Orlog

[versbrecher]

so ein Marschbefehl kann einem
den Tag verleiden
eine Kugel durch den Kopf

- hier gilt es zu unterscheiden -
den Rest des Lebens

töten oder Warten auf den Tod
Zeitverschwendung & Geschrei
Promiskuität die ganz nebenbei

zum Verfall von Sitte & Anstand führt
Gefechtslärm ist in solchen Fällen
die beste Medizin
militärische Dialektik
im Zivilleben Schwachsinn

alles in Listen aufgeführt
wenn die Schießerei verklingt
irgendwann ganz plötzlich

der Knoten im Hals sich lösen kann
nach der ganzen Zeit wird alles
anders sein & seltsam
dann beobachtet man

zwischen Trümmern hausen
fleckige Gesichter
ausgemergelt beim Entlausen

frei von jeder Scham
Blicke starr in die Ferne gerichtet
Erfrischung aus Blutpfützen

wer aus dieser Hölle berichtet
sollte sich nicht vermessen
die gesund nach Hause kommen
zu vergessen

© 2008 versbrecher

[Mardii]

Das alte deutsche Wort „Orlog“ anstatt das gebräuchliche „Krieg“ als Titel gewählt, überhöht die Textaussage noch zusätzlich. Die ist an sich schon sehr eindringlich und ausdrucksstark.

[versbrecher]

Hallo Mardii,

es freut mich sehr zu lesen, daß die Intention des Gedichts zu dir durchdringt; das Chaos, die Auflösung sowie, wie du es beschreibst, das an die Substanz Gehende.

Daß du den Schluß hervorhebst, freut mich besonders, war dieser doch der "Aufhänger" oder, wie Hilde Domin es genannt hat, das Moment der lyrischen Erregung, das ursprünglich zur Ausarbeitung des vorliegenden Gedichts geführt hat.

Ich wünsche dir ein angenehmes Wochenende & bis bald