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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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26.02.2013 00:33 Der Zug fährt ab von Erman
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Diese Frauen tragen die Bläue des bitteren Steins in ihren Ochsenaugen,
der Mond der Einsamkeit hat mich getötet, und die Stadtluft.
Wenn der Zug in den Bahnhof einfährt,
lasse ich meine Gedanken auf den nächtlichen Wolken.
Ich habe genug von Liebeleien.
Der Ort für jedermann, in jeder Richtung.
Jongleure aus dem Winterzirkus, die arme Ballerina,
fette Fabrikanten und Kranke aus dem lateinischen Quartier.
Jeder folgt einem Ruf aus der Ferne, es scheint nur mich hat man vergessen.
Sterben werde ich noch im Monat Februar
wie ein Pessimist,
oder ich springe in den Fluss, wenn er seine Farbe und Gesicht verändert.
Wenn ich mit der Hand über die Gelben Seiten fahre
und ein pikantes venezianisches Frauengesicht sehe,
so werde ich vielleicht wieder gesund.
Unser Himmel ist sehr lyrisch, wenn die Wolken von entfernten Karpaten kommen.
Nicht einmal die müden Frauen im regnerischen Morgen an den Türschwellen der Kanzleien,
nicht einmal das Lied der Schreibmaschinen, von unbestimmter Trauer,
mir ist jetzt nur danach unter einer Brücke die Okarina in Muschelform,
in hohem Klang zu spielen.
Ich will meine Seele von den Sternen befreien,
die wie der Himmel im Sommerkino aussieht, bis auf den einen Stern.
Gerne würde ich mich eines kalten Morgens betrunken an den Eifelturm wagen,
und wenn mich die Seele schmerzt, meinen Kopf
auf die Brüste eines Flittchens Legen.
Immer verpasse ich meinen Zug, auf ihn wartend, im Schlaf.
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_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Eulenbaum Klammeraffe
E
Beiträge: 867
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E 26.02.2013 09:32
von Eulenbaum
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Hallo Erman,
Einsamkeit. Hinterhergucken. Gar nicht erst probieren.
Das kommt für mich rüber. Aber nicht- wie soll ich das sagen: nicht durch die Bilder, mit denen kann ich teilweise nichts anfangen, innerhalb der Zusammenhängeg.
Zitat: | die Bläue des bitteren Steins in ihren Ochsenaugen |
Was ist ein bitterer Stein? Warum haben die Frauen Ochsenaugen? Alle? Drückt das die Einsmakeit aus?
Zitat: | Wenn der Zug in den Bahnhof einfährt,
lasse ich meine Gedanken auf den nächtlichen Wolken.
Ich habe genug von Liebeleien. |
Der Zusammenhang erschließt sich mir nur durch Ahnung. Die Bilder sollen etwas ausdrücken, man sucht mach dem Sinn und findet einen.
Bei andern Gedichten bin ich mir sicher, daß sie etwas ausdrücken, die Bilder. Hier weiß ich, daß sie etwas ausdrücken sollen.
Zitat: | Der Ort für jedermann, in jeder Richtung.
Jongleure aus dem Winterzirkus, die arme Ballerina,
fette Fabrikanten und Kranke aus dem lateinischen Quartier.
Jeder folgt einem Ruf aus der Ferne, es scheint nur mich hat man vergessen.
Sterben werde ich noch im Monat Februar
wie ein Pessimist,
oder ich springe in den Fluss, wenn er seine Farbe und Gesicht verändert.
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Zitat: | Der Ort für jedermann, in jeder Richtung. |
Das ist ein schönes Bild für einen Bahnhof- falls Du den meinst.
Es wird sofort für mich verwirrend, wenn ich weiterlese, weil das, was folgt, für mich nicht mehr mit "Bahnhof" übereinstimmt.
Zitat: | Jeder folgt einem Ruf aus der Ferne, es scheint nur mich hat man vergessen. |
Aus der Zeile vor allem habe ich das mit der Resignation. Es kommt auch das Gefühl der Einsamkeit rüber. Vereinsamung eher.
Aber warum stirbt das "Ich" dann, und was soll der Februar in dem Reise?
Der Fluß, den kriege ich auch nicht in den Bahnhofszusammenhang (wenn es einer ist)- allerdings könnte man da sagen, daß er ja weit fließt und etwas mit Ferne zu tun hat, aber vielleicht ist es auch einfach nur der Todeswunsch des "Ich"? Paßt aber für mich nicht zum Anfang der Strophe.
Zitat: | Wenn ich mit der Hand über die Gelben Seiten fahre
und ein pikantes venezianisches Frauengesicht sehe,
so werde ich vielleicht wieder gesund. |
Die Bilder passen für mich nicht zusammen. Ich kriege sie nicht in einen Zusammenhang. Das Telefonbuch irritiert-. Fernweh, das drückt sich "irgendwie" im "venezianischen Frauengesicht" aus- vielmehr: Es soll damit ausgedrückt werden. Aber das reicht mir nicht.
Zitat: | Unser Himmel ist sehr lyrisch, wenn die Wolken von entfernten Karpaten kommen. | Ich weiß wieder, was damit gemeint sein soll.
Ich sage mal so: Es sind alles Bilder, die auch etwas transpotieren, aber es liest sich, als wenn es eine Fremdsprache ist, die noch nicht so ganz beherrscht wird.
Diese Bilder, die (für mich) nicht recht zusammenpassen, und das "es soll etwas ausgedrückt werden und DAS ETWA heißt es wohl" durchziehen das ganze Gedicht.
Ganz zum Schluß die Schlußzeile:
Zitat: | Immer verpasse ich meinen Zug, auf ihn wartend, im Schlaf. |
Diese Zeile finde ich reizvoll im ganzen Zusammenhang. Da merke ich, daß es schon ein Teil der eigenen Sprache geworden ist, das Gedichteschreiben. Aber woanders im Gedicht habe ich eben andere Eindrücke.
Gruß,
Eulenbaum
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jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
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26.02.2013 17:18
von jim-knopf
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hallo erman,
das hat wirklich großes potential, denke ich.
das is das beste, was ich bisher von dir gelesen habe.
allerdings zerfasert es mir noch zu sehr. du machst mir zu viele bilder auf, die zwar für sich genommen erstmal sehr gelungen erscheinen, sich aber nirgends zusammenfügen und letztendlich als lose enden ins nichts hängen. weißt du was ich meine? die bildsprache ist gewaltig, aber zusammenhanglos. das hinterlässt einen faden beigeschmack, weil es das eine oder andere bild sehr zufällig erscheinen lässt.
ich persönlich würde versuchen, den text zu komprimieren. jedes bild, dass irgendwie nur auf einen raschen effekt zusteuert, rausnehmen. ich würde die bildsprache in eine richtung lenken, sie in einen zusammenhang bringen. so könnte aus diesem guten gedicht ein ausgezeichnetes werden.
viele grüße
roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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01.03.2013 10:20
von menetekel
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Hallo Ermann,
ein unglaublich poetisches Werk, streckenweise so schön, dass es schmerzt.
Die bereits geäußerte Kritik ist für mich nachvollziehbar, wenn sie die Überfrachtung duch die Vielzahl der Bilder anspricht. Erleichterung könnte schon dadurch geschaffen werden, wenn du den zweiten Abschnitt herausnähmst, dich also auf
Zitat: | Diese Frauen tragen die Bläue des bitteren Steins in ihren Ochsenaugen,
der Mond der Einsamkeit hat mich getötet, und die Stadtluft.
Wenn der Zug in den Bahnhof einfährt,
lasse ich meine Gedanken auf den nächtlichen Wolken.
Ich habe genug von Liebeleien.
Wenn ich mit der Hand über die Gelben Seiten fahre
und ein pikantes venezianisches Frauengesicht sehe,
so werde ich vielleicht wieder gesund.
Unser Himmel ist sehr lyrisch, wenn die Wolken von entfernten Karpaten kommen.
Nicht einmal die müden Frauen im regnerischen Morgen an den Türschwellen der Kanzleien,
nicht einmal das Lied der Schreibmaschinen, von unbestimmter Trauer,
mir ist jetzt nur danach unter einer Brücke die Okarina in Muschelform,
in hohem Klang zu spielen.
Ich will meine Seele von den Sternen befreien,
die wie der Himmel im Sommerkino aussieht, bis auf den einen Stern.
Gerne würde ich mich eines kalten Morgens betrunken an den Eifelturm wagen,
und wenn mich die Seele schmerzt, meinen Kopf
auf die Brüste eines Flittchens Legen.
Immer verpasse ich meinen Zug, auf ihn wartend, im Schlaf. |
beschränktest. Natürlich müsstest du dann das "wieder gesund" umformulieren.
Insgesamt bliebst du nun in einem (großartigen) Bild.
Deine "Ochsenaugen" bereiten mir keinen Verdruss, stehen sie doch für ein kastriertes Wesen; einen solchen Ausdruck konnte ich oft in nordafrikanischen Ländern beobachten. - Die bitteren Steine hingegen kann ich auch nicht recht nachvollziehen. ---
Ein superbes Gedicht, das ich mehr als nur gern gelesen habe.
LG, m.
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 01.03.2013 13:54
von Aranka
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Hallo Erman,
eines der Gedichte von dir, dir mir sehr gefallen, eine wunderbare bildkräftige Sprache und eine gute Versmelodie. (die Dinge, die man überdenken könnte, benenne ich nicht, hat im Wesentlichen Roman benannt). Für mich ein gelungenes Gedicht, das ich sehr gerne gelesen habe.
Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Gast
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10.03.2013 20:55 Hat mir gefallen von Gast
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Hi Erman,
habe die vorigen Kommentare gelesen und finde auch, dass in diesem Text viele großartige Bilder zu finden sind.
"der Mond der EInsamkeit": Das klingt ein wenig pauschalisiert und gewöhnlich.
Ich hatte nach dem Lesen zunächst die Idee, das hier das Wort "Stern" besser passen würde, in Verbindung zur letzten Strophe. Das würde dem Text eine vielleicht unpassende, aber ironische Wende geben. Aber da Du als nächstes "und die Stadtluft." anfügst, wird der Vers dann doch gut, denn es zerstört und relativiert den "Mond der Einsamkeit".
Hat mir insgesamt sehr gut gefallen und das Lesen hat sich gelohnt.
Bis dann,
Monochrom
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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10.03.2013 21:35 aw:derzugfährtab von lilli.vostry
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Lieber Erman,
schön wieder ein Gedicht von Dir zu lesen. Mit gefällt die überbordende Bilderfülle und Sprachkraft Deiner Gedanken auch sehr. Denke auch, dass man im Mittelteil hier und da noch etwas straffen könnte.
Ich sehe einen Reisenden vor mir, inmitten des brodelnden Lebens fühlt er sich allein, er weiß vielleicht nicht mal ob es Traum oder Wirklichkeit ist, was er sieht; er sieht alles wie durch einen Schleier, aus Trauer, Wehmut, Resignation, und doch zieht es ihn in eine unbestimmte Ferne, hat er seine Träume noch nicht aufgegeben, sehnt sich nach Liebe und Wärme...
Der Schlusssatz ist wunderbar, bringt die große Sehnsucht auf den Punkt, den Zug einmal nicht zu verpassen, mitten hinein ins bunte brodelnde Leben.
Sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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