Gedanken eines Skeletts

[josephine]

So, das war’s. Ich liege in dieser Kiste, zwei Meter tiefer als ihr da oben. Super! Es hat einige Zeit gedauert, bevor mir bewusst wurde, was überhaupt passiert ist. Schussverletzung. Habe ich zufällig auf meiner Trauerfeier erfahren und ebenso, dass ich ein großer Verlust bin. Ein Verlust! Und das am zehnten Hochzeitstag. Mein Mann hat sich eine Pistole gekauft und mir die Kugel geschenkt. Zum ersten Mal in all den Jahren hat er mich mit etwas überrascht. Er hat früher immer gesagt: „Schätzchen, ich liebe dich, bis ans Ende deiner Tage.“ Fand ich eigentlich immer ganz lieb, bis er dieses Mal erklärt hat: „Und das ist heute.“

Zu gerne wäre ich noch einmal aus meinem Buchensarg aufgestanden und hätte ihn dafür zur Rede gestellt. Wie in den guten alten Zeiten. Ging aber leider nicht, ich war zu steif dafür. Deshalb habe ich es schweren Herzens sein lassen. Tränenüberströmt hat er mir dann noch eine rote Rose in den Sarg gelegt, ehe sie den Deckel verschlossen haben. Hat mich verwundert, früher hat er mir nie Blumen mitgebracht. Habe mich aber trotzdem darüber gefreut. Der Wille zählt doch, oder nicht? Obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht gerne hier liege, alleine und im Dunklen. Außerdem habe ich mein frühes Ableben nicht verdient, es ging zu schnell, ich bekam es nicht einmal mit. Sie haben meinen Mann wohl nicht erwischt. Das fiel mir erst bei der Trauerfeier auf, und als er später hinter meinem Sarg hergetrabt ist, hatte das ja beinahe etwas vom Verursacherprinzip im doppelten Sinne. Einerseits muss er für den entstandenen Schaden aufkommen und die Beerdigung bezahlen, andererseits ist er der Urheber meiner Misere.

Aber man muss positiv denken. Euch da oben erwischt es auch noch. Denn ich war, was ihr seid und ihr werdet, was ich bin. Ich kann warten, schließlich habe ich nun alle Zeit der Welt.

Es ist still hier unten, beinahe friedlich, könnte man meinen; auch etwas langweilig. Der Verwesungsprozess ist schon einige Zeit vorüber, die Würmer, die mir etwas Abwechslung beschert haben, sind rübergewandert ins Nachbargrab, dort haben die frisch jemanden hineingelegt und der hat jetzt die Party. Ich höre sie manchmal drüben husten. Von meinem ollen Gerippe will keiner mehr was wissen.

Am liebsten würde ich mich ja im Grab umdrehen, aber meine Knochen sitzen zu locker in den Gelenken, sodass ich fürchte, die würden das nicht überstehen. Irgendwie finde ich mein Äußeres jetzt gar nicht so schlecht. Noch nie zuvor in meinem Leben war ich so schlank wie jetzt, und keiner kann es sehen. Die Welt ist einfach ungerecht, aber man muss es mit Humor betrachten, hilft ja nichts, wenn ich mich ärgere. Es kriegt ja doch niemand mit.

Wenn ich es wenigstens selbst getan hätte, dann könnte ich jetzt hier liegen und sagen: „Hast du jetzt davon, schließlich hast du es nicht anders gewollt.“ Ein kluger Kopf hat mal gemeint: ‚Selbstmord ist eine Art Gott zu sagen: "Du kannst mich nicht feuern, - ich kündige!“ Stell dir mal vor, du stehst vor dem goldenen Himmelstor, klopfst an und hältst ein Schild in die Höhe auf dem steht: ‚Bin früher fertig geworden!’ Das würde einen Aufruhr da oben geben. Die Engel würden zusammenfliegen, Petrus würde rot anlaufen. Wenn ich Glück hätte, würde sich sogar der Chef am Eingang sehen lassen. Aber so bin ich nur eine unter vielen, zerfalle zu Staub und werde zu Dünger. Keinen juckt es, wie ich mich langsam verdünnisiere.

Also stelle ich mir vor, wie oben die Sonne scheint und mein lieber Ehemann an meinem gepflegten und mit Blumen bepflanzten Grab vorübergeht und dabei die Aufschrift auf meinem Grabstein liest. Dort würde dann stehen.

NOCH BIN ICH ALLEINE HIER
DOCH BALD SCHON LIEGST DU NEBEN MIR

[KeTam]

Hallo josephine,

mir gefällt das sehr gut. Richtig schön absurd, das Ganze.
Da kann ich sagen, nein, so was hab ich noch nicht gelesen.
Sehr originell.

Lg, KeTam.

edit: Deine Protagonistin hat wirklich Humor und ist mir sehr sympathisch.

[Ernst Clemens]

toll Josephine, das habe ich wirklich gerne gelesen. Die Kombination aus Humor und Ernsthaftigkeit - fast wie der schwarze Humor bei den ollen Engländern!

Hast Du noch mehr davon auf Lager?

Herzliche Grüße
Ernst

[Beka]

Hallo Josephine,

ich bin eben hier vorbei gekommen und hängen geblieben.
Klasse Idee und klasse Umsetzung.

LG

Beka

[josephine]

Hallo KeTam,

freut mich sehr, dass dir meine kleine Geschichte gefallen hat. War mir nicht ganz sicher, ob sie was geworden ist.

Du magst meine Prota, das freut mich natürlich auch sehr. Die Gute langweilt sich ja ein wenig...

danke fürs Lesen und Kommentieren
lg
Josephine

[Samanter]

Hallo Josephine!

Bei dem Titel der Geschichte hatte ich schon so etwas wie Halloween-Humor im Kopf. Aber deine Geschichte hat die Erwartungen übertroffen. Mit dieser Geschichte bekommt der Begriff "Galgenhumor" ein völlig neues Gesicht.

Klasse!!!!

LG Sam

[josephine]

Hallo Ernst Clemens,

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass es dir ebenfalls gefallen hat.

[josephine]

Hallo Beka,

freut mich, dass du hier vorbeigekommen und auch noch hängen geblieben bist. Wow, so viel Lob von euch, danke. Ich bin ganz baff.

lg
Josephine

[josephine]

Hallo Samanter,

auch dir vielen Dank fürs Lesen und kommentieren. Freut mich, dass meine Geschichte euch Spaß macht.

lg
Josephine

[Gast]

[Ernst Clemens]

anders als Debruma bin ich nicht der Meinung, dass man einen Trash-Text sezieren sollten. Hier geht es doch wirklich nur um das leichte Lesen, das Schmunzeln. Korinthen haben hier nichts zu suchen.

Aber vielleicht sehe ich das ja falsch? (Ich glaube aber eher nicht!)

Ernst

[Sun Wukong]

[Gast]

Wo, wenn nicht hier, sollte man Texte sezieren?

Mal Frust rauslassen muss: ich bemühe mich, wieder mehr Textarbeit einzubringen, weil ich finde, dass davon das dsfo lebt. Jetzt passiert es mir aber in den letzten Wochen immer und immer, dass mir jemand - und nicht mal der Autor, sondern Kommentatoren - hinterherlatscht, um mir zu erklären, was ich alles falsch mache und falsch sehe.
Wenn das Newbies sind, reiß ich mich am Riemen, und versuche kurz deutlich zu machen, dass dieses 'über Kritik sprechen' jeden Faden schrettert.

Ich war bisher echt tapfer, finde ich - aber Clemens, du bist nicht neu hier. Und ja, ich bin ein krümelscheißendes, penibles, nerviges, dickköpfiges, bärbeißiges, sackgängiges ... ach denk dir den Rest selber aus.
Das darf man auch gern von mir halten, das ist mir egal. Aber es geht mir auf den Keks, jedesmal unter einer Textarbeit - und ich mache mir Arbeit - lesen zu müssen, dass debruma wahwahwah.

Jedes zweite Mal würde mir vollauf genügen.

Sonst lasse ich das halt. Echt. Ich kann auch BN ärgern in der Zeit.

[wonderland]

Hi Josey
du hast echt klasse Ideen, super Schreibe, und für den ersten Entwurf sind tolle Sachen drin.
Wenn du daraus mehr machen wolltest, so Richtung veröffentlichungsreif, müsstest du noch ordentlich Arbeit reinstecken. Genau, sagt Debruma ganz richtig. Grade dieses Hin und Her verschiedener Gefühlslagen.

Aber dafür musst du Absatz für Absatz bearbeiten, wieder reinstellen, wieder überarbeiten, willst das?
LG

[kskreativ]

Auch Texte die im Trash stehen dürfen zerpflückt werden. Warum sollte Autor sonst einen hier einstellen? Vielleicht brauchen wir noch eine extra Kategorie:
*Fingerwegvonmeinemtextnurlesenerlaubt*

Zum Text:
Die Grundidee gefällt mir, einige Passagen sind auch sehr schön geschrieben und zaubern mir ein Schmunzeln ins Gesicht, aber ansonsten stimme ich dem Wundereinhorn zu. Es liest sich weg, aber da bleibt nix dauerhaft hängen in meinem Hirn. Zu seicht. Humor ist eben wirklich schwer zu schreiben.

[josephine]

So liebes Einhorn,

vielen Dank für deinen hilfreichen und informativen Beitrag, der mir in meiner Autorenentwicklung sehr weiterhilft. Und bitte bitte nicht aufhören zu kommentieren. Ich lese deine Beiträge immer sehr gerne.

[josephine]

Hallo Sun Wukong,

[josephine]

Hallo Wonderland,

freut mich, dass du auch vorbeigeschaut hast, bei meinem Skelett.

[josephine]

Hallo kskreativ,

auch dir vielen Dank, dass du meine Geschichte gelesen hast.

[wonderland]