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Die Frage, was bringt mich dazu eine Ziege zu ...

 
 
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Ancalagon
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Alter: 51
Beiträge: 72



A
Beitrag13.03.2008 19:25
Die Frage, was bringt mich dazu eine Ziege zu ...
von Ancalagon
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Meknes, 1994.

Islam. Vielen sagt das Wort alles, ebenso vielen aber auch gar nichts. Mir sagte es damals nur so viel : Ich darf meine Freundin nur hinter verschlossenen Türen küssen. Erstens war das schon schlimm genug, und zweitens gab es bei ihren Großeltern wo wir waren, gar keine Türen.

Wir lebten auf dem Land in bescheidenen Verhältnissen. Es fehlte an nichts, versteht mich nicht falsch. Es gab mehr zu verspeisen als mein Magen vertrug, das Dach über dem Kopf war dicht und ihnen gehörte eine nicht unbeachtliche Größe an Landbesitz.
Es waren mehr die landesspezifischen Dinge. Strom nur Stundenweise, Wasser nur aus dem Brunnen. Ein Bad fehlte ganz. Solche Dinge.

Dennoch fühlte ich mich sauwohl und war zufrieden. Naja gut. Zufrieden jetzt nicht ganz, es gab da eben diese klitze kleine Kleinigkeit, die mich in den Wahnsinn trieb. Vergesst bitte nicht, ich war 24 und meine Manneskraft stand vor verschlossenen Türen. Also, rein vom Sinn jetzt. Denn Türen .... gab es nicht. Richtig.
Jedenfalls dürstete es mich nach Zärtlichkeit und in meinen Lenden entflammte ein Feuer, welches die Sonne hätte verbrennen können. Locker. Wie glühende Lava zog sich eine brodelnde Liebesglut durch meine Adern und brachte mein Blut zum kochen.

Es gab im Grunde nur eine Lösung für das Problem. Heiraten. Ja gut jetzt, natürlich nicht sofort ! Aber ihre Großeltern mochten mich. Sehr sogar. Wahrscheinlich weil ich einfach ein netter junger Mann war, und weil ich mich nicht ernster nahm, wie ich war. Natürlich halt.
Es stand ja nicht auf meiner Stirn : Ich will eure Enkelin mit der Kraft eines Thor und der Wirkung seines Bohrhammers das Evangelium einhämmern. Tief und tiefer.
Moment ! Nur um das klar zu stellen ! Ich liebte Sie ! Wirklich und über alle Maße ! Ich tat alles für sie ! Wenn da nur nicht dieses Feuer in mir brennen würde. Ein Feuer welches zu löschen kaum möglich. Im Gegenteil, es wurde geschürt. Jeder Blick, jede kurze Berührung, jedes Wort von ihr wurde plötzlich in seiner Wirkung einem Aphrodisiakum gleich zu Gift für meine empfohlene Enthaltsamkeit.

So kam es, das heiraten zwar ein Thema wurde, aber es schon genügte,  wir das OK für eine Verlobung bekommen würden. Genügen für - alleine mit ihr spazieren gehen, in die Stadt fahren, einen einfachen gute Nacht Kuß. Lapidare Dinge die unbezahlbar wurden. Wenn mich noch mal einer fragt, weshalb Touristinnen dort ungerne in Sommerkleidung gesehen werden.... Ich wurde schon scharf wenn eine Frau auf dem Markt ein gewisses Obst kaufte.
Gesagt getan, wir bekamen das O.k.  ! Ja, toll. Und jetzt ? Das kann ich euch sagen. Nichts mit, schnell Danke sagen, Freundin schnappen und ab ins Gebüsch am Wegesrand. Nene... einkaufen. Mit Familie.
Und zwar 120 Hühnchen, 20 Säcke Reis, Obst, Brot und vieles Allerlei für eine Megaportion Kuskus. Dazu eine Ziege.

Ihr ahnt es schon ? Richtig. Das musste gefeiert werden. Jeder Ar... Nachbar sollte wissen, was ich wollte. PIMPERN. Super.
Klar, offiziell war ich nur der neue Verlobte der die Enkelin in Deutschland heiraten möchte. Standesamtlich. Gedacht hat jeder was er wollte.
Für die Großeltern war es nicht zwingend nötig, das ich zum Islam wechselte, nicht mit Papieren und Prüfung jetzt. Nein, es ging auch anders. Einfacher. Warum ? Weil sie eigentlich froh waren, das ihre Enkelin in Deutschland sein konnte und auch bleiben durfte. Nur ein kleiner Punkt, der war Pflicht. Zwei Worte : Schnippi schnappi !
Jaaahaaa, ihr denkt richtig. Zipfelmütze weg. Und zwar vor allen Anwesenden, von einem Barbaren mit Schnitzmesser und der Höhepunkt des Tages. Ach was, des Jahres.

So viel zum Feuer in meinem Lenden. Stellt euch einen Flächenbrand vor, und plötzlich kommt eine Eiszeit die jegliches Flämmchen auf nimmer Wiedersehen im Keim erstickt. Ende, aus, vorbei.
Problem an der Sache war, es gab kein zurück. Es folgte eine, nennen wir es, hitzige Diskussion mit meiner Freundin, ihrem Opa und dem "Prediger mit der Machete". Ich wäre ja bereit zu diesem Einschnitt, nur halt nich SO ! Gut, nach 2 Std. sahen sie das ein aber irgendwas musste ich tun ! Dann sprach ich den Satz aus, den man nie - und ich meine wirklich NIE aussprechen sollte, egal wie eng es um einen steht.

ICH TUE WIRKLICH ALLES ! NUR DAS NICHT !

Tödlich. In diesem Sinne sogar wörtlich zu nehmen. Nur nicht für mich. Mir wurde eine Ehre zu teil, welche angeblich in ihrer Bedeutung dermassen hoch angesehen wurde, das man im ganzen Bezirk von mir sprach. Was es war erkannte ich am Abend des feierlichen Festtages. Die Sonne ging gerade unter, und schwand am Horizont hinter den Stadtmauern am Ende des Feldes, auf dem eine riesige Menschenmenge versammelt war. Meine Freundin kam, und war sichtlich nervör. Ich meine, so richtig nervös ! Aber eher freudig nervös. Man verband mir die Augen und führte mich nach draussen. Dann drückte man mir etwas in die Hand und meine Herzallersüßeste sprach in mein Ohr: " Für uns ist dies etwas ganz Besonderes. Für Dich ist es eine Ehre, die ich Dir jetzt nicht erklären kann, nur soviel. Tu es einfach. Bitte. "

Dann nahm man mir die Binde ab und ich kapierte zunächst gar nichts. Die Menschen standen in einem Kreis um mich herum und jubelten. Fühlte mich wie Meknes Hotel Wink Nein, im ernst - es war wirklich sehr faszinierend. Dann sah ich mich um und erblickte vor mir eine Ziege. Es war jene vom Markt. Sie meckerte blöd rum und stand da. Einfach so.
Dann widmete ich meine Aufmerksamkeit dem kühlen Gegenstand in meiner Hand.  Ein Schauer überkam mich, mein Blut gefror. Es war eine Klinge. Scharf wie ich Tage zuvor nach Liebe, lechzte sie nach dem frischen Blut des armen Tieres. Ein Opferlamm (Bock oder wie auch immer).

Lange Rede kurzer Sinn, manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss. Und manchmal, ja manchmal muss er zahlen für etwas, was ihn in einer Sekunde um Jahre reifen läst. Nichts war ab diesem Tage mehr, wie es vorher war. Nichts war mehr so, wie Stunden zuvor. Nichts wird mich jemals vergessen lassen, was ich tat.
Die Menschen jubelten. Sie feierten mich hoch. Der Opa strahlte und weinte ! Es war ihr Glauben ! Meiner, war es nicht. Doch war es meine Hand, die die Klinge führte, an dan Hals zu der Ader aus der es floß. Rythmisch. Rot.

Ich weiß nicht wie blass ich wurde, aber es muss sehr blass gewesen sein. Auch kann ich mich nicht erinnern, wie lange ich mich übergab und wann das Zittern in meinen Händen aufhörte. Oder wann ich wieder ruhig schlafen konnte. Nur eines weis ich noch genau. Jedes Feuer kann gelöscht werden. Und wer es entfacht und sich an ihm wärmt, sollte damit rechnen, das Feuer alles verbrennt und so manches mal eine schwarze Stelle hinterläst.



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Elvis Brucelee
Klammeraffe
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Beitrag13.03.2008 20:45

von Elvis Brucelee
Antworten mit Zitat

Nun ja, ich hätte es nicht gemacht, aber ich esse ohnehin seit siebzehn Jahren kein Fleisch mehr. Du hast lediglich getan, was hierzulande in Fließbandarbeit geschieht - eigentlich ist es hier noch viel grausamer, da es so systematisch vor sich geht, dafür wird hier wenigstens nicht geschächtet. Wobei ich Geschichten kenne, bei denen die Tiere hier teils noch länger leiden müssen als beim Schächten, trotz Tierschutzbestimmungen.
Zudem haben solche Fabriktiere die Außenwelt ausschließlich beim Verladen auf den Tiertransporter gesehen.
Nur sieht man dies einer Wurst leider nicht mehr an.
Insofern ist das eigenhändige Schlachten immer noch wesentlich ehrlicher, als großmäulig "ich will Fleisch" zu brüllen und die wirklich Drecksarbeit anderen zu überlassen. Du hast dir den Fleischkonsum somit redlich verdient.  Cool
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Ancalagon
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Beitrag14.03.2008 01:22
naja
von Ancalagon
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,
habe keinen Bissen davon gegessen. Ging nicht. Habs einfach nicht runterbekommen. Man sagte mir noch, es würden Endophine oder sowas freigesetzt und das Tier hätte nichts verspürt.  Dennoch, an essen war danach nicht zu denken.
Ich denke, man wollte mich nur ablenken. ,-)


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Hektograf
Eselsohr


Beiträge: 221



Beitrag14.03.2008 04:37

von Hektograf
Antworten mit Zitat

wiedermal mit interesse gelesen - hoffe auf mehr

hab keine ahnung was ich an deiner stelle getan hätte, aber ich vermute
ich hätte die ziege auch nicht getötet. was natürlich lächerlich kurzsichtig ist als gewöhnlicher fleischesser. tja

Gruß
H
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Ancalagon
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Alter: 51
Beiträge: 72



A
Beitrag14.03.2008 13:38

von Ancalagon
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hektograf hat Folgendes geschrieben:
wiedermal mit interesse gelesen - hoffe auf mehr

hab keine ahnung was ich an deiner stelle getan hätte, aber ich vermute
ich hätte die ziege auch nicht getötet. was natürlich lächerlich kurzsichtig ist als gewöhnlicher fleischesser. tja

Gruß
H


Das Problem an der Sache, man kann es nicht wirklich nachvollziehen oder verstehe, wenn man es nicht erlebt hat. Vorher habe ich auch immer gesagt, sowas könnte ich nicht. Also bei ähnlicher Thematik jetzt. Aber in diesem Augenblick, diese Atmopsphäre... man will es wissen einfach. Man ist berauscht. In einer anderen Welt.
Nur so besticht man einen Zollbeamten in Spanien mit 50 DM. Nur so schwimmt man im offenen Meer bei einem Orkan. Weil mann lebt, wie in einem Roman. Und man möchte, das es nie aufhört. Niemals.


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