Inkognito

[Marielke]

inkognito

unerkannt im netz
warum –
namenlos
ist seelenlos
geheimniskrämerei
beziehungslos
ein pseudonym muss her
warum –
will mensch sein
irgendwie vertraut
und doch geheimnisvoll
diskret
will spielen
mit der anonymität
bleib im verborgenen
bin eigentlich
nicht existent

[firstoffertio]

Mir gefällt der Rhythmus und sein Fließen, ruhig beginnend, dann wieder schließlich zur Ruhe kommend.

Schreibst du hier auch über dich selbst?

[Marielke]

Eigentlich nicht, obwohl das Gedicht aus einer Laune heraus entstanden ist. Im Allgemeinen bin ich mit meinem echten Namen unterwegs. Nur als ich kürzlich meinen Schreibblog angelegt habe, ging es mir durch den Kopf, dass ich mir doch mal spaßeshalber ein Schriftsteller-Pseudonym zulegen könnte. Dabei habe ich mir Gedanken über die vielen Nicknames im Internet gemacht und auch, warum gerade unter den Jungautoren, die z.B. ebooks veröffentlichen, etliche dabei sind, die ständig ihr Pseudonym ändern. Wobei - bekannte Autoren machen das ja auch. Ich habe dann bei diesem Gedicht mit Synonymen für "unerkannt" herumgespielt.

[Eulenbaum]

Hallo Marielke,

ich ziehe mal ein paar Dinge heraus:

namenlos
ist seelenlos

unerkannt   .... ist seelenlos

unerkannt ... beziehungslos

Dann kommt erst:
ein pseudonym muss her

Der zweite Teil beleuchtet das Ganze "positiv":
warum –
will mensch sein
irgendwie vertraut
und doch geheimnisvoll
diskret
will spielen
mit der anonymität
bleib im verborgenen

... bis es dann am Schluß wieder "abfällt":
bin eigentlich
nicht existent

Erster Teil beleuchtet das Versteck, fragt nach Seele, Beziehung im Bezug auf Namen, "(un)erkennen" ... dann kommt Blut in den Betrachter? den Betrachteten? (Teil zwei), dann zieht sich der Betrachter? der Betrachtete? sich wieder zurück.

Nach dem ersten "warum" steht alles irgendwie nur im Raum, es wird definiert, aber es hängt trotzdem im Raum herum. Im Zweiten Teil ist "Blut" drin, ein "will".

Dieses "bin eigentlich nicht existent" nach dem "will ..." finde ich auf eine Weise reizvoll, weil es sich nach dem "will" schwer wieder zurück in dieses Namenlos zurückziehen läßt, wie es mir scheint. Es entsteht nicht der gleiche luftleere Raum mit Definitionen wie vorher.

Gruß,
Eulenbaum

[Marielke]

Danke, Eulenbaum. Deine Interpretation ist mehr als ich erwartet habe. Ich hätte es selbst sicher nicht besser machen können - im Gegenteil. Ganz sicher hast du da viel von dem erfasst, das mir durch den Kopf gegangen ist oder zumindest vom Unbewußten nach oben kam.