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Gondwana Gänsefüßchen
Beiträge: 40 Wohnort: Bad Oeynhausen
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10.11.2008 21:44 Der gefangene Floh von Gondwana
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Mein alter Deutschlehrer hatte, immer wenn er von einem Schüler gefragt wurde wozu eigentlich die Groß-und Kleinschreibung gut sein soll, diesen Satz parat:
der gefangene floh.
Ich hab´ auch schon mal einen Floh gefangen! Ist schon länger her. Damals waren wir gerade umgezogen, hatten wochenlang die neue Bude renoviert, die reichlich verwohnt war. Nachdem wir dort die erste Nacht verbracht hatten, entdeckte ich morgens drei Stiche an meinem Schienbein, die mich in den darauffolgenden Tagen fast um den Verstand brachten, so juckten die! Hatte es gerade nachgelassen, kamen wieder neue Stiche hinzu. Typische Flohstiche, sagte man mir.
Nur ich wurde gestochen, aber das ist nichts ungewöhnliches; weil ich so eine dünne Haut habe. Das ging ungefähr zwei Monate lang so. Ich suchte alles ab, leuchtete in die entlegensten Winkel der Wohnung mit einer Taschenlampe, die ich einige Male sogar beim Einschlafen griffbereit neben mir unter der Bettdecke in der Hand hielt; denn ich wurde nur nachts gestochen, - aber es war niemand zu sehen.
Aus der Stadtbücherei besorgte ich mir alles, was an Fachliteratur zu diesem Thema aufzutreiben war. Einen Stapel Bücher, der mir bis unter´s Kinn reichte, um herauszufinden wo die Viecher sich gern aufhalten, was sie mögen und was nicht. Und las, daß sie regelrechte Überlebenskünstler sind, mehr als zwei Jahre ohne Nahrung auskommen können, bis ein neuer Wirt auftaucht, an dem dann auch treu festgehalten wird. Der bevorzugte Wirt war nun eindeutig ich . (Wer nichts wird, wird Wirt)
An einem Abend saß ich dann im Kinderzimmer am Schreibtisch und räumte dort noch etwas auf, als mein kleiner Sohn, der schon im Bett lag und noch las, ganz seelenruhig, wie es so seine Art ist, zu mir sagte: "Hier springt ein kleines Tier auf meiner Bettdecke herum." Eigentlich bin ich gar nicht so ein ehrgeiziger Typ, aber ich habe es regelrecht gejagt, dieses springende Tier - auf einem wild-bunt-gemusterten Teppich, auf allen Vieren.
Und gefangen! Ha!! Der gefangene Floh.
Hatte ihn mit einem Taschentuch gepackt, worin ich ihn dann mit dem stumpfen Ende eines Stiftes zerquetschte. Eine Lupe geholt und das Taschentuch auseinandergefaltet, mit der Lupe genähert und ... bewegt der sich etwa noch? ... kann doch gar nicht sein! ... doch! ... zack ... war er schon wieder weggesprungen.
Der Gefangene floh!
Aber er war geschwächt und ich fing ihn wieder ein. Dann habe ich ihn endgültig ins Jenseits befördert und unter das Kindermikroskop verfrachtet. Es war ein Prachtexemplar, hatte ihn genau von der Seite erwischt, - hinten die langen, kräftigen Sprungbeine, vorne die verkümmerten Stummelärmchen, - ein bißchen wie ein Känguruh ohne Ohren.
Was danach kam, war nicht so lustig, - nämlich der Kammerjäger. Es handelte sich um Katzenflöhe, die komischerweise auf Hunden anzutreffen sind. Jedenfalls hatte die Vormieterin zwei Hunde.
Das war vielleicht ´ne Aktion! Sowas wünscht man seinem ärgsten Feind nicht.
An meinen alten Deutschlehrer denke ich noch oft zurück.
Weitere Werke von Gondwana:
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halcyonzocalo Einsamer Trancer
Alter: 34 Beiträge: 1202 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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10.11.2008 21:52
von halcyonzocalo
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Eine nette, lustige kleine Geschichte, die ich gerne gelesen habe.
Ein paar Kleinigkeiten:
Zitat: | Nur ich wurde gestochen, aber das ist nichts ungewöhnliches; weil ich so eine dünne Haut habe. |
Ungewöhnliches groß schreiben und die beiden Satzteile mit Komma abtrennen, nicht mit Semikolon.
Zitat: | Einen Stapel Bücher, der mir bis unter´s Kinn reichte, um herauszufinden, wo die Viecher sich gern aufhalten, was sie mögen und was nicht. |
Ich hoffe, man sieht das Komma, was ich eingefügt habe!
Zitat: | Und las, daß sie regelrechte Überlebenskünstler sind, mehr als zwei Jahre ohne Nahrung auskommen können, bis ein neuer Wirt auftaucht, an dem dann auch treu festgehalten wird. |
Kein "ß" mehr nach kurzem Vokal in der neuen Rechtschreibung!!!
Ansonsten aber wirklich gelungen in meinen Augen!
Besonders die teilweise sehr verschachtelten Sätze wie
Zitat: | An einem Abend saß ich dann im Kinderzimmer am Schreibtisch und räumte dort noch etwas auf, als mein kleiner Sohn, der schon im Bett lag und noch las, ganz seelenruhig, wie es so seine Art ist, zu mir sagte: |
haben zu der Geschichte gepasst, finde ich!
Gruß
halcyonzocalo
(Sebastian)
_________________ Die minimaldeterministische Metaphernstruktur mit ihrer mytophoben Phrasierung spiegelt den ideeimmanent abwesenden Bedeutungsraum. |
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Pütchen Weltenbummler
Moderatorin
Beiträge: 10312 NaNoWriMo: 40788 Wohnort: Im Ländle
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11.11.2008 00:50
von Pütchen
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Hallo Gondwana,
klasse! Hat mir sehr gut gefallen!!
Mein Lieblingssatz:
Zitat: | Der Gefangene floh! |
Diese Wortspielerei fand ich genial!!
Liebe Grüße, Pütchen
_________________ ****************************************************************
"Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken."
(Isaac Newton, 1642-1726)
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Gine Eselsohr
Alter: 43 Beiträge: 493 Wohnort: Berlin
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11.11.2008 09:23
von Gine
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Hallo,
auch von mir ein Lob.
Mir gefällt die Verbindung vom lehrreichen fliehenden Flo, amüsant eingeflochten in eine nette Anekdote.
Gute Einleitung, gute Story, guter Schluss. Mehr kann man sich ja gar nicht wünschen.
Prima gemacht!
Liebe Grüße
Gine
P.S.: Ich HASSE die Viecher! Mein Köter hat so was auch mal angeschleppt. Lang, lang ist's her. Aber unvergessen. *schauder*
_________________ 'Manchmal zweifle ich daran, dass ich überhaupt existiere.'
'Aus gutem Grund.'
'Wie meinst du das?'
'Ich habe dich erfunden.'
'Glaub ich nicht.'
'Ich weiß.'
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Merlinor Art & Brain
Alter: 72 Beiträge: 8667 Wohnort: Bayern
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11.11.2008 19:04
von Merlinor
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Hallo Gondwana
Eine hübsche kleine Anekdote und in diese eingeflochten das nette Wortspiel vom gefangenen Floh als Hommage an Deinen alten Deutschlehrer.
Eine schöne Idee und sauber umgesetzt.
Ein bischen hätte ich mir gewünscht, Dass Du die Szene, in welcher Du den Floh fängst, etwas lebendiger beschreiben würdest. Da ist doch Potential für eine nette kleine Jagdszene mit allem drum und dran.
Besonders nach diesem netten Schachtelsatz, mit dem Dein kleiner Sohn diese einleitet.
(Den habe ich auch gleich geliebt, ähnlich wie Sebastian)
Da würde ich mich nochmal darübermachen und aus der distanziert beschreibenden Erzählweise in einen Action geladenen Thriller wechseln.
Aber das ist natürlich Geschmackssache.
Tja und die Katzenflöhe ... Keiner wird je erklären können, warum die so oft auf Hunden anzutreffen sind. Aber es ist tatsächlich so ...
Gerne gelesen.
Herzlich
Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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Gondwana Gänsefüßchen
Beiträge: 40 Wohnort: Bad Oeynhausen
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13.11.2008 13:49
von Gondwana
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Ich freu´ mich so über eure positiven Kommentare! Vielen, vielen Dank.
@Sebastian: auch danke für deine Rechtschreib-u. Zeichensetzungsverbesserung. Mit dem Semikolon stehe ich schon seit jeher auf Kriegsfuß und beim dass mit ß hoffe ich, mir nun eine kleine Eselsbrücke bauen zu können - einmal so gelernt, fällt es mir ziemlich schwer, die Synapsen in meinem Hirn neu zu verkabeln.
Merlinor hat Folgendes geschrieben: | Ein bischen hätte ich mir gewünscht, Dass Du die Szene, in welcher Du den Floh fängst, etwas lebendiger beschreiben würdest. Da ist doch Potential für eine nette kleine Jagdszene mit allem drum und dran. |
Eine kleine Jagdszene hätte sich bestimmt gut gemacht in der Geschichte, aber ich hab´ den Floh recht schnell gefangen (ohne Szene ). Meine Geschichten erzähle ich immer so, wie sie passiert sind, d.h., wenn ich dann etwas dazu erfinden würde, was so gar nicht stattgefunden hat, fühle ich mich irgendwie nicht wohl damit.
Auch bei dir möchte ich mich ganz herzlich für dein Lob bedanken!
Liebe Grüße,
Gondwana
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Merlinor Art & Brain
Alter: 72 Beiträge: 8667 Wohnort: Bayern
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13.11.2008 21:15
von Merlinor
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Hallo Gondwana
Deine kleine Jagdszene muss nicht lange sein. Ganz bestimmt nicht länger, als sie sich in Wirklichkeit zugetragen hat.
Du beschreibst hier in knappen Worten, dass Du den Floh gefangen hast und dies auf allen Vieren.
Du zeigst aber nicht wirklich, wie.
Du nimmst den Leser nicht mit in Dein Jagdfieber, lässt ihn nicht mitfühlen, mitlachen und mitleiden mit dieser Person auf allen Vieren im Angesicht des "Monsters".
Genau das könntest Du lebendiger gestalten.
In einem Krimi würdest Du einen Mord doch auch nicht mit dem knappen Satz beschreiben:
„Als der Mann um die Ecke kam, hob der Bösewicht seine Pistole und erschoss ihn.“
Da würde Dir schon mehr einfallen, um diese (ebenfalls sehr kurze) Szene mit Leben zu füllen.
Du siehst, was ich meine?
Nein, ich glaube nicht, dass Du etwas dazu erfinden musst, um Deine kurze Jagdszene aufzupeppen. Du musst sie nur zu neuem Leben erwecken.
Sie war trotz ihrer Kürze sicher lebendig genug.
Und das würde ich versuchen, in Worte zu fassen.
Herzlich
Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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Gondwana Gänsefüßchen
Beiträge: 40 Wohnort: Bad Oeynhausen
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15.11.2008 19:11
von Gondwana
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Hallo Merlinor,
danke für deine Anregung! Jetzt hab´ ich kapiert, was du meintest
Also, ich versuch´s mal:
An einem Abend saß ich dann im Kinderzimmer am Schreibtisch und räumte dort noch etwas auf, als mein kleiner Sohn, der schon im Bett lag und noch las, ganz seelenruhig, wie es so seine Art ist, zu mir sagte: "Hier springt ein kleines Tier auf meiner Bettdecke herum."
Ich ließ augenblicklich alles stehen und liegen und hechtete mit einer Schnelligkeit, die mir sonst gar nicht zu eigen ist, in Richtung des winzigen Plagegeistes, der Dank des buntgemusterten Teppichs einen enormen Vorteil hatte. Immer, wenn ich ihn fast erwischt hatte, hüpfte er ohne Ermüdungserscheinungen wieder eine Schrittlänge voraus. Also jagte ich ihn auf allen Vieren weiter, um den Zeitverlust beim Herunterbeugen so gering wie möglich zu halten. Das alles geschah zur großen Erheiterung meines Sohnes.
Aber letztendlich trug ich den Sieg davon! Ha!! Der gefangene Floh.
Ist gar nicht so einfach, Veränderung in eine Geschichte zu bringen. Erst bin ich ein wenig davor zurückgeschreckt, doch als ich erstmal angefangen hatte, da hat es viel Spaß gemacht!
Liebe Grüße,
Gondwana
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