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Der Geigenmann


 
 
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Schnarrinator
Geschlecht:männlichWortedrechsler
S

Alter: 25
Beiträge: 51
Wohnort: Osnabrück


S
Beitrag13.06.2015 19:55
Der Geigenmann
von Schnarrinator
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Geigenmann

Die Axt schnitt durch die Luft und in das massive Holz des Baumes. Sie zischte und wütete. Harz floss wie eine Träne den Baum hinunter. Rinde und Holzspäne flogen durch die Luft. Die Hiebe der Axt wurden immer stärker und dann fiel die Tanne mit einem Ächzen zu Boden.
Zufrieden und mit ein wenig Stolz blickte Gerald auf sein Werk. Die Tanne war mindestens sechs Meter hoch und einen Meter breit und lag in einer Lache aus Holzsplittern und Rinde.
Mit Schweiß benetzter Stirn und einem T-Shirt, das ihm wie eine zweite Haut am Rücken klebte, blickte er hinauf in einen Himmel aus Laub und Ästen, die sich im Rhythmus des Windes bewegten. Er genoss die leichte Brise, die sich wie ein feuchtes, kühlendes Tuch auf seine Stirn, seine Arme und Beine legte und ihn umhüllte.Er hörte den Blättern und Vögeln beim Reden zu, hörte sein eigenes pochendes Herz, das wie ein eigenständiger Organismus – losgelöst von seinem Körper und Geist – zu existieren schien.
Er fühlte sich wohl und geborgen, wie ein Kind in den Armen seiner Mutter (auch wenn er dieses Gefühl nie kennengelernt hatte).
Er wollte bleiben, ein Teil des Waldes werden, sowie die Erde, das Laub, die Würmer und Insekten Teil des Waldes waren. Er könnte sich eine Hütte bauen, gleich hier zwischen den Bäumen. Er würde das Holz des gefällten Baumes klein hacken und sich ein Haus bauen. Er würde sich von allem befreien. Von dem Stress, dem Willen der anderen, dem Wunsch akzeptiert zu werden und von Ihm. Besonders von Ihm würde er sich trennen können und das war sein größter Wunsch.
Aber es würde nicht funktionieren. Es funktioniert nie, warum sollte es auch funktionieren? Man wird Ihn nicht los, niemals! Er war schon immer da und wird immer bleiben.
Und wenn er bleibt …

(das wird er, er ist überall! Er ist ein Fluch, mein persönlicher Dämon.)

… dann hat das Leben im Wald keinen Sinn.      
Gepeinigt von dieser Erkenntnis und mit Tränen in den Augen floh Gerald aus dem Wald. Den Baum würde er morgen klein hauen und mitnehmen. Er ertrug es nicht länger an diesem feuchten, stinkendem Ort.
Er stieg in seinen mit Rost überzogenen Wagen, den er am Rand des Waldes geparkt hatte und fuhr nach Hause.

Als er auf den mit Kies überfluteten Weg einbog und das Stahltor durchfuhr, das den Beginn seine Grundstückes markierte, kroch ER aus seiner Höhle und stieg die steinige Treppe zu Geralds Bewusstsein hinauf.

Poch!
Poch!
Poch!

Das Klopfen dröhnte und durchfuhr ihn, machte ihn benommen. Die Welt wurde milchig weiß. Konturen verschwammen zu einer trüben bläulichen Masse. Alles drehte sich. Weiß und schief war die Welt. Gerald fasste sich mit beiden Händen an den Schädel, versuchte ihn aufzuhalten, ihn aufzuhalten. Er knallte auf das Lenkrad. Er schmeckte Eisen und Kupfer. Seine Stirn pochte. Er verlor die Kontrolle über den Wagen. Er fuhr und fuhr und dann der Aufprall. Ein hämmernder, pochender Schmerz. Das Geräusch von quietschendem Stahl, das sich wie eine rostige Spirale in sein Hirn drehte.

Poch! Poch! Poch!

Kein Ausweg, kein Entkommen.ER steht vor deiner Tür! Lass IHN rein!
So sollte es sein. Die Tür schwang auf und das Pochen verstummte …

(Guter Junge, du hast dir einen Keks verdient)

… und der irre Geigenmann betrat die Bühne. Er stimmte seine Geige – sie war weiß wie Papier, der Geigenbogen schwarz wie Asche – und breitete seinen Geigenkoffer wie ein Straßenmusiker vor sich aus, um mögliche Spenden entgegennehmen zu können.

(Geh rüber und wirf ihm das in den Koffer mein Junge, dann freut er sich)
 
Die Stücke, die er spielte, waren niemals identisch, aber das Thema war immer das selbe.
Es begann laut und ruckartig – der Geigenbogen schrubbte über die Saiten, wie ein Bimsstein über Hornhaut – und entwickelte sich schließlich zu einem leisen,weichen Triller. Benommen kroch Gerald aus seinem Wagen, nicht fähig zu sehen, nicht fähig zu denken, zu fühlen, zu schmecken, zu riechen. Er war gefangen in einer Welt des Nichts, in einem Kokon aus Kummer und  Leid. Die Musik umhüllte ihn, bildete die Luft, die er atmete, die Struktur des Kokons. Und dann war es vorbei. Der Geigenmann hörte auf zuspielen und Gerald kehrt zurück aus der Dunkelheit. Immer noch benommen versuchte er aufzustehen. Die Welt drehte sich, kippte und er brach wieder zusammen. Er übergab sich. Neben ihm stieg Rauch vom Motor seines Wagens auf. Blut lief ihm in den Mund. Der Qualm stieg in dicken Schwaden dem blauen Himmel entgegen.
Er lag auf dem staubigen Boden in einer Lache aus Kotze und spürte wie sich ihm tausende Kiesel in den Rücken bohrten. Er roch Benzin, Rauch und Erbrochenes. Er schmeckte Salz, Eisen und Galle. Er hörte das laute Rattern des Motors, sein pochendes Herz, das entfernte melodische Spielen einer Geige, das näher und näher kommt …

(Das wars' dann. Das ist das Ende.)

… und dann verschluckte ihn die ewige Dunkelheit.



_________________
Read for hours a day. Write four hours a day. If you cannot find the time for that, you cannot expect to become a good writer - Stephen King
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Gast







Beitrag13.06.2015 21:32

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Schnarrinator!

Ich werde dir nun mein Feedback liefern und hoffen, dass du damit etwas anfangen kannst. Dies alles ist nur mein persönlicher Eindruck. Es mag sehr gut sein, dass andere genau das Gegenteil empfinden.

Mein Eindruck:

Da wo es mir fehlt, hast du zu viel: Beschreibungen. In 3/4 des ersten Abschnitts erfährt man nur, dass Gerald einen Baum fällt. Du beschreibst sehr, sehr ausführlich, wie das aussieht und versuchst dabei, mit Bildern zu spielen. Für mich ist das ein wenig zu viel des Guten. Auf Dauer ziehen sich Sätze, welche sich der reinen Beschreibung widmen, wie Kaugummi in die Länge. Erst am letzten Viertel vom gesagtem greift die Geschichte Spannung auf.

Den Auftritt des Geigers halte für gelungen. Schön wie du ihn etwas unheimlich wirken lässt. Das hat mir sehr gefallen.


LG
AC
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Ryrke
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 50



Beitrag26.06.2015 20:34
hi...
von Ryrke
Antworten mit Zitat

Auch von mir ein  paar Worte zu deinem Text...
der erste Teil gefällt mir herausragend gut - man kann den Wald und die gefällte Tanne förmlich riechen.

Zitat:
Er würde das Holz des gefällten Baumes klein hacken und sich ein Haus bauen. Er würde sich von allem befreien. Von dem Stress, dem Willen der anderen, dem Wunsch akzeptiert zu werden und von Ihm. Besonders von Ihm würde er sich trennen können und das war sein größter Wunsch.
Aber es würde nicht funktionieren. Es funktioniert nie, warum sollte es auch funktionieren? Man wird Ihn nicht los, niemals! Er war schon immer da und wird immer bleiben.
Und wenn er bleibt …


Hier stockt leider der Lesefluss durch zuviele Wiederholungen des Wortes "würde".

Zitat:
Er ertrug es nicht länger an diesem feuchten, stinkendem Ort.


Stinkt der Ort jetzt wegen seiner Erinnerung? Erst fühlt er sich geborgen und dann auf einmal... wink

Zitat:
Das Klopfen dröhnte und durchfuhr ihn, machte ihn benommen. Die Welt wurde milchig weiß. Konturen verschwammen zu einer trüben bläulichen Masse. Alles drehte sich. Weiß und schief war die Welt. Gerald fasste sich mit beiden Händen an den Schädel, versuchte ihn aufzuhalten, ihn aufzuhalten. Er knallte auf das Lenkrad. Er schmeckte Eisen und Kupfer. Seine Stirn pochte. Er verlor die Kontrolle über den Wagen. Er fuhr und fuhr und dann der Aufprall. Ein hämmernder, pochender Schmerz. Das Geräusch von quietschendem Stahl, das sich wie eine rostige Spirale in sein Hirn drehte.


Auch hier viele Wiederholungen, die auf mich leider nicht wirken... sie  ziehen mich nicht in die Geschichte, obwohl ich sie nicht schlecht finde.

Das Ende ist dann wieder gelungen smile


_________________
Es ist immer wieder lustig, wie man von der Umwelt in Kompromisse gezwungen wird, auch dann, wenn man alles differenziert antizipierend plant.
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Kopfkino
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 40
Beiträge: 262
Wohnort: zwischen Fluss und Wald


Beitrag27.06.2015 22:21

von Kopfkino
Antworten mit Zitat

Hallo Schnarrinator,

ich bin in deinen Text irgendwie nicht ganz reingekommen.
In den ersten Zeilen beschreibst du den Baum. Die Maße können einfach nicht passen. 6m Höhe, ok, aber 1m breit? Was? Der Stamm oder die Äste? Beides würde nicht zu 6m Höhe passen.

Die Analogien zu einem Menschen (Träne, Lache) habe ich bemerkt. Ich empfand sie als schöne Idee.

Die Verbundenheit mit dem Wald ist für mein Gefühl auch zu lang geraten, aber ich bin auch ein Fan des Knappen.
Das in Klammern stehende, dass der Protagonist nie eine Mutter hatte, halte ich für unnötig. Das hat mich aus dem Lesefluss geworfen und ich habe mich gefragt, wieso ich das wissen muss.

Der Teil mit dem Geigenmann hat mir gefallen. Die Wiederholungen hat Ryrke ja schon angemerkt. wink

Am Ende frage ich mich noch, wie das eigentlich ist, wenn der Motor qualmt, bei einem Unfall, rattert er dann? Da bin ich auch etwas hängengeblieben, aber eher, weil ich keine Ahnung habe.

Grüßle Kopfkino
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