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Runa Phaino Schneckenpost
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Beiträge: 10 Wohnort: Berlin
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R 28.03.2015 14:44 Der Blumendespot von Runa Phaino
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In seinen jungen Jahren, da gab Franz Befehle.
„Stillgestanden!“
„Rechts um!“
„Rührt euch!“
Und die grün gekleideten Zöglinge bogen ihre Beine und strafften ihre Schultern vor der malerischen Kulisse grauer Kasernen auf Waschbetonplatten, durch die sich ein paar Unkräuter ihren Weg gen Sonne bahnten.
Bis Pauls Panzer alles plattmachte. Paul, der Leutnant, der Franz schon so oft aus der Patsche geholfen hatte. Der selbst im sibirischen Winter seinen Mann stand und den Feind vernichtete.
Diese goldenen Zeiten standen Franz vor Augen, während er sich über die Beete beugte und das Saatgut in Löcher vom Kaliber einer Granatpistole steckte. Die Blumenzwiebeln schmiegten sich in seine Hand wie Munitionsgeschosse, bald würden sie platzen und in die Höhe schießen.
Zufrieden betrachtete er sein Werk. Die Anpflanzung war perfekt angelegt, abgesteckt und eingezäunt von Ecke zu Ecke mit Schnur. Alles würde wachsen in Reih und Glied.
Franz lehnte sich in den Gartenstuhl und wartete. Die Vögel um ihn herum zwitscherten und die Sonne wärmte stärker von Tag zu Tag. Bald folgte Bombenwetter und Franz blinzelte durch die halb geschlossenen Lider unter seinen buschigen Augenbrauen hindurch.
Er sah die ersten Keime, hellgrün und zart. Er zupfte an seinem Bart und sah, dass es ... Doch halt, was war das!
Da spross einer der Triebe schneller als ein anderer. Da zog die Osterglocke pfeilschnell an dem Veilchen vorbei! Da erhob sich die Narzisse über den Krokus! Da überwand gar ein freches Vergissmeinnicht die Grenze!
Und Unordnung herrschte in der Ordnung.
So war es nicht gut und Franz erhob sich aus seinem Stuhl. Er stellte sich auf zur vollen Größe, Schulter zurück, Gewehr bei Fuß, - denn so hatte er es gelernt.
„Stillgestanden!“, brüllte er das Vergissmeinnicht an.
„Rechts um!“, erging der Befehl an die Osterglocke.
„Rückzug! Rüüückzug!“, versuchte Franz den Krokus vor der überlegenen Narzisse zu retten.
Und während er noch versuchte, diese Schlacht zu gewinnen, da erging ein Befehl von höherer Stelle.
„Herr Meyer, beruhigen Sie sich bitte. Folgen Sie mir auf die Krankenstation. Dort werden Sie dringend gebraucht.“
„Ich kann meine Kameraden nicht im Stich lassen.“
„Gewiss, Herr Meyer. Aber Leutnant Paul wird hier gleich alles plattmachen.“
Leutnant Paul, sibrischer Winter, der nie jemanden zurück ließ. Bis zu dem Tag, als er ... Der aufkeimende Gedanke verlor sich in Franz. Da war ein Fräulein, das hübsch lächelte.
„Nun denn, jawohl, Frau Oberleutnant!“
Und Franz folgte der jungen Dame im Schwesterngewand bis auf die Krankenstation, wo gefallene Krokusse, Narzissen und Vergissmeinnicht in Wasserbetten tranken, sicher dem Tode geweiht und schön anzusehen, wie Franz fand, der an seinem Kaffee nippte und ein Stück Marmorkuchen gereicht bekam.
Weitere Werke von Runa Phaino:
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tronde Klammeraffe
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Beiträge: 522
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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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29.03.2015 21:05
von Mardii
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Hallo Runa Phaino,
in seiner Kürze gewinnt der Text Lehrcharakter, er steht für ein Phänomen, nämlich des erkrankten Soldaten und den Gründen dafür. Und ich weiß nicht, ob mir das so zusagt, denn der Kranke hat immerhin ein Recht auf einen Anwalt. Den sehe ich in der Geschichte als nicht gegeben. Dadurch rückt der Kranke in ein schräges Licht. Das aber als Ziel der Humoreske ist legitim.
Den zweiten Soldat in der Geschichte "Paul", halte ich für entbehrlich. Der humoreske Bezug zu den Blumen in den Wasserbetten genügt.
Ich frage mich aber doch, ob da nicht eher Wasserbeete bzw. Blumenvasen gemeint waren.
lg Mardii
_________________ `bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully |
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Seraiya Mondsüchtig
Beiträge: 924
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30.03.2015 09:33
von Seraiya
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Hallo Runa,
Gut und witzig geschrieben. Mir gefällt dein Text einfach nur sehr gut.
Liebe Grüße,
Seraiya
_________________ "Some people leave footprints on our hearts. Others make us want to leave footprints on their faces." |
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Runa Phaino Schneckenpost
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Beiträge: 10 Wohnort: Berlin
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R 30.03.2015 16:32
von Runa Phaino
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Hallo ihr!
Danke für eure lieben Worte! Ich bin ganz zufrieden, denn es freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat!
War so eine spontane Idee - erst habe ich eine Gedenkstätte des 2. Weltkrieges besucht, danach saß ich auf´m Balkon und betrachtete die Blumen. So kam eines zum anderen.
"Ich frage mich aber doch, ob da nicht eher Wasserbeete bzw. Blumenvasen gemeint waren."
Ja, richtig! Es sind Blumenvasen gemeint. Für mich ist Franz halt ein bisschen "verrückt", evtl. alterssenil, ggf. hat er auch eine Art Demenz. Daher sieht er die Dinge ein wenig verquer.
"Diese Spannung zwischen "Es gut so für Franz, jetzt mit seinem Marmorkuchen." und dem "Und was war jetzt mit Paul?" finde ich gut. "
Danke! - Auch für den Hinweis, das war mir noch gar nicht so bewusst.
Tatsächlich könnte man überlegen, Paul da rauszunehmen. - Ich denk drüber nach.
Besten Dank für eure Gedanken!
Runa
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holmead10 Erklärbär
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Beiträge: 4 Wohnort: Wien
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H 22.04.2015 10:47 Re: Der Blumendespot von holmead10
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Hallo,
mir gefällt Dein Text auch gut, vor allem mag ich die Analogien zwischen den Blumenzwiebeln und deren Wachstum und der Munition.
Was mir aufgefallen ist:
"Und die grün gekleideten Zöglinge bogen ihre Beine und strafften ihre Schultern vor der malerischen Kulisse grauer Kasernen auf Waschbetonplatten, durch die sich ein paar Unkräuter ihren Weg gen Sonne bahnten."
Ich kann mir nicht vorstellen, dass graue Kasernen auf Waschbetonbplatten malerisch sind, da wäre vielleicht ein anderes adjektiv treffender?
"Bis Pauls Panzer alles plattmachte. Paul, der Leutnant, der Franz schon so oft aus der Patsche geholfen hatte. Der selbst im sibirischen Winter seinen Mann stand und den Feind vernichtete."
Über Paul hätte ich gern ein bisschen mehr gewusst. Vor allem - das Plattmachen kommt am Ende noch mal vor - was genau hat er platt gemacht?
Den Teil fidne ich super:
"Da spross einer der Triebe schneller als ein anderer. Da zog die Osterglocke pfeilschnell an dem Veilchen vorbei! Da erhob sich die Narzisse über den Krokus! Da überwand gar ein freches Vergissmeinnicht die Grenze!"
Das hier ist für mich irgendwie nciht so stimmig...
"Und Unordnung herrschte in der Ordnung."
Das sind gute Beobachtungen:
„Stillgestanden!“, brüllte er das Vergissmeinnicht an.
„Rechts um!“, erging der Befehl an die Osterglocke.
„Rückzug! Rüüückzug!“, versuchte Franz den Krokus vor der überlegenen Narzisse zu retten.
Ende gefällt mir auch sehr gut.
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