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Dem Deutschen Volke


 
 
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Leey
Geschlecht:männlichSchneckenpost
L


Beiträge: 6



L
Beitrag27.02.2011 01:17
Dem Deutschen Volke
von Leey
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Dem Deutschen Volke

Einst versammelten sich 17 Persönlichkeiten von höchstem Rang im geschichtsträchtigsten Gebäude Berlins.
Zuvor hatte ihnen eine Mehrheit der rund 81 Millionen Bundesbürger großes Vertrauen und Hoffnungen entgegengebracht und sie dazu bevollmächtigt in ihrem Namen und für Sie die Zukunft eines Landes zu bestimmen. Ziel erreicht.

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.


Einer der 17 Politiker, die obigen Eid schworen, wurde zum beliebtesten Bundespolitiker der Gegenwart. Unantastbar schien er zu sein, souverän schien er über jegliche Kritik erhaben; eine rosige Zukunft schien beschlossene Sache.
Seine Berufung für Höheres – eine Frage der Zeit? Wahrscheinlich.

Doch dann geschah es, dass ein Bremer Jurist, einzuordnen in sozialdemokratische Sphären, sich, rein zufällig, die Mühe machte, die ehrliche Arbeit des Herrn Dr. zu Guttenberg mal auf Herz und Niere zu prüfen. Ganz uneigennützig und aus Spaß an der Freud’ versteht sich.
Eine Kleinigkeit bei 475 Seiten und über 1200 Fußnoten.
Überglücklich stellte jener Jurist fest, dass der Herr zu Guttenberg abgeschrieben hat, ohne entsprechende Stellen kenntlich zu machen. Geradezu außer sich vor Freude muss er gewesen sein, als er seinen Parteifreunden und wenig später auch der Öffentlichkeit erklären durfte, wie besagter Minister fremdes geistiges Eigentum ohne Einverständnis der Verfasser und ohne Kenntlichmachung missbraucht habe.

Freudetaumelnd ließ es sich kein Oppositioneller nehmen, lautstark nach Überprüfung und Rücktritt zu schreien. Endlich konnte man dem Gegner an den Karren pissen!
Die Kriegsmaschinerie wurde angeschmissen. Man hatte den Staatsfeind Nr. 1 endlich auf offenem Feld vor der Flinte.
Benommen vor Freude erkannte der hungrige Medienschwarm, dass dort im Büro des Herrn Ministers das Fenster offen steht und Licht brennt – kann man dem etwas anhängen? Endlich Zeit zum Blut saugen!
Das Blut auf den Straßen Lybiens war nicht mehr gut genug für Seite eins.

In der Gewohnheit des sicheren Erfolges, wiegelte der Betroffene ab:

„Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.[...]“

„Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“ [...]


Doch dieser Medienschwarm ließ sich, einmal Blut geleckt, schwerlich abhängen.
Der Betroffene wehrte sich mit Händen und Füßen und auch seine Kollegen sprangen ihm, so mutig, dass sie einem Bundeswehrsoldaten in nichts nachstanden, zur Seite.
„Eigentlich mag ich ihn ja ni...Befehl ist Befehl. Jawohl, Frau Merkel, ganz meine Meinung!“
Zusammenhalt in der Truppe ist oberstes Gebot.
Der Druck, keinerlei Wählergunst mehr verlieren zu dürfen, einte auch die größten Neider des Betroffenen.

Doch stets neue Vorwürfe brachte das niemals schlafende Medienmonster zu Tage.
Eine schier unglaubliche Übermacht hatte zu Guttenbergs Koalitions-Truppe nun gegen sich und als gewissenhafter Minister, sah zu Guttenberg nun endlich ein, dass auch er fehlbar ist.

"Ich habe (...) mir auch die Zeit nehmen dürfen, (...) mich auch noch einmal mit meiner Doktorarbeit zu beschäftigen. (...) Ich sage das ganz bewusst, weil ich am Wochenende, auch nachdem ich diese Arbeit noch einmal intensiv angesehen habe, feststellen musste, dass ich gravierende Fehler gemacht habe. (...)Die Entscheidung, meinen Doktortitel nicht zu führen, schmerzt (...) Ich kann auch eines sagen: Ich habe diese Arbeit selber geschrieben, weil ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich da geschrieben habe."

Der Kommandant wurde wieder geerdet.

Doch Dr. a.D. Karl-Theodor zu Guttenberg sei, so seine Koalitionsfreunde, weiterhin bestens für das Amt des Verteidigungsministers geeignet.

„Wie bitte – das kann doch nicht ihr Ernst sein“, echote es hundertfach im Bundestag.

„Man muss das trennen – privates und amtliches“, entgegnete die kleine Koalitions-Truppe.
„Man muss das trennen – den Menschen zu Guttenberg und den Minister zu Guttenberg“, insistierte die Koalitions-Truppe, als sich die Opposition damit immer noch nicht zufrieden gab und das Medienmonster weiterhin angriffslustig die Zähne fletschte.

Das Medienmonster – der Diktator der Medienkratie, welche die Demokratie längst inkognito infiltriert und, von niemandem bemerkt, gestürzt hat, scheint nun auch noch in der Lage zu sein Metamorphosen durchzuführen!
Auch als Maulwurf scheint es in der Lage zu sein, nach immer neuen Fakten zu graben.
In den Untiefen der Erde scheinen sich dann ausgerechnet noch längst vergessene Berichte zu finden, die von Dritten innerhalb des Bundestages zur Unterstützung und Entlastung wissenschaftlich tätiger Abgeordneter geschrieben wurden.

„Sauerei!“ skandieren Opposition und Medienmonster mit einer Stimme. Missbrauch von geistigem Gut selbst gegenüber Institutionen des Bundes – was kommt als nächstes?

Zu allem Überfluss scheint die Einheit der Koalitionstruppe angesichts der numerischen Überzahl in diesem Zwei-Fronten-Krieg zu bröckeln – zumindest hinter den Kulissen.
Nach außen hin gilt der alte Grundsatz des bedingungslosen Zusammenhalts.
Fahnenflucht verboten.
Keine Dissertation...oder war’s Desertation?

Und was sagen eigentlich die, die von zu Guttenberg vertreten werden? Die, deren Zukunft in Deutschland unter anderem von diesem Mann mitbestimmt wird.
Nichts sagen die!
Beliebtheitsskalen verkünden weiterhin die kaum gesunkene Beliebtheit des Ministers und auch ein Rücktritt wird nicht gefordert.
„Der zu Guttenberg, der alte Haudegen! Der sagt wenigstens, was er denkt – der muss bleiben!“

Vielleicht hätte ihnen der wissenschaftlich arbeitende Doktor zu Guttenberg attestiert, dass es sich dabei um eine schleichende, und nun langsam chronisch werdende, Gleichgültigkeit handelt, deren Ursache in einer gewohnheitsbedingten Abstumpfung moralischer Prinzipien durch Lug und Trug zu suchen ist.
Lug und Trug gehören schließlich zum guten Ton in eben jenem Gebäude, das man widmete

Dem Deutschen Volke.

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Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4832
Wohnort: Deutschland


Beitrag01.03.2011 21:14

von Hardy-Kern
Antworten mit Zitat

Das ist unzweifelhaft eine gute Arbeit. Ist gut geschrieben, bringt mir aber nicht viel, weil alles bekannt. In einer Prosa sollte etwas mehr Handlung sein, das fehlt hier.

Mir fehlt auch eine Möglichkeit diese politische Satire reinzusetzten.
Die einzige Möglichkeit würde ich "Auf ein Wort" sehen.
Weiß damit eigentlich nicht viel anzufangen.

Sollte die Moderation mal nachdenken.

Hardy
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Probber
Geschlecht:männlichBlütenprinzessin


Beiträge: 6717
Wohnort: zz9 plural z alpha
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Beitrag01.03.2011 22:19

von Probber
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Hardy-Kern hat Folgendes geschrieben:

Sollte die Moderation mal nachdenken.


Das liegt bei Leey. Möchte er eine Debatte über Medien oder Politik führen, wäre eine Verschiebung in "Auf ein Wort" das Richtige, möchte er Textarbeit betreiben, sollte der Text hier bleiben.

Wenn ich ein Zeichen bekomme, verschiebe ich. smile
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Parcival
Erklärbär
P


Beiträge: 4



P
Beitrag01.03.2011 22:25

von Parcival
Antworten mit Zitat

Mir hat der Text auch sehr gut gefallen, auch wenn er spätestens seit dem heutigen Vormittag nicht mehr aktuell ist.
Allerdings sind einige zentrale Aspekte über die Plagiats-Debatte hinaus gut diskutierbar.
Stichwort: Wortbruch, Unehrlichkeit
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MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag05.03.2011 09:56
Re: Dem Deutschen Volke
von MosesBob
Antworten mit Zitat

Guten Morgen!

Das Thema spaltet das Volk in zwei Lager. Auf der einen Seite steht die Bild-Zeitung, auf der anderen Seite die anderen Medien. Nein, ganz so platt und einfach ist es natürlich ist. Dein Text, Leey, ist gut geschrieben. Ganz gleich, wie man zu der Thematik steht: Wer ein bisschen Distanz dazu gewahrt hat und es nicht mit zum Zerreißen gespannter Hutschnur verfolgt, wird sich über den Text amüsieren können.

Hier musste ich übrigens an Christoph Daum denken:

Leey hat Folgendes geschrieben:
In der Gewohnheit des sicheren Erfolges, wiegelte der Betroffene ab:

„Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.[...]“

„Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“ [...]

„... und ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewisse habe.“ [...] Laughing

Einziger subjektiv empfundener Schwachpunkt ist der fett markierte Teil am Schluss:

Leey hat Folgendes geschrieben:
Und was sagen eigentlich die, die von zu Guttenberg vertreten werden? Die, deren Zukunft in Deutschland unter anderem von diesem Mann mitbestimmt wird.
Nichts sagen die!
Beliebtheitsskalen verkünden weiterhin die kaum gesunkene Beliebtheit des Ministers und auch ein Rücktritt wird nicht gefordert.
„Der zu Guttenberg, der alte Haudegen! Der sagt wenigstens, was er denkt – der muss bleiben!“

Vielleicht hätte ihnen der wissenschaftlich arbeitende Doktor zu Guttenberg attestiert, dass es sich dabei um eine schleichende, und nun langsam chronisch werdende, Gleichgültigkeit handelt, deren Ursache in einer gewohnheitsbedingten Abstumpfung moralischer Prinzipien durch Lug und Trug zu suchen ist.

Lug und Trug gehören schließlich zum guten Ton in eben jenem Gebäude, das man widmete

Dem Deutschen Volke.

An der Stelle hätte ich erwartet, dass der Autor nochmal ein kleines Feuerwerk abbrennt oder den Finger nochmal richtig tief in die Wunde steckt (in irgend eine). Statt dessen kommt ein Rohrkrepierer in wörtlicher Rede und ein merkwürdig steifer Satz, der die Vorlage für den sanften, verschmitzt zwinkernden Schlussakkord bereitet, der wiederum die ganze Posse abrundet.

Ordentliche Arbeit.

Beste Grüße,

Martin


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Das Leben geht weiter – das tut es immer.
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Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
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Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
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