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Show oder Tell??

 
 
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Fjodor
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1485



Beitrag30.05.2012 13:07

von Fjodor
Antworten mit Zitat

Ich denke, wer hauptsächlich mit dem Ziel schreibt, irgendwann einmal einen Unterhaltungsroman bei einem Publikumsverlag unterzubringen ist im wesentlichen gut damit beraten "Show, don't tell" im  Hinterkopf zu behalten.
(da verstehe ich Schreibmaschines Einwand ggü. pna).

Wer im Sinn hat, irgendwo selbst literarische Marken zu setzen, sollte sich näher mit pna 's Gedanken auseinandersetzen.

Wobei ich gleichzeitig daran erinnern möchte, dass der größte Teil aller gängigen Unterhaltungsromane relativ schnell "durchgereicht" wird, während es durchaus mitunter die eigenwilligen Bücher sind, die Best- und Longseller sind.
Experimentierfreude und artistisches Erzählen muss also nicht heißen, dass man kein größeres Publikum ansprechen will.

Und klar gibts heute vorherrschende Seh- und Lesegewohnheiten, aber es gibt ja auch das Publikum, das bewußt Alternativen sucht.

Hubis Statement fand ich super (auch wenn ich selbst eine ganz andere Einstellung habe), weil es ein Gegenelexier dazu ist, das Schreiben nur stur und "fixiert" in Bezug auf Veröffentlichungen zu betreiben.

LG, F.
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Jae
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 30



Beitrag30.05.2012 13:43

von Jae
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Hallo, Peter,

pna hat Folgendes geschrieben:
Vor dem flammenden Hintergrund der brennenden Stadt fuhr ein Schleppkahn stromabwärts und im Schein der vom Krieg erhellten Nacht standen gebückt zwei rauchende Matrosen auf dem Achterdeck und rollten Taue auf.


Sollen beide Beispiele Telling veranschaulichen? Ich bin nämlich der Meinung, das gerade im zweiten Beispiel auch sehr viel Showing drin ist. Zum Beispiel sind die Adjektive alle beschreibend (z.B. brennend, erhellt, gebückt, rauchend) und nicht wertend (du hättest ja auch schreiben können, z.B. erschöpft, kriegsgebeutelt, etc.).

Das andere Beispiel dagegen enthält deutlich mehr Telling.

Zitat:
Der Vorsitzende der Hemingway-Kommission war ein weißgekleideter, schweratmender Mann, der stets voran ging und niemandem die Tür aufhielt.


Hier haben wir z.B. ein Verb, was typisch für Telling ist bzw. sein kann ("war"). Und wir beobachten die Person auch nicht bei etwas, was sie jetzt in dem Moment tut oder nicht tut, sondern wir erhalten eine Aussage über das, was sie ständig zu tun pflegt. Wir sehen auch seine Kleidung nicht -- trägt er einen Laborkittel? Ein blütenreines Hemd mit gestärktem Kragen?

Natürlich könnte man auch das Beispiel mit den Matrosen noch mehr in Richtung Showing rücken, aber es geht schon viel mehr in Richtung Showing als das Beispiel mit dem Vorsitzenden. Wie du schon sagst, die Übergänge zwischen Showing und Telling sind fließend. Man kann sich das mehr als Kontinuum vorstellen und nicht als dichotome Kategorien.

Im Übrigen hängt die angemessene Balance zwischen Showing und Telling meiner Meinung nach auch stark von der Erzählperspektive ab, aber das hier zu erörtern würde wohl zu weit gehen.
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Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6367
Wohnort: USA
DSFo-Sponsor


Beitrag30.05.2012 14:07

von Murmel
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Warum show und weniger tell?

Die Antwort findet sich nicht im literarischen Kontext, sondern in der Psychologie, in den unbewussten Vorgängen, die sich während des Lesens abspielen.

Wer das erforschen will, kann sich mit NLP auseinandersetzen, Neurolinguistische Programmierung, und erproben, was passiert, wenn man tatsächlich "Walking in someone else's shoes" ausprobiert und was dazu nötig ist.

Ständig werden die alten Meister zitiert, die literarische Größen, ohne dabei zu hinterfragen, wie sie heute geschrieben hätten. Vielleicht anders?
Hätte Mozart heute noch seine Zauberflöte so komponiert? Was flösse heute aus der Feder von Dumas? Von Shakespeare?

Jeder schreibt, komponiert und malt in seinem Kontext.

Das Genie Hemmingways ist nicht, dass er tell und show in der Balance hielt, sondern die Inhalte, die er transportierte und sein ihm eigener minimalistischer Stil.

Murmel's 2 cents.


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kskreativ
Geschlecht:weiblichMärchenerzähler
K

Alter: 59
Beiträge: 2232
Wohnort: Ezy sur Eure, France


K
Beitrag30.05.2012 14:15

von kskreativ
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Hängt das nicht auch ein wenig von der Art der Geschichte selbst ab? Bei einem Thriller oder Krimi denke überwiegen doch die Show Elemente. Ansonsten denke ich, hilft nur ausprobieren. Eine allgemein gültige Regel gibt es nicht, nur Anhaltspunkte, nach denen man sich orientieren kann. Wäre ja sonst auch ziemlich langweilig.

LG, Karin


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C'est la vie. oder: Du würdest dich wundern, was man so alles überleben kann.
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sinner
Leseratte
S


Beiträge: 167



S
Beitrag30.05.2012 15:21

von sinner
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So ist es.

Aber es ist schon viel geholfen, wenn wir von dieser unsäglichen "show ist besser als tell" Aussage wegkommen.

Daran halten sie nicht mal mehr bei Montse fest.

smile
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Seitenschneider
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 324



Beitrag23.07.2012 16:08

von Seitenschneider
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Das sehe ich etwas anders.

Es kommt natürlich auf die Geschichte an und was ein Autor beabsichtigt.

Aber Show don't tell bietet sehr viele Vorteile.

Die Kunst oder das Handwerk besteht allerdings darin,sich auf die wesentlichen Details zu beschränken.

In Bezug auf einen Charakter,kann man es auch als Gefühle zeigen verstehen.

Desweiteren wirken Figuren durch Aktion und Dialog sehr überzeugend und lebendig. Der Leser hat keine ungefähre Vorstellung  ,sondern eine ziemlich klare,weil mit hoher Intensität erzählt wird.

Dadurch gerate ich als Erzähler in den Hintergrund,und der Leser ist keine Sekunde abgelenkt,sondern genau da wo er sein soll.
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Nordlicht
Geschlecht:weiblichWaldschrätin


Beiträge: 3755



Beitrag23.07.2012 16:26

von Nordlicht
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Eine gute Daumenregel finde ich "Show the important, interesting parts and tell the boring parts".
Ich benutze tell meist als Brücke zwischen Szenen, um den Hintergrund einer Handlung zu skizzieren oder als Einleitung einer Szene. Sowie (sparsam eingesetzt) in Rückblicken. Und das Übrige ist show.


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If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood
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Ozymandias
Geschlecht:männlichSchneckenpost
O

Alter: 45
Beiträge: 10
Wohnort: Siebter Höllenkreis


O
Beitrag30.12.2012 07:17

von Ozymandias
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Hallo KeTam,

bissl spät, ich weiß, aber das ist ein interessantes Thema, daher...

Show, don't tell. Was bedeutet es? Wie wichtig ist es?

Show im Sinne von "zeigen", bedeutet erstmal nur, den Leser in die Szene zu versetzten, seine Sinne anzusprechen. Am besten alle fünf, mit dem Sehsinn an erster Stelle, dann das Hören, dann die restlichen drei. Denn so nehmen wir die Welt wahr. Denk einmal an einen Kinofilm, große Bilder, 3D und dazu dolby surround.

Tell dagegen heißt in diesem Zusammenhang nicht einfach erzählen, das tut ein Autor immer. Ein Buch ist immer "erzählt", das liegt in der Natur der Sache. Man kann es verstehen als "von" etwas oder "über" etwas erzählen.


Beispiel:

Joe war nervös, denn er hatte Prüfungsangst.

Das ist reines Tell. Ich zeige nicht, wie Joe aussieht, wenn er Angst hat, nicht, wie er sich verhält. Ich benenne es einfach. Und genauso teile ich den Grund dazu mit. Weil er Prüfungsangst hat. Punktaus.

In Show hört sich das eher so an:

Joe brach der Schweiß aus. Gott, wie er diese verdammte Prüfungsangst hasste.

Das ist Show. Ich bennenne nicht Joes Gefühl, sondern werfe dem Leser skizzenhaft hin, wie sich Joes Nervosität zeigt. Genauso ginge: Joe wurde kreidebleich. Oder ähnliches. Eine genaue Beschreibung braucht es nicht, dass Joe nicht vor Hitze schwitzt, wird aus dem Kontext klar. Spätestens beim Nachsatz, wenn nicht schon zuvor die Prüfungssituation dargestellt ist, weil es z.B der Szeneneinstieg ist. (Da ist es sogar hilfreich, dass der Leser zuerst nicht weiß, warum Joe einen Schweißausbruch hat.) Der zweite Satz ist die erlebte (Gedanken)Rede, hier springe ich direkt in die Innensicht des POV.
Das Ganze liest sich lebendiger und transportiert zugleich mehr Information. Die Art, wie Joe nach außen auf seine Angst reagiert (Schweiß, die Angst ist sichtbar, er ist kein harter Hund, der keine Miene verzieht), und auch nach innen (er hadert damit, Prüfungsangst zu haben, er flucht. Was sagt allein schon seine Sprechweise über ihn aus. Der Ausruf: Gott. Und "verdammte" Angst.)

Wie wichtig ist diese Regel? Ziemlich unwichtig, finde ich, wenn man es denn überhaupt eine Regel nennen kann. Aber sie hat aus mehreren Gründen Gewicht.
Möchtest du einen Thriller schreiben, dann bekommt sie enormes Gewicht. Dann ist es sicher eine Regel, fast schon ein Gesetz. Ob Dan Brown, Michael Crichton, Scott Sigler oder meinetwegen Frank Schätzing, sie alle verwenden Show. Und zwar kräftig.
AAAber: Das meistverkaufte Buch (nach der Bibel) dürfte immer noch Herr der Ringe sein. Und das strotzt vor Tell. Vom Silmarillion fange ich gar nicht erst an.

Es kommt also darauf an, was du schreiben möchtest.

Zudem gilt, dass es keine Reinformen gibt. In einem Absatz, einer Szene, einem Kapitel, okay, mag sein. Aber ein ganzer Roman? Nee. Selbst  in einem Thriller, voller Action und Krachbumm, funktioniert reines Show nicht. Das wäre, als ob es einen Szenenumbruch nach dem anderen gäbe, Cliffhanger vom Fließband. Das ist Effekthascherei. Und nervt den Leser zu Tode.
Von Tell gibt es die Reinform (allermeistens) auch nicht. Sobald es bildhaft genug wird, den Leser wirklich fühlen zu lassen, kann man eigentlich nicht mehr von Tell sprechen. Selbst dann nicht, wenn der Autor Gefühle einfach benennt.
Beide Formen wechseln sich oft ab, von Satz zu Satz oder sogar innerhalb eines Satzes.

Warum also gibt es diese Regel, an der so viele knabbern? Weil sie griffig ist. Das ist alles. Es geht nicht darum, einen oder zwei Schreibratgeber zu fressen, um dann mit dem Rotstift auf die Jagd nach jedem Tell zu gehen.
Nur sind wir heute, nicht zuletzt durch die visuellen Medien, stark auf Show geprägt. Darum wird Tell schnell als langweilig empfunden. Die große "Erzählkunst" des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war Tell, bis das Kino und Hemingway kamen.
Hinzu kommt, dass Tell wesentlich einfacher zu schreiben ist, gutes Tell hingegen ungleich schwerer. Darum verwenden Anfänger gerne unbewusst Tell, wo es nicht hingehört, und das ist dann schlechtes Tell.

Denk mal an mein kleines Beispiel. Angst zu zeigen, und zwar knapp und prägnant, ist nicht so einfach. Show verwenden, nur um dann genau zu beschreiben, was der Charakter alles tut, wie es aussieht, sich anhört, riecht blabla.. ist kontraproduktiv. Und wie oft kann ein Charakter Schweißausbrüche bekommen, blass werden, zittern etc., bevor es dem Leser auch so geht? Oder wippt er vielleicht mit den Füßen, weil er Schiss hat? Kaut er an seinem Bleistift? Wieso deutet das auf Nervosität hin? Tut es eben nicht, jedenfalls nicht eindeutig. Würden wir einen nervösen Menschen tatsächlich sehen, wie im Film, ist uns sofort klar: So sieht einer aus, der Schiss hat. Im Buch braucht es entweder eine genaue Beschreibung (igittibahpfui) oder einen Kontext, der die Sache klärt. Das kann z.B die Gedankenrede sein, die eindeutige Situation, was auch immer.

Verglichen damit ist Tell kinderleicht. Joe war nervös. Aus. Einfacher gehts nicht. Die Frage ist nur, wer will das schon lesen? Trotzdem, in Maßen gestreut, passt eine Prise Tell nahezu überall. Kein Grund für radikale Rotstiftkommandos.
Und manches geht einfach gar nicht im Show Modus. Immer, wenn Du Zeitraffer verwendest, hat Show Pause. Nimm Patrik Süßkinds Roman das Parfüm. Da sitzt der gute Prota ein paar Jahre auf nem Berg. Es dürfte einleuchtend sein, dass du nicht jeden einzelnen Tag beschreiben kannst. Aber wenn diese lange Zeit für die Entwicklung des Charakters Bedeutung hat, kannst du sie nicht auslassen. Also gibts Tell. Auch wenn es, z.B im Bereich der Fantasy, episch werden soll, kommst du um Tell gar nicht herum.

Mischformen:
Auf das richtige Verhältnis kommt es an. Du kannst z.B einen langen Zeitabschnitt im Tell Modus erzählen, und dabei hervorragend Informationen rüberbringen, warum und wie sich der Charakter verändert. Für ein Schlüsselerlebnis, also einen Wendepunkt, zoomst du quasi hinein, gehst in den Show Modus, dann zoomst du wieder raus.

Lange Jahre war er allein durch die Wälder gestreift und er hatte gelernt, den Stimmen der Tiere zu lauschen. Aber die Dunkelheit, die er in seinem Herzen trug, wich niemals von ihm, auch wenn er zuweilen beinahe glaubte, glücklich zu sein. Sie schlief nur, um ihn erneut zu überfallen, sobald die Tage kürzer wurden und die Stimmen erstarben. Doch von Jahr zu Jahr bemerkte er, dass es ihn weniger berührte, er fühlte, wie er stetig stärker wurde.
Am Mittwintertag des siebten Jahres, schlich er zur großen Bärenhohle auf dem Hang des Eisenberges. Leise knirschte der Schnee unter seinen Sohlen. Aus der Höhle schlug ihm Wärme und der Geruch von Fell entgegen. Er hielt den Atem an. Behutsam, als taste er sich über dünnes Eis voran, setzte er einen Fuß vor den anderen. Sein Körper zitterte wie eine gespannte Bogensehne, er reckte den Speer...Blablabla, blablablablub....
Von da an wusste er, dass er alle Stärke erlangen konnte, derer er bedurfte. Mit jedem Tag wuchs nun seine Kraft, schneller als je zuvor, und klarer, als er es je für möglich gehalten hätte, drangen die Stimmen des Waldes nun zu ihm und ihm schien es, als ob nicht nur die Tiere zu ihm sprächen, sondern als flüsterten die Bäume ihm eine Botschaft zu, die noch nicht verstehen konnte....

Keine große Literatur, aber ist ja nur ein Beispiel. Ein Absatz Tell, dann Zoom in eine Schlüsselszene, dann wieder rausgezoomt und weitergetellt.

Ein anderes Beispiel, bemühen wir mal wieder die Nervosität:

Nervös trommelte Heike mit den Fingern auf die Tischplatte.

Das wäre im Grunde eine Mischform. Das Gefühl wird sowohl gezeigt, wie auch durch das Adverb benannt. In vielen Fällen ist das unnötige Redundanz. Wenn jetzt beispielsweise eine Gedankenrede oder ein Dialog folgt, der klarstellt, dass Heike aus Nervosität trommelt, nicht aus Langeweile oder Ärger. Aber es kann auch goldrichtig sein. Eher selten, aber dennoch. Nämlich dann, wenn eben nicht klar wird, ob sie es aus Ungeduld, Ärger, Langeweile oder Nervosität tut. Wenn weder weitere Merkmale des Gefühls beschrieben werden, noch eine (Gedanken)rede folgt, noch der Kontext eindeutig ist.
Weil zum Beispiel etwas ganz anderes plötzlich passiert. Eben wartet sie noch auf ihr Date (da kann man nervös sein oder ärgerlich, falls sich der andere verpätet etwa), bumm, sie wird Zeuge eines Unfalls oder Verbrechens.
Es ist daher müßig, bei Adjektiv oder Adverb Konstruktionen zu fragen, ob es Tell ist oder nicht. Man sollte sich fragen, ob es redundant ist. Wenn nicht, gut, wenn ja, dann nur gezielt und mit voller Absicht.

Darum sage ich: Es ist eine Faustregel, die hilft zu verstehen, warum der eigene Text sich nicht so anhört, wie man es möchte. Warum es langatmig wird. Genau wie: Aktiv schreiben, bildhaft schreiben, starke Verben verwenden undsoweiterundsofort...
Mehr ist es nicht. Hilft einfach nur, unbewusstes, also schlechtes Tell, zu vermeiden. Ermahnt dich, ein bisschen Pfeffer reinzubringen. Legt dir nahe, Szenen gefälligst auch szenisch zu schreiben.
Darüber hinaus kannst und sollst du diese Regel brechen, so oft es dein Text erfordert. Stil, Erzählstimme und Sprachrythmus müssen zusammengehen. Aktivität und Dynamik müssen sich mit Ruhe abwechseln.
Alles hat seine Zeit und seinen Platz.

Schreibe dein Buch so, wie Du es gerne lesen würdest und alles wird gut.

Gruß Ozymandias


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KeTam
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Beiträge: 4947

Das goldene Gleis Ei 1
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Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag31.12.2012 10:40

von KeTam
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Hallo Ozymandias,

dein Beitrag ist sehr interessant ich danke dir, für die Zeit, die du dir genommen hast!

Liebe Grüße, KeTam.
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Paradigma
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Beitrag31.12.2012 11:52

von Paradigma
Antworten mit Zitat

Zitat:
Der Schreiber, der schreiben kann, schreibt, was zu schreiben angebracht ist.
Ich verachte Schreibratgeber.


Arg, das würde bedeuten: Sei ein Naturtalent oder lass es.

Ich denke, es macht für den Anfänger durchaus Sinn, bewusst drüber nachzudenken, wann welches Stilmittel passt, was in Show und was in Tell erzählt gehört. Verwirrung und Unsicherheit gehört beim Lernen dazu. Wer sagt, das das Erstlingswerk nobelpreiswürdig sein muss?

Wer es "kann", wer die Regeln verinnerlicht hat, wird nicht mehr nachdenken müssen und kann "instinktiv" schreiben. Ein Luxus, den sich die Meisten hart erarbeiten müssen, oder?

Para


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Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.

William Faulkner
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nebenfluss
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Beitrag31.12.2012 14:57

von nebenfluss
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Hallo KeTam,

ich bin mit diesem "Grundsatz" das erste Mal im Journalismus konfrontiert worden. Da sagt man, man solle Dinge nicht behaupten, sondern anschaulich machen.
Dabei geht es keineswegs nur um Gefühle, sondern insgesamt darum, den Leser zu Assoziationen zu motivieren, statt ihn zu belehren.
Das steigert m. E. die identifikationsstiftende und emotionale Einbindung des Lesers.

Ich kann z. B. auf der ersten Seite eines mittelalterlichen Romans den Leser mit meiner Recherche beeindrucken und ihn mit Jahreszahlen, politschen Umständen usw. langweilen (InfoDump - das wäre "Tell")
Ich kann aber auch mit einer Szene einsteigen, in der sich all das anhand der Personen, ihres Verhaltens, ihrer Kleidung, Architektur, benutzter Gegenstände usw. automatisch erschließt (das wäre "Show").

Ein anderes Beispiel: Ich bin vor kurzem in einem Text über "ohrenbetäubendes Zischen" gestolpert. Das ist "Tell".
Es kann aber auch einfach nur zischen, und der Protagonist hält sich dabei die Ohren zu (der Leser assoziiert: Man hält sich die Ohren zu, weil man die Lautstärke des Zischens nicht erträgt, das ist "Show")

LG
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Gast







Beitrag31.12.2012 15:10

von Gast
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Zeigen und Erzählen sind verschieden Schreibarten, keine Qualitätsmerkmale. Man kann narrativ schreiben und dennoch den Leser in eine völlig andere Welt entführen, oder man kann eine unglaubliche Show abziehen und trotzdem zu Tode langweilen.
Es kommt nicht darauf an, welche Schreibart man wählt, sondern wie man damit umzugehen weiß.

LG
Monika
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nebenfluss
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Beitrag31.12.2012 18:13

von nebenfluss
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Ich denke, man sollte diese Schreibratgeber-Regeln (ob es nun um Satzlänge, die bösen Adjektive, Perspektive oder eben Show don't tell geht) nicht mit unumstößlichen Gesetzen verwechseln - sowas hat in der Kunst und Literatur nichts zu suchen. Es geht doch eher darum, die Überlegungen, die hinter solchen Tipps stecken, nachzuvollziehen und nicht einfach zu schreiben, wie es halt gerade aus den Fingern fließt, sondern sich das eigene Schreiben bewusster zu machen, verschiedene Stilistiken auszuprobieren und auf ihre Wirkung hin zu untersuchen.

Wenn man dann eben narrativ erzählt, sollte man es nicht aus Faulheit tun, sondern bewusst, weil es in einem konkreten Fall die beste Variante ist.

Klingt vielleicht wie das Wort zum Sonntag, ist es aber nicht. Es ist das Wort zum Jahresende  Very Happy

LG
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Ozymandias
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O
Beitrag31.12.2012 18:31

von Ozymandias
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Hallo KeTam,

gerne doch. Meist lernt man selbst was, wenn man es zu erklären versucht, zwingt es doch, den Gegenstand in verständliche Worte zu fassen, wofür man sonst zu faul ist.
Ich hoffe, es kam nicht zu belehrend rüber, so ist es nicht gemeint, zumal ich selbst noch Anfänger bin. Es ist nur etwas anstrengend, jede Aussage mit einem "meiner Meinung nach" oder "ich finde, dass" zu relativieren.
In diesem Sinne, ich finde:
Regeln und Ratgeber sparen nur Zeit, irgendwann muss man sie über Bord werfen. Was ist Show, was ist ist Tell, das ist doch völlig egal. Der Sinn ist immer, den Leser (mit)fühlen zu lassen. Wie du das erreichst, spielt keine Rolle.
Show ist moderner, filmischer, szenischer, das ja, besser ist es deswegen nicht. Das hängt davon ab, was ich erreichen möchte. Action? Dann Show. Ruhe? Dann Tell.

Beispiel:

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden, während sich Tom, zitternd seinen Mantel gegen den peitschenden Regen zuziehend, die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte und überlegte, wann es im Juli jemals so kalt gewesen war. (Tell)"

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden. Tom zitterte und zog seinen Mantel gegen den peitschenden Regen zusammen, während er sich die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte. Wann war es im Juli jemals so kalt gewesen? (Show)"

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden. Tom zitterte, während er sich die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte, und zog seinen Mantel gegen den peitschenden Regen zusammen.
Wann ist es im Juli jemals so kalt gewesen, überlegte er? (Show)"

Der Unterschied ist eigentlich marginal. Hier habe ich nur den Satz zerlegt, und entscheidend ist dabei der zweite Punkt. Bei Tell spürt man in der Regel den Erzähler, wie die Stimme eines Märchenonkels. Bei Show trenne ich daher einfach die äußere (wertneutrale) Beschreibung von der (wertenden) Innensicht des POV, die durch die direkte oder erlebte Rede wiedergegeben statt erzählt wird. Den Erzähler nimmt man nicht mehr wahr. Das ist auch schon alles. Aus reinem Spaß an der Freude hab ich im dritten Beispiel noch am Satzbau gedreht.

Man führe sich das mal in der ersten Person zu Gemüte:

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden, während ich mich, zitternd meinen Mantel gegen den peitschenden Regen zuziehend, die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte und überlegte, wann es im Juli jemals so kalt gewesen war. (eher Tell aber komplett aus Sicht des POV. POV=Erzähler)"

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden. Ich zitterte und zog meinen Mantel gegen den peitschenden Regen zusammen, während ich mich die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte. Wann war es im Juli jemals so kalt gewesen? (Show)"

"Ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen und rüttelte an den Fensterläden. Ich zitterte, während ich mich die Hauptstraße zur Burg hinaufquälte, und zog meinen Mantel gegen den peitschenden Regen zusammen. Wann ist es im Juli jemals so kalt gewesen, überlegte ich? (Show)"

In der ersten Person fallen Erzähler und POV zusammen, darum beschränkt sich der durch die Trennung bewirkte Unterschied auf den Rhythmus und Sprachklang (was an sich nicht wenig ist), macht hier aber für die Frage nach Show oder Tell nicht allzu viel aus.
Ich finde es sehr hilfreich, wenn ich nicht weiterkomme, einfach mal mit der Erzählperspektive zu spielen. Allein reicht das nicht, besonders wenn es um die Beschreibung von Gefühlen geht. Helfen tut es aber auch dabei. Allein schon, weil man sich immer klar machen muss, was der POV unmittelbar erlebt, nämlich die eigenen Gefühle, die man benennen darf, und was nicht, fremde Gefühle, die er interpretiert und die deswegen gezeigt werden müssen. Sei es auch nur sehr indirekt durch die Gedanken des POV:

"Der Kerl war mächtig sauer, das sah ich sofort."(Sehr indirekt, aber funktioniert. Wenn man es sofort sieht, muss der Mann wirklich böse aussehen. Das wiederum kann ein Leser sich gut aus eigener Erfahrung vorstellen. Und eher Show, weil zwar Bennenung aber in die Sicht des POV eingebunden)

"Der Kerl war mächtig sauer, so drohend, wie sich seine Augen verengten." (Direkt die Beschreibung dabei. Und natürlich immer noch trotz Benennung des Gefühls Show.)

Oder nebenfluss Beispiel:

Er hörte ein ohrenbetäubendes Zischen. (Tell, weil Wertung durch Erzähler)

Es zischte. Er presste die Hände auf die Ohren. (Show, weil Wertung durch gezeigte Reaktion)

Ich hörte ein ohrenbetäubendes Zischen. (Tell, aber Wertung durch POV, kommt Show sehr, sehr nahe)

Wie gesagt, Reinformen gibt es gar nicht. Irgendwann ists genug aufgedröselt.
Deshalb mein Rat: Sieh das Show don't tell als Krücke, Hilfstellung, Faustregel, was auch immer, aber miß dem nicht zuviel Wert bei.
Es nützt nichts, dich stets zu fragen, ob du auch genug zeigst oder zuviel erzählst, nur weil du einen Gedanken erzählt hast, ein Gefühl benannt hast ,irgendetwas bewertet hat.

Ich lehne mich mal aus dem Fenster und unterstelle, dass du bezüglich Show und Tell an dem Punkt bist, wo du die Regel verstehst, kennst, anwendest... und sie nun beginnt hinderlich zu werden. So wie Stützräder stören, sobald man Fahrrad fahren kann.

Also Glückwunsch, du kannst schreiben. Die Feinheiten lernst du nicht mehr, wenn du zuviel über den Regeln brütest. Schreib einfach, von jetzt an kommt der Rest von selbst.

Gruß
Ozymandias


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Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4832
Wohnort: Deutschland


Beitrag31.12.2012 18:58

von Hardy-Kern
Antworten mit Zitat

Ozymandias hat Folgendes geschrieben:

Darum sage ich: Es ist eine Faustregel, die hilft zu verstehen, warum der eigene Text sich nicht so anhört, wie man es möchte. Warum es langatmig wird. Genau wie: Aktiv schreiben, bildhaft schreiben, starke Verben verwenden undsoweiterundsofort...
Mehr ist es nicht. Hilft einfach nur, unbewusstes, also schlechtes Tell, zu vermeiden. Ermahnt dich, ein bisschen Pfeffer reinzubringen. Legt dir nahe, Szenen gefälligst auch szenisch zu schreiben.
Darüber hinaus kannst und sollst du diese Regel brechen, so oft es dein Text erfordert. Stil, Erzählstimme und Sprachrythmus müssen zusammengehen. Aktivität und Dynamik müssen sich mit Ruhe abwechseln. Alles hat seine Zeit und seinen Platz.
Schreibe dein Buch so, wie Du es gerne lesen würdest und alles wird gut.


Das ist eine gute Einschätzung und sollte gelesen werden. Etwas viel auf einmal, aber weglassen kann man eigentlich auch nichts, da wichtig und in der Gesamtheit sehr komplex. Alle schön und gut, nur erst einmal hinbekommen.

Dein Zitat:
"Aktivität und Dynamik müssen sich mit Ruhe abwechseln. Alles hat seine Zeit und seinen Platz."

Das ist sehr wichtig, weil es mir dadurch gelingt (oder nicht), die Spannung zu erhöhen, in Form dieses, oftmals notwendigen Überganges der Szenen ineinander. Das kann auch verunglücken und erscheint dann langweilig. Eine große Kunst das zu schaffen, wenn man den riesigen Wust der Literatur auf dem Markt sieht. Ich staune sowieso, dass sich trotzdem viele nicht von ihrem Weg abbringen lassen gute Schriftsteller zu werden. Das soll auch so bleiben, denke ich.

Dein Zitat:
"Schreibe dein Buch so, wie Du es gerne lesen würdest und alles wird gut."

Dem füge ich hinzu: und lass es Sternenschnuppen und Beifallsraketen aus den Lektoratenfenstern regnen. Nebenfluss hat von einem Wort zur Jahreswende gesprochen, ich erhöhe und meine, das ist noch mal ein Lacher zum Jahreswechsel.  Laughing

Auch von mir viel Erfolg und Gesundheit für das Neue Jahr!

Hardy
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