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entartet


 
 
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MichelleC
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
M

Alter: 35
Beiträge: 8
Wohnort: Berlin


M
Beitrag17.02.2014 02:30
entartet
von MichelleC
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Entartete Kunst

das bildnis dieser welt
zeigt es ganz genau
wo anfangs satte farben waren
ist jetzt schwarz und grau

den maler trifft keine schuld
er hat gutes gewollt
doch eines nicht bedacht:
die zerstörerische menschenmacht

wie lieblos wir das werk ansehen
trotz offener augen nicht verstehen
mit hass und krieg und elend schmeißen,
die leinwand so in fetzen reißen

was soll es beweisen?
dass wir die krankheit dieser erde sind?

wir müssen die kunst begreifen,
den egoismus von uns streifen
dann sehen wir, was er sah:
dass farbe einmal war

das gute tun heißt lieben:
sich selbst, die menschen und die welt
kein stärkeres wort -
das ist, was uns zusammenhält
-----------------------------------------

Ich weiß, der Titel ist provokant - zu schlimm? Bin mir selbst nicht ganz sicher.. Auch die Kleinschreibung ist ein Versuch, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er gut wirkt. Freue mich über eure Meinungen! Smile

LG Michelle

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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag17.02.2014 18:55

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Michelle,

ich habe mal ganz neugierig in deine Vorstellung auf dem Roten Teppich geschaut. Was du da schreibst, dass man immer auch wieder mal zweifelt, das kennt jeder und ist auch ganz gut so. Auch schreibst du, das du auf jeden Fall weitermachen willst und das hat mir sehr gefallen. Da macht es dann auch Laune, einem Text und einem Schreiber ein Augenmerk zu schenken.
Auch deine Fragen, die du unter den Text setzt, zeigen mir, dass du deinen eigenen Entscheidungen kritisch gegenüber stehst.

Ich gehe dann mal gleich zuerst auf die beiden Fragen ein.

Zum Titel: „Entartete Kunst“. Diese Bezeichnung gab es zu jeder Zeit in der Kunst, ob die Romantik einen Blick auf die Spätantike warf (also rückwärts gerichtet), oder in der Kaiserzeit die „moderne Kunstentwicklung“ als solche bezeichnet wurde. Seit der Nazizeit jedoch denkt man bei diesem Begriff an die Konfiszierung der Kunst, die nicht dem Schönheitsideal (ein auf rassistischem Gedankengut beruhendes) des Nationalsozialismus beruhte. Es war nur eine der vielen Diffamierungs- und Säuberungsversuche, so wie auch das Berufsverbot dieser Künstler.

Insofern finde ich den Begriff „Entartete Kunst“ schon sehr gefährlich belegt.
Aber vielleicht fängt der Text es ja überzeugend auf.

Zu der Kleinschreibung: ich kann dir nur sagen, wann ich sie benutze und welche gedanken ich mr dazu gemacht habe. Ich setze sie dann, wenn sie mir Doppellesbarkeiten bietet und wenn ein Text (vielleicht, weil er in leisen Worten einen ganz zerbrechlichen Inhalt transportiert) keine optischen Hervorhebungen von Nomen aushält. Es ist für mich bei jedem Text eine neue Entscheidung.

Hier hätte ich mich für die Groß- und Kleinschreibung entschieden, denn ich sehe keinen direkten Mehrwert bei einzelnen Worten durch die Kleinschreibung und der Text setzt recht kräftig seine Worte: „Schuld / Menschenmacht/ Krieg und Elend schmeißen“ sind nur einige Beispiele, wo die Nomen heraustreten könnten.

Jetzt noch ein paar Gedanken zum Text:

der Text möchte dem Leser etwas sichtbar machen, ihn auf Missstände aufmerksam machen, ihm sogar eine mahnende Lehre zum Schluss dalassen. Er tritt sehr deutlich auf und gibt sich so, als wüsste er die Antwort.

Diese „Texthaltung“ ist für mich immer eine etwas problematische, da es nur selten gelingt, dem Leser etwas zu schenken, was er nicht eh schon weiß, solche allgemeinen „Weisheiten“ wie „das gute tun heißt lieben:“ suche ich weniger in einem Gedicht.
Wenn schon den Finger auf die Wunden dieser Welt legen, dann vielleicht mit einem „ungewöhnlichen Blick“, einer neuen Perspektive, einem Ton, der mich aufhorchen lässt. Du hast also eine recht schwierige Intention hier ins Auge gefasst für einen Einstandstext.
  
Du versuchst nun eine „Abbildungsebene“ zu schaffen für deine Aussagen und wählst „das Kunstwerk“ als Stellvertreter für „die Welt in ihren Farben“. Das Verfahren gefällt mir und ist auch ein lyrisches. Es zeigt mir auch, dass du versuchst zu gestalten. Nur scheint mir die Bildebene manchmal ein wenig hin und her zu rutschen.


Zitat:
Entartete Kunst

das bildnis dieser welt
zeigt es ganz genau
wo anfangs satte farben waren
ist jetzt schwarz und grau


Verstehe ich das richtig: du stellst mir hier ein Bild hin, auf dem die Welt in satten Farben abgebildet ist, so wie sie einmal war und gewollt wurde vom Maler a)Leinwandbild / Schöpfer b)reale Welt. (Beide Künstler/ beides ein Kunstwerk). Nur die reale Welt stimmt nicht mehr mit dem Kunstwerk auf Leinwand überein.

Zitat:
den maler trifft keine schuld
er hat gutes gewollt
doch eines nicht bedacht:
die zerstörerische menschenmacht


Würde hier nicht besser Künstler oder Schöpfer stehen, so dass es sich auf beide beziehen könnte. Denn in der nächsten Strophe steht für mich das Werk auch für beides: Welt und Abbild der Welt. Und ist es hier die Frage der Schuld die richtige? Und hat er nur Gutes gewollt, oder Gutes geschaffen? Du siehst hier auch meine inhaltlichen Fragen.

Zitat:
wie lieblos wir das werk ansehen
trotz offener augen nicht verstehen


Das gefällt mir, hier nimmst du die Ebene Kunstwerk und besagst mir, dass die Wirklichkeit des Bildes für den Betrachter das ist, was er sieht, was er daraus macht, was er darin findet und das ist am Ende immer das, was er auch in sich finden kann. Es sehen eben nicht mit den Augen alleine. Und hier ist ja auch die Übertragung machbar, die Wirklichkeit der Welt ist das, was wir zulassen, das, was wir zu sehen in der Lage sind.

Zitat:
mit hass und krieg und elend schmeißen,
die leinwand so in fetzen reißen


Die „Leinwand“ funktioniert für mich hier auch nicht ganz. Denn Krieg und Hass zerstören weniger das Bild, als die Welt selbst. (Das sind die kleinen Verschiebungen in der Zuordnung, die ich oben meinte.)

Zitat:
was soll es beweisen?
dass wir die krankheit dieser erde sind?


Was meinst du hier mit „es“? Das hängt für mich ein wenig in der Luft. Willst du fragen: was wollen die Menschen beweisen, mit Krieg und ihrer Zerstörung? Oder willst du sagen: das Tun der Menschen beweist, dass sie die Krankheit der Erde sind.

Die nun folgenden Strophe erteilen mir eine Lehre, winken mir zu sehr mit Moral in Allgemeinplätzen. Daher gehe ich da nicht näher drauf ein.

Michelle, die Schönheit der Welt, die kunstvolle Beschaffenheit der Natur und das zerstörende Tun der Menschen, die Ebene des Kunstwerks und die des Betrachters, die Frage: „Wer oder was ist hier entartet“, das alles ist schon eine interessante und komplexe Thematik, aber die lyrische Umsetzung in der Komplexität ein schwieriges Unterfangen.

Es ist nach zwei eingestellten Texten wirklich schwer, einen Hinweis zu geben. Ich versuche es dennoch: Ich sehe, dass du an den Texten gearbeitet hast. Das ist nicht etwas eben mal so Hingeschriebenes. Ich würde mir vielleicht kleinere, weniger komplexe Inhalte auswählen, um einfach zu Beginn das Augenmerk mehr auf sprachliche Umsetzung legen zu können.

Mir ist aufgefallen, dass du den Reim magst und ihn in beiden Texten gestalterisch eingesetzt hast. Vielleicht findest du unter „Schreibübungen Lyrik“ (von Nihil) unter der Rubrik „Form“ etwas, das dich interessiert und inspiriert.

Ich bin gespannt auf deinen nächsten Text. Liebe Grüße Aranka


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MichelleC
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Alter: 35
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Wohnort: Berlin


M
Beitrag23.02.2014 02:28

von MichelleC
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Aranka,

ich danke dir für deine ausführliche Besprechung zu meinem Gedicht. Ich hatte selbst so meine Schwierigkeiten, die Thematik sprachlich umzusetzen und ich glaube du hast genau diese Probleme sehr gut benannt. Ich werde das Gedicht überarbeiten und die Leinwand/Kunst Metapher überarbeiten und die End-Moral vermutlich ganz streichen, um nicht so belehrend zu wirken.

An sich hatte ich bei dem "Maler" an Gott gedacht, der die Welt geschaffen hat als schönes Gemälde. Der Mensch nimmt sich diesem Gemälde nun an, beschmutzt es aber mit seiner Schlechtigkeit.

Vielleicht poste ich nochmal eine überarbeitete Fassung.

Vielen Dank erstmal Smile Ich werde deinen Rat annehmen und mich erstmal an "kleineren" Themen versuchen und mich auf's Sprachliche konzentrieren.

Liebe Grüße,
Michelle
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Mogmeier
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Moderator
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Beitrag23.02.2014 05:13

von Mogmeier
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Hallo Michelle,

ich finde es so recht gut gelungen, möchte aber fast sagen, dass es ohne die letzte Strophe viel mehr Aussage hätte. – Das macht ja gerade den Reiz der Lyrik aus, als Leser zu interpretieren, was der Schreiber eigentlich mit dem Gedicht sagen wollte. (Man muss den Leser dabei nicht unbedingt wie eine Katze mit ihrer Nase in ihr eigenes Häufchen stupsen.)

Sehr gut finde ich in deinem Gedicht das vermittelte Bild der verblassten Farben des Gemäldes, bzw. den Grauton als Resultat ... was sich allerdings für meinen Geschmack zu sehr mit dem direkten Erwähnen der zerstörerischen Menschenmacht usw. beißt.


_________________
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Laotse
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MichelleC
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Beitrag23.02.2014 21:19

von MichelleC
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Hallo Mogmeier,

die letzte Strophe habe ich gestern beim Überarbeiten schon gleich gestrichen, war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich sehe was du meinst - vielleicht sollte ich die "zerstörerische Menschenmacht" nicht so direkt erwähnen und in der gleichen metaphorischen Sprache einbauen? Also, damit es sich nicht mit der "Kunst"-Metaphorik beißt.

Danke für die Anregung! Smile Freue mich sehr über die ganze Hilfe hier!

LG
Michelle
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MichelleC
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Alter: 35
Beiträge: 8
Wohnort: Berlin


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Beitrag26.02.2014 14:58
Entartet - zweite Fassung
von MichelleC
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier einmal die überarbeitete Fassung, mit der ich jetzt etwas glücklicher bin..

Entartet

Das Bildnis dieser Welt
offenbart es uns genau:
wo anfangs satte Farben waren
bleibt nur schwarz und grau

Den Maler trifft keine Schuld
er hat Gutes gewollt
doch eines nicht bedacht:
die Erben seiner Hinterlassenschaft

Wie lieblos wir die Kunst ansehen
trotz offener Augen nicht verstehen
mit Hass und Krieg und Elend schmeißen,
das große Werk in Fetzen reißen

Was soll es beweisen?
dass wir die Krankheit dieser Erde sind?

Falls wir die Reinheit doch begreifen,
die schlechten Sitten von uns streifen,
dann sehen wir, was er sah:
die Farbe, die einst war
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