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Teil 33 Hassan, der Schamane


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag22.06.2008 13:00
Teil 33 Hassan, der Schamane
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sebastian und ich gingen am Abend eines anstrengenden Tages immer öfter in ein Lokal namens "Le Boule". Die schnelle, freundliche Bedienung und das gute Essen überzeugten. An den Wochenenden spielte oft eine Band live und Gäste versuchten sich mit den sehr beliebten Karaoke-einlagen.
An solch einem Abend gab mir der Kellner einen Zettel. Er meinte, es sei eine Nachricht von einem anderen Gast: "Wenn wir eines Tages auf der gleichen Straße unterwegs wären, würde Gott mich mit Glück segnen". Eine wunderbare Art, sich jemandem zu nähern. Doch leider war ich so gar nicht zugänglich und gedanklich völlig mit anderen Dingen beschäftigt.
Lange überlegte ich, wie ich etwas antworten könne, ohne den Mann mit einer Ablehnung zu beleidigen oder vor den Kopf zu stoßen.
Ich antworte ihm: "Wir wissen nicht, welche Wege Gott für uns vorbereitet, es liegt nicht in unserer Hand."
Trotz meiner abweisenden Antwort, zauberte dieser Zettel ein Lächeln. Ich trug ihn lange Zeit in meiner Tasche mit mir. Das tat einfach gut.

Drei Wochen später kam ich eines Morgens ins Internetcafe. Jan war noch in seinem Zimmer. Ich suchte eine CD, die er für einen Kunden brennen wollte. Also klopfte ich an seinem Zimmer. Ich höre Stimmen, die Mädchen tuschelten und Georgina hielt gespannt in der Küche inne, als wollte sie die Ereignisse nicht verpassen, die nun gleich geschehen würden. Er machte die Tür nicht auf; ich klopfte noch einmal. Er öffnete, sah verkatert aus und ich fragte ihn, ob er allein sei. Er verneinte. Im Hintergrund sah ich ein junges Mädchen, das aus dem Bett hüpfte. Jan schloß die Tür ab. Ich wurde wütend, sehr wütend.
Kannte er keine Rücksicht? Konnte er mir solche Situationen nicht ersparen? Es gab doch einschlägige Hotels. Im Internetcafe waren Kunden, Angestellte. Dieses Thema hatten wir doch schon einmal.
Ich klopfte wieder an die Tür, trat daran und verstauchte mir den Zeh.
Er öffnete nicht, doch ich hörte, wie er die andere Tür zur Straßenseite öffnete. Ich lief aus dem Internetcafe, um das Haus herum und sah, wie er diese "Dame" verabschiedete.
Er zahlte.
Zurück im Kundenraum ging ich wieder zu seiner Tür und er öffnete nun. Ich machte ihm eine Szene und ich schrie ihm ins Gesicht. Und nicht nur das. Ich war wütend, dass er so junge Mädchen benutzte, wie Matratzen.
Ich konnte nun nicht zur Tagesordnung übergehen und arbeiten. Auf dem überdachten Innenhof liess mich in einen Sessel fallen und spürte meinen Gefühlen nach.
Spürte die Wut, hielte inne, fühlte meine Verletztheit, sah die Situation, spürte meine Traurigkeit.
Doch weinen konnte ich nicht mehr.

Es ist gut die Wut zu spüren, wenn wir sie heute nicht spüren, werden wir uns ihr morgen stellen müssen. Es ist gut, die Wut heraus zu lassen, sie ist ein Gefühl.
Wenn wir unsere Gefühle wahrnehmen, statt sie zu verleugnen oder herunterzuspielen, heilen wir uns und bewegen uns auf eine bessere Zukunft zu. Die eigenen Gefühle wahrzunehmen, annehmen, bedeutet, sie los zu lassen. Keine Mauern errichten, sondern das Zentrum des eigenen Kummers berühren.

Das Klima schien nun endgültig vergiftet. Die Kommunikation reduzierte sich auf das Notwendigste. Diese negative Energie lähmte nicht nur mich, auch die Kunden kamen nicht mehr in dem Masse, wie vorher.

Ich frage Rondro nach einem Schamanen. Sie kannte keinen, wollte sich aber umhören. Nach einigen Tagen hatte sie einen Tipp erhalten und wir fuhren los, um ihn zu treffen.
Doch das Haus, wo er wohnen sollte, sah verlassen aus. Im Nachbarhaus erschien eine junge Frau und teilte uns mit, dass der Schamane sehr alt war und die Stadt schon vor zwei Jahren verlassen hatte, um bei seiner Familie zu leben. Sie kannte aber einen Schamanen, er sei der Beste der ganzen Region und sie habe am nächsten Tag einen Termin bei ihm. Sie würde uns gern den Weg zeigen.
Rondro und ich stiegen in den Transporter und waren aufgeregt.
„Das ist kein Zufall, Rondro!“ sagte ich ihr.
„Ja, das ist erstaunlich. Nicht nur, dass wir eine Frau getroffen haben, die einen Schamanen kennt, sondern, dass sie auch noch einen Termin bei ihm hat.“
„Das ist ein Hinweis, Rondro. Ich bin mir ganz sicher. Du wirst sehen, er wird helfen können.“
„Wir können sie morgen abholen, dann fahren wir mit ihr zusammen dorthin.“
„Ja, das machen wir. Ich freu mich schon.“

Am nächsten Morgen fuhren wir wieder zu diesem Haus, holten die junge Frau ab und machten uns auf zum Schamanen. Der Weg führte stadtauswärts. Wir verliessen die Straße und fuhren einen Weg entlang quer Feld ein. Es war eine Piste. Über Wurzelwerk und Wiese fuhr ich mit dem VWT2. Stellenweise kam ich kaum durch die Büsche und hatte Angst um die Außenspiegel.
„Soll ich das Auto nicht lieber hier irgendwo abstellen? Ich komme kaum noch durch.“
„Nein, das brauchst du nicht. Du kannst weiter fahren.“
„Rondro, der Weg wird immer schwieriger.“
„Nein, sie sagt, dass viele Leute mit dem Auto zum Schamanen kommen.“
Endlich sah ich die Hütte von Weitem und parkte unter einem Baum. Es saßen bereits mehr als zwanzig Personen davor und warteten. Immer wieder kamen Menschen und setzten sich dazu.
Die junge Frau erzählte, dass der Vater ihres Kindes sie verlassen hatte und nun holt der Schamane ihn zurück. Auf meine Frage, ob er das kann, lachte sie und sagte, "Ja sicher, er ist ja schon zurück, aber er soll mich heiraten."
Der Platz auf dem die Hütte stand, strahlte eine Kraft aus, die man schlecht beschreiben kann. Es schien, als wäre der Schamane selbst nicht mehr notwendig. Der Ort selbst gab Kraft und das Warten war mehr Meditation als Geduldsprobe.
Ich war mit meinen Gedanken in mich versunken, nahm die leisen Stimmen wahr, das Lachen und sah um mich herum nur Natur. Der Blick fiel auf das ausgetrocknete Flussbett, die Palmen und die Sonne, die sich langsam hinter dem Hügel verabschieden wollte. Die Bäume flüsterten. In den diamanten funkelnden Blättern tummelten sich kleine Naturgeister. Als würden die Grillen und Vögel mit ihrem Gesang einen Schutzwall um diesen Platz zaubern, der keine Störung zuließ. Ich wurde so ruhig. Alles hier war friedlich, leise und leicht. Ein Ort, an dem die Seele auftankte. Ein Ort, der inneren Heilung.
Endlich waren wir an der Reihe. Vor der Hütte zogen wir die Schuhe aus und setzten uns zum Schamanen auf die Matte. Er hieß Hassan, war Ende 30 und strahlte eine Kraft und Freude aus, die man selten im Leben sieht.
Ich hatte viele Fragen und er legte die Münzen. Seine Legeweise erinnerte an Geomantie. Er legte die Münzen jedoch nicht in vier Reihen, wie ich es aus Deutschland kannte, sondern er legte sieben Reihen untereinander, dabei entstanden vier oder fünf Figuren. Er gab mit einer festen Überzeugung die Antworten. Gab mir sowohl Mittel zum Schutz, als auch Mittel zum Schutz des Internetcafes gegen Unglück und Böses. Ich bat um ein harmonisches Arbeitsklima und gute Geschäfte.
Als wir gingen, war ich voller Zuversicht und wusste, dass ich von nun an, sehr oft zu ihm kommen würde. Wir fuhren zurück und waren von diesem Erlebnis sehr beeindruckt.
Als wir im Internetcafe ankamen, waren wir verblüfft. Der Kundenraum war voller Kundschaft. Als Jan uns kommen sah, sprang er auf, lachte uns an, erzählte Neuigkeiten und ging wieder seiner Arbeit nach - mit einem Lächeln.
Wir schauten uns an und sagten fast einstimmig: "Hassan" und lachten laut los.
Der Zauber des Schamanen wirkte. Das Klima verbesserte sich wieder spürbar. War ich doch ein Harmoniemensch und brauchte Frieden, um leben und arbeiten zu können.



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