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Garrison Leseratte
Alter: 36 Beiträge: 121 Wohnort: Leipzig
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26.01.2009 20:04 Unkommentiert von Garrison
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Ich versuche zu schreiben. Aber auf dem Papier landen nur Worte. Kriechen umher, bis sie nebeneinander verenden und nichts bilden, außer das immergleiche Gewimmel. Tippe-tippe-tippe-tap. Onomatopoetisch. Punkt. Ausrufezeichen! Fragezeichen?
Hinter der Messing-Sanduhr brennt eine Kerze. Das einzige Licht abgesehen vom kalten Strahlen des Monitors. Das Fenster doppelt verdeckt von Rollladen und Gardine, damit kein Schein nach draußen oder, schlimmer noch, von der Außenwelt hinein gelangt in meine Höhle, mein Leben. Sie bleiben immer verschlossen. Geputzt habe ich seit Wochen nicht mehr. Wozu auch. Es ist dunkel und ich trage Schuhe.
Was esse ich heute? Wieder nur bittere Erkenntnis und zu süßes Zuckerwasser. Ich bekomme Sodbrennen davon. Es ist schön. Immerhin verrät mir der kratzende Schmerz, von dem ich Speiseröhrenkrebs bekommen könnte – oder schon habe? –, dass ich noch lebe. Wäre es anders, würde ich vermutlich keinen Unterschied zum Jetzt feststellen. Auch niemand sonst. Wer sollte es auch?
Jeder Mensch ist eine Insel. Man lebt allein auf sich und hofft, dass ein Freitag strandet, den man versklaven kann. Wir nennen das Liebe: Jemanden an sich ketten, damit es ihm dreckig geht, wenn wir sterben.
Ich will, dass die Menschen auf meiner Beerdigung tanzen und sich einander in die Arme fallen. Es soll ein Freudenfest werden. „Endlich sind wir den los. Er hat uns die ganze Stimmung verdorben.“ Ja, so muss ein guter Tod sein: Nur lächelnde Gesichter zurücklassend.
Was will ich schreiben? Nichts, weil jeder es nur wieder durch seine eigenen Augen sehen, die Gedanken verfälschen und alles missverstehen wird. Doch Papier ist geduldig. Es hört zu und verurteilt nicht. Deshalb schreibe ich. Um das Papier zu füllen, aber nicht mit Sinn oder Gefühl. Einfach nur mit Worten.
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Weitere Werke von Garrison:
_________________ Ein Zyniker ist ein enttäuschter Romantiker. |
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denLars Klammeraffe
Alter: 31 Beiträge: 522 Wohnort: Düsseldorf
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26.01.2009 23:35
von denLars
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Auf der einen Seite habe ich mir gedacht "Verdammt, was hat das hier nur beim Trash zu suchen", auf der anderen Seite ist es auch ein wenig verständlich. Trotzdem fand ich diesen Text echt klasse. Sehr nachdenklich, sehr düster, sehr polemisch. Beim Anblick deines Avatars musste ich auch die ganze Zeit an einen zynischen Privatdetektiv aus den alten Schwarzweiß-Filmen denken.
Zitat: |
Das Fenster doppelt verdeckt von Rollladen und Gardine, damit kein Schein nach draußen oder, schlimmer noch, von der Außenwelt hinein gelangt in meine Höhle, mein Leben. Sie bleiben immer verschlossen. Geputzt habe ich seit Wochen nicht mehr. Wozu auch. Es ist dunkel und ich trage Schuhe. |
Der Satz mit den Rolladen und Gardinen wirkt mir zu passiv, zu gesetzt. Der einzige Teil, der mir nicht so zugesagt hat.
Diese Weltbetrachtung fand ich amüsant-erschreckend, ein klasse Text, auch wenn es sicher doch noch etwas an Stil oder sonstigen objektiven Dingen zu bemängeln gibt, so bin ich doch subjektiv voll und ganz von diesem Text gefesselt worden. Und das sollte ja das Ziel aller Texte sein.
Liebe Grüße,
denLars
_________________ One whose name is writ in water. |
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