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Die Tiefen, Prolog


 
 
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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

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Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag23.06.2009 21:33
Die Tiefen, Prolog
von Alogius
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Vorab:
Es handelt sich, wie im Threadtitel zu sehen, um den Prolog eines umfassenden Textes, der momentan länger und länger wird. Jedoch um vorab ein paar Stimmen zu lesen, setze ich hier den Anfang hin.
Möglich, dass die Ausgangssituation klischeehaft erscheint und der ein oder andere vermuten wird, worauf es hinauslaufen wird (weil ich weiß, dass es viele ähnliche Themen und Bücher gibt). Ich glaube aber, einen Ansatz zu haben, besonders im späteren Verlauf, der sehr anders ist...
Danke für Ihre Aufmerksamkeit -bittesehr.
Absätze usw. zwecks Lesbarkeit. Das Ganze ist noch rudimentär.
------------------

Die Tiefen

Prolog

Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, so wie er es nicht gern hatte. Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen wurde, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt. Denn sie lauschte der Musik.

Das alte Grammophon. Als er es vor wenigen Tagen bei ihren Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, verliebte er sich. Auf dem Heimweg waren ihm viele Worte eingefallen, es zu beschreiben. Ganz besonders die Schellackplatte hatte ihn begeistert. Er fand so viele Metaphern, den Apparat und die Platte zu beschreiben, dass sie von seiner Weitsicht überrascht wurde. Seine Begeisterung war die eines Kindes.
Er? Ein Kind?
Damals hatte sie die Gedanken schnell wieder verworfen. Denn all das passte nicht zu ihm. So verschwand ihre Überraschung, und sie war angewidert. Ihren Ekel zu zeigen, das wagte sie nicht.
„Ist doch erstaunlich, dieser Schellack“, murmelte er.
Dass dieses Zeug nur ein Bindemittel war und neben anderen Bestandteilen auch Tierhaare vorhanden waren, verschwieg sie. Kein Wort hatte sie gesprochen.

Vermutlich war er nie Kind. Etwas hatte ihn in diese Welt getragen, weil es ihn nicht haben wollte. Nur so konnte es geschehen sein: Ein verdorbener Mutterkuchen. Wahrscheinlich war er schon ausgewachsen. Hervor gekrochen kam er, noch gebeugt, bis er sich in den Stand begab und den Kopf drehte. Seine grauen Augen sahen sich um, die spitze Nase und die fliehende Stirn, eben noch am Boden, lagen bereits in den bekannten Falten. Und seine Zähne gruben sich schon in die Lippen, welche umsäumt waren von eingefallenen Wangen. Der Bauch faltete sich um die Hüften, und die Beine hingen lose darunter. Mit einem Arm stützte er sich ab, während er einen Gürtel nahm, verknotete und ins Leere schlug. Etwas Staub wirbelte er mit den Schlägen auf –er lächelte zufrieden.

„Hast du gehört?“  
Sie verließ ihre Vorstellung; ein innerer Zwang hatte sie schon vergessen lassen. Das tat sie immer. Es war besser so.
 „Ja.“
„Dann sag doch etwas.“
Ihr Blick wanderte eilig von den Laternen fort, um ihn anzusehen. Er mochte es nicht, wenn sie mit ihm sprach und dabei nicht ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte.
„Du hast dich wirklich verliebt“, sagte sie und lächelte. Dass es ein riesiges falsches Lächeln war, musste er bemerkt haben, aber er reagierte nicht darauf. „Das ist Unsinn. Gefällt mir einfach, das Ding.“ Doch als hätte sie ihm allen Elan genommen, sprach er kein Wort mehr. Er nahm ihre Hand, wie er es immer tat, wenn er in Eile war.
Als sie um die letzte Ecke bogen, drückte er fester zu und blieb stehen. Beinahe wäre sie fort gerissen worden, als sie erst einen Augenblick später zum Stillstand kam.
„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“

Vor einigen Jahren dachte sie wirklich, dass er sie liebte. Nicht nur weil er ihr den Antrag gemacht hatte. Alles was Liebe war, konnte sie fühlen. Zwar war er wirklich keine Schönheit, doch seine Stimme und die Augen lagen im Einklang. Wenn er etwas sagte, dann war es auch die Wahrheit, das konnte sie sehen und fühlen. Er liebte sie. In den ersten Jahren gab es keinen Grund, daran nicht mehr zu glauben.
Es gab auch keinen Anlass, als es anders wurde. Trotzdem war es nicht so, dass es plötzlich geschah, wie sie sich heute eingestand. Etwas in ihm, der faulige Mutterkuchen, nahm Überhand und griff über auf seine Stimme, die Augen, seine ganze Haltung. Schleichend geschah es, bis es zu sehen war, zu spüren.
Als sie abends das Essen zubereitet hatte, kam er in die Küche, schaute sich um. Er betrachtete nicht sie, sondern nur die Umgebung. Da waren Töpfe, eine Pfanne, Teller, etwas Reste. „Was tust du da?“ fragte seine Stimme, anders als sonst, leiser. „Aber du hast gesagt, ich soll heute dein Lieblingsgericht kochen. Ist das nicht richtig?“ fragte sie.
In diesem Moment fühlte sie, dass ihre eigene Stimme sich verändert hatte. Da sprach nicht mehr die laute kraftvolle Frau, die er so schätzte; es sprach eine Frau, die sie selbst nur bedauern konnte. Denn so redeten die Frauen in den Kinos, den Filmen und Büchern. Die Frauen, die sich fürchten.
„Ich habe es gern geregelt. Hier ist gar nichts geregelt. Aber das kann ich ändern.“ Langsam schlich er zum Herd. Ohne auf einen weiteren Grund zu warten, schlug sie ihre Hände vor den Kopf. Seine Faust aber traf ihren Unterleib. Sie atmete schwer. Ein Keuchen noch, bis sie schluchzend zu Boden sackte. „Wir regeln es nun“, sagte er und weinte. Wie kann ER jetzt weinen?
Wochen später war der Vorfall vergessen. Sie hatte schon nach einigen Tagen nicht mehr an die Schmerzen gedacht, obwohl sie jeden Tag die blauen Flecken sah. Anfangs konnte sie nicht mehr gerade gehen, aber er stützte sie. „Alles in Ordnung? Ich liebe dich.“ „Ich weiß.“ Ob er noch daran dachte, wusste sie nicht, und sie fragte ihn nicht.
Wohl aber bemerkte sie in den folgenden Wochen, dass ihre Stimme leiser wurde. Sie sagte kein Wort mehr, wenn er schlug, weil der Tisch nicht gedeckt war oder weil sie etwas vergessen hatte. Eigentlich Kleinigkeiten, die ihn störten.
Aber er hatte Recht. Sie war nicht mehr so ordentlich wie früher, nicht mehr sorgsam und aufmerksam. Es musste ihn wohl sehr beschäftigten, aber er sprach wenig davon. An den Gürtel konnte sie sich aber nicht gewöhnen. Wenn er sie damit peitschte, dann dort, wo die Nachbarn und wenigen Freunde es nicht sehen konnten. Ins Gesicht schlug er nie. Er war verliebt. Warum alles so geschah, fragte sie sich nicht –es gab keine Antworten.

„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“ Er schloss die Tür auf und ließ ihr den Vortritt. Nun saß sie in der Küche, die Hände lagen auf dem Tisch. Die Mäntel hatte er noch um den Arm gelegt, als er den Gürtel von der Wand nahm. Früher lag er mal dort oder hing er mal hier. Nun war sein Platz angestammt.
„Was hast du gedacht?“ fragte er. Ihr Blick war schnell bei ihm, wie er es wollte. „Was meinst du denn? Wann?“ Er lächelte. „Dieser Schellack.“
Ja, das falsche Lächeln war ihm vorhin nicht entgangen. Und ihre langen Gedanken, die Vorstellung seiner Ankunft und der Mutterkuchen waren wieder gegenwärtig. Kann er das hören? Sie wusste, dass sie nun schnell etwas sagen sollte. Er liebte sie, und eine Antwort verdiente er. „Ein Bindemittel. Tierhaare und Kohlenstaub.“
 Für einen kurzen Augenblick musste sie wirklich lächeln. Diese Antwort war alles andere als klug. Aber ihr fiel nichts anderes ein, was sie nun hätte sagen können. „Ist das so? Das werde ich regeln.“ Er regelte es. Das Brennen in den Händen und der Hieb gegen die Schulter hinterließen ihre Spuren. Als er ihren unteren Rücken traf, schrie sie auf.
„Ich weiß das. Und erzähl mir nicht, ich hätte mich in das Ding verliebt. Es gefällt mir einfach. Hörst du?“ „Ja, ich weiß. Du hast dich in mich verliebt.“ „Ja“, antwortete er mit einem Lächeln, „ich habe mich in dich verliebt.“

Heute, ein paar Tage später, schmerzte es nicht mehr. Sie war gut darin, Schmerzen auszuhalten und abzuschalten. Wenn der Gürtel sie traf oder wenn er mit den schweren Stiefeln gegen ihre Schenkel trat, dann spürte sie nach einigen Sekunden nicht mehr den Schmerz, sondern die Weite und die Leere.
Sie fiel in einen tiefen Schlund, ganz langsam. Die Arme erhoben, in einem weißen Kleid. Kein Leid gab es in der Tiefe, nur sie und der Wind waren dort. Und kein Stiefeltritt, kein Hieb konnte sie zurück holen. Es waren ihre ureigenen Elemente, die sie allein dort beherrschte. Die Gedanken an die Liebe waren nicht gegenwärtig dort. Einsam mit den Lüften und zufrieden flog sie dahin. Die Schmerzen kehrten erst dann zurück, wenn seine Stimme sie aufweckte: „Ich habe mich in dich verliebt.“
Es war ein schöner Tag. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht, und sie wagte sich auch, ein Hemd zu tragen. Die Striemen waren nur noch zu sehen, wenn man danach suchte. Sie verließ die Wohnung, lief um die Ecke, dann die Straße runter, und sie würde ihm heute eine Freude machen. Es wäre kein Friedensangebot, denn im Krieg lagen sie ja nicht. Sie machte es ihm schwer, zu lieben, und heute würde sie ihn glücklich machen können. Dann wäre sie auch glücklich.
„Er hat sich verliebt in das Ding“, sagte sie und lachte. Ihre Kunst der Verstellung war überzeugend genug, dass ihre Großeltern das Grammophon einpackten. „Er wird sich so freuen.“ Fröhlich und glücklich winkte sie ihren Großeltern zum Abschied.

Am Abend kam er heim. Der Tisch war gedeckt, die Wohnung in Ordnung gebracht. Als er das Grammophon sah, lächelte er. Schon von draußen hörte er die Musik. „Du hast es bekommen? Das hättest du doch nicht tun müssen“, sagte er. Seine Stimme war freundlich, sein Lächeln ehrlich.
„Dir hat es so gefallen. Also habe ich sie gefragt. Als ich ihnen das gesagt habe, waren sie sofort einverstanden.“ Er lief zum Grammophon, berührte vorsichtig den Tonarm, den Trichter. Seine Augen leuchteten. „Danke. Wirklich. Danke“, sagte er dann. Sie war zufrieden, wenn er es war. „Schön, wenn es dich freut“, sagte auch sie ganz ehrlich. Und sie spürte, dass nicht nur seine, sondern auch ihre eigene Stimme zurück war. Er nickte zur Bestätigung, betrachtete das Geschenk und war stolz wie ein Kind.
Er? Ein Kind? Sie konnte nicht anders, und vermutlich war alles davor auch nur Verstellung. Erneut dachte sie an seine kranke Geburt, daran wie ein erwachsener Mann sich den Weg auf die Welt bahnte, einen Gürtel in der Hand und den suchenden Blick auf sie gerichtet, in die Ferne, wo er sie schon sehen konnte.
„Ich habe mich in dich verliebt“, sagte er. Aber seine Worte waren weit weg. „Hörst du?“ Seine Stimme holte sie zurück. „Was hast du gedacht?“ fragte er. Sie antwortete nicht. Stattdessen ging sie in eine Beuge und senkte ihren Blick ebenso wie ihren Körper. Ganz nah trat er an sie heran und flüsterte.
„Du hast etwas gedacht, und du sollst mich ansehen. Ich kann nicht mit dir sprechen, wenn du das nicht tust.“ Langsam nur sah sie auf zu ihm. Nein, das kann er nicht hören!
Im gleichen Moment griff er ihre Hand und drückte fest zu. Nun drehte er sich weiter herum und ließ ganz vom Grammophon ab. „Ich schenke dir nun meine ganze Aufmerksamkeit“, flüsterte er. Sie nickte, aber sagte kein Wort. „Was hast du gedacht? Wo bist du immer, wenn ich mit dir rede?“ fragte er nun etwas lauter.
Da, wo wir waren. Wo es anders war.
Er ließ ihre Hand los, als sie nicht antwortete und machte einen Schritt zur Seite, um den Gürtel zu holen. Als er stolperte und mit dem Kopf gegen den Tisch schlug, sah sie erst seine Stiefel, die sie noch nicht zur Seite gestellt hatte.  
Sie nahm das Messer und lehnte mit der anderen Hand am Tisch. Ihre Finger klopften leise zur Musik. Den Aufprall hatte sie kaum gehört. Lange stand sie da und beobachtete, wie er sich langsam wieder erhob. Beide Arme zogen an der Tischplatte, bis er in den Stand kam. Das Messer in ihrer Hand bewegte sich nun im Takt.
„Ich habe mich in dich verliebt“, sagte sie. „Hörst du?“

---

So. Alles weitere irgendwann mal.

Danke,
T.



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Murmel
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Beitrag23.06.2009 22:09

von Murmel
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Wie auch immer. Es gibt gewisse Anhaltspunkte, in welchen Verhältnis Rezensionen zu eingestellten Texten sein sollte und wieviel Text man pro Woche auf die bereitwilligen Leser aufdrücken kann .

Man muss das sicher nicht so genau nehmen, aber ein bisserl mehr könntest du dich schon anstrengen.

Den Angriff auf Hardy kann kaum als Rezension gelten.


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag23.06.2009 22:11

von Alogius
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Öhm...

Ok. Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, die Länge einiger Rezensionen zu messen.

Ende.


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Valeska
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Beitrag23.06.2009 22:18

von Valeska
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Huhu!

Meine Rezension hier fällt leider auch erstmal etwas kürzer aus, denn: ich hab's nur bis exakt da geschafft:

Zitat:
Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, so wie er es nicht gern hatte. Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen wurde, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt. Denn sie lauschte der Musik.

Das alte Grammophon. Als er es vor wenigen Tagen bei ihren Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, verliebte er sich.

Nenn mich kleinlich, aber du wirbelst "ihn" und "sie" völlig durcheinander, obendrein stimmen die Zeiten nicht ... Ich als Leser bin gar nicht reingekommen in den Text! Ich werd's später nochmal versuchen, aber ich dachte, ich sag's dir schonmal, dann kannst du schon mal die Feile ansetzen ...

Gruß
Vale


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Hoody
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Beitrag23.06.2009 22:23

von Hoody
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18.6.09 hast du dich angemeldet.
Und 7 Texte schon verfasst.

6 Kommentare

1 Kommentar zum Text  Jonathan Fabrizius - das erste Kapitel
der sehr ausführlich war.

Nachwuchs Stalker Hubi.

Nein mal ernsthaft, beschäftige dich bisschen mehr mit anderen Texten. Du kannst ja auch alte Texte rauskramen. Und du brauchst keine ANgst zu haben das deine Kommentare nicht hilfreich wären.

Werde mir mal am Wochenende deine Texte durchlesen.

lg Hubi


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Murmel
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Beitrag23.06.2009 22:26

von Murmel
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Alogius hat Folgendes geschrieben:
Öhm...

Ok. Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, die Länge einiger Rezensionen zu messen.

Ende.


Anzahl.


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SylviaB
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Beitrag23.06.2009 22:26

von SylviaB
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Nein, ich widerspreche Valeska. Er hat da gar nichts zusammen oder durcheinander geworfen. Er meinte "Sie". Sie hat das Geräusch nur noch entfernt wahrgenommen, weil sie schon ganz weit weg in ihren Gedanken war. Vielleicht (hier kommt die Vermutung wie es weitergehen könnte, oder vielmehr der Wunsch *hust*) denkt sie daran, wie das Messer sie von ihrem Leben und damit von ihm befreit? Vielleicht denkt sie daran, wie das Blut über ihn laufen würde und er - der schlechte Mutterkuchen - von ihrer Hand ermordet auf der Erde liegt.
Vielleicht ist sie aber auch nur wieder in ihrem weißen Traum, der sie umfängt und geborgen hält bis sie ihn hört: Ich habe mich in dich verliebt.


*grusel*

Klasse ... ich finde es richtig gut. Ok, die Gefühle kommen nicht ganz so durch wie es sein könnte. Aber ich denke, das wird schon noch.

Lieben Gruß
Sylvia


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag23.06.2009 22:37

von Alogius
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Zitat:
Nenn mich kleinlich, aber du wirbelst "ihn" und "sie" völlig durcheinander, obendrein stimmen die Zeiten nicht ... Ich als Leser bin gar nicht reingekommen in den Text! Ich werd's später nochmal versuchen, aber ich dachte, ich sag's dir schonmal, dann kannst du schon mal die Feile ansetzen ...


Die Zeiten stimmen. Und durcheinander geworfen sind 'ihn' und 'sie' auch nicht, wie SylviaB schon angemerkt hat.

Zitat:
Anzahl.


Zitat:
Nein mal ernsthaft, beschäftige dich bisschen mehr mit anderen Texten. Du kannst ja auch alte Texte rauskramen. Und du brauchst keine ANgst zu haben das deine Kommentare nicht hilfreich wären.


Bin dabei, bin dabei. Ich lese mich durch alte wie neue Texte. So wie Ihr die Zeit braucht, brauche ich sie auch...
In den Regeln steht, dass es bei längeren Texten dauert, bis da was kommt. Ich bin doch, auch hier, von nichts anderem ausgegangen!

Aber..ach, nee, egal...


 Question


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Valeska
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Beitrag23.06.2009 22:46

von Valeska
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Zitat:
Nein, ich widerspreche Valeska. Er hat da gar nichts zusammen oder durcheinander geworfen. Er meinte "Sie".

Okay, schlecht ausgedrückt ... und ich hab jetzt auch mal ein paar Sätze weitergelesen, wenn man's von hinten aufrollt, stimmt es wohl, es ist offenbar nur missverständlich ...


Zitat:
Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, so wie er es nicht gern hatte. Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen wurde, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt. Denn sie lauschte der Musik.

Das alte Grammophon. Als er es vor wenigen Tagen bei ihren Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, verliebte er sich.

Offenbar ist "sie" die Perspektivperson, richtig? Hab ich am Anfang nicht geschnallt. Weil - "sie" blickt die ganze Zeit hier in "seinen Kopf" - er hat dies und das gern, er verliebt sich ...

Wenn ich jetzt weiterlese, sind das vielleicht Gedanken von "ihr" über "ihn"
- aber mich hat das echt rausgeworfen, ich wusste am Anfang überhaupt nicht, woran ich bin, weil die Perspektive uneindeutig war/sprang!

Zitat:
Auf dem Heimweg waren ihm viele Worte eingefallen, es zu beschreiben. Ganz besonders die Schellackplatte hatte ihn begeistert.

Auch hier wieder: "er" ist begeistert. Im nächsten Satz ist bei mir dann der Groschen gefallen:

Zitat:
Er fand so viele Metaphern, den Apparat und die Platte zu beschreiben, dass sie von seiner Weitsicht überrascht wurde.

"Er" hat mir ihr offensichtlich darüber geredet, daher weiß "sie" von "seiner" Begeisterung etc. ... Puh, hätte ich von Anfang an gewusst, dass "sie" die eindeutige Perspektive innehat, wär das vielleicht kein Problem gewesen, aber so, gleich am Anfang ... Blink Mich hat's echt total rausgeworfen (natürlich in Kombination mit dem Zeitenchaos).

Verständlich, was ich sagen will? grr


Nachtrag, weil ich gerade lese:
Alogius hat Folgendes geschrieben:
Die Zeiten stimmen.


Richtig wär's so, es sei denn deine Geschichte ist anders, als dein Text mir weismachen will:

Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, so wie er es nicht gern hatte. Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen wurde worden war, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt gewesen. Denn sie lauschte hatte der Musik gelauscht.

Dann beginnt ein Rückblick, ich korrigier jetzt mal nicht weiter ...


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SylviaB
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Beitrag23.06.2009 22:51

von SylviaB
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hatte gelauscht *grübel* ne, sie lauscht ja noch. Sie ist ja noch mitten drin. Oder verstehe ich hier was falsch?*grübel*

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Valeska
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Beitrag23.06.2009 22:53

von Valeska
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SylviaB hat Folgendes geschrieben:
hatte gelauscht *grübel* ne, sie lauscht ja noch. Sie ist ja noch mitten drin. Oder verstehe ich hier was falsch?*grübel*

Tut sie? Ich weiß es nicht. (Bin immer noch nicht durch ...) Jedenfalls sehr kompliziert aufgebaut, das ganze, doppelter Rückblick gleich am Anfang?


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SylviaB
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Beitrag23.06.2009 22:57

von SylviaB
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Hm ... ich fand es überhaupt nicht kompliziert. Im Gegenteil. Was mir ein bissi fehlt ist die Angst der Frau. Vielleicht ist sie ja wirklich schon soweit abgestumpft aber trotzdem müsste Angst weit im Vordergrund stehen, wenn sie schon die Arme zur Abwehr hochnimmt bevor er zuschlägt.

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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag23.06.2009 23:01

von Alogius
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Wie gesagt. Noch rudimentär, die ganze Angelegenheit. Die Zeiten werde ich die Tage nochmal überschauen.

Perspektive:
Hm. Dachte, die wäre wirklich klar. Seltsam...

Sprünge etc.:
Ja, gleich zu Anfang. Unumgänglich für das, was noch kommen wird. Irgendwann. Das wird, tröstet Euch, dauern. wink

Die fehlende Angst hat eine Ursache -die ist hier noch nicht beschrieben.

EDIT:
Okay, mir ist eben aufgefallen, dass ich die verschiedenen Zeitebenen deutlicher trennen muss. Richtig.


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Valeska
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Beitrag23.06.2009 23:12

von Valeska
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Alogius hat Folgendes geschrieben:
Wie gesagt. Noch rudimentär, die ganze Angelegenheit. Die Zeiten werde ich die Tage nochmal überschauen.

mehr wollt ich gar nicht ... wink (Sorry, falls das vorhin unfreundlich rüberkam, aber ich bin nebenberufliche PQP-Fanatikerin wink)

Zitat:
Perspektive:
Hm. Dachte, die wäre wirklich klar. Seltsam...

Für dich als Autor natürlich - aber ich fing unbedarft an zu lesen und wusste nicht, woran ich war. Solltest du aber leicht lösen können, indem du klar machst, dass eben sie es ist, die denkt und um seine Vorlieben weiß, etc.

Z.B.:
Der Tisch stand schräg im Zimmer, sie wusste, er hatte es so nicht gern.

In dem Stil halt (nur ein bisschen eleganter noch), nur während der ersten ein/zwei Absätze, dann wäre klar, in welchem Kopf ich mich befinde - Perspektivproblem gelöst!


Zitat:
Sprünge etc.:
Ja, gleich zu Anfang. Unumgänglich für das, was noch kommen wird. Irgendwann. Das wird, tröstet Euch, dauern. wink

Hm, du brauchst wirklich drei ineinander verschachtelte Rückblicke? Im Prolog? Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. (Soll ausdrücklich nicht heißen, dass es schlecht ist, du hast es sogar ganz geschickt gemacht (nur die Zeiten brauchen nochmal ne Überarbeitung), nur wirkt das immer leicht so wie "Ich fange mal hier an zu schreiben und - oh - das ist vorher passiert, ist auch noch wichtig - und wie sie sich kennengelernt haben - auch noch davor und auch wichtig" ... etc.)

Hoffe, ich hab morgen nochmal Zeit, mir das durchzulesen, dann gibt's nen sinnvolleren Kommentar als den hier


*durchgeknallt gugg*


LG
Valeska


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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag23.06.2009 23:18

von Alogius
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Ich wollte Dich, Valeska, jetzt nicht zerknallen oder so...  Laughing

Zu den Zeiten:
Ja. Die Sache ist ohnehin noch unausgereift, unfertig.

Perspektive:
Jup, wird gemacht.

Rückblicke:
Diese Verschachtelung entstand nicht spontan.
Die (noch namenlose) Frau hat tatsächlich eine andere Art, sich zu erinnern. In diesen Tiefen (Titel) spielt sich einiges ab und wird sich noch einiges abspielen.
Ich kann aber versichern, dass es im Kommenden nicht so häufig geschehen wird, sondern eher längere Teile in einer Ebene liegen werden.
Der Prolog aber...klingt eitel... es musste so sein.

Thx Dir, Euch:
Tom


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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag24.06.2009 00:15

von Alogius
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Eine erste korrigierte Version. (Zeit angepasst, wo es fehlte. Perspektive am Anfang klarer gemacht. Gedankeneinschübe überarbeitet.)
-----------

Die Tiefen

Prolog

Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, sie wusste, er hatte es nicht so gern.  Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen worden war, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt gewesen. Denn sie hatte der Musik gelauscht.

Das alte Grammophon. Als er es vor wenigen Tagen bei ihren Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, da hatte er sich verliebt. Auf dem Heimweg waren ihm viele Worte eingefallen, es zu beschreiben. Ganz besonders die Schellackplatte hatte ihn begeistert. Er hatte so viele Metaphern gefunden, ihr den Apparat und die Platte zu beschreiben, dass sie von seiner Weitsicht überrascht worden war. Sie war auch dort gewesen, trotzdem konnte er nicht mit Worten sparen. Die Begeisterung eines Kindes.
Er? Ein Kind?
Damals hatte sie die Gedanken schnell wieder verworfen. Denn all das passte nicht zu ihm. So war ihre Überraschung verschwunden, und sie war angewidert. Ihren Ekel zu zeigen, das hatte sie nicht gewagt.
„Ist doch erstaunlich, dieser Schellack.“ Seine Stimme.
Dass dieses Zeug nur ein Bindemittel war und neben anderen Bestandteilen auch Tierhaare vorhanden waren, hatte sie verschwiegen. Kein Wort hatte sie gesprochen.

Vermutlich war er nie Kind. Etwas hat ihn in diese Welt getragen, weil es ihn nicht haben will. Nur so kann es geschehen sein: Ein verdorbener Mutterkuchen. Wahrscheinlich war er schon ausgewachsen. Hervor gekrochen ist er, noch gebeugt, bis er sich in den Stand begeben hat und den Kopf gedreht hat. Seine grauen Augen haben sich umgesehen, die spitze Nase und die fliehende Stirn, eben noch am Boden. Seine Zähne liegen schon in den Lippen, welche umsäumt sind von eingefallenen Wangen. Der Bauch faltet sich um die Hüften, und die Beine hängen lose darunter. Mit einem Arm stützt er sich ab, während er die Peitsche nimmt, verknotet und ins Leere schlägt. Etwas Staub wirbelt er mit den Schlägen auf –er lächelt zufrieden.

„Hast du gehört?“
Sie hatte ihre Vorstellung verlassen; ein innerer Zwang hatte sie schon vergessen lassen. Das hatte sie schon immer getan.
„Ja.“
„Dann sag doch etwas.“
Ihr Blick war eilig von den Laternen fort gewandert, um ihn anzusehen. Er mag es nicht, wenn ich ihn nicht ansehe. „Du hast dich wirklich verliebt“, hatte sie dann lächelnd gesagt –ein riesiges falsches Lächeln, aber er hatte nicht darauf reagiert. „Das ist Unsinn. Gefällt mir einfach, das Ding.“ Doch als hätte sie ihm allen Elan genommen, hatte er kein Wort mehr gesprochen. Er hatte ihre Hand genommen, wie er es immer tat, wenn er in Eile war.
Als sie um die letzte Ecke gegangen waren, hatte sie den festen Druck seiner Hand erst gespürt. Beinahe wäre sie fort gerissen worden, als sie erst einen Augenblick später langsamer geworden war.
„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“

Vor einigen Jahren hatte sie wirklich gedacht, dass er sie liebte. Nicht nur weil er ihr den Antrag gemacht hatte.  Zwar war er wirklich keine Schönheit gewesen, doch seine Stimme und die Augen  im Einklang. Wenn er etwas gesagt hatte, dann war es auch die Wahrheit. Er hatte sie geliebt. In den ersten Jahren hatte es keinen Grund gegeben, daran nicht mehr zu glauben.
Es hatte auch keinen Anlass gegeben, als es anders geworden war. Trotzdem war es nicht so gewesen, dass es plötzlich geschah, wie sie sich heute eingestand. Etwas in ihm, der faulige Mutterkuchen, hatte Überhand genommen und hatte seine Stimme, die Augen, seine ganze Haltung ermordet. Schleichend  war es geschehen, bis es zu sehen war, zu spüren.
Als sie abends das Essen zubereitet hatte, war er in die Küche gekommen. Er hatte nicht sie betrachtet, sondern nur die Umgebung: Töpfe, eine Pfanne, Teller, etwas Reste. „Was tust du da?“ hatte seine Stimme gefragt, anders als sonst, leiser. „Aber du hast gesagt, ich soll heute dein Lieblingsgericht kochen. Ist das nicht richtig?“
In diesem Moment hatte sie erkannt, dass ihre eigene Stimme sich verändert hatte. Da sprach nicht mehr die laute kraftvolle Frau, die er so schätzte; es hatte eine Frau gesprochen, die sie selbst nur hätte bedauern können. So reden die Frauen in den Filmen und Büchern;  die Frauen, die sich fürchten.
„Ich habe es gern geregelt. Hier ist gar nichts geregelt. Aber das kann ich ändern.“ Langsam war er zum Herd geschlichen. Ohne auf einen weiteren Grund zu warten, hatte sie ihre Hände vor den Kopf geschlagen. Seine Faust aber hatte dann ihren Unterleib getroffen. Ein Keuchen noch, bis sie schluchzend zu Boden gesackt war. „Wir regeln es nun“, hatte er gesagt und geweint. Wie kann ER jetzt weinen?
Wochen später war der Vorfall vergessen. Sie hatte schon nach einigen Tagen nicht mehr an die Schmerzen gedacht, obwohl sie jeden Tag die blauen Flecken gesehen hatte. Anfangs war es ihr kaum möglich, aufrecht zu gehen, aber er hatte sie abgestützt.  „Alles in Ordnung? Ich liebe dich.“ „Ich weiß.“ Ob er sich noch daran erinnert hatte, darüber hatte sie nicht nachgedacht.
Wohl aber hatte sie in den folgenden Wochen bemerkt, dass ihre Stimme leiser geworden war. Sie hatte kein Wort mehr gesagt, wenn er geprügelt hatte, weil der Tisch nicht gedeckt worden war oder weil sie etwas vergessen hatte. Eigentlich Kleinigkeiten. Aber er hat Recht.
Sie war nicht mehr so ordentlich wie früher gewesen, nicht mehr sorgsam und aufmerksam. Es hatte ihn wohl sehr beschäftigt. An den Gürtel hatte sie sich aber nicht gewöhnen können. Wenn er sie damit gepeitscht hatte, dann dort, wo die Nachbarn und wenigen Freunde es nicht sehen konnten. Ins Gesicht hatte er nie geschlagen. Er ist verliebt. Warum alles so geschehen war, hatte sie sich nicht gefragt.  

„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“ Er hatte die Tür aufgeschlossen und ihr den Vortritt gelassen. Die Mäntel hatte er noch um den Arm gelegt, den Gürtel von der Wand schon in die Hand genommen. Früher hatte er mal hier, mal dort gelegen. Nun ein angestammter Platz.
„Was hast du gedacht?“. Ihr Blick war schnell bei ihm gewesen. „Was meinst du denn? Wann?“ Er hatte gelächelt. „Dieser Schellack.“
Ja, das falsche Lächeln war ihm vorhin nicht entgangen. Und ihre langen Gedanken, die Vorstellung seiner Ankunft und der Mutterkuchen waren wieder gegenwärtig geworden. Kann er das hören? Sie hatte gemerkt, dass nun schnell etwas zu sagen wäre. Er liebt mich, und eine Antwort verdient er.
„Ein Bindemittel. Tierhaare und Kohlenstaub.“
Diese Antwort war alles andere als klug gewesen. Aber ihr war nichts anderes eingefallen, was sie nun hätte sagen können. „Ist das so? Das werde ich regeln.“  Das Brennen in den Händen und der Hieb gegen die Schulter hatten schnell ihre Spuren hinterlassen. Als er ihren unteren Rücken getroffen hatte, da hätte sie geschrien, aber ihr Atem hatte sich verkrochen.
„Ich weiß das. Und erzähl mir nicht, ich hätte mich in das Ding verliebt. Es gefällt mir einfach. Hörst du?“ „Ja, ich weiß. Du hast dich in mich verliebt.“ „Ja“, hatte er geantwortet,  „ich habe mich in dich verliebt.“

Heute, ein paar Tage später, schmerzte es nicht mehr. Sie war gut darin, Schmerzen auszuhalten und abzuschalten. Wenn der Gürtel sie traf oder wenn er mit den schweren Stiefeln gegen ihre Schenkel trat, dann spürte sie nach einigen Sekunden nicht mehr den Schmerz, sondern die Weite und die Leere.
Sie fiel dann in einen tiefen Schlund, ganz langsam. Die Arme erhoben, in einem weißen Kleid. Kein Leid gab es in der Tiefe, nur sie und der Wind waren dort. Und kein Stiefeltritt, kein Hieb konnte sie zurück holen. Es waren ihre ureigenen Elemente, die sie allein dort beherrschte. Die Gedanken an die Liebe waren nicht gegenwärtig dort. Einsam mit den Lüften und zufrieden flog sie dahin. Die Schmerzen kehrten erst dann zurück, wenn seine Stimme sie aufweckte: „Ich habe mich in dich verliebt.“
Es war ein schöner Tag. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht, und sie wagte es auch, ein Hemd zu tragen. Die Striemen waren nur noch zu sehen, wenn man danach suchte. Sie verließ die Wohnung, lief um die Ecke, dann die Straße runter, und sie würde ihm heute eine Freude machen. Es wäre kein Friedensangebot, denn im Krieg lagen sie ja nicht. Sie machte es ihm schwer, zu lieben, und heute würde sie ihn glücklich machen können. Dann wäre sie auch glücklich.
„Er hat sich verliebt in das Ding“, sagte sie und lachte. Ihre Kunst der Verstellung war überzeugend genug, dass ihre Großeltern das Grammophon einpackten. „Er wird sich so freuen.“ Fröhlich und glücklich winkte sie ihren Großeltern zum Abschied.

Am Abend kam er heim. Der Tisch war gedeckt, die Wohnung in Ordnung gebracht. Als er das Grammophon sah, lächelte er  -schon von draußen hatte er wohl die Musik gehört. „Du hast es bekommen? Das hättest du doch nicht tun müssen“, sagte er. Seine Stimme war freundlich, sein Lächeln ehrlich.
„Dir hat es so gefallen. Also habe ich sie gefragt. Als ich ihnen das gesagt habe, waren sie sofort einverstanden.“ Er lief zum Grammophon, berührte vorsichtig den Tonarm, den Trichter. Seine Augen leuchteten. „Danke. Wirklich. Danke“, sagte er dann. Sie war zufrieden, wenn er es war. „Schön, wenn es dich freut“, sagte auch sie ganz ehrlich. Und sie spürte, dass nicht nur seine, sondern auch ihre eigene Stimme zurück war. Er nickte zur Bestätigung, betrachtete das Geschenk und war stolz wie ein Kind.
Er? Ein Kind? Sie konnte nicht anders, und vermutlich war alles davor auch nur Verstellung. Erneut dachte sie an seine kranke Geburt, daran wie ein erwachsener Mann sich den Weg auf die Welt gebahnt hatte, eine Peitsche in der Hand und den suchenden Blick auf sie gerichtet, in die Ferne, wo er sie schon sehen konnte.
„Ich habe mich in dich verliebt“, sagte er. Aber seine Worte waren weit weg. „Hörst du?“ Seine Stimme holte sie zurück. „Was hast du gedacht?“ fragte er. Sie antwortete nicht. Stattdessen ging sie in eine Beuge und senkte ihren Blick ebenso wie ihren Körper. Ganz nah trat er an sie heran und flüsterte.
„Du hast etwas gedacht, und du sollst mich ansehen. Ich kann nicht mit dir sprechen, wenn du das nicht tust.“ Langsam nur sah sie auf zu ihm. Nein, das kann er nicht hören! Er kann nicht, was ich kann.
Im gleichen Moment griff er ihre Hand und drückte fest zu. Nun drehte er sich weiter herum und ließ ganz vom Grammophon ab. „Ich schenke dir nun meine ganze Aufmerksamkeit“, flüsterte er. Sie nickte, aber sagte kein Wort. „Was hast du gedacht? Wo bist du immer, wenn ich mit dir rede?“ fragte er nun etwas lauter.
Da, wo wir waren. Wo es anders war.
Er ließ ihre Hand los, als sie nicht antwortete und machte einen Schritt zur Seite, um den Gürtel zu holen. Als er stolperte und mit dem Kopf gegen den Tisch schlug, sah sie erst seine Stiefel, die sie noch nicht zur Seite gestellt hatte.
Sie nahm das Messer und lehnte mit der anderen Hand am Tisch. Ihre Finger klopften leise zur Musik. Den Aufprall hatte sie kaum gehört. Lange stand sie da und beobachtete, wie er sich langsam wieder erhob. Beide Arme zogen an der Tischplatte, bis er in den Stand kam. Das Messer in ihrer Hand bewegte sich nun im Takt.
„Ich habe mich in dich verliebt“, sagte sie. „Hörst du?“


_________________
Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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Gast







Beitrag24.06.2009 10:11

von Gast
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Hallo Alogius,

dein Stück scheint ein Beziehungsdrama zu werden. Der Prolog, ich nehme an, du weißt es, soll den Leser unmittelbar in die Geschichte ziehen, um es mal platt zu formulieren. Er greift der späteren Handlung vorweg. Je nach Fortgang scheint das auch gelungen. Allerdings hast du dem Prolog im Prolog vorweg gegriffen in dem du mit dem „Messer“ beginnst und endest. Das war taktisch nicht so gut, weil die Steigerung zum Ende völlig ausreicht. Der Prolog im ganzen ist ja der Köder, und braucht keinen zusätzlichen.

Zur Textarbeit die Bemerkungen jeweils unter den Abschnitten

Zitat:
Sie hielt das Messer immer noch in der linken Hand. Mit den Fingern der anderen klopfte sie auf das Holz. Der Tisch stand schräg im Zimmer, sie wusste, er hatte es nicht so gern. Als er vorhin mit dem Kopf gegen eine der Kanten geworfen worden war, war das dumpfe Geräusch für sie weit entfernt gewesen. Denn sie hatte der Musik gelauscht.


Hier wäre weniger mehr. „linke“ und „rechte“ sind unnötig präzise und könnten im Lektorat als Unsicherheit verstanden werden. In der einen und anderen Hand wäre passender. Valeska hatte übrigens Recht, was die Zeiten angeht. Ich wusste den Text zeitlich nicht sicher einzuordnen, weil sich in ihm das Perfekt und Plusquamperfekt findet.

Siehe: „Sie heilt“ = Perfekt / war (…) gewesen = Plusquamperfekt.

Allerdings ist der obere Absatz aus o.g. Gründen ohnehin überflüssig und könnte ersatzlos gestrichen werden.

Zitat:
Das alte Grammophon. Als er es vor wenigen Tagen bei ihren Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, da hatte er sich verliebt. Auf dem Heimweg waren ihm viele Worte eingefallen, es zu beschreiben. Ganz besonders die Schellackplatte hatte ihn begeistert. Er hatte so viele Metaphern gefunden, ihr den Apparat und die Platte zu beschreiben, dass sie von seiner Weitsicht überrascht worden war. Sie war auch dort gewesen, trotzdem konnte er nicht mit Worten sparen. Die Begeisterung eines Kindes.
Er? Ein Kind?


Im oberen Rückblick vermisse ich ein bisschen die Geschmeidigkeit. Die Sätze wirken eckig und kantig, es fehlt die geschmeidige Verbindung. Ist letztendlich aber Geschmacksfrage.


Zitat:
Damals hatte sie die Gedanken schnell wieder verworfen. Denn all das passte nicht zu ihm. So war ihre Überraschung verschwunden, und sie war angewidert. Ihren Ekel zu zeigen, das hatte sie nicht gewagt.
„Ist doch erstaunlich, dieser Schellack.“ Seine Stimme.
Dass dieses Zeug nur ein Bindemittel war und neben anderen Bestandteilen auch Tierhaare vorhanden waren, hatte sie verschwiegen. Kein Wort hatte sie gesprochen.


Der Satz: All das passte nicht zu ihm“ birgt zwei Probleme. Erstens, die Zeit. Der Satz gehört ins Plusquamperfekt. Das „all das“ birgt Ansätze zur Verwirrung und könnte präzisiert werden. Ich hätte auf: „ Wortgewalt, Sprachgewandtheit, Poesie order einen artverwandten Begriff zurück gegriffen -, wenn sich „all das“ auf seine Schwärmerei bezieht.


Zitat:
Vermutlich war er nie Kind. Etwas hat ihn in diese Welt getragen, weil es ihn nicht haben will. Nur so kann es geschehen sein: Ein verdorbener Mutterkuchen. Wahrscheinlich war er schon ausgewachsen. Hervor gekrochen ist er, noch gebeugt, bis er sich in den Stand begeben hat und den Kopf gedreht hat. Seine grauen Augen haben sich umgesehen, die spitze Nase und die fliehende Stirn, eben noch am Boden. Seine Zähne liegen schon in den Lippen, welche umsäumt sind von eingefallenen Wangen. Der Bauch faltet sich um die Hüften, und die Beine hängen lose darunter. Mit einem Arm stützt er sich ab, während er die Peitsche nimmt, verknotet und ins Leere schlägt. Etwas Staub wirbelt er mit den Schlägen auf –er lächelt zufrieden.


Dieser Absatz ist komplett unglücklich. Wer denkt das? Es scheint wie ein Rückblick, der mit Beschreibung geschwängert wurde?! Rückblicke gehören ins PQP. Hier wurde mit Perfekt und Präsens gearbeitet. Das Zeitenwirrwarr sollte aufgelöst werden. Überlange Beschreibungen sollte zu Anfangs generell vermieden werden, ganz besonders im Prolog. Was aber unbedingt geliefert werden sollte, sind die Namen der Protagonisten. Dazu später mehr.

Zitat:
„Hast du gehört?“
Sie hatte ihre Vorstellung verlassen; ein innerer Zwang hatte sie schon vergessen lassen. Das hatte sie schon immer getan.
„Ja.“
„Dann sag doch etwas.“
Ihr Blick war eilig von den Laternen fort gewandert, um ihn anzusehen. Er mag es nicht, wenn ich ihn nicht ansehe. „Du hast dich wirklich verliebt“, hatte sie dann lächelnd gesagt –ein riesiges falsches Lächeln, aber er hatte nicht darauf reagiert. „Das ist Unsinn. Gefällt mir einfach, das Ding.“ Doch als hätte sie ihm allen Elan genommen, hatte er kein Wort mehr gesprochen. Er hatte ihre Hand genommen, wie er es immer tat, wenn er in Eile war.
Als sie um die letzte Ecke gegangen waren, hatte sie den festen Druck seiner Hand erst gespürt. Beinahe wäre sie fort gerissen worden, als sie erst einen Augenblick später langsamer geworden war.
„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“


„Dann sag doch etwas“, stelzt. Wer spricht so? Gleiches gilt für den Satz: „Ihr Blick war eilig von den Laternen fort gewandert (…) Er stelzt ebenfalls sehr.
Die Ankündigung: Sie hatte ihre Vorstellung verlassen“, verwirrt. Galt das für die Beziehung oder für den Erinnerungsteil des vorigen Absatzes? Galt es für die Erinnerungen, wäre die Aussage falsch, weil sich der Rückblick im Folgeabsatz fort setzt. Und es mangelt auch hier die Erzähldisziplin im Bezug auf die Zeiten.  Der Nebensatz „wie er es immer tat, wenn er in Eile war“, gehört ebenso ins PQP, wie der Rest des Absatzes.

Zitat:
Vor einigen Jahren hatte sie wirklich gedacht, dass er sie liebte. Nicht nur weil er ihr den Antrag gemacht hatte. Zwar war er wirklich keine Schönheit gewesen, doch seine Stimme und die Augen im Einklang. Wenn er etwas gesagt hatte, dann war es auch die Wahrheit. Er hatte sie geliebt. In den ersten Jahren hatte es keinen Grund gegeben, daran nicht mehr zu glauben.
Es hatte auch keinen Anlass gegeben, als es anders geworden war. Trotzdem war es nicht so gewesen, dass es plötzlich geschah, wie sie sich heute eingestand. Etwas in ihm, der faulige Mutterkuchen, hatte Überhand genommen und hatte seine Stimme, die Augen, seine ganze Haltung ermordet. Schleichend war es geschehen, bis es zu sehen war, zu spüren.
Als sie abends das Essen zubereitet hatte, war er in die Küche gekommen. Er hatte nicht sie betrachtet, sondern nur die Umgebung: Töpfe, eine Pfanne, Teller, etwas Reste. „Was tust du da?“ hatte seine Stimme gefragt, anders als sonst, leiser. „Aber du hast gesagt, ich soll heute dein Lieblingsgericht kochen. Ist das nicht richtig?“
In diesem Moment hatte sie erkannt, dass ihre eigene Stimme sich verändert hatte. Da sprach nicht mehr die laute kraftvolle Frau, die er so schätzte; es hatte eine Frau gesprochen, die sie selbst nur hätte bedauern können. So reden die Frauen in den Filmen und Büchern; die Frauen, die sich fürchten.
„Ich habe es gern geregelt. Hier ist gar nichts geregelt. Aber das kann ich ändern.“ Langsam war er zum Herd geschlichen. Ohne auf einen weiteren Grund zu warten, hatte sie ihre Hände vor den Kopf geschlagen. Seine Faust aber hatte dann ihren Unterleib getroffen. Ein Keuchen noch, bis sie schluchzend zu Boden gesackt war. „Wir regeln es nun“, hatte er gesagt und geweint. Wie kann ER jetzt weinen?
Hier handelt es sich um einen Rückblick! Warum? Das ist ein Prolog und sollte vorweg nehmen.

Wochen später war der Vorfall vergessen. Sie hatte schon nach einigen Tagen nicht mehr an die Schmerzen gedacht, obwohl sie jeden Tag die blauen Flecken gesehen hatte. Anfangs war es ihr kaum möglich, aufrecht zu gehen, aber er hatte sie abgestützt. „Alles in Ordnung? Ich liebe dich.“ „Ich weiß.“ Ob er sich noch daran erinnert hatte, darüber hatte sie nicht nachgedacht.
Wohl aber hatte sie in den folgenden Wochen bemerkt, dass ihre Stimme leiser geworden war. Sie hatte kein Wort mehr gesagt, wenn er geprügelt hatte, weil der Tisch nicht gedeckt worden war oder weil sie etwas vergessen hatte. Eigentlich Kleinigkeiten. Aber er hat Recht.
Sie war nicht mehr so ordentlich wie früher gewesen, nicht mehr sorgsam und aufmerksam. Es hatte ihn wohl sehr beschäftigt. An den Gürtel hatte sie sich aber nicht gewöhnen können. Wenn er sie damit gepeitscht hatte, dann dort, wo die Nachbarn und wenigen Freunde es nicht sehen konnten. Ins Gesicht hatte er nie geschlagen. Er ist verliebt. Warum alles so geschehen war, hatte sie sich nicht gefragt.


Abermals das Zeitenproblem. Beispiel: „Anfangs war es ihr kaum möglich, aufrecht zu gehen (…) Hinter „möglich“ hätte  „gewesen“ stehen sollen.

Zitat:
„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“ Er hatte die Tür aufgeschlossen und ihr den Vortritt gelassen. Die Mäntel hatte er noch um den Arm gelegt, den Gürtel von der Wand schon in die Hand genommen. Früher hatte er mal hier, mal dort gelegen. Nun ein angestammter Platz.
„Was hast du gedacht?“. Ihr Blick war schnell bei ihm gewesen. „Was meinst du denn? Wann?“ Er hatte gelächelt. „Dieser Schellack.“
Ja, das falsche Lächeln war ihm vorhin nicht entgangen. Und ihre langen Gedanken, die Vorstellung seiner Ankunft und der Mutterkuchen waren wieder gegenwärtig geworden. Kann er das hören? Sie hatte gemerkt, dass nun schnell etwas zu sagen wäre. Er liebt mich, und eine Antwort verdient er.
„Ein Bindemittel. Tierhaare und Kohlenstaub.“
Diese Antwort war alles andere als klug gewesen. Aber ihr war nichts anderes eingefallen, was sie nun hätte sagen können. „Ist das so? Das werde ich regeln.“ Das Brennen in den Händen und der Hieb gegen die Schulter hatten schnell ihre Spuren hinterlassen. Als er ihren unteren Rücken getroffen hatte, da hätte sie geschrien, aber ihr Atem hatte sich verkrochen.
„Ich weiß das. Und erzähl mir nicht, ich hätte mich in das Ding verliebt. Es gefällt mir einfach. Hörst du?“ „Ja, ich weiß. Du hast dich in mich verliebt.“ „Ja“, hatte er geantwortet, „ich habe mich in dich verliebt.“


Zu Anfangs ist nicht klar, wer zu wem spricht. Der Klarstellung ist nicht damit Genüge getan, dass sich das später áus dem Zusammenhang klärt. Jede Unklarheit produziert Überlegungen beim Leser und zieht Aufmerksamkeit vom Text ab.

Insgesamt liegt deine größte Schwäche offenbar in der Erzähldisziplin. Dir entgleiten all zu häufig die Zeiten. Es geht um ein Beziehungsdrama, zumindest im Prolog. Da hätte ich etwas mehr Geschmeidigkeit bei den Formulierungen begrüßt. Platte Beifügungen wie „dachte sie“ verhärten Sätze, so dass gerade bei Beziehungsszenen auf Alternativen zurück gegriffen werden sollte, die Gedanken und Gefühle angemessen „ausschwingen“ lassen.  

Ein Prolog sollte aktiv und möglichst frei von langatmigen Beschreibungen sein. Wir erfahren körperliche Attribute, die für die Handlung jedoch nicht wichtig sind. Sogar Augenfarben kommen vor, nicht aber die Namen. Das halte ich für einen Fehler. Wenn der Leser auf Seite drei noch nicht einmal die Namen der Protagonisten kennt, könnte das die Distanz so sehr erhöhen, dass der „Haken“ nicht greift. Diese Geschichte lebt vom Mitgefühl der Leser. Wie aber soll das zu einer namenlosen Gestalt aufgebaut werden?

Allein der Name verleiht den Protagonisten ein erstes Antlitz. So gut wie jeder verbindet mit Namen eine bestimmte Vorstellung zum Aussehen des Trägers.

In der Regel finden Prologe in Geschichten ihren Platz, die längere Orientierungsphasen benötigen, was meinen Hinweis zu langatmige Beschreibungen und Rückblicke stützt. Dafür ist nach den Prologen noch Zeit genug.  Vielleicht konnten dir meine Hinweise behilflich sein.

Nachtrag: Hätte ich bald vergessen. Bitte prüfe die Häufigkeit des Wortes "als".

Grüße

Bobbi
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caesar_andy
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Beiträge: 536



C
Beitrag24.06.2009 13:51

von caesar_andy
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Ich muss Valeska zustimmen. ich habe die ersten 5 Zeilen gelesen, den Rest nur noch überflogen.

Ich frage dich einfach mal ganz freiraus:

Was genau glaubst du mit diesem "Er / Sie" Geschwafel zu erreichen? Ich lese das so oft...jeder Anfänger fängt so an, jeder. Warum? Welchen Nutzen soll das haben?

Eine Geschichte zu erzählen, ist Psychologie. Der Leser wird die Geschichte langweilig finden, und zurück stellen, weil er die Akteure langweilig findet und sich nicht mit ihnen identifizieren kann.

Das verheimlichen der Namen erzeugt KEINE Spannung, denn der Leser will bewusst überhaupt gar nicht wissen, wie die Akteure heißen. Ihm persönlich sind die Namen vollkommen egal.

Aber, er MUSS die Namen wissen, weil er ohne sie keine "Identifikationsbeziehung" zu ihnen aufbauen kann. Personen, deren Namen wir nicht einmal kennen, stufen wir unterbewusst immer als "unbekannt" und daher "unwichtig" ein. Deshalb fragen wir beim kennenlernen neuer leute ja auch immer zuerst nach dem Namen, weil die Beziehung dadurch um ein vielfaches persönlicher wird.
Warum also sollte ich ein Buch lesen, dessen Akteure für mich vollkommen unwichtig sind?

Die Namen - zumindest der des Protagonisten - gehört in den ersten Absatz. Ein Buch, das so anfängt wie deines, würde ich nach der ersten Seite wieder ins Regal stellen, weil ich sehe, dass der Autor seine "Hausaufgaben" nicht gemacht hat.
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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag24.06.2009 13:58

von Alogius
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Hallo, Bobbi,

Deine Anmerkungen sind tatsächlich hilfreich. Ich gehe jetzt nicht erneut ins Detail, möchte aber mitteilen, dass ich sie in eine komplett editierte Fassung einbringen werde. Danke.

Zum Prolog-Rückblick-Problem:

Ja. Das Interessante ist, dass anfangs dies gar kein Prolog war. Es war ein für sich "fertiges" Stück (bis auf die Ungereimtheiten usw.), das ich ursprünglich hier posten wollte, um zu wissen, was daran nicht passt. Denn DASS irgendwas nicht passte, war mir klar. Ist aber immer besser, wenn andere es lesen, die mehr Distanz haben, sozusagen "weiter weg" vom Text sind als ich selbst es bin.
Als ich abgeschlossen hatte, war mir also klar, dass ich es nich zahllose Male überarbeiten müsste.
Auf einmal kamen Ideen:
- Wer ist sie, wer ist er?
- Wieso fürchtet sie sich nicht sichtbar?
- Warum hat sie den ersten Angriff erwartet, obwohl es vorher keinen anderen gegeben hat?
- Wie ist es möglich, dass sie diese genauen Vorstellungen seiner krankhaften Geburt hat?
- Was ist dasfür ein "Fall", in den sie flieht?
und
- Warum fragt sie sich, ob er ihre Gedanken hören kann?
Plötzlich fielen mir Antworten ein, die hier einzubauen den Rahmen sprengen würden. Dann kam die Idee, den Fortgang anders zu erzählen -strukturierter in den Zeitebenen als im vorliegenden Fall.
Auf einmal wurde aus dem rudimentären Stück eine größere Idee. Mit Namen, Ursachen, Orten, viel mehr Substanz. Und einem seltsamen Stil, der mehrere Zeitebenen (aber über größere Strecken verteilt und nicht so kompakt wie hier) sozusagen verbindet. Ursachen, die nicht unbedingt in der sichtbaren Welt liegen.
So wurde aus dem Stück der Prolog, der im Hinblick auf die folgenden Ideen eine Einführung in genau dieses "Vierdenk" der Protagonistin verweisen soll.

Ich überlege gerade, die Rückblicke zu reduzieren, es anders aufzuziehen. Wäre das ein Weg?

@caesar:
Ja. Die Namen. Stimmt. wink

Danke,
Gruß,
Tom


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Alogius
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Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag24.06.2009 15:16

von Alogius
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Nochmals überarbeitet. Habe die Verschachtelung vorerst belassen, aber wie ich hoffe deutlicher gemacht. Und ja, mit den Namen wirkt es anders, danke dafür nochmal.
Anmerkung: Ich will erstens keine Rezension erzwingen (auch wenn ich hier mehrere Texte poste), sondern kann mich auch in Geduld üben. Zweitens habe ich nur deshalb schnell reagiert im Überarbeiten, weil der Eindruck noch frisch ist und ich nichts "verlieren" will daran.
Also lasst Euch Zeit!!! Danke.
---------------

Die Tiefen

Prolog

Das alte Grammophon. Als  Sebastian den Apparat vor wenigen Tagen bei  Annas Großeltern zum ersten Mal gesehen hatte, da hatte er sich verliebt. Auf dem Heimweg waren ihm viele Worte eingefallen, besonders die Schellackplatte zu beschreiben. Er hatte so viele Metaphern gefunden,  dass Anna von seiner Weitsicht überrascht worden war. Die Begeisterung eines Kindes.
Er? Ein Kind?
Damals hatte sie die Gedanken an seine Begeisterung schnell wieder verworfen, denn diese Wortgewandtheit passte nicht zu ihm. So war ihre Überraschung verschwunden, und sie war angewidert. Ihren Ekel zu zeigen, das hatte sie nicht gewagt.
„Ist doch erstaunlich, dieser Schellack.“ Sebastians Stimme.
Dass dieses Zeug nur ein Bindemittel war und neben anderen Bestandteilen auch Tierhaare vorhanden waren, hatte Anna verschwiegen. Kein Wort hatte sie gesprochen, aber wieder in den eigenen Bildern gedacht, die sie immer in den Tiefen empfangen hatte:

Vermutlich ist er nie Kind gewesen. Etwas hat ihn in diese Welt getragen, weil es ihn nicht haben will. Nur so kann es geschehen sein: Ein verdorbener Mutterkuchen, wahrscheinlich schon ausgewachsen. Hervor gekrochen kommt er, noch gebeugt, bis er sich in den Stand begibt und den Kopf dreht. Seine grauen Augen sehen sich um, die spitze Nase und die fliehende Stirn liegen bereits in den bekannten Falten. Und seine Zähne graben sich schon in die Lippen, welche umsäumt sind von eingefallenen Wangen. Der Bauch faltet sich um die Hüften, und die Beine hängen lose darunter. Mit einem Arm stützt er sich ab, während er einen Gürtel nimmt, verknotet und ins Leere schlägt. Etwas Staub wirbelt er mit den Schlägen auf –er lächelt zufrieden. Der Gürtel ist seine Peitsche.

„Hast du gehört?“
Sebastians Stimme hatte sie wieder aufwachen lassen.  „Ja.“
„Dann sag was.“
Er mag es nicht, wenn ich ihn nicht ansehe. Anna, du musst ihn ansehen –jetzt!
„Du hast dich wirklich verliebt“, hatte sie dann lächelnd gesagt –ein riesiges falsches Lächeln, aber er hatte nicht darauf reagiert.
„Das ist Unsinn. Gefällt mir einfach, das Ding.“ Doch als hätte sie ihm allen Elan genommen, hatte er kein Wort mehr gesprochen. Er hatte Annas Hand genommen, wie er es immer getan hatte, wenn er in Eile gewesen war.
Als sie um die letzte Ecke gegangen waren, hatte sie den festen Druck seiner Hand erst gespürt. Beinahe wäre sie fort gerissen worden, als sie erst einen Augenblick später langsamer geworden war.
„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ „Ich weiß.“

Vor einigen Jahren hatte Anna das wirklich gespürt. Nicht nur weil er ihr den Antrag gemacht hatte. Zwar war Sebastian wirklich keine Schönheit gewesen, doch seine Stimme und die Augen  im Einklang. Wenn er etwas gesagt hatte, dann war es auch die Wahrheit gewesen. Er hatte sie geliebt. In den ersten Jahren hatte es keinen Grund gegeben, daran nicht mehr zu glauben.
Es hatte auch keinen Anlass gegeben, als es anders geworden war.  Etwas in ihm, der faulige Mutterkuchen, hatte Überhand genommen und seine Stimme, die Augen, seine ganze Haltung ermordet. Schleichend  war es geschehen.
Abends war Sebastian in die Küche gekommen. Er hatte nicht sie betrachtet, sondern nur die Umgebung: Töpfe, eine Pfanne, Teller, etwas Reste. „Was tust du da?“ hatte seine Stimme gefragt, anders als sonst, leiser. „Aber du hast gesagt, ich soll heute dein Lieblingsgericht kochen. Ist das nicht richtig?“
In diesem Moment hatte Anna erkannt, dass ihre eigene Stimme sich verändert hatte. Da sprach nicht mehr die laute kraftvolle Frau; es hatte eine Frau gesprochen, die sie selbst nur hätte bedauern können.
So reden die Frauen in den Filmen und Büchern;  die Frauen, die sich fürchten. Anna, fürchtest du dich? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, was er tun wird.
„Ich habe es gern geregelt. Hier ist gar nichts geregelt. Aber das kann ich ändern.“ Langsam war er zum Herd geschlichen. Ohne auf einen weiteren Grund zu warten, hatte Anna ihre Hände vor den Kopf geschlagen. Seine Faust aber hatte dann ihren Unterleib getroffen. Ein Keuchen noch, bis sie schluchzend zu Boden gesackt war. „Wir regeln es nun“, hatte er gesagt und geweint. Wie kann ER jetzt weinen?
Wochen später war der Vorfall schon vergessen worden. Anna hatte schon nach einigen Tagen nicht mehr an die Schmerzen gedacht, obwohl sie jeden Tag die blauen Flecken gesehen hatte. Anfangs war es ihr kaum möglich gewesen, aufrecht zu gehen, aber Sebastian hatte sie abgestützt.  „Alles in Ordnung? Ich liebe dich.“ „Ich weiß.“ Ob er sich noch erinnert hatte, darüber hatte Anna nicht nachgedacht.
Wohl aber hatte sie in den folgenden Wochen bemerkt, dass ihre Stimme leiser geworden war. Sie hatte kein Wort mehr gesagt, wenn er geprügelt hatte, weil der Tisch nicht gedeckt worden war oder weil sie etwas vergessen hatte.
Eigentlich Kleinigkeiten. Aber er hat Recht.
Sie war nicht mehr so ordentlich wie früher gewesen, nicht mehr sorgsam und aufmerksam. Es hatte ihn wohl sehr beschäftigt. An den Gürtel hatte sie sich aber nicht gewöhnen können. Wenn er Anna damit gepeitscht hatte, dann dort, wo die Nachbarn und wenigen Freunde es niemals hätten entdecken können, denn ins Gesicht hatte Sebastian nie geschlagen. Er ist verliebt. Warum alles so geschehen war, hatte sie sich nicht gefragt.  

„Ich habe mich in dich verliebt. Hörst du?“ Sebastians Stimme hatte immer noch den fremden Klang und die Veränderung in sich. Er hatte die Tür aufgeschlossen und ihr den Vortritt gelassen. Die Mäntel hatte er noch um den Arm gelegt, den Gürtel von der Wand schon in die Hand genommen. Früher hatte er mal hier, mal dort gelegen. Nun ein angestammter Platz.
„Was hast du gedacht?“ Leiser und leiser war seine Stimme geworden. Ihr Blick war schnell bei ihm gewesen. „Was meinst du denn? Wann?“ Er hatte gelächelt. „Dieser Schellack.“
Ja, das falsche Lächeln war ihm vorhin nicht entgangen. Und Annas lange Gedanken in der Tiefe, die Vorstellung seiner Ankunft und der Mutterkuchen waren wieder gegenwärtig geworden. Kann er das hören? Sie hatte bemerkt, dass nun schnell etwas zu sagen wäre. Er liebt mich, und eine Antwort verdient er.
„Ein Bindemittel. Tierhaare und Kohlenstaub.“
Diese Antwort war alles andere als klug gewesen. Aber ihr war nichts anderes eingefallen, was sie nun hätte sagen können. „Ist das so? Das werde ich regeln.“  Das Brennen in den Händen und der Hieb gegen die Schulter hatten schnell ihre Spuren hinterlassen. Als er Annas unteren Rücken getroffen hatte, da hätte sie geschrien, aber ihr Atem hatte sich verkrochen.
„Ich weiß das. Und erzähl mir nicht, ich hätte mich in das Ding verliebt. Es gefällt mir einfach. Hörst du?“ Nun war aus Sebastians Stimme ein Zischen geworden.
„Ja, ich weiß. Du hast dich in mich verliebt.“ „Ja“, hatte er geantwortet,  „ich habe mich in dich verliebt.“

Heute, ein paar Tage nach dem Besuch bei ihren Großeltern und vier Jahre nach dem ersten Schlag, schmerzte es nicht mehr. Anna war gut darin, Schmerzen auszuhalten und abzuschalten. Immer wenn der Gürtel sie traf oder wenn Sebastian mit den schweren Stiefeln gegen ihre Schenkel trat, dann spürte sie nach einigen Sekunden nicht mehr den Schmerz, sondern die Weite und die Leere.
Sie fiel dann immer in einen dunklen Schlund, ganz langsam –in ihre Tiefe. Die Arme erhoben, in einem weißen Kleid. Kein Leid gab es in der langen Nacht, nur sie und der Wind waren dort. Kein Stiefeltritt, kein Hieb konnte sie dann zurück holen. Es waren ihre ureigenen Elemente, die sie allein dort beherrschte. Die Gedanken an die Liebe waren niemals gegenwärtig dort. Einsam mit den Lüften und zufrieden flog Anna dahin. Die Schmerzen kehrten erst dann zurück, wenn Sebastians Stimme sie aufweckte: „Ich habe mich in dich verliebt.“ Eine weiße Hand griff dann in die Schwärze und packte sie.
Es war ein schöner Tag. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten Annas Gesicht, und sie wagte es auch, ein Hemd zu tragen. Die Striemen waren nur noch zu sehen, wenn man danach suchte. Sie verließ die Wohnung, lief um die Ecke, dann die Straße runter, und sie würde Sebastian heute eine Freude machen. Es wäre kein Friedensangebot, denn im Krieg lagen sie ja nicht. Sie machte es ihm schwer, zu lieben, und heute würde sie ihn glücklich machen können. Dann wäre sie auch glücklich.
„Er hat sich verliebt in das Ding“, sagte sie und lachte. Ihre Kunst der Verstellung war überzeugend genug, dass ihre Großeltern das Grammophon einpackten. „Mein Sebastian wird sich so freuen.“ Fröhlich und glücklich winkte sie ihren Großeltern zum Abschied.

Am Abend kam ihr Sebastian heim. Der Tisch war gedeckt, die Wohnung in Ordnung gebracht. Als er das Grammophon sah, lächelte er. Schon von draußen hatte er die Musik gehört. „Du hast es bekommen? Das hättest du doch nicht tun müssen“, hauchte er. Seine Stimme war freundlich, sein Lächeln ehrlich.
„Dir hat es so gefallen. Also habe ich sie gefragt. Sie waren sofort einverstanden.“ Er lief zum Grammophon, berührte vorsichtig den Tonarm, den Trichter. Seine Augen waren hell. „Danke, wirklich, danke.“  Sie war zufrieden, wenn er es war. „Schön, wenn es dich freut“, sagte auch sie ganz ehrlich. Anna spürte, dass nicht nur seine, sondern auch ihre eigene Stimme zurück war. Er nickte, wie zur Bestätigung, betrachtete das Geschenk und war stolz wie ein Kind.
Er? Ein Kind? Sie konnte nicht anders, und vermutlich war alles davor auch nur Verstellung. Erneut dachte sie an seine kranke Geburt, die Peitsche in seiner Hand und den suchenden Blick auf sie gerichtet, in die Ferne.
„Ich habe mich in dich verliebt“, murmelte er. Aber Sebastians Worte waren weit weg. „Hörst du?“ Seine Stimme holte sie nun zurück. „Was hast du gedacht?“ fragte er. Sie antwortete nicht. Stattdessen ging sie in eine Beuge und senkte ihren Blick ebenso wie ihren Körper. Ganz nah trat er an sie heran und flüsterte.
„Du hast etwas gedacht, und du sollst mich ansehen. Ich kann nicht mit dir sprechen, wenn du das nicht tust.“ Langsam nur sah sie auf zu ihm. Nein, das kann er nicht hören!
Im gleichen Moment griff er ihre Hand und drückte fest zu. Nun drehte er sich weiter herum und ließ ganz vom Grammophon ab. „Ich schenke dir nun meine ganze Aufmerksamkeit“, flüsterte er. Sie nickte, aber sagte kein Wort. „Was hast du gedacht? Wo bist du immer, wenn ich mit dir rede?“
Nun war seine Stimme ein Krächzen, heiser und lauernd.
Da, wo wir waren. Wo es anders war.
Er ließ ihre Hand los, als sie nicht antwortete und machte einen Schritt zur Seite, um den Gürtel zu holen. Als Sebastian stolperte und mit dem Kopf gegen den Tisch schlug, sah sie erst seine Stiefel, die sie noch nicht zur Seite gestellt hatte.
Sie nahm ein Messer und lehnte mit der anderen Hand am Tisch. Ihre Finger klopften leise zur Musik. Den Aufprall hatte Anna kaum gehört, denn sie lauschte der Musik. Lange stand sie da und beobachtete, wie er sich langsam wieder erhob. Beide Arme zogen an der Tischplatte, bis er in den Stand kam. Das Messer in ihrer Hand bewegte sich nun im Takt.
„Ich habe mich in dich verliebt“, sagte Anna. „Hörst du?“


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Pütchen
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Beitrag28.06.2009 21:13

von Pütchen
Antworten mit Zitat

Hallo Alogius,

jetzt stifte ich  noch ein bisschen Verwirrung wink

Ich habe deine erste Version gelesen - und ganz ehrlich: Ich fand sie toll Daumen hoch

Ich konnte mich da richtig reinversetzen und du hast mich richtig gefesselt smile

Dann habe ich die Kritiken gelesen und irgendwas ging wohl an mir vorbei ... lol

Ich gestehe, dass ich dann von der zweiten direkt zur dritten Version übergegangen bin. Und ich kann Caesar Andy nicht zustimmen. Mir hat es fast mit Er/Sie besser gefallen. Irgendwie finde ich bei solchen Geschichten so ein bisschen Anonymität gerade fesselnd. Dadurch - und durch die fehlende Gefühlsduselei wirkt es auf mich noch eindringlicher.

Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden wink

Den grammatikalischen Anmerkungen widerspreche ich nicht lol

Auf jeden Fall toller Schreibstil. Mir gefällt es - auch inhaltlich. Und ich würde auch gerne weiterlesen smile extra.

Liebe Grüße, Pütchen


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Alogius
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Vom Verschwinden der Muse
Beitrag28.06.2009 21:37

von Alogius
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi,

vielen Dank fürs Lesen und für den Kommentar. smile

Ich habe jede Version hier liegen. Die Sache mit den Namen war auch die Absicht (also die eigtl. paradoxe Wirkung des Anonymen). Was nun 'besser' ist -weiß ich gerade nicht mehr. wink Mal sehen.

Ich werde in der nächsten Zeit den weiteren Fortgang posten.

Thx,
Tom


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