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Fernsucht


 
 
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Fräulein von und zurück
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Alter: 108
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Beitrag22.03.2015 15:20
Fernsucht
von Fräulein von und zurück
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Fernsucht

Ich habe meine Zukunft schon durchgeplant, genau durchgeplant, wer tut das denn nicht?
Mit 22 schließe ich die Pubertät ab, endgültig ab und werde eine reife junge Frau.
Jemand, der mit beiden Beinen fest im Leben steht und die Sonderangebote bei Lidl kauft.
Wenn ich 25 geworden bin, kaufe ich mir meinen Mann bei Ikea. Freddy, Birkenholz, standfest. Ich baue ihn in meinem Wohnzimmer zusammen. Mit einem Inkubus-Schraubenschlüssel.
Ein Jahr später, nach der überzuckerten Sahnetortenhochzeit, kriegen Freddy und ich unser erstes Kind, wir nennen es Conny. Drei Jahre später folgt dann unser zweites, zwei Jahre danach unser drittes.
Mutter-Vater-Kind-Kind-Kind-Leck-Mich-Doch, wir werden jeden Abend Tatort schauen, unsere Töchter und Söhne zu Schule und Kindergarten bringen, ich werde fett. Chips und Schokolade. Wäre ja schade, wenn’s verdirbt, gelle?
An meinem 50. Geburtstag müssten die Kinder eigentlich aus dem Haus sein, und dann ziehen wir in den Untergrund.
Wir werden so richtig auf den Putz hauen, krasses Zeug verticken, krasses Zeug konsumieren. Krasses Zeug anbauen. Und jedesmal, wenn nachts eine Polizeisirene heult, schreckt Freddy aus dem Schlaf und sieht sich mit vor Angst geweiteten Augen um. Hilflos tastet seine Hand nach der meinen und findet bloß die zerknüllte Bettdecke. Denn ich bin nicht da, nicht hier, ich bin untergetaucht, in der Stadt, dort, wo man sich gut verlieren kann.
Am nächsten Morgen plärrt das Radio. Ein Einbruch in der Langengasse, ja, deswegen waren die Cops noch zu so später Stunde unterwegs. Freddy und ich sitzen am Frühstückstisch, bei Schrippen und Erdbeermarmelade, und während wir uns gegenseitig Tee einschenken, grinsen wir uns erleichtert an. Das Leben ist schön, ‚ne?
Ab und an tattert die Gertrude Müller, meine ehemalige Nachbarin, jaja, manchmal tattert die Trudi mit ihrem Rollator über den Bürgersteig auf der anderen Straßenseiten. Ich werde ihr dann mitleidig zulächeln und weiterhasten, zwei prallvolle Taschen geschultert.
So Mitte 60 werde ich dann meinen Mann umbringen, das gehört sich so. Erst ein netter Kokaintrip und dann ein nettes Steakmesser machen eine Geschichte vollkommen.
Am Tag danach liege ich nackt in meinem Bett, werde ich nackt in meinem Bett liegen. Mir den Schlaf aus den Augen reiben und mich wundern, was letzte Nacht geschehen ist. Ich wickele mir ein dreckiges Handtuch um die Hüften und verlasse im Piratengang mein Zimmer, ich muss mich am Türrahmen festhalten, weil mir schwindelig wird.
Freddy werde ich in der Küche finden. Seinen Kopf im Spülbecken ertränkt, Hakenkreuze und Drudenfüße wurden auf seinen nackten Rücken gezeichnet. Langsam werde ich näher treten und mit zitternden Fingern das Messer aus einer besonders schön verschlungenen Rune ziehen.
Ein Fehler. Die Wunde platzt erneut auf, Blut bedeckt die weißen Kacheln. Man, das wird ‚ne Putzerei. Natürlich brauche ich seinen Atem nicht zu testen, seinen Puls nicht zu fühlen. Er ist tot.
Ich weiß wieder, was letzte Nacht geschehen ist, weiß es dunkel. Er ist tot.
Erschrocken werde ich die Hand vor den Mund schlagen, jammern seufzen, flehen. Oder irgendwas Theatralisches halt. Und werde selbst dabei nicht begreifen, dass mein Schatz nicht mehr lebt.
Schließlich hole ich die Millionen aus unserem versteckten Tresor und verlasse das Land unter falschem Namen. Ich verbringe ein paar schöne Jährchen in Malle. Am Tag meines 77. Geburtstages werde ich wieder zurück nach Deutschland reisen.
Ich sehe alle meine Kinder wieder, sie nennen mich Mutter und wissen meinen Vornamen nicht mehr. Man bringt mich in ein lichtgeflutetes Haus mit großen Räumen und setzt mich in einen Lehnstuhl wie eine Puppe aus Porzellan. Die Kraft, meine Glieder zu rühren, verliere ich Tag für Tag, Stück für Stück.
So wird mein Jüngster mir mit einem Löffel Brei zwischen die fauligen Zähne schieben und meine Tochter mich auf die Toilette begleiten. Als ich dann auch noch mein Augenlicht verliere, bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als die Welt zu ertasten.
Mit einem Lächeln auf den Lippen erzähle ich von dem Krieg, den ich nie erlebt habe, von Personen, die mir in meinen Träumen begegnet sind, von Versagen, obwohl ich nie Missionen erfüllen musste, an denen ich hätte scheitern können.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schiebt mein Ältester mich in ein Altenheim ab.
Mein Alter wechselt jeden Tag, ich habe begonnen, in Flusskrebsen zu rechnen, und die Tapete nennt sich Claudia. Claudia kennt die schönsten Witze der Welt.
Ich bin verbittert. Werde aber nie genug mainstream sein, um an Altersschwäche zu verrecken. Leider, leider…
Eine Altenpflegerin wird meine Leiche finden.
Ich frage mich ab und an, wie sie aussehen wird. Schön, hässlich. Dürr, rundlich, groß, trägt sie Schmuck oder hat sie sich die Haare hochgesteckt?
Langsam wird sie näher treten, und mein blasses Unterbein berühren. Angeekelt das Gesicht verziehen.
Fettig strähnen mir Haare über die Augen, mein Gesicht von gelb-eitrigen Pusteln überzogen, hänge ich über dem Boden. Ein Holzstuhl liegt ein paar Meter entfernt in der Ecke, ich habe ihn mit den Füßen weggetreten. Das Seil wurde um den Balken der Toilettenkabine geschlungen, es war stabil. Und der Knoten hat sich nicht gelöst, denn obwohl meine Finger von der Gicht zerfressen wurden, habe ich den Seemansknoten nie verlernt.
Eine Altenpflegerin wird meine Leiche finden.
Die Beerdigung findet drei Woche später statt, kein Schwein kommt. Meine Kinder, natürlich, und noch ein paar Freundinnen, mit denen ich mal die Brigitte gelesen, Kuchen gebacken oder gehäkelt habe.
Mein Geliebter kann nicht kommen, er ist tot, wusstest du das? Aber wie er gestorben ist, weiß ich gar nicht.
Nach meinem Tod wird alles weitergehen wie vorher. Jeder Mensch ist zu viel, und im Grund genommen auch nur Verschwendung von Platz, Sauerstoff und Nahrung.


Joa. Was sind so deine Zukunftspläne? Irgendwas Großes in Angriff genommen?

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Einar Inperson
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Beitrag22.03.2015 15:33

von Einar Inperson
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Hallo Frollein,

es tut mir sehr leid, aber ich kann es nicht ändern. Mir gefällt das sehr gut. Das bedeutet im Gegenzug, dass nun die Kritik auf dich einprasseln wird. Gewaltig und Erbarmungslos.

Aber immerhin. Mir gefällt das.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

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Sue Rovia
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Das bronzene Floß Silbernes Licht


Beitrag24.03.2015 17:32

von Sue Rovia
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Das ist eine sehr wert- und sinnlose Kritik. Ich weiß nämlich selbst nicht ob ich dich mag oder deinen Text. (Ich wollte dich gerade fragen, wie du mit 99 planen kannst, was du mit 70 tust, aber du musst ja als Verfasser nicht zwangsläufig der Ich-Erzähler sein)

Unschön finde ich den Tod im Altenheim, aber das liegt daran dass ich in der Nacht bevor ich deinen Text gelesen habe selbst eine Möchte-gern-Altenpflegerin war, die einen Toten gefunden hat. (Nein ich hab mein Gesicht nicht angewidert verzogen)
Was solls, angesichts aller Toten die meinen Weg gekreuzt haben, bin ich auch nicht sehr erpicht darauf meine große Liebe unter die Erde zu bringen. Wobei heute ja kaum noch jemand den Fehler macht, und seine große Liebe heiratet.
Falls du noch beim Rewe vorbeikommst, kannst du mir auch einen Mann mitbringen. Aber keinen Standfesten, bitte. Sonst verwechseln wir die beiden irgendwann.


Was mich eigentlich erstaunt und zum Nachdenken gebracht hat ist die Überschrift. Da fehlt der Provokative Ton. Hättest du eine Abhandung über unsere REise in die Zentralafrikanische Republik mit tätowierten Katzen und einen wütenden Barak Obama geschrieben, dann hätte ich diesen Titel leicht einordnen können.
So lässt er mich trotz eines nachfolgend witzigen und  sarkastischen Textes beinahe schon traurig zurück.
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nebenfluss
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Beitrag24.03.2015 18:04

von nebenfluss
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Hallo Fräulein,

vom Roten Teppich komm ich her und will mal die dort geweckten Erwartungen abgleichen.
Fräulein von und zurück hat Folgendes geschrieben:
Wurde schon ein paar mal mit Kafka verglichen

OK, da es angesichts deines extrovertierten Auftretens sehr unwahrscheinlich ist, dass sich der Kafka-Vergleich tatsächlich auf deine Person bezieht, hatte ich auf kafkaeske Texte gehofft. Kommen die noch?

Fräulein von und zurück hat Folgendes geschrieben:
Leute, meine Texte sind und bleiben Schrott!

Alles klar, du wirst deine Texte also nicht verbessern. Aber vielleicht verschlechtern? Das würde sich hier anbieten. Denn so schrottig finde ich das gar nicht, aber es könnte sicher Schrott werden, wenn wir uns alle ganz viel Mühe und dir miese Ratschläge geben. Wär mal was anderes.
Was meinst du?


_________________
"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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Fräulein von und zurück
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Beitrag24.03.2015 19:38

von Fräulein von und zurück
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@Einar Inperson - Vielen Dank, freut mich sehr, dass es dir gefällt. Am Anfang war ich unsicher, ob ich das überhaupt hier reinstellen soll...

@Sue Ulmer   Wie nennst du deine Kritik - wertlos? Sinnlos? Also ich habe mich total über deinen Beitrag gefreut...Aber wenn überhaupt, magst du meinen Text. Den habe ich nämlich - wie so viele meiner Texte - aus der Perspektive der Person geschrieben, die ich gerne wäre. Und die wiederum ist Lichtjahre von mir entfernt. Nah, lassen wir das.
Auf jeden Fall Gute Besserung, ob all der Toten, die deinen Weg gekreuzt haben. Ob gute Besserung das richtige Wort dafür ist...?
Die Überschrift ist eigentlich keine Überschrift, sondern ein Arbeitstitel gewesen, weshalb hat er dich so zum Nachdenken gebracht?
Zitat:
So lässt er mich trotz eines nachfolgend witzigen und sarkastischen Textes beinahe schon traurig zurück.

Oh...danke.

Nach ja, klar bringe ich dir einen Mann mit. Welches Modell darf es denn sein - Billy, Kato...?

@nebenfluss - Hehe^^ Na ja, ich hatte gelesen, dass man bei seiner Vorstellung seine Art von Schriftstellerkunst gleich mit vorstellen soll. Und weil ich nicht wusste, wie ich das anstellen sollte, habe ich einfach mal das wiedergegeben, was die Anderen sagen. Mitläuferstyle und so.
Mit - Leute, meine Texte sind und bleiben Schrott! - hatte ich eigentlich gemeint, dass meine Stories schlecht sind und selbst erfahrene Schriftsteller das nicht hochpushen können. Aber meinen Text noch mehr zu zerschrotten, mit miesen Ratschlägen, wäre auf jeden Fall eine interessante Idee. Es ist anders. Und anders kann nicht schlecht sein.

Ps: Ich mag deinen Nick(:
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Sue Rovia
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Das bronzene Floß Silbernes Licht


Beitrag24.03.2015 20:27

von Sue Rovia
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Ich glaube meistens werden wir genau das, was wir werden wollen. Wir überlegen uns letzteres nur dummerweise zu selten.

Also mir gehts auch mit Toten gut Laughing Und bei den Toten wird nichts mehr besser, abgesehen von den paar Seelen die im Himmel enden. Vielleicht eine gute Verschlechterung? Schönes Verwesen und so, du weißt schon...

Naja, die Frau (oder dein besseres Du) hat ihr ganzes Leben verplant und danach immer noch Fernsucht. Das ist irgendwie traurig.

Ist William Wallace auch drin? Aber in Jeans bitte

Ach ja, willst du nicht mal einen Roman schreiben? Ich glaube, das könnte sehr sehr lustig werden...
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Fräulein von und zurück
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Beitrag27.03.2015 23:34

von Fräulein von und zurück
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@Sue - Na gut. Dann halt auf ein schönes Verwesen...Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?
"Ich glaube meistens werden wir genau das, was wir werden wollen. Wir überlegen uns letzteres nur dummerweise zu selten."
Hhmm...yeah. Yeah, stimmt. Du hast recht, weises Wesen. Aber vielleicht überlegen wir es uns auch einfach solange, bis wir verwirrt sind und dann gar nicht mehr wissen, was wir wollen?
William Wallace? Der Name sagt mir nichts *schämt sich in Grund und Boden*
Und Roman...tjä nun. Ideen hätte ich massenweise, Anfänge auch, bloß versinke ich spätestens ab dem Mittelteil in meiner eigenen Scheisse und in meinem eigenen Selbstmitleid.[/list]
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag28.03.2015 19:03
Re: Fernsucht
von Constantine
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Hallo geehrtes Fräulein,

ich mag den Ton deiner Prota und deine Geschichte ist eine witzige Idee. Ich finde, anfangs bist du auch ziemlich gut in der Geschichte drin,aber ungefähr ab dem 60. Geburtstag fängt dir deine Geschichte an zu entgleiten, in Details und Details, die mir zu der von Anfang an gesetzten Prämisse nicht passend erscheint. Bereits im ersten Satz sagt deine Prota, das alles genau durchgeplant ist und dann kommen im späteren Verlauf des Szenarios Dinge, die mir von der Sinnhaftigkeit und der Motivation her nicht schlüssig sind.
Zum Text:

Fräulein von und zurück hat Folgendes geschrieben:
Ich habe meine Zukunft schon durchgeplant, genau durchgeplant, wer tut das denn nicht?
Mit 22 schließe ich die Pubertät ab, endgültig ab und werde eine reife junge Frau.
Jemand, der mit beiden Beinen fest im Leben steht und die Sonderangebote bei Lidl kauft.
Wenn ich 25 geworden bin, kaufe ich mir meinen Mann bei Ikea. Freddy, Birkenholz, standfest. Ich baue ihn in meinem Wohnzimmer zusammen. Mit einem Inkubus-Schraubenschlüssel.
Ein Jahr später, nach der überzuckerten Sahnetortenhochzeit, kriegen Freddy und ich unser erstes Kind, wir nennen es Conny. Drei Jahre später folgt dann unser zweites, zwei Jahre danach unser drittes.
Mutter-Vater-Kind-Kind-Kind-Leck-Mich-Doch, wir werden jeden Abend Tatort schauen, unsere Töchter und Söhne zu Schule und Kindergarten bringen, ich werde fett. Chips und Schokolade. Wäre ja schade, wenn’s verdirbt, gelle?
An meinem 50. Geburtstag müssten die Kinder eigentlich <-- würde ich direkter formulieren: An meinem 50. Geburtstag sind meine Kinder aus dem Haus , aus dem Haus sein, und dann ziehen wir in den Untergrund.
Wir werden so richtig auf den Putz hauen, krasses Zeug verticken, krasses Zeug konsumieren. Krasses Zeug anbauen. Und jedesmal, wenn nachts eine Polizeisirene heult, schreckt Freddy aus dem Schlaf und sieht sich mit vor Angst geweiteten Augen um. Hilflos tastet seine Hand nach der meinen und findet bloß die zerknüllte Bettdecke. Denn ich bin nicht da, nicht hier, ich bin untergetaucht, in der Stadt, dort, wo man sich gut verlieren kann.
Am nächsten Morgen plärrt das Radio. Ein Einbruch in der Langengasse, ja, deswegen waren die Cops noch zu so später Stunde unterwegs. Freddy und ich sitzen am Frühstückstisch, bei Schrippen und Erdbeermarmelade, und während wir uns gegenseitig Tee einschenken, grinsen wir uns erleichtert an. Das Leben ist schön, ‚ne?
Ab und an tattert die Gertrude Müller, meine ehemalige Nachbarin, jaja, manchmal tattert die Trudi mit ihrem Rollator über den Bürgersteig auf der anderen Straßenseiten. Ich werde ihr dann mitleidig zulächeln und weiterhasten, zwei prallvolle Taschen geschultert.
So Mitte 60 <-- also 65, oder? Oder ist das "So Mitte 60" eher eine ungefähre Altersangabe zu kann auch 64 oder 66 bedeuten? Deine Prota war bei ihren Altersangaben stets präzise. werde ich dann meinen Mann umbringen <-- hier steht, sie wird ihn umbringen. , das gehört sich so. Erst ein netter Kokaintrip und dann ein nettes Steakmesser machen eine Geschichte vollkommen.
Am Tag danach liege ich nackt in meinem Bett, werde ich nackt in meinem Bett liegen. <-- warum diese Dopplung im Satz, einerseits im Präsens und im Futur? dann Mir den Schlaf aus den Augen reiben und mich wundern, was letzte Nacht geschehen ist. Ich wickele mir ein dreckiges Handtuch um die Hüften und verlasse im Piratengang mein Zimmer, ich muss mich am Türrahmen festhalten, weil mir schwindelig wird.
Freddy werde ich in der Küche finden. Seinen Kopf im Spülbecken ertränkt, Hakenkreuze und Drudenfüße wurden auf seinen nackten Rücken gezeichnet. Langsam werde ich näher treten und mit zitternden Fingern das Messer aus einer besonders schön verschlungenen Rune ziehen.
Ein Fehler. Die Wunde platzt erneut auf, Blut bedeckt die weißen Kacheln. Man, das wird ‚ne Putzerei. Natürlich brauche ich seinen Atem nicht zu testen, seinen Puls nicht zu fühlen. Er ist tot.
<-- das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn sie alles durchgeplant hat, warum plant sie einen Fehler mit ein und macht noch eine Sauerei? Die Erwähnung, dass der Mann tot ist, braucht es mMn nicht, denn sie hat ja bereits gesagt, dass sie ihn umbringen wird.
Ich weiß wieder, was letzte Nacht geschehen ist, weiß es dunkel. Er ist tot. <-- dass er tot ist, weiß der Leser bereits. Ich verstehe nicht, warum sie nicht weiß, was letzte Nacht geschehen ist, wenn sie den Tod des Mannes geplant hat.
Erschrocken werde ich die Hand vor den Mund schlagen, jammern seufzen, flehen. Oder irgendwas Theatralisches halt. Und werde selbst dabei nicht begreifen, dass mein Schatz nicht mehr lebt. <-- Für wen tut sie dieses theatralische Verhalten? Es ist ja niemand in der Küche, dass sie schauspielern muss, oder? Ich verstehe diese Passage leider nicht, was die Prota damit ohne Publikum bezwecken möchte.
Schließlich hole ich die Millionen aus unserem versteckten Tresor und verlasse das Land unter falschem Namen. Ich verbringe ein paar schöne Jährchen in Malle. Am Tag meines 77. Geburtstages werde ich wieder zurück nach Deutschland reisen. <-- warum tut sie das?
Ich sehe alle meine Kinder wieder, sie nennen mich Mutter und wissen meinen Vornamen nicht mehr. Man bringt mich in ein lichtgeflutetes Haus mit großen Räumen und setzt mich in einen Lehnstuhl wie eine Puppe aus Porzellan. Die Kraft, meine Glieder zu rühren, verliere ich Tag für Tag, Stück für Stück. <-- ist hiermit ein Altenheim gemeint?
So wird mein Jüngster mir mit einem Löffel Brei zwischen die fauligen Zähne schieben und meine Tochter mich auf die Toilette begleiten. Als ich dann auch noch mein Augenlicht verliere, bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als die Welt zu ertasten.
Mit einem Lächeln auf den Lippen erzähle ich von dem Krieg, den ich nie erlebt habe, von Personen, die mir in meinen Träumen begegnet sind, von Versagen, obwohl ich nie Missionen erfüllen musste, an denen ich hätte scheitern können.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schiebt mein Ältester mich in ein Altenheim ab. <--wenn das kurz zuvor bereits ein Altenheim war, warum dann hier die Wiederholung mit dem Altenheim?
Mein Alter wechselt jeden Tag, ich habe begonnen, in Flusskrebsen zu rechnen, und die Tapete nennt sich Claudia. Claudia kennt die schönsten Witze der Welt.
Ich bin verbittert. Werde aber nie genug mainstream sein, um an Altersschwäche zu verrecken. Leider, leider…
Eine Altenpflegerin wird meine Leiche finden. <-- wie alt wird da die Prota sein? Warum hier keine Altersangabe?
Ich frage mich ab und an, wie sie aussehen wird. Schön, hässlich. Dürr, rundlich, groß, trägt sie Schmuck oder hat sie sich die Haare hochgesteckt? <-- Wenn deine Prota alles durchgeplant hat, warum hier nun diese Fragezeichen, was das Aussehen der Altenpflegerin angeht? Warum macht sie sich hier kein konkretes Bild von der Altenpflegerin?
Langsam wird sie näher treten, und mein blasses Unterbein berühren. Angeekelt das Gesicht verziehen.
Fettig strähnen mir Haare über die Augen, mein Gesicht von gelb-eitrigen Pusteln überzogen, hänge ich über dem Boden. Ein Holzstuhl liegt ein paar Meter entfernt in der Ecke, ich habe ihn mit den Füßen weggetreten. Das Seil wurde um den Balken der Toilettenkabine geschlungen, es war stabil. Und der Knoten hat sich nicht gelöst, denn obwohl meine Finger von der Gicht zerfressen wurden, habe ich den Seemansknoten nie verlernt. <-- Deine Prota begeht Selbstmord. Warum wird dieser Selbstmord hier so geheimnisvoll vermittelt. Vom Ton deiner Prota hatte ich erwartet, dass sie konkret sagt "Mit 80 werde ich mich erhängen und eine Altenpflegerin wird meine Leiche finden." Ich finde, du verlierst an manchen Stellen den Fokus deiner Prota.
Eine Altenpflegerin wird meine Leiche finden. <-- Die Altenpflegerin findet die Leiche zweimal. Warum?
Die Beerdigung findet drei Woche später statt, kein Schwein kommt. Meine Kinder, natürlich, und noch ein paar Freundinnen, mit denen ich mal die Brigitte gelesen, Kuchen gebacken oder gehäkelt habe. <-- von denen war im ganzen Text nie die Rede. Warum nun hier?
Mein Geliebter kann nicht kommen, er ist tot, wusstest du das? Aber wie er gestorben ist, weiß ich gar nicht. <-- Den Sinn oder die Funktion dieses Satzes erkenne ich nicht und ich würde ihn streichen. Dass der Mann tot ist, weiß ich als Leser bereits. Da brauche ich keine rhetorische Frage. Wie er gestorben ist, nehme ich ihr, die alles durchgeplant hat, nicht ab. Sie plant mit Mitte 60 den Tod ihres Mannes, aber weiß nicht, wie sie ihn umgebracht hat. Sie ist keine 22, als sie ihre Zukunftsplanung erzählt und an Altersdemenz leidet sie noch nicht, dass sie nicht weiß, wie den Gatten um die Ecke bringt. Warum wird daraus so ein Geheimnis gemacht und die Prota "erinnert" sich nicht, wie sie ihn umgebracht hat bzw. umbringen wird? das passt für mich leider nicht.
Nach meinem Tod wird alles weitergehen wie vorher. Jeder Mensch ist zu viel, und im Grund genommen auch nur Verschwendung von Platz, Sauerstoff und Nahrung.


Joa. Was sind so deine Zukunftspläne? Irgendwas Großes in Angriff genommen?


Nach einem starken Anfang, verliert deine Prota für mich im Verlaufe des Textes an Profil und Schärfe. Das ist schade.
Falls du an deinem Text noch arbeiten magst, vielleicht ist etwas Hilfreiches unter meinen Anmerkungen dabei.

LG,
Constantine
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Sue Rovia
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Das bronzene Floß Silbernes Licht


Beitrag28.03.2015 22:17

von Sue Rovia
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Ich? Ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Als jemand ohne Erfahrung, was das eigene erfolgreiche Sterben angeht.

Zitat:
Aber vielleicht überlegen wir es uns auch einfach solange, bis wir verwirrt sind und dann gar nicht mehr wissen, was wir wollen?


Ja stimmt, solche Menschen gibt es auch. Die sind dann meistens sympathisch und trotzdem gescheitert. Oder sie werden Schriftsteller...

William Wallace war ein schottischer Freiheitskämpfer, du die sich in Grund und Boden schämt. Er ist schon seit Jahrhunderten tot und unter der Erde folglich schließt sich eine persönliche Bekanntschaft ohnehin aus. Hast also nicht so viel verpasst. Den Geschichtsunterricht vielleicht.

Aus Scheiße lassen sich wunderbare Geschichten formen. Aus Selbstmitleid leider nicht...

Liebe Grüße vom weisen Wesen (bei nächsten Mal kannst du mich gleich Pixie nennen, ist auch nicht mehr weit weg)
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Rheinsberg
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Beitrag29.03.2015 11:19

von Rheinsberg
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Ich habe mich schon an deinem Vorstellungsthread erfreut.
Aber dieser Text ist so einer, bei dem ich mir überlege, ob ich das Schreiben nicht besser aufgeben sollte.


_________________
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Fräulein von und zurück
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Beitrag29.03.2015 20:22

von Fräulein von und zurück
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@Constantine - Vielen Dank für deine Kritik(:!
Yeah, stimmt, zum Ende hin habe ich mich selbst in meinen Schnörkelspiralen eingeschlungen, ich werde den Text, sobald ich Zeit habe, noch mal überarbeiten. Das Wechseln der Zeitform jedoch war Absicht, manchmal bin ich hin- und hergesprungen, um den Leser zu verwirren, und weil mein Hauptchara sich sehr von ihren Träumen/Plänen mitreißen lässt. Zum Schluss sollte unklar sein, ob die Hauptprota wirklich ihre Pläne durchgeführt hat und gestorben ist, oder ob sie gerade ihren Tagtraum beendet hat. Aber ich denke, das ist mir etwas misslungen...

@Sue - Pixie? Hhmm. Damit assoziere ich - auch auf die Gefahr hin,wie ein Dummchen zu klingen - eine geniale Trashband und diese netten kleinen Geschöpfe auf der Rückseite der Bücher, mit denen ich Lesen gelernt habe. Gut, okay. Pixie sei dein Name, von heute an(:

Wie stellst du dir das Leben nach dem Tod vor? Wenn ich fragen darf?

@Rheinsberg - Oh man, tausend Dank. ...Aber nicht übertreiben!
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag29.03.2015 21:01

von Constantine
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Fräulein von und zurück hat Folgendes geschrieben:
Zum Schluss sollte unklar sein, ob die Hauptprota wirklich ihre Pläne durchgeführt hat und gestorben ist, oder ob sie gerade ihren Tagtraum beendet hat.


Für mich bietet dein Text leider nicht die von dir erhoffte Leserichtung, dass deine Prota im hohen Alter ist/sein könnte und ihre Pläne umgesetzt hat/haben könnte und sich am Ende das Leben genommen hat/haben könnte und somit reelle Zeitsprünge in der Gegenwart der Prota geschehen.

Ich sehe ein pubertierendes Mädchen oder eine Teenagerin (noch keine 22 Jahre alt), die sich ihr zukünftiges Leben vorstellt. Das ist mein Leseeindruck.
Unklar hingegen bleibt, ob sie ihre Pläne durchführen wird, wie vorgestellt. Dafür kann noch viel Unvorhergesehenes im Leben passieren. Aber das wäre eine andere Geschichte.

LG,
Constantine
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Sue Rovia
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Das bronzene Floß Silbernes Licht


Beitrag30.03.2015 00:20

von Sue Rovia
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ich hab dir mal eine Private Nachricht geschrieben. Unser Gespräch hat ja nicht mehr viel mit dem Einstandstext zu tun.
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