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Courage


 
 
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag20.10.2013 01:28
Courage
von Jack Burns
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Meine Mutter starb im gleichen Jahr wie Steve Jobs.
Am Tag ihrer Beerdigung trug ich erstmals seit meiner Jugendweihe wieder einen Anzug. Ich sah wieder vor mir, wie sie spöttisch lächelte - damals.
Ein Jazz Trompeter spielte Somewhere over the rainbow und meine Schwester biss sich auf die Unterlippe.
Ich lächelte vor Schmerzen.

Ein Freund, der meine Mutter nie kennenlernen würde, bat mich später, sie zu beschreiben.
Viele Worte kamen mir in den Sinn.
In einer Minute des Schweigens, während der ich mein Bierglas betrachtete, erwachte eine Erinnerung, die viele Jahre geruht hatte.
„Erinnerst du dich noch an die Wahlen in der DDR?“  begann ich zögernd.
„Ja klar.“ Mein Freund lachte bitter. „Jedes mal 99,9 Prozent für die Genossen, bei hoher Wahlbeteiligung.“
„Genau“, stimmte ich zu. „Die hohe Wahlbeteiligung war denen sehr wichtig.“ Ich zündete mir eine Zigarette an und fuhr fort:

„Es war an einem Wahlsonntag, in den frühen Achtzigern. Meine Mutter hatte nachts gearbeitet und wir schliefen lange.
Ein Klingeln riss mich aus meinen Träumen.
Ich lauschte in die Wohnung. Alles blieb still. Sollte ich öffnen?
Als es ein zweites mal klingelte, eilte ich zur Tür. Noch während ich die Klinke herunterdrückte, erklang ein scharfes ,Nicht!‘  hinter mir. Erschrocken drehte ich mich halb um, während ich die Tür langsam aufzog.
Meine Mutter stand an der Schlafzimmertür. Ihr Morgenmantel stand offen und mit weit aufgerissenen Augen schüttelte sie heftig den Kopf. Ich richtete meinen Blick zurück zur Tür und erkannte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ein Mann im dunklen Anzug mit einer Aktentasche in der Hand lächelte mich an. Ein zweiter Mann blickte ihm über die Schulter. Jetzt fiel mir die Ermahnung meiner Mutter wieder ein: ,Morgen is' Wahl. Wenn das früh klingeln tut, machste nich' auf. Da komm' die Idioten und geh'n mir auf'n Keks.‘
Ich hatte gelernt, solche Anweisungen nicht zu hinterfragen. Wegen der Idioten musste ich ständig aufpassen, was ich in der Schule erzählte. Und jedes mal wenn die Idiotin vom Amt kam, war Mutter sehr nervös.
Meine Mutter strich sich das Haar aus dem Gesicht, atmete tief ein und schob mich entschlossen beiseite.
,Ja?‘ blaffte sie die Männer an.
Der Lächler zögerte kurz und begann: ,Guten Morgen Frau Sanchez. Wir sind hier, um sie daran zu erinnern, dass heute Wahlen sind. Sicherlich wollen sie die Kandidaten der Nationalen Front mit Ihrer Stimme unterstützen‘
,Ich hab keine Zeit für Euren Kram‘
Irritiert wechselten die Beiden einen Blick. Der zweite Mann trat jetzt hervor. Langsam und jedes Wort betonend antwortete er: ,Nun, natürlich müssen Sie nicht zur Wahl gehen, aber ...‘ Jetzt lächelten beide.
Ich fror.
Mutter wirkte verunsichert. ,Ich war die ganze Nacht arbeiten‘, sagte sie in einem umgänglicheren Tonfall. ,Da kann ich nicht am frühen Morgen durch die halbe Stadt gondeln.‘
Erleichtert und siegessicher öffnete der Angesprochene seine Tasche und begann darin zu suchen. Ohne aufzublicken sagte er: ,Das verstehen wir natürlich Frau Sanchez. Wir können die Angelegenheit auch hier erledigen. Die Wahlliste haben wir mitgebracht. Wenn wir kurz hineinkommen dürften?‘
Mutter trat einen halben Schritt zurück, wie um ihn einzuladen. Doch dann straffte sie sich, erhob stolz ihren Kopf und sagte: ,Na, wenn ihr die Liste schon mit habt, dann könnte ihr sie ja auch gleich selbst ankreuzen. Ich hab jetzt zu tun.‘
Der Mann verharrte in seiner Bewegung und entgegnete bestürzt: ,Aber Frau ...‘
,Was denn?‘ Nun grinste meine Mutter ganz offen. ,Das macht ihr doch sowieso.‘
Während die Beiden sie fassungslos anstarrten, schlug meine Mutter die Tür zu.
,Was gibt es da zu lachen?‘ herrschte sie mich an, gab mir eine sanfte Kopfnuss und schlenderte in die Küche. Als ich in mein Zimmer zurück ging rief sie mir hinterher: ,Das nächste Mal lässte die Tür zu, Doofkopp‘“

Wir rauchten, tranken Bier und schwiegen.
Irgendwann fragte mein Freund: „Hast Du ,Das Leben der Anderen' gesehen?“
Ich blickte ihn an.
Fast gleichzeitig brachen wir in Lachen aus.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
Ich möchte die Geschichte erst mal ohne Anmerkungen stehen lassen. Wenn sie auf Interesse stößt, werde ich mich gerne mit Euch austauschen.

Bis bald
Martin



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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag20.10.2013 08:33

von BlueNote
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Hi!

Anfang und Ende der Geschichte sind m.M. nach noch ein wenig suboptimal. Ansonsten hat mir das schon recht gut gefallen. Ein bisschen spröde vielleicht der Sprachstil.

BN
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MartinD
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 524
Wohnort: Zwei Stunden zum Meer


Beitrag20.10.2013 12:27

von MartinD
Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

grundsätzlich gefällt mir die Geschichte recht gut der Schreibe wegen. Die Idee, eine Person zu charakterisieren, indem man ein typisches Erlebnis erzählt, gefällt mir. Auch ›show statt tell‹ finde ich gelungen (So Sätze wie »Meine Mutter strich sich das Haar aus dem Gesicht, atmete tief ein und schob mich entschlossen beiseite.« sind einfach Klasse! Aber doch ein paar kleine Abers:

Du hast vier Abschnitte, wovon 2-4 einleuchten. Der Vorwort-Abschnitt hängt für mich in der Luft, hat Fremdkörpercharakter.

Die NDR erlaubt zwar die Getrenntschreibung von Substantiven, aber mir rollt es die Zehennägel beim Jazz Trompeter auf. Man muss das nicht so schreiben, sondern darf der deutschen Sprache durchaus mit einem Jazztrompeter verbunden bleiben.

Du sprachst, währenddem du den roten Teppich beschrittest von Kommafetischismus. Meinst du zu viele oder zu wenige? Oder gerne? Jedenfalls kommt nach direkter Rede, wenn der Satz nicht drinnen abgeschlossen ist, ein Komma:
„Erinnerst du dich noch an die Wahlen in der DDR?“ begann ich zögernd.
>
„Erinnerst du dich noch an die Wahlen in der DDR?“, begann ich zögernd.

Zitat:
Ein Klingeln riss mich aus meinen Träumen.
Ist eine Standardfloskel, würde ich anders formulieren, individueller, showiger. Auch andere Wörter wie »Als es ein zweites mal klingelte, eilte ich zur Tür.« machen es flach und saftlos.

Die weit aufgerissenen Augen der Mutter implizieren für mich Angst. Aber das scheint nicht zuzutreffen - siehe später. Überhaupt kommt es mir nicht ganz stimmig vor, wie sie vorher auch noch als nervös beschrieben wird, danach aber alles locker-flockig managt.


Bei dieser Gelegenheit etwas, worauf kaum jemand achtet, weil es auch oft tastaturmäßig schwierig ist: Speziell wenn du Rede in der Rede verwendest, wo man ja statt der " ' nimmt - wie du - wird es mit dem Lesen schwierig, wenn man die klassischen Gänsefüßchen verwendet. Dabei kommt man schnell ins Stocken, weil sie von Kommas und Apostrophen schwer unterscheidbar sind:
Irgendwann fragte mein Freund: „Hast Du ,Das Leben der Anderen' gesehen?“
Ich finde die Guillements mit einwärtsspitze nicht nur lesbarer, sie geben auch ein schöneres Schriftbild.:
Irgendwann fragte mein Freund: »Hast Du ›Das Leben der Anderen‹ gesehen?«
Oder wenn überhaupt Apostrophe zum Einsatz kommen wie hier:
,... Da komm' die Idioten und geh'n mir auf'n Keks.‘
>
›... Da komm' die Idioten und geh'n mir auf'n Keks.‹
Aber das nur nebenher.


Das mit dem Schluss könnte problematisch werden, wenn jemand den Film nicht kennt.

Herzliche Grüße!
Martin


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Existerman
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E

Alter: 23
Beiträge: 189
Wohnort: Berlin


E
Beitrag20.10.2013 12:37

von Existerman
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Tja, den Film muss man halt kennen. Ich finde die Geschichte bis auf Kleinigkeiten gelungen. Hab am Ende schmunzeln müssen.
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag20.10.2013 13:54

von Jack Burns
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Werte Kritiker
Vielen herzlichen Dank für die zeitnahe Resonanz.

@Bluenote
Ich hatte schon befürchtet, dass Anfang und Ende nicht das erreichen würden, was ich eigentlich bezweckt habe. Nach dem Kürzen ging anscheinend die Aussage des Einstiegs verloren.
Die spröde Erzählweise sollte den Charakter der Mutter verdeutlichen. Sie ist eben nicht eine dieser liebevollen aber schwachen Mütter, die sich alles gefallen lassen.
Ich werde nachdenken ob dieser Ansatz funktioniert.

@MartinD
Mein Komma-Problem besteht darin, in den Rohfassungen mit Interpunktionen um mich zu werfen. Beim Korrigieren streiche ich dann, setze wieder ein … und irgendwann weiß ich gar nicht mehr was ich da mache.
Die formalen Fehler hoffe ich in Zukunft, mit Eurer Unterstützung zu überwinden.
Die Mutter ist, wie viele Menschen in dieser Zeit, gespalten in ihrer Haltung. Natürlich hat sie einerseits Angst vor dem übermächtigen System. (sie ist ja nicht naiv) Andererseits ist sie zu stolz, um einfach alles mit zu machen.
Es war auch vieles an Verweigerung und Protest möglich, wenn die Menschen ihre Angst vor Repressalien überwanden. Allerdings hätte die Idiotin vom Amt ihr die Kinder wegnehmen können. Da ist die Angst größer als der Stolz. (vielleicht habe ich doch zu viel weggelassen?)
Der Film am Ende ist eine Gratwanderung-ich weiß. Es ist Kenntnis des Filmes und Konsens in der Bewertung notwendig, um den Leser zu erreichen.
Über den Anfang: Ich wollte auf diese Weise die Wichtigkeit des Todes der Mutter auf die Bedeutungsebene des Todes des Prominenten erheben. Die Beerdigung sollte vermitteln, dass trotz der kaltschnäuzigen Art der Mutter, sehr viel (echte) Liebe vorhanden war. (extra einen Anzug getragen, tiefer Schmerz des Erzählers). Andererseits wollte ich nicht zu lange jammern.
Generell sehe ich jetzt, dass ich noch nicht den Dreh heraus habe, den Leser mitzunehmen.

Noch ein mal: Vielen Dank! Eure Kritiken helfen mir wirklich weiter.
Bitte mehr davon.


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MartinD
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 524
Wohnort: Zwei Stunden zum Meer


Beitrag20.10.2013 14:29

von MartinD
Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

Zitat:
Mein Komma-Problem ...
Sorry, dachte, weil du dich als Kommafetischist eingeführt hast, dass du pingelig mit richtiger Kommasetzung umgehst oder gern damit experimentierst. War nicht bösartig gemeint!

Du hast die Geschichte gekürzt? Dein Bedürfnis oder wegen einer Kritik? Sie ist so zwar ganz griffig, aber es würde durchaus das eine oder andere Detail vertragen. Speziell dazu:
Zitat:
Die Mutter ist, wie viele Menschen in dieser Zeit, gespalten in ihrer Haltung.
Ich fände es sehr spannend, dazu nähere Informationen zu erhalten, da ich als Ösi das alles nicht miterlebt habe.

Zitat:
Der Film am Ende ist eine Gratwanderung-ich weiß.
Was wäre, wenn du deinen Freund auf eine konkrete passende Szene aus dem Film hinweisen ließest? Wäre erstens konkreter, Nichtkenner des Films würden sich auskennen und es würde mehr Atmosphäre schaffen.

Zitat:
Über den Anfang: Ich wollte auf diese Weise die Wichtigkeit des Todes der Mutter auf die Bedeutungsebene des Todes des Prominenten erheben.
Verstehe. Leider kommt das aber bei mir nicht so an. Der erste Teil ist eine Art Vorwort - warum nicht. Dann würde ich aber zwei Dinge verändern: Nach dem Teil z.B. sowas rein:
***

und den letzten Satz
Zitat:
Ich lächelte vor Schmerzen.
konkretisieren, also ein wenig gefühlvoller machen. Irgend sowas vielleicht: »Meine Brust zog sich zusammen und ich schaffte es nicht, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. ›Ach Mom ...‹, dachte ich und hoffte, dass das Lächeln außen nicht auseinanderbrach.«

Zitat:
Andererseits wollte ich nicht zu lange jammern.
Ja, klar, ist auch schwierig, dass es nicht kitschig wird. Da aber dieser Einführungsteil für die Geschichte wichtig ist, verträgt er volle Aufmerksamkeit - nicht ganz einfach.

Zitat:
Generell sehe ich jetzt, dass ich noch nicht den Dreh heraus habe, den Leser mitzunehmen.
Bitte nicht aufgrund meiner Anmerkungen denken, dass das alle so sehen! Jeder Leser ist anders und jede Begutachtung sehr subjektiv! Eigentlich sind Begutachtungen nicht mehr als konkretisierte Lesermeinungen. Und genauso sollte man sie sehen: Aha, interessante Info, so sieht er/sie das, ja, das kann ich mir vorstellen, neine, das bleibt. Die Arbeit mit Begutachtungen ist auch ein wenig ein sehr persönlicher Prozess mit sich selbst, seinem Selbstwert und seiner Intuition ...

Summa summarum gefällt mir deine Geschichte aber sehr gut!

Viele Grüße!
Martin


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Haruki Okada
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 62
Beiträge: 66
Wohnort: Holstein


Beitrag20.10.2013 16:20
Kurz und eindringlich
von Haruki Okada
Antworten mit Zitat

Hallo Jack,

die Geschichte gefällt mir, da sie ohne Umschweife direkt zum Punkt kommt. Der Ich-Erzähler greift ein Erlebnis auf, das seine verstorbene Mutter charakterisiert. Schreiben ist ja die Kunst des Weglassens bzw. durch das nicht gesagte ein Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen. Das ist Dir gut gelungen. In meiner Phantasie vermag ich mir vorzustellen, was ffür eine Frau die Mutter gewesen sein könnte. Aufrecht, gegen den Strom schwimmend, in der Lage ihre Positionen auch gegen die Majorität zu vertreten und zugleich auch liebevoll und warmherzig. Eine charakteristische Episode, die das Kopfkino in Gang setzt.
Du hast- nach meinem Eindruck- einige Füllworte bzw. Floskeln verwandt, auf die Du gut und gerne verzichten könntest. Dann wird das Ganze noch ein wenig geschmeidiger. Ich habe die betreffenden Stellen fett gemarkert.

Beispiele:
Am Tag ihrer Beerdigung trug ich erstmals seit meiner Jugendweihe wieder einen Anzug. Ich sah wieder vor mir, wie sie spöttisch lächelte - damals.
...Erschrocken drehte ich mich halb (für den Leser nicht von Bedeutung ob halb oder ganz) um, während ich die Tür langsam aufzog.

...Ihr Morgenmantel stand offen und mit weit aufgerissenen (wenn die Augen aufgerissen sind, ist das weit, daher eine Doppung) Augen schüttelte sie heftig den Kopf. Ich richtete meinen Blick zurück zur Tür und erkannte, dass ich einen Fehler gemacht hatte.

... Jetzt fiel mir die Ermahnung meiner Mutter wieder (In diesem Fall ein Füllwort) ein...

... Der zweite Mann trat jetzt (geschildert wird eine Szene, die sich grade zuträgt, daher überflüssig) hervor.

Sehr gut finde ich folgende Formulierung:

Ein Jazz Trompeter spielte Somewhere over the rainbow und meine Schwester biss sich auf die Unterlippe.
Ich lächelte vor Schmerzen.

Hier werden die Gefühle gut umschrieben. ...Ich lächelte vor Schmerzen ist eine schöne Beschreibung für ein trauriges Erlebnis.

Hat mir gut gefallen Deine Geschichte.

Eine Anmerkung zu Fehlern im Hinblick auf Satzzeichen bzw. Groß- und Kleinschreibung:
Jede Arbeit sollte vor Veröffentlichung überarbeitet werden. Befolgt man diese Regel, "schreibt" der Autor seine Arbeit 2-3mal, zumindest in Teilbereichen. Dennoch werden Fehler bleiben. Der Teufel ist nun einmal ein Eichhörnchen und der Fehlerteufel sowieso. Das ist gerade bei umfangreicheren Arbeiten wie einem Roman unvermeidlich und meines Erachtens ganz normal. Daher sollten Satzzeichenfehler etc. nicht überbewertet werden. Sie sagen nichts über das Potential eines Autors aus, höchstens über seine Gründlichkeit Wink

Gruß

Haruki
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag20.10.2013 20:19

von Jack Burns
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Oh mein Gott

Das ist mir fast zu viel des Lobes!
Vielen Dank!

Die Anmerkungen über stilistische Mängel kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich bin noch blind für mein eigenes Werk.
Als ich das erste mal meinen Gesang nach einer Studioaufnahme hörte, war das auch ein heilsamer Schrecken Laughing

Gekürzt habe ich diese Geschichte, weil sie mir mit zwei Jahren Abstand betrachtet, viel zu geschwätzig erschien, zu beschreibend.

Und ich frage mich immer wieder, wie ich meinen Anspruch, so wenig wie möglich zu erklären, mit der Notwendigkeit des Informierens vereinbaren könnte. Nicht nur in dieser Geschichte, sondern generell.

Bis bald
Martin

Und jetzt lese ich erst mal ein paar Geschichten ...


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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag26.10.2013 13:47

von Jack Burns
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Werte Leser

Ich habe einige Kleinigkeiten verändert und den Einleitungssatz gelöscht. Jetzt ist mir klar, dass er nicht funktioniert.
Den Schlusspunkt mit dem Film möchte ich behalten, da er eine mir wichtige Aussage enthält. Ich denke, der Film ist allgemein bekannt, zumindest als schriftliche Zusammenfassung. Den genauen Bezug herzustellen, überlasse ich dem Leser.
Weitere kritische Anmerkungen sind willkommen.
 

Courage

Am Tag der Beerdigung meiner Mutter trug ich erstmals seit meiner Jugendweihe einen Anzug. Ich sah wieder vor mir, wie sie spöttisch lächelte - damals.
Ein Jazztrompeter spielte Somewhere over the rainbow und meine Schwester biss sich auf die Unterlippe.
Ich lächelte vor Schmerzen.

Ein Freund, der meine Mutter nie kennenlernen würde, bat mich später, sie zu beschreiben.
Viele Worte kamen mir in den Sinn.
In einer Minute des Schweigens, während der ich mein Bierglas betrachtete, erwachte eine Erinnerung, die viele Jahre geruht hatte.
»Erinnerst du dich noch an die Wahlen zu DDR-Zeiten?«, begann ich zögernd.
Ja klar. Mein Freund lachte bitter. »Jedes mal 99,9 Prozent für die Genossen, bei hoher Wahlbeteiligung.«
»Genau«, stimmte ich zu. »Die hohe Wahlbeteiligung war denen sehr wichtig.« Ich zündete mir eine Zigarette an und fuhr fort:

»Es war an einem Wahlsonntag, in den frühen Achtzigern. Meine Mutter hatte nachts gearbeitet und wir schliefen lange.
Im Halbschlaf hörte ich es klingeln.
Ich lauschte in die Wohnung. Alles blieb still.
Besuch, so früh? Zögernd ging ich zur Tür.
Noch während ich die Klinke herunterdrückte, erklang ein scharfes ›Nicht!‹ hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um, während ich die Tür langsam aufzog.
Meine Mutter stand an der Schlafzimmertür. Ihr Morgenmantel stand offen und mit aufgerissenen Augen schüttelte sie heftig den Kopf. Ich richtete meinen Blick zurück zur Tür und erkannte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ein Mann im dunklen Anzug mit einer Aktentasche in der Hand lächelte mich an. Ein zweiter Mann blickte ihm über die Schulter. Erst jetzt fiel mir die Ermahnung meiner Mutter ein: ›Morgen is' Wahl. Wenn das früh klingeln tut, machste nich' auf. Da komm' die Idioten und geh'n mir auf'n Keks.‹
Ich hatte gelernt, solche Anweisungen nicht zu hinterfragen.
Meine Mutter strich sich das Haar aus dem Gesicht, atmete tief ein und schob mich entschlossen beiseite.
›Ja?‹ blaffte sie die Männer an.
Der Lächler zögerte kurz und begann: ›Guten Morgen Frau Sanchez. Wir wollten sie daran erinnern, dass heute Wahlen sind. Sicherlich wollen sie die Kandidaten der Nationalen Front mit Ihrer Stimme unterstützen.‹
›Ich hab keine Zeit für Euren Kram.‹
Irritiert wechselten die Beiden einen Blick. Der zweite Mann trat hervor und entgegnete langsam und jedes Wort betonend: ›Nun, natürlich müssen Sie nicht zur Wahl gehen, aber ...‹ Jetzt lächelten beide.
Ich fror.
Mutter wirkte verunsichert. ›Ich war die ganze Nacht arbeiten‹, sagte sie in einem umgänglicheren Tonfall. ›Da kann ich nicht am frühen Morgen durch die halbe Stadt gondeln.‹
Siegessicher öffnete der Angesprochene seine Tasche und begann darin zu suchen. Ohne aufzublicken sagte er: ›Das verstehen wir natürlich Frau Sanchez. Wir können die Angelegenheit auch hier erledigen. Die Wahlliste haben wir mitgebracht. Wenn wir kurz hineinkommen dürften?‹
Mutter trat einen halben Schritt zurück, wie um ihn einzuladen. Doch dann straffte sie sich, erhob stolz ihren Kopf und sagte: ›Na, wenn ihr die Liste schon mit habt, dann könnte ihr sie ja auch gleich selbst ankreuzen. Ich hab jetzt zu tun.‹
Der Mann verharrte in seiner Bewegung und entgegnete bestürzt: ›Aber Frau ...‹
›Was denn?‹ Nun grinste meine Mutter ganz offen. ›Das macht ihr doch sowieso.‹
Während die Beiden sie fassungslos anstarrten, schlug meine Mutter die Tür zu.
›Was gibt's da zu lachen?‹, herrschte sie mich an, gab mir eine sanfte Kopfnuss und schlenderte in die Küche. Als ich in mein Zimmer zurück ging rief sie mir hinterher: ›Das nächste Mal lässte die Tür zu, Doofkopp‹«

Wir rauchten, tranken Bier und schwiegen.
Irgendwann fragte mein Freund: Hast Du ›Das Leben der Anderen‹ gesehen?«
Ich blickte ihn an.
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Pütchen
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Beitrag26.10.2013 15:58

von Pütchen
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Hallo Jack,

schade eigentlich, ich fand den Anfangssatz toll (immer diese widersprüchlichen Meinungen Laughing )

Auch sonst gefällt mir deine Geschichte gut - als Halbaußerirdische kenne ich zwar den Film leider nicht, aber ich konnte es mir sehr gut vorstellen, worum es geht (und hab natürlich schnell gegoogelt).

Es hat für mich aber auch so gepasst - aus dem vorigen Zusammenhang war es eigentlich klar.

Eine Erbse:

Zitat:
Ja klar. Mein Freund lachte bitter.


Anführungszeichen bei "Ja klar" fehlen.

Liebe Grüße, Pütchen


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"Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken."
(Isaac Newton, 1642-1726)

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Jack Burns
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Beitrag30.10.2013 03:23

von Jack Burns
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Hallo Frau Pütchen

Vielen lieben Dank für Deine anerkennenden Worte.

Nun; meine Überzeugung ins Wanken zu bringen, daran scheiterten schon zahlreiche Mitmenschen.
Doch einem, meinem strengsten Kritiker, gelang es doch, mich von meinem Tun abzubringen.

Oh, so viele kleine Zeichen zu beachten. Es ermüdet meine alten Augen ...

 Sad

Viele Grüße
Martin


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Zauberstift
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Beiträge: 389



Beitrag30.10.2013 19:13

von Zauberstift
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Hallo Jack...mir gefällt dein Text. Lebendig, nimmt mit. Ich finde, der Sprachstil passt ganz ausgezeichnet, aber die Geschmäcker sind halt verschieden. Laughing  viele Grüße
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag01.11.2013 15:23

von Jack Burns
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Vielen Dank, Zauberstift!

Das ist Engelsgesang für mein Dichterherz! Smile

Ich dachte immer, es genüge mir,  nur für mich schreiben. Aber nach einiger Resonanz im Forum sehe ich, dass es gut tut, sich auszutauschen.

Ich werde demnächst weitere Stücke posten und hoffe auf produktive Kritiken.

Martin


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Gast







Beitrag03.11.2013 17:43

von Gast
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Hallo Martin!

Ich möchte dir kurz darstellen, wie ich zwischen dem ersten und zweiten Satz hängen geblieben bin.

Am Tag der Beerdigung meiner Mutter trug ich erstmals seit meiner Jugendweihe einen Anzug. Ich sah wieder vor mir, wie sie spöttisch lächelte - damals.

Erste Eindrücke und Bilder erzeugen das dauert besonders am Anfang geschwind: Ui, Mutter tot, Beerdigungstag, hm, Anzug und Jugendweihe, aha, eine DDR-Geschichte also.

Während ich da noch dran bin, lese ich natürlich bereits den zweiten Satz, wo es aber jäh um ganz anderes geht. Der Beerdigungstag ist plötzlich aufgehoben, wo es doch so gravierend genau damit anfing; die Tote lächelt nun spöttisch aus noch tieferer Vergangenheit. Wie? Zeitenwechsel? Leicht verwirrt, wie ich nun bin, fange ich wieder von vorne an. (Im ersten Satz stecken arg viele Infos.)

Vielleicht magst du etwas ausführlicher werden, damit der Leser Zeit gewinnt?

Wie saß denn der Anzug? Übel gebügelt? Ich will gern erfahren, wie der Anzug aussah.

Flüssigkeit entsteht auch, wenn ein Satz aus dem vorigen herauswächst. Oder noch besser, wenn ein Satz den nächsten vorfreudig erwarten lässt. Wie wäre es, den kommenden Spott der Mutter oder die alte Scham ein wenig vorzubereiten, minimal anzudeuten.

Aber wenn dir das alles widerstrebt und du nicht auf mehr eingehen magst, dann ist vielleicht, um dem Leser Zeit zu schenken, die nächste Lösung, aus dem ersten Satz zwei kurze zu machen. Ein Punkt ist immer eine kleine Verschnaufpause.

Es war am Beerdigungstag unserer Mutter. Ich trug …


Liebe Grüße
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag04.11.2013 00:08

von Jack Burns
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Hallo Nada

Danke für Deine Kritik.
Also ... natürlich könnte man das auch anders schreiben. Und ich mag es auch, wenn etwas schön erzählt wird - oft schreibe ich viel zu umständlich.
In diesem Fall war die Herausforderung, einen kurzen Text zu entwerfen, der in diese Rubrik passt. Gleichzeitig feile ich noch an meinem Stil.
So dachte ich mir, dass ich mich auf die Kernaussage  konzentriere und alles andere auf das Notwendigste reduziere.
Wollte ich die Mutter oder bestimmte Aspekte der DDR genau beleuchten, müsste ich mindestens eine Novelle oder gar eine Trilogie ins Forum werfen. Smile
Man erfährt ja auch nichts über den Erzähler.

Da ich zur Zeit an weiteren Texten arbeite, lass ich "Courage" jetzt in Ruhe. Es sei denn, dass jemand noch einen starken Schnitzer findet. Irgendwann muss man ja mal "fertig" sein.
Ich würde mich freuen, wenn Du bei meiner nächsten Arbeit wieder dabei bist.

Schönen Gruß
Martin


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Viktoriaschreibt
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V


Beiträge: 35



V
Beitrag09.04.2014 21:25

von Viktoriaschreibt
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Hallo Jack,

dein Text hat mich vom ersten Wort an so sehr in seinen Bann gezogen, dass mir die Mängel, die andere gefunden haben, gar nicht aufgefallen sind. Ich denke, du wurdest bereits auf die verschiedensten Dinge hingewiesen. Für mich bleibt nur Lob. Ich finde die Geschichte traurig, sie erinnert mich ein bisschen an 1984, zumindest hatte ich das sofort im Kopf, als die Männer vor der Tür standen. Der Text erzeugt Gefühle, was will man mehr ?
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag09.04.2014 22:30

von Jack Burns
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Viktoria

Danke für's Lesen und Deinen Kommentar.
Passenderweise hat sich diese Geschichte tatsächlich in diesem Zeitraum um 1984 zugetragen. Ob Orwell das geahnt hatte?
Soviel ich weiß, diente ihm als Vorlage der faschistische Überwachungsstaat. Traurig, dass es dann die Gegenseite genauso umsetzte.
Grüße
Martin


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