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Künstlerische Freiheit???

 
 
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Borrelie
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
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Beiträge: 19



B
Beitrag23.12.2011 17:00
Künstlerische Freiheit???
von Borrelie
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich arbeite gerade an einer Erzählung, in die ich etwas einbauen möchte, was ich selbst gerade erlebe.
Natürlich ist die Haupthandlung fiktiv und vieles verändere ich auch, während ich schreibe, aber ich fürchte, dass enge Bekannte einiges wiedererkennen könnten, falls die Geschichte veröffentlicht werden sollte.

Wie geht ihr damit um? Steht die Geschichte über allem oder denkt ihr auch darüber nach, ob ihr die Geschichte so nicht schreiben könnt, weil sich jemand verletzt fühlen könnte oder etwas dann falsch versteht? Man kann als Schriftsteller aber doch nicht auf Eltern, Geschwister oder Ehepartner Rücksicht nehmen?

Ich hab mal gelesen, dass Thomas Mann nach seinen Buddenbrooks auch von einigen Familienangehörigen als Nestbeschmutzer bezeichnet wurde, weil sie sich in einzelnen Personen wiedererkannt haben.
Aber es ist nun mal so, dass man die schönsten Marotten und Eigenheiten und auch die besten Alltagsneurosen im engen Bekanntenkreis miterlebt und diese dann auch am besten beschreiben und ironisch überspitzt darstellen kann ...
Wie gehe ich damit um?
Auch Sehnsüchte, Frustgedanken usw. - wenn ich das in die Erzählung einbaue --- ich habe keine Lust, mich dann vor anderen rechtfertigen zu müssen.
Habe ich aber nicht die Freiheit, alles zu schreiben, was ich möchte, macht auch das Schreiben keinen Sinn mehr .... ein Dilemma!
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Theresa87
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 527
Wohnort: bei Berlin


Beitrag24.12.2011 17:18

von Theresa87
Antworten mit Zitat

Ich denke mal, eine wichtige Frage hier ist: Was ist dir wichtiger? Die Geschichte über alles, und keine Rücksicht auf Verluste? Oder sind dir geliebte Menschen doch wichtiger?

Andere hier kennen sich bestimmt besser mit der Rechtslage zum Persönlichkeitsrecht aus (das ja hier eventuell verletzt werden könnte), aber ganz unabhängig davon solltest du dir für dich selber klar werden, wo deine Prioritäten liegen.

Liebe Grüße,
Theresa


_________________
Sprache ist mehr als nur Worte, Sprache ist Magie.
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TET
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 53
Beiträge: 570



Beitrag24.12.2011 17:24

von TET
Antworten mit Zitat

Wenn du die Namen änderst bist du rechtlich sicher nicht angreifbar, da die Geschichte noch zusätzlich nur teilweise der Wirklichkeit entspricht, habe ich da eigentlich keine Bedenken. Zur Sicherheit kannst du ja noch erwähnen, dass es sich um eine frei erfundene Geschichte handelt und Ähnlichkeiten mit realen Personen rein zufällig sind.

_________________
Ich muß in meinem Leben schon blödsinnigeres getan haben, weiß aber leider nicht, wann.
Douglas Adams; *300 Soll / 260 Haben noch 40 zu gehen.*
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suntime
Geschlecht:männlichEselsohr
S


Beiträge: 433



S
Beitrag24.12.2011 19:25

von suntime
Antworten mit Zitat

Ich denke, dies ist ein freies Land und du kannst tun, was du tun darfst.

Aber, um es mit den Worten eines zur Zeit sehr "hochwürdigen" Beamten zu sagen: "Nicht alles, was rechtlich einwandfrei ist, ist auch richtig."

Bedenke auch, nicht nur du kannst tun und lassen was du willst, auch jemand der sich irgendwie angegriffen fühlt, kann dies (danach) tun.

Oder physikalisch, mit den Worten von Newton, ausgedrückt: "Aktion = Reaktion", wobei die Aktion hierbei von dir ausgehen würde und eine Reaktion nur die Folge davon wäre.

Es gilt also abzuwägen!
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Elisa Ellen
Schneckenpost
E

Alter: 68
Beiträge: 13



E
Beitrag26.12.2011 18:59

von Elisa Ellen
Antworten mit Zitat

Du könntest natürlich Deine Erzählung auch unter einem Pseudonym veröffentlichen. Anscheinend willst Du sowieso nicht, dass einer Deiner Angehörigen die Geschichte liest und mit einem Pseudonym bist Du sicherer.

_________________
Elisa Ellen: "Die Englische Malerin"
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Boudicca
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 266



Beitrag27.12.2011 17:34

von Boudicca
Antworten mit Zitat

Also ich würde tunlichst  darauf verzichten, Textpassagen zu entwerfen, durch die sich meine Angehörigen verletzt fühlen würden. Natürlich fließt immer etwas von den Charakteren aus dem eigenen Umfeld in so eine Geschichte, aber ich z.B. bemühe mich dann, diese Eigenschaften noch etwas mehr zu überzeichnen und den Charakteren noch andere kleine Eigenarten zu geben, die man mit der bestimmten realen Person bewusst nicht in Verbindung bringt. Sehr hilfreich, damit sich nicht ungewollt jemand angesprochen fühlt, ist eine Änderung des Geschlechts in der Geschichte (wenn denn möglich). Also man macht einfach aus dem Onkel im Buch, der typische Züge des echten Onkels trägt, eine Tante oder Schwester. Allein dadurch muss man dem Charakter gezwungenermaßen noch andere Eigenschaften zuteilen, die der echte Onkel nicht hat und vielleicht typischer für das andere Geschlecht sind.
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Borrelie
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
B


Beiträge: 19



B
Beitrag28.12.2011 12:13

von Borrelie
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Ich hasse es zwar, mich so zu beschränken, weil das einer Geschichte sicher schadet, aber wahrscheinlich habt ihr recht. Oder ein Pseudonym wäre auch nicht schlecht ...
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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag28.12.2011 12:50

von Ilona
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich hasse es zwar, mich so zu beschränken, weil das einer Geschichte sicher schadet, aber wahrscheinlich habt ihr recht. Oder ein Pseudonym wäre auch nicht schlecht ...


Du liebe Zeit! Hast Du denn gar keine Fantasie? Hättest Du welche, müsstest Du weder das Leben Deiner Verwandten ausschlachten noch solche Fragen stellen. Wer keine Fantasie hat sollte auch nicht schreiben.

meint

Ilona
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Borrelie
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
B


Beiträge: 19



B
Beitrag28.12.2011 17:02

von Borrelie
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen herzlichen Dank, Ilona.
Mich interessiert momentan ein heikles und gesellschaftlich wenig anerkanntes Problem, was ich bearbeiten möchte und worüber ich schon länger nachforsche und das auch nur mit einem gewissen Humor eine gescheite Erzählung wird. Jeder, der mich kennt, wird wissen, wem ich aus meiner Umgebung meine, sollte ich jemals etwas zu diesem Thema veröffentlichen und deshalb werde ich es wohl auch nicht tun. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich einiges umändere usw. --- was man natürlich tut als Autor, darum ging es mir nicht.
Trotzdem ist es unsere Pflicht, gesellschaftspolitische Probleme und das Ungenügen unserer Welt zu dokumentieren, eine Stimme und eine Meinung zu wichtigen Fragen unseres heutigen Lebens zu haben.
Und das hatten schon ganz andere.
Wenn du von Literaturgeschichte nur ein wenig Ahnung hättest, müsstest du wissen, dass du damit einige unserer größten Dichter fantasielos genannt hast, die sehr häufig Ungerechtigkeiten ihrer Umgebung literarisch verarbeitet haben. Und das oftmals ziemlich unverblümt.
Fantasie ist nicht der einzige Faktor, der zum Schreiben befähigt. Wer nichts wichtiges zu sagen hat, Ilona, braucht auch nicht zu schreiben.
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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag28.12.2011 17:47

von Ilona
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Uih uih große Schreiber der Weltliteratur und gleich die Literaturgeschichte! Na wenn du meinst, dass dir die Schuhe passen......

Grüße von

Ilona
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Borrelie
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
B


Beiträge: 19



B
Beitrag28.12.2011 17:57

von Borrelie
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Darauf kannst du einen lassen ...
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Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6367
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag28.12.2011 18:36

von Murmel
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Das Thema hatten wir schon oft.

Ja, kleine wie große Schriftsteller bedienen sich ihrer Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zur Charakterisierung ihrer Figuren. Der Fundus, der sich uns in unserer Umgebung, sei es entfernt verwandt, eng befreundet oder eine Zufallsbegegnung, ist zu gut und zu tief, um sich auf reine Fantasie zu verlassen.

Nein, die allermeisten Schriftsteller jedoch verzichten auf eine Identifizierbarkeit ihrer menschlichen Resourcen und Informanten. Es anders zu tun wäre Torheit, außer der Autor hat vor, mit Allen zu brechen und ein neues Leben als Einsiedel zu beginnen. Wer wollte sich denn noch mit jemanden befreunden, der Regeln der Freundschaft und Vertrautheit derart mit den Füßen tritt?

Der kluge Schrifststeller nimmt seine Inspirationen von seiner Umgebung und kaschiert sie meisterhaft so, dass jeder die Tiefe und Originalität der Figuren lobt und zum Nachdenken angeregt wird, ohne zu merken, dass er selbst porträtiert wurde.


_________________
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Micki
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Beiträge: 2241
Wohnort: mit dem Kopf in den Wolken


Beitrag28.12.2011 20:35

von Micki
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Murmel hat Folgendes geschrieben:

Der kluge Schrifststeller nimmt seine Inspirationen von seiner Umgebung und kaschiert sie meisterhaft so, dass jeder die Tiefe und Originalität der Figuren lobt und zum Nachdenken angeregt wird, ohne zu merken, dass er selbst porträtiert wurde.


Das ist ein Zitat dem ich mich nur zu gerne anschließen möchte, liebe Murmel. Und wenn dies aufgrund deiner Geschichte so nicht möglich sein sollte, wechsle wirklich zu einem Anonym, denn eines ist gewiss: Wenn du ein Buch veröffentlichen solltest, werden es deine Leute auch sicher lesen wollen.
Du solltest aber auch davon ausgehen, das die meisten anonymen Namen sich mit ansteigendem Erfolgheitsgrad verflüchtigen. Ich habe schon mehrfach im Netz meine Lieblingsschriftsteller engeklickt und es wurden mehrere Schreibernamen ausgespuckt.
Das ist also auch nicht das Nonplusultra.

Versuche doch einfach deine vorhanden Personen wirklich durch ausgedachte zu ersetzen, damit du trozdem deine Geschichte erzählen kannst, auch ohne deine Familie oder bekannte öffentlich darzustellen.


_________________
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Phenolphthalein
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 838

DSFo-Sponsor


Beitrag28.12.2011 21:08

von Phenolphthalein
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Borrelie hat Folgendes geschrieben:
Ich hasse es zwar, mich so zu beschränken, weil das einer Geschichte sicher schadet, aber wahrscheinlich habt ihr recht. Oder ein Pseudonym wäre auch nicht schlecht ...


Meinst du allen Ernstes, dass dir hier ein Pseudonym helfen würde? Ich meine, falls du deine Angehörigen in deine Geschichte einbauen willst, dann werden sie dich vermutlich hinter jedem Pseudonym erkennen.
Ansonsten würde ich mich Murmel anschließen.

Viele Grüße

Phenolphthalein

Edit(PS:)
Micki hat Folgendes geschrieben:
Versuche doch einfach deine vorhanden Personen wirklich durch ausgedachte zu ersetzen, damit du trozdem deine Geschichte erzählen kannst, auch ohne deine Familie oder bekannte öffentlich darzustellen.
Daumen hoch

_________________
Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.

-Arthur Schopenhauer
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sleepless_lives
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Beitrag29.12.2011 03:51

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Ilona hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich hasse es zwar, mich so zu beschränken, weil das einer Geschichte sicher schadet, aber wahrscheinlich habt ihr recht. Oder ein Pseudonym wäre auch nicht schlecht ...


Du liebe Zeit! Hast Du denn gar keine Fantasie? Hättest Du welche, müsstest Du weder das Leben Deiner Verwandten ausschlachten noch solche Fragen stellen. Wer keine Fantasie hat sollte auch nicht schreiben.

meint

Ilona

Wuuhuu, da gehen sie alle die Fantasielosen in den großen Eimer. Schade um zum Beispiel Oscar Maria Graf, haben die, die ihn einen Nestbeschmutzer genannt haben, späte Schützenhilfe bekommen. Good bye, Thomas Mann, klaut der doch fantasielos den Schauplatz vom "Zauberberg" aus der Realität und schlachtet das Leben seiner Verwandten aus in den "Buddenbrucks". Sogar sein Hund muss herhalten in "Herr und Hund". Leb wohl, Thomas Bernhardt, August Strindberg (ok, um den ist es nicht so schade), Bertholt Brecht, Franz Innerhofer, Carlo Levi, Don DeLillo, Anais Nin, um nur wahllos einige wenige zu nennen, leb wohl, du ganze Beatnik-Generation und dein Credo "Schreiben muss authentisch sein", lebt wohl all ihr Schriftsteller, die ihr hart an der Realität schreibt, und einen Großteil der Verbleibenden, denn welcher Schriftsteller hat nicht mindestens einen Roman, der stark autobiographisch gefärbt ist.
Was bleibt?
Keine Angst, wir haben immer noch Fantasy.


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

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Borrelie
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Beitrag29.12.2011 10:55

von Borrelie
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Dein letzter Satz ist wirklich treffend, Murmel .... danke für eure Meinungen, ich hab jetzt eine neue Idee, wie ich die Geschichte vollkommen neu und anders gestalten könnte - eine Menge Arbeit wartet nun, alles nochmal umschreiben ... und: meine Rede, sleepless_lives ...
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Ilona
Klammeraffe
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Beitrag29.12.2011 13:14

von Ilona
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Zitat:
Wuuhuu, da gehen sie alle die Fantasielosen in den großen Eimer.


Unsinn, diese Schriftsteller hatten Ihre Gründe, Ihr Umfeld zu porträtieren, und haben die Folgen in Kauf genommen.Ich kann mir nicht vorstellen, das sich Thomas Mann hier eingeloggt hätte, um über die Beschneidung der künstlerischen Freiheit zu lamentieren. Und wie kommst Du darauf, diese Schriftsteller hätten keine Fantasie gehabt?

Zudem finde ich es äußerst merkwürdig wenn - wie hier geschehen - große Schriftsteller bemüht werden, um eigenes Handeln zu rechtfertigen, das man sich dann doch nicht traut. Das ist wie Michael Schumacher zitieren, wenn ich geblitzt worden bin.

Grüße von

Ilona
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sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

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Beitrag29.12.2011 15:06

von sleepless_lives
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Ilona hat Folgendes geschrieben:
Ich kann mir nicht vorstellen, das sich Thomas Mann hier eingeloggt hätte, um über die Beschneidung der künstlerischen Freiheit zu lamentieren.

Lamentiert hat auch hier niemand, sondern nach einer brauchbaren Lösung gesucht. Und natürlich haben sich diverse Schriftsteller beschwert, als sie angegriffen wurden und Verwandte und Bekannte Kontakte abgebrochen haben. Wenn jemand im Vorfeld nach einer Lösung sucht, um das zu vermeiden, ist das doch wohl nur sinnvoll.


Ilona hat Folgendes geschrieben:
Und wie kommst Du darauf, diese Schriftsteller hätten keine Fantasie gehabt?

Du hast das gesagt. Ich zitiere
Ilona hat Folgendes geschrieben:
Du liebe Zeit! Hast Du denn gar keine Fantasie? Hättest Du welche, müsstest Du weder das Leben Deiner Verwandten ausschlachten noch solche Fragen stellen. Wer keine Fantasie hat sollte auch nicht schreiben.

Wie könntest du das behaupten, ohne den entsprechenden Schriftstellern der Weltliteratur auch Phantasielosigkeit zu unterstellen? Denn sie haben ja auch ihre Umgebung und das Leben ihrer Verwandten "ausgeschlachtet". Und im Gegensatz, zu dem was du sagst, ist es nicht auf einen Mangel an Vorstellungskraft bei diesen Schriftstellern zurückzuführen, sondern daran ihre Texte in der Realität zu verankern. Dazu gehört sehr oft einiger Mut. Oskar Maria Graf wird zum Teil heute noch angefeindet in der Gegend, aus der er kommt. Mehr als 50 Jahre nach seinem Tod. Bei Thomas Bernhardt sieht es auch nicht so anders aus.

Gerade in den letzten zwei Jahrzehnten haben viele junge Autoren den Durchbruch mit einem autobiographischen Roman geschafft. Sehr viele! Es folgt beinahe schon einem Schema. Das ist auch nicht verwunderlich. Es ist naheliegend, erst einmal über etwas zu schreiben, das man sehr gut kennt. In creative writing Vorlesungen und Seminaren wird es oft empfohlen. (Eine witzige Randbemerkung dazu ist, zu welchen Aufständen es kommt, wenn sich herausstellt, dass der Autor oder die Autorin alles erfunden hat.)  Es wäre sehr bedauerlich, wenn sich jemand durch eine Bemerkung wie die deine davon abhalten lässt, ein autobiographisches Erstlingswerk zu schreiben. So etwas wie das obige Zitat findet man im Allgemeinen nur in Foren: Es ist mir schleierhaft, welcher Literaturbegriff sich dahinter verbirgt, weil es so weit entfernt ist von Praxis, Theorie und Kritik der zeitgenössischen Literatur. Dass es vielleicht gerade wegen des Authentizitätsgebaren zu einer Renaissance des rein imaginären Geschichtenerzählens kommen wird, steht auf einem anderen Blatt.


Ilona hat Folgendes geschrieben:
Zudem finde ich es äußerst merkwürdig wenn - wie hier geschehen - große Schriftsteller bemüht werden, um eigenes Handeln zu rechtfertigen, das man sich dann doch nicht traut. Das ist wie Michael Schumacher zitieren, wenn ich geblitzt worden bin.

Das ist ein Argument, das - so seltsam es ist - auch öfters auftaucht. Erst einmal: der Vergleich mit der Formel 1 hinkt auf beiden Beinen. Auch Michael Schumacher (oder ein bisschen aktueller, Sebastian Vettel) muss zahlen, wenn er geblitzt wird. Und wenn er gegen die Regeln in der F1 verstößt, wird er disqualifiziert.
Zum eigentlichen Argument: In dieser Weise lässt sich jeder Unsinn rechtfertigen. Ich behaupte, jeder neue Absatz in einem Roman muss mit dem Wort "es" anfangen. Jemand anderes bringt Gegenbeispiele aus der Literatur. Ich sage, willst du dich etwa mit den großen Schriftsteller vergleichen?!
Das Argument ist umso absurder, wenn man sich den Umkehrschluss anschaut: Ich soll mir kein Beispiel nehmen an den großen Schriftstellern, sondern lieber an mittelmäßigen und schlechten (oder gar unveröffentlichten)?


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Ilona
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Beitrag29.12.2011 15:27

von Ilona
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Zitat:
Ich behaupte, jeder neue Absatz in einem Roman muss mit dem Wort "es" anfangen. Jemand anderes bringt Gegenbeispiele aus der Literatur. Ich sage, willst du dich etwa mit den großen Schriftsteller vergleichen?!


Das hinkt aber bös. Wenn ich einen Schriftsteller zitiere, steht dessen Werk für sich. Ein Vergleich entsteht erst, wenn ich mein "Werk" danebenstellen würde.

Zitat:
zu dem was du sagst, ist es nicht auf einen Mangel an Vorstellungskraft bei diesen Schriftstellern zurückzuführen, sondern daran ihre Texte in der Realität zu verankern. Dazu gehört sehr oft einiger Mut.


Du sagst es, dazu gehört Mut. Wenn ich diesen habe, gehe ich hin und ziehe mein Ding durch, koste es was es wolle. Aber ich jammere nicht rum, dass ich in meinem künstlerischen Schaffen eingeschränkt werde. Oder ich wähle gleich einen anderen Weg, den der Verfremdung, wozu Fantasie gehört. Letzteren Weg bevorzuge ich, obwohl ich ein Fan von Thomas Mann bin Smile

Zitat:
Ich soll mir kein Beispiel nehmen an den großen Schriftstellern, sondern lieber an mittelmäßigen und schlechten (oder gar unveröffentlichten)?


Nimm Dir ein Beispiel an Ihrer Art zu schreiben.

Würdest Du Opernsänger werden wollen, würdest Du auch mit Tonleitern anfangen und nicht die Marotten großer Stars kopieren.

Grüße von

Ilona
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Beitrag29.12.2011 16:16

von sleepless_lives
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Ilona hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich behaupte, jeder neue Absatz in einem Roman muss mit dem Wort "es" anfangen. Jemand anderes bringt Gegenbeispiele aus der Literatur. Ich sage, willst du dich etwa mit den großen Schriftsteller vergleichen?!


Das hinkt aber bös. Wenn ich einen Schriftsteller zitiere, steht dessen Werk für sich. Ein Vergleich entsteht erst, wenn ich mein "Werk" danebenstellen würde.

Das ist doch nur eine Formalität. Ich hätte ja oben auch schreiben können: In meinem Roman fängt jeder Absatz mit "es" an. An der Argumentationsstruktur ändert das nichts und ich kann nicht sehen, wo da etwas hinken soll. Es bleibt immer noch die Tatsache, dass ich in dieser Weise beliebige Eigenheiten von einer vergleichenden Kritik freistellen kann.  


Ilona hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich soll mir kein Beispiel nehmen an den großen Schriftstellern, sondern lieber an mittelmäßigen und schlechten (oder gar unveröffentlichten)?


Nimm Dir ein Beispiel an Ihrer Art zu schreiben.

Würdest Du Opernsänger werden wollen, würdest Du auch mit Tonleitern anfangen und nicht die Marotten großer Stars kopieren.

Da liegt der Hase wohl im Pfeffer.  Sehr nah an der Realität zu schreiben, ist keine Marotte (genauso wenig wie zum Beispiel lange Sätze eine Marotte sind). Es sind grundlegende Elemente im Werk sehr vieler Schriftsteller, es macht ihren spezifischen Charakter aus, es gründet sich in ihrer Weise, an das Schreiben heranzugehen. Wie ich ja weiter oben schon geschrieben habe, sind Anfänger davon keineswegs ausgenommen. Ich muss das über Erstlingswerke und creative writing Seminare jetzt nicht noch einmal wiederholen.  Die meisten werden wohl nie so schreiben können wie Thomas Mann, aber ihre Umgebung genau zu beobachten und mit einer kritischen Distanz zu sehen, das ist im Bereich des Möglichen und das kann man auch lernen. Wie weit man verfremdet kann/soll/muss, was unter den rechtlichen oder ethischen Begriff der künstlerischen Freiheit fällt, sollte ja in diesem Thread diskutiert werden. Was muss ein Bekannter, naher Verwandter oder Partner akzeptieren, wenn überhaupt was? Das Thema hat eine lange Geschichte in der Literatur und es gibt so viele Fälle. Strindberg, zum Beispiel, der ein echtes A****loch gewesen sein muss (er hat oft noch Korrekturen zu seinen Gunsten vorgenommen, die realen Ereignisse so "verfremdet", dass er in vorteilhaftem Licht dastand), aber seine Werke zählen zur Weltliteratur.  Legitim oder nicht? Eine damit verbundene Diskussion ist die, wie genau etwas wiedergegeben werden muss. Das heißt, Verfremdungen können gerade zu Problemen führen (vergleiche dazu auch Diskussion, Rechtsstreit und Publikationsverbot von Klaus Manns "Mephisto").

Pauschal-Urteile a la Nix-Phantasie helfen da nicht besonders und würgen eine sinnvolle Diskussion ab.


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Beitrag29.12.2011 16:55

von Ilona
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Zitat:
Pauschal-Urteile a la Nix-Phantasie helfen da nicht besonders und würgen eine sinnvolle Diskussion ab
.

Niemand muss etwas ertragen, was seine Persönlichkeitsrechte einschränkt, vorausgesetzt, er hat die Mittel, sich zu wehren. Insofern würde ich einen Anwalt fragen, wenn mir das Problem so auf den Nägeln brennt. Was nützen schöne Worte über künstlerische Freiheit, wenn man mich wegen übler Nachrede belangen kann? Nichts.

Persönlich halte ich es mit einem uralten Sprichwort: "was du nicht willst, was man dir tu....". Und das bedeutet konkret: Genau beobachten und dann verfremden.

Grüße von

Ilona
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Beitrag29.12.2011 17:21

von Borrelie
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Zitat von Ilona:
"Wenn ich diesen habe, gehe ich hin und ziehe mein Ding durch, koste es was es wolle. Aber ich jammere nicht rum, dass ich in meinem künstlerischen Schaffen eingeschränkt werde."

Liebe Ilona, meine Güte, komm doch mal wieder runter! Ich habe eine Frage gestellt und dann IN EINEM SATZ angedeutet, dass ich meine Geschichte nicht beschränken möchte. Die anderen haben mir (mit ihren hilfreichen) Antworten längst weitergeholfen und ich seh es jetzt etwas anders. Wie man sich an meiner Frage so hochziehen kann und den anderen mit Fantasielosigkeit usw. beleidigen muss, ist mir ein Rätsel. Mir wäre es lieber, wenn du ab jetzt weiter an deinen phantasievollen Geschichten schreibst, anstatt immer wieder meinen Beitrag aufzurufen ...
sleepless_lives, ich finde deine Antworten sehr schön ... und ermutigend ... was du über die Autoren sagst, hab ich genauso in literaturwissenschaftlichen Seminaren gelernt ...
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