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F.Ellringmann Schneckenpost
F
Beiträge: 13
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F 27.03.2024 15:03 Der Befehl von F.Ellringmann
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Der Befehl
„Schießen Sie!“, ertönte die Stimme des Offiziers. Der Ausruf schnitt die Luft wie blanker Stahl. Er stand fest, das Gewehr angelegt, und drückte ab. Es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, das Warten auf den grausamen Befehl. Ein Befehl, der ein Menschenleben auf der Stelle auslöschte, ein Befehl ohne Widerrede, ohne Hoffnung; all dies war es für die Person dort vor der Wand. Aber für ihn war es fast wie ein Ausstoß von Freunde, ein Höhepunkt.
Er liebte den Menschen nicht. Er hasste ihn aber auch nicht, er sah diese zur Exekution verurteilten Personen vor ihm nicht mehr als Menschen. Früher, vor dem Krieg, hätte er nie gedacht, dass er eines Tages Lust daran empfinde, jemanden zu erschießen.
Jetzt stand er hier, das noch leicht rauchende Gewehr in der Hand und hatte fast ein Lächeln auf den Lippen. Jedes Mal wurde er auf ein Neues von Lust, von Zufriedenheit erfüllt, wenn er seinen Dienst getan hatte. Er betrachtete sein Werk, begutachtete die Einschussstelle, überlegte, wie er es beim nächsten Mal noch besser, noch präziser, noch schneller vollenden könne.
Ihm lag nichts am qualvollen Tod, das brachte ihm nichts, ließ ihn kalt. Es enttäuschte ihn allemal ein wenig, wenn jemand unnötig lang dafür benötigte. Nein, schnell und effizient musste es sein, es war schließlich seine Arbeit, sein Beruf. Jedoch sollte man nicht meinen, dass es ihm deshalb weniger Erfüllung gebracht hätte, im Gegenteil; wer übt nicht gerne einen Beruf aus, der einen erfüllt.
Ein neuer Tag brach an, das Licht der Morgensonne flutete durch ein kleines Fenster. Er stand auf und ging zum Waschtisch hinüber. Hier wusch er sich mit kalten Wasser und schaute auf, das Wasser noch über sein Gesicht rinnend. Er hatte lange nicht mehr in den Spiegel gesehen, nicht, weil er Angst hatte, sich zu betrachten, sondern weil es im langweilig war; er kannte sein eigenes Gesicht gut genug, dachte er sich immer. Trotzdem schaute er auf, in der Hoffnung oder der Vorahnung, ein neues, ein unbekanntes Gesicht zu erblicken.
Doch sein Anblick enttäuschte ihn. Er hatte sich nicht verändert, vielleicht ein paar mehr Falten, die sich jetzt im Sonnenlicht offenbarten, aber sonst konnte er keine gravierende Veränderung feststellen. Er war immer noch der, der nie geglaubt hatte einen Menschen töten zu können, geschweige denn dies zu wollen. Und doch war er derselbe, war der, der Lust an seiner Arbeit im Exekutionskommando empfand, der jeden Morgen stramm und voller Elan, mit glatt rasierter Visage und polierten Stiefeln salutierend da stand. In der Spannung seiner Haltung war schon die Freude auf den nächsten Befehl enthalten, war schon die Katharsis dieser Spannung in Form eines ohrenbetäubenden Schusses eingebettet.
Er schritt hinaus. Es war still, ein leichter Wind strich durch das Fenster. Draußen erblickte er Soldaten, Soldaten in feindlichen Uniformen. Sein Offizier war nirgends zu sehen, auch seine Kameraden waren verschwunden. Fremde, feindliche Fahnen wehten auf den Masten, aber es gab kein Anzeichen eines Kampfes, keine Leichen, kein Blut im Kies des Platzes, keine Einschusslöcher in den grauen Gebäuden. Die Sonne stand hoch am Himmel. Die Soldaten entdeckten ihn, richteten ihre Gewehre auf ihn. „Bleiben Sie stehen, ergeben Sie sich, ihre Nation hat den Krieg verloren“, brüllten sie ihn an. Er blieb stehen, verwundert davon, dass der Krieg verloren sei. Er hatte den Kriegsverlauf nicht mitverfolgt, hatte sich nur auf seine Arbeit fokussiert. Es müsse gut laufen, dachte er sich immer. Man wusste nicht, wer er war, was er getan hatte, das war den feindlichen Soldaten egal. Man führte ihn ab und stellte ihn vor eine Mauer.
Er kannte diese Mauer, er selbst hatte viele hier niedergestreckt, sie war sein Freund. Nun war er es, der zur Exekution straff vor dieser Mauer stand. Es füllte ihn keine Angst, wieder wartete er auf den ihm so vertrauten Befehl des Offiziers. Er sah sich auf der anderen Seite stehen, spürte das Gewehr an seiner Schulter, den Finger am Abzug. Hoffentlich beherrschen sie ihre Kunst wie ich es tue, dachte er sich.
Er stand, es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Die Gewehre klackten beim Laden, er spürte die Wärme die Sonne auf seinem Haupt. Schießen Sie, Schießen Sie, Schießen Sie!, lief es auf und ab in seinem Hirn. Er stand und hätte so ewig weiter stehen können, ihn füllte keine Angst, eigentlich war es ihm egal. Sie machen ihre Arbeit und ich die Meine, so ist das im Krieg, so ist es im Leben, dachte er sich.
Er war gespannt, er wartete auf seinen Befehl. Der Ausruf des Offiziers schnitt die glühende Luft: „Schießen Sie!“.
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6413 Wohnort: 50189 Elsdorf
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27.03.2024 16:51
von Ralphie
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Worauf bezieht sich das "er" am Anfang? Auf den Offizier? Hat der Offizier keinen Rang?
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Günter Wendt Exposéadler
Beiträge: 2865
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28.03.2024 11:11
von Günter Wendt
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Ich habe mir mal erlaubt im Text, nur für mich, das „er“ gegen „sie“ getauscht.
Wumms!
Und aus dem Offizier eine Chefin. Plötzlich hatte ich keinen Soldaten vor Augen, sondern eine Killerin die für eine reiche Frau Männer erschießt.
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