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minka Leseratte
Alter: 46 Beiträge: 146
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08.01.2016 11:11 Ich-Perspektive im Präsens von minka
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Hallo!
Mich würde interessieren, wie der Markt bzw. die Verlage aktuell auf Ich-Perspektive im Präsens bei Thrillern reagieren.
Der Bestseller "Girl on the train" ist ja z.B. in dieser Perspektive und Zeitform geschrieben, weshalb ich das Gefühl habe, dass der Trend durchaus in diese Richtung gehen könnte, auch bei anderen Thrillern ist mir diese Form in letzter Zeit schon öfter begegnet.
Trotzdem frage ich mich, ob die Verlage lieber Präsens oder Präterium bevorzugen. Oder ist es denen egal, Hauptsache Plot und Charaktere passen?
Was denkt ihr darüber?
Und weil wir gerade dabei sind: Wann würdet ihr Präsens schreiben und wann Präterium? Macht ihr das an bestimmten Aspekten fest?
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5457 Wohnort: OWL
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08.01.2016 14:02
von Willebroer
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Hallo minka,
wenn ein Trend als solcher erkennbar ist, dann ist er meistens schon vorbei. Manchmal hat man Glück und kann sich noch dranhängen. Aber Schnelligkeit alleine reicht da auch nicht. Dann lieber an der Börse spekulieren.
Die Frage nach Präsens oder Präteritum wurde schon öfter diskutiert. Für mich sind Texte im Präsens meistens eine Hürde beim Lesen/Weiterlesen. Meistens sind sie mir zu statisch.
Natürlich gibt es dazu auch andere Meinungen. Ich halte es generell für schwieriger, einen guten Text im Präsens zu schreiben.
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spinat.ist.was.anderes Klammeraffe
Beiträge: 502 Wohnort: Hamburg (ab und zu)
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08.01.2016 14:23
von spinat.ist.was.anderes
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Ich habe meinen ersten Roman vom Präsens ins Präteritum umgeschrieben, weil ich plötzlich fand, dass es besser passt.
Aber Kurzgeschichten halte ich gut im Präsens durch, da mag ich es.
Es kommt vor allem auf die Erzählfigur an. Wenn der Ich-Erzähler jemand ist, der im Hier und Jetzt lebt, wird er sich nicht später hinsetzen und die Geschichte noch einmal erzählen. Oder wenn er beim Erleben in einer geistigen Verfassung ist (z.B. psychische Krankheit / Drogen), die es ihm später unmöglich machen, sich zu erinnern ...
Oder wenn er am Ende stirbt ...
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Oktoberkatze Eselsohr
Alter: 58 Beiträge: 314
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08.01.2016 14:30
von Oktoberkatze
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Mir ist ein Text im Präsens irgendwie suspekt. Erzählen kann man ja eigentlich sowieso erst hinterher, daher fühl ich mich in der Vergangenheitsform deutlich wohler - sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen.
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Graven Eselsohr
Beiträge: 281
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08.01.2016 15:30
von Graven
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Hier ein Auszug aus Die Zeit:
Falsches Präsens
Warum unterwerfen sich so viele Autoren dem Diktat der Gegenwart?
Von Ulrich Greiner
30. April 2009, 8:00 Uhr Quelle: DIE ZEIT, 30.04.2009
Nr. 19
Im Roman ist das Präsens ein Stilmittel, das von großen Schriftstellern, die in der Regel das Präteritum bevorzugen, zur Steigerung der Intensität eingesetzt wird. Es handelt sich um das erzählende Präsens, das in einem Vergangenheitsfeld unversehens bedrohliche Gegenwärtigkeit herstellt. Wenn aber das Präsens die Erzählung völlig dominiert, dann gibt es keine zweite Dimension. Alles ist Gegenwart, alles dieses Ich. Das Ich des Lesers mit seiner eigenen Zeit kommt nun unpassend dazu: Es stört.
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minka Leseratte
Alter: 46 Beiträge: 146
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08.01.2016 16:52
von minka
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Interessant. Danke für die Antworten.
Ich muss zugeben, ich habe mich auch lange daran gestört, Romane im Präsens zu lesen, genauso wie ich Romane mit Ich-Perspektive strikt gemieden habe. Bis ich plötzlich auf die Idee kam, einen Roman in Ich-Perspektive zu schreiben. Nur eben im Präteritum. Von da an las ich nur noch Ich-Perspektive im Präteritum.
Meinen aktuellen Roman habe ich jetzt genauso geschrieben. Nur habe ich in letzter Zeit viele Romane im Präsens gelesen und da kommt mir die Vergangenheitsform bei meinem Roman plötzlich antiquiert vor.
Ich überlege schon die ganze Zeit, meinen Roman ins Präsens umzuschreiben. Denn was mich vor allem stört, ist, dass ich sehr oft in die Vorvergangenheit rutsche, weil es die Geschichte so erfordert. Da wäre Präsens und Rückblicke im Präteritum doch geschmeidiger, oder? Immer wieder dieses hatte, hatte, hatte, gewesen war, etc. Das nervt mit der Zeit einfach.
Außerdem schreibe ich szenisch und nicht erzählend, weswegen Präsens eigentlich ideal wäre.
Aber dann kommen da wieder diese Gegenstimmen, die einen sagen, Präsens ist kacke - ihr sagt im Grunde ja das selbe. Die anderen sagen, dass Präsens sehr schwer zu schreiben ist (wobei ich mich da frage: Warum?)
Oh Mann, ich weiß echt nicht, was ich tun soll. Bin hin- und hergerissen.
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Gerling Exposéadler
G Alter: 59 Beiträge: 2372 Wohnort: Braunschweig
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G 08.01.2016 17:04
von Gerling
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Wenn Präsens im geeigneten Genre richtig eingesetzt wird, erzeugt es eine ungemeine Dynamik beim Lesen. (siehe Don Winslow, Das Kartell)
Ich hingegen favorisiere für meine Bücher der Eichborn-Serie die Ich-Form im Präteritum, weil sie mir einfacher erscheint.
_________________ Die Ewigen (Juni 2018)
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minka Leseratte
Alter: 46 Beiträge: 146
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08.01.2016 17:07
von minka
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Kannst du das "richtig eingesetzt" konkretisieren, Gerling?
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Jack Burns Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1443
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08.01.2016 17:17
von Jack Burns
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Eine Anmerkung zu Deinem Problem: Wenn im Präsens geschrieben wird, muss bei rückwärtigen Ereignissen Perfekt verwendet werden. Das klingt gehäuft genauso doof, wie Plusquam. Deshalb hat es sich eingebürgert, längere Rückblenden nur mit dem Plusquam oder Perfekt einzuleiten und dann in der Grundform der Geschichte fortzufahren.
Die Vergangenheitsform ist keinesfalls antiquiert, sondern aus logischen Gründen immer noch Standardform. In der Regel wird eine Geschichte im Rückblick erzählt. Die Präsensform korrekt durchzuhalten, fällt auch deswegen schwer, weil sie dem natürlichen Sprachgefühl widerspricht. Nichtsdestotrotz wirkt sie vor allem bei Kurzprosa oft sehr intensivierend. Bei Romanen hatte ich einige Male das Gefühl, dass Präsens aus Trend-Gründen verwendet wird. Das soll wohl einen besonderen Pfiff darstellen. Je mehr es machen, umso uninteressanter wird es.
Jack
_________________ Monster.
How should I feel?
Creatures lie here, looking through the windows. |
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Kris Eselsohr
Beiträge: 453
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08.01.2016 17:35
von Kris
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Hallo,
ich habe Pro- und Epilog meines Romans in der Ich-Form und im Präsens geschrieben.
Für mein Gefühl holt es den Leser an diesen Stellen intensiv in die Ereignisse herein. Das ist da auch goldrichtig.
Einen ganzen Roman könnte ich mir allerdings in dieser Form nicht vorstellen.
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Gerling Exposéadler
G Alter: 59 Beiträge: 2372 Wohnort: Braunschweig
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G 08.01.2016 18:05
von Gerling
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minka hat Folgendes geschrieben: | Kannst du das "richtig eingesetzt" konkretisieren, Gerling? |
Ja, sorry. Also, ein kurzer, knackiger Schreibstil. Keine ausufernden Beschreibungen von Orten oder Personen. Kühl, stilistisch. Sonst geht die Dynamik verloren. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung.
_________________ Die Ewigen (Juni 2018)
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minka Leseratte
Alter: 46 Beiträge: 146
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08.01.2016 18:08
von minka
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Okay, ich schlaf nochmal eine Nacht drüber, oder auch zwei oder drei
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5457 Wohnort: OWL
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09.01.2016 02:01
von Willebroer
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Mit dem Aufkommen der Massenmedien hat sich zunehmend eine Art Reportagestil ausgebreitet. Das gab es schon in der reinen Zeitungszeit und wäre eine Rechtfertigung des Präsens. Nicht nur bei Berichten aus dem Fußballstadion.
Andererseits fällt bei Zeitungsartikeln immer wieder auf, daß es leicht zu Ausrutschern kommt und der Stil nicht durchgehalten wird. Plötzlich schmuggelt sich doch wieder ein Präteritum ein.
Ganz zu schweigen von Aussagen, die im Präsens immer etwas deplaziert wirken, z. B. "Die Situation spitzt sich zu, und gestern nimmt das Verhängnis seinen Lauf".
Als Präsens-Artist balanciert man also auf dem Hochseil zwischen Zukunft und Vergangenheit.
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Sanny Eselsohr
S Alter: 30 Beiträge: 227
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S 09.01.2016 02:32
von Sanny
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Ich persönlich kann Romane im Präsens gar nicht ausstehen. Ich fühle mich dann auch nicht besonders eingebunden ins Geschehen, es liest sich einfach nur holprig.
Das einzige Buch, bei dem mich die Präsensform und vor allem die Notwendigkeit derer überzeugen konnte, ist "Der Winter der schwarzen Rosen", weil sie dort die Perspektiven der Zwillingsschwestern abgrenzt und die Unterschiede zwischen den Hauptfiguren hervorhebt.
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Chili Schneckenpost
C
Beiträge: 14
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C 25.01.2016 22:44
von Chili
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Nicht umsonst heißt das Präteritum "Erzählzeit".
Romane im Präsens stören mich. Sie irritieren einfach, zwar kann man sich ein bisschen einlesen, dann geht es besser, aber es ist trotzdem anstrengend. Die "Tribute von Panem" fand ich am Anfang deshalb schrecklich.Hab sie dann aber trotzdem gelesen.
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5457 Wohnort: OWL
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25.01.2016 22:47
von Willebroer
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Chili hat Folgendes geschrieben: | Die "Tribute von Panem" fand ich am Anfang deshalb schrecklich.Hab sie dann aber trotzdem gelesen. |
Komisch - bei der Verfilmung merkt man das gar nicht so.
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