besagten Ecke und lugte vorsichtig um die Kurve. Und dann ging ihm der Mund auf.
Da standen wilde Gestalten mit langen, verfilzten Haaren, silbergrauen Bärten und schwarzen Sonnenbrillen. Ihre Haare hatten sie mit schmutzigen Fetzen zusammengebunden, auf ihren Lederjacken prangten riesige Totenköpfe. In den Gürteln steckten Pistolen und Totschläger. Die ganze Meute stand um einen großen Radioapparat herum und bewegte die Köpfe im schnellen Takt der Musik. Einige brachten es fertig, gleichzeitig zu rauchen. Neben dem Radio standen einige Flaschen, auch sie mit Totenköpfen auf den Etiketten. Soeben warf eine der wilden Gestalten eine leere Flasche über die Schulter, sie zerschellte knapp neben Peters Gesicht. Er hatte gerade noch rechtzeitig seinen Kopf zurückgezogen.
Peter konnte sich die finstere Gesellschaft nicht ganz erklären, aber sie faszinierte ihn. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, rutschte zaghaft näher und tippte einer der kräftigsten Gestalten auf den tätowierten Oberarm. „Was macht ihr denn hier?“, fragte er. Der Kerl würdigte ihn keines Blickes. „This is our religion, baby“, brummte er mit einer sehr tiefen, heiseren Stimme. „Now get the fuck out of here!“
Peter rannte heim. Die dunklen Gestalten hatten ihn tief beeindruckt, und noch mehr die Worte des alten Finsterlings. „Get the fuck out of here“, murmelte er leise, bevor er einschlief. Wow!
Am nächsten Tag hörte Peter keinen Mozart. Er zog sich das schwarze Hemd an, das er zur Beerdigung seines Großvaters getragen hatte, warf seinen Computer an und suchte nach „Get the fuck out of here“ und „This is our religion, baby“.
In den folgenden Wochen war Peter der dunklen Seite seiner Existenz auf der Spur, sehr zum Kummer seiner Eltern übrigens. Er färbte seine Haare schwarz, ließ sie verfilzen, kaufte sich eine Lederjacke mit Totenkopf, einen breiten Gürtel und einen Totschläger. Auf seiner Brust prangten ein neongrüner Mittelfinger und sein Lebensmotto: Get the fuck out of here.
Peter steigerte sich von Unheilig’s „Schenk mir ein Wundaah“ über Oomph! und Marilyn Manson bis zu Slayer. Rammstein hörte er beim Aufstehen, Blank & Jones zum Frühstück. koRn und Faith No More hörte er, während er schlief. Auf einem Nagelbrett, das er sich gekauft hatte.
Dann, eines Tages, hörte er von der härtesten aller Partys. Stattfinden sollte sie Samstagnacht in einem zwielichten Viertel seiner Stadt. „Der Untergang“ las Peter auf den Anschlägen. „Eintritt: Wenn du zu uns gehörst. Dresscode: Afterlife.“
Samstagnacht klebte sich Peter einen falschen Vollbart an, wickelte sich in einen Ledermantel, der bis zum Boden reichte und hängte sich die langen, dreckstarrenden Haare ins Gesicht. So vorbereitet, stampfte er Richtung Party. Am Eingang zu dem alten Kellergewölbe stand inmitten von Glasscherben ein muskelbepackter Typ mit Glatze und dicken Ringen an den Fingern. Er packte Peter am Kragen, hob ihn hoch, knallte ihn mit dem Rücken gegen eine Wand, zwickte ein Auge zusammen und fragte langsam: „Bist du hart genug, Kleiner?“ Statt einer Antwort holte Peter sein Messer aus der Manteltasche und schlitzte sich damit die Wange auf. Zehn Sekunden später war er im Kellergewölbe.
Die Anschläge hatten nicht gelogen, die Musik im Keller war wirklich hart. Der Sänger kreischte Todesdrohungen ins Mikrophon. Schlagzeug gab es keines, stattdessen schmetterte der Gitarrist im Takt seine Gitarre auf den Boden. Schwarz gewandete Gestalten übten sich im Headbanging. Peter knallte seinen Kopf zum Aufwärmen gegen einen Ziegelstein. „This is our religion, baby“, murmelte er und ließ einen Blick in die Runde schweifen. Die Augen seines Nebenmannes waren vom dichten Rauch rotverquollen und er hatte Schaum vor dem Mund.
Die Band ließ sich auch nicht lumpen. Als sie sich heiser gebrüllt hatte, beschloss sie, ihr Publikum zu vernichten und brachte einen riesigen Flammenwerfer auf die Bühne. Peter betrachtete das Geschehen von oben, denn in diesem Moment war ihm beim Headbanging der Kopf abgerissen und segelte nun durch ein kleines Deckenfenster ins Freie, dem eiskalten, nachtschwarzen Abendhimmel entgegen.
Weitere Werke von Anton Maurer:
_________________ Satire- und Reiseblogger auf teufel-komm-raus.at |
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Elster Leseratte
E
Beiträge: 140
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E 06.12.2016 10:54
von Elster
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Hallo!
Mir gefällt dein Text sehr gut. Besonders gerne mag ich den Part hier:
Zitat: | Da standen wilde Gestalten mit langen, verfilzten Haaren, silbergrauen Bärten und schwarzen Sonnenbrillen. Ihre Haare hatten sie mit schmutzigen Fetzen zusammengebunden, auf ihren Lederjacken prangten riesige Totenköpfe. In den Gürteln steckten Pistolen und Totschläger. Die ganze Meute stand um einen großen Radioapparat herum und bewegte die Köpfe im schnellen Takt der Musik. Einige brachten es fertig, gleichzeitig zu rauchen. Neben dem Radio standen einige Flaschen, auch sie mit Totenköpfen auf den Etiketten. Soeben warf eine der wilden Gestalten eine leere Flasche über die Schulter, sie zerschellte knapp neben Peters Gesicht. Er hatte gerade noch rechtzeitig seinen Kopf zurückgezogen. |
Köstlich!
Was für mich nicht passt, ist der Anfang mit "Es war einmal...das war nicht immer so gewesen". Dadurch, dass Peter ja am Ende seinen Kopf verliert haut dieser Einstieg irgendwie nicht hin, finde ich.
Und ich fände es schöner, wenn du die Bands die er hört gar nicht konkret benennst. Für mich hast du das damit ein bisschen entzaubert, wahrscheinlich, weil ich einfach bestimmte Musik in den Ohren hatte.
Das Ende finde ich super.
Vielleicht ist meine Rückmeldung für den Werkstattbereich ein bisschen knapp oder zu wenig detailliert, bestimmt kann man sprachlich auch noch feilen, aber mir hat der Ton sehr gut gefallen.
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Selanna Reißwolf
Beiträge: 1146 Wohnort: Süddeutschland
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06.12.2016 11:27
von Selanna
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Hallo Anton!
Ich fand Deine Geschichte sehr witzig!
Was Elster einwendet, hat mich nicht wirklich gestört, aber Du könntest die Bandnamen umgehen, indem sich Peter von Rock zu Hardrock, von Gothic Metal zu Doom, Death bis Black Metal steigert ... oder in deutscher Übersetzung von steinharter Musik zur Musik des Untergangs, der Todes bis hin zur völligen Schwärze steigert? Das würde in Deine schön abstruse Geschichte sogar besser passen, finde ich. Aber ich weiß es nicht, es ist Dein Text und nur eine spontane Idee. Ist auf jeden Fall auch so schon lesenswert!
Liebe Grüße
Selanna
_________________ Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham |
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Anton Maurer Gänsefüßchen
Alter: 34 Beiträge: 23 Wohnort: Baden bei Wien
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06.12.2016 13:31
von Anton Maurer
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Vielen Dank für die Rückmeldungen!
Selanna hat Folgendes geschrieben: | Du könntest die Bandnamen umgehen, indem sich Peter von Rock zu Hardrock, von Gothic Metal zu Doom, Death bis Black Metal steigert ... oder in deutscher Übersetzung von steinharter Musik zur Musik des Untergangs, der Todes bis hin zur völligen Schwärze steigert? |
Das gefällt mir, das werd ich ausprobieren.
_________________ Satire- und Reiseblogger auf teufel-komm-raus.at |
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Robert Arnold Müller Wortedrechsler
Alter: 35 Beiträge: 54 Wohnort: Würzburg
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13.12.2016 15:57
von Robert Arnold Müller
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Witziger Text
_________________ Kapitalismus, Koitus und Betäubungsmittel:
R.A. Müllers Storyblog "Prinz von Grombühl" jetzt auf facebook.com/robertarnoldmueller |
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