Max und Moritz - danach

[Wenigschreiber]

Max und Moritz im Himmel

Max und Moritz – nach dem Leben –
sieht man auf gen Himmel schweben.
Rumms! - Sie pochen an das Tor.
Hui - der Petrus schaut hervor.
„He, was wollt ihr beiden Strolche?
Wisst ihr denn nicht, dass ich solche
hier bei mir nicht einquartiere?
Meine Stellung ich verliere!"

„Nennst Du uns den triftgen Grund
fahr‘n wir zu der Hölle Schlund."
„Grund? - Ja, wisst denn selbst ihr nicht mehr
was ihr ward für Bösewichter?
Diese Streiche! - Weichet schnelle
auf der Stelle von der Schwelle!"

„Sind's nur diese kleinen Streiche,
dann bekämst Du nie 'ne Leiche!
Soll'n wir mal zusammenfassen,
wen Du schon hast reingelassen?
Nenn den Mensch, der ohne Tadel,
gleich, ob Mann, Frau, Bub, ob Madel.
Keinen Mensch gibt's ohne Sünden -
auch nicht einen wirst Du finden!
Oder ward nicht alles kund,
was die Menschen taten? Und
Du hättst schlecht nur registriert,
was auf Erden je passiert?

Zeig uns Deine keuschen Seelen!
Höre dann, was wir erzählen!"
Petrus sagte: „Mags gescheh‘n,
Ihr könnt alle Seelen seh‘n!
Seht, dort ist ein alter Greis,
von dem Gutes jeder weiß!"

„Ja, er hat viel Gut's getan.
Doch mich deucht, ich kenn den Mann!
Ist das nicht der Pater Seichte,
der so gern erlauscht 'ne Beichte?
Beichten ist nun mal vertraulich
und fürs Seelenheil erbaulich.
Manches Weib – ob alt, jungfraulich –
tat es deshalb sehr anschaulich.
Sünde ward erst recht vergeben,
wenn die Beichte voller Leben.
Damit kein Verdacht entsteht
hat er Männer nicht verschmäht.
Doch bei holder Weiblichkeit
dauerts Beichten seine Zeit!
Manchem Manne ward nicht klar,
wenn die Frau ein Kind gebar,
   woher ...“

    „Reicht, reicht – wüsst' ich's nur früh'r,
dann wär seine Seel' nicht hier!
Seht, die tugendhafte Grete -
ungezählt sind die Gebete!"
 
"Wie? – Moment mal, dies Frau –
Moritz! – kennen wir genau!
Ist das nicht Madame Tinelle?
Herrin größerer Bordelle!
Unter ihrer Macht – verteufelt! –
ist so manche Dirn verzweifelt!
Such nur schnell 'ne andre Seele,
dass ich nicht noch mehr erzähle,
   denn ... „
    „Reicht, reicht! – wüsst' ich's nur früh'r,
dann wär ihre Seel' nicht hier!
Seht nur, dieser fromme Christ..."
„ ... war ein Großkapitalist!"
   „Ja, Na und? Was sagt das schon?!
War ein braver Erdensohn!"

„Brav? – Mein Gott! – das klingt abscheulich!
Viel geschickter war er freilich,
wie er viele hat betrogen,
ausgebeutet und belogen!
Durch die Arbeit von Zweitausend
lief sein Leben sausend, brausend.
An den Kleinen ham die Großen
sich schon eh gesund gestoßen.
Eignes Flugzeug, Schloss in Flandern.
Eine Party nach der andern,
Samt und Seide an den Wänden!
Freilich, ja, an seinen Händen
klebt nur indirekt das Blut –
Sowas aber nennst Du gut?
doch ... "
    „Reicht, reicht! – wüsst' ich's nur früh'r,
dann wär seine Seel' nicht hier!
Aber der – mit einem Bein –
seine Seel' ist sündenrein!
Außerdem noch taub und blind.
Sagt, ob Ihr an ihm was find't!"
 
„Woran ging der Alte flöten?
Das Gebot Du sollst nicht töten!
gilt auch für das eigne Leben!
Keiner darf es selbst hingeben!
Tod auf eigenes Verlangen?
Dieser hat sich selbst erhangen.
Also hat auch dieser, find ich,
ganz besonders grob gesündigt!
   Weil ..."
   „Reicht, reicht! - wüsst' ich's nur früh'r,
dann wär seine Seel' nicht hier!
Kommt nur beide gleich herein.
Ihr sollt auf genommen sein!"

    Max: „Reicht; reicht – wenn man das hört!
Petrus, höre, was mich stört:
Auf der Erde man erzählt,
es wird gründlich ausgewählt,
wer zu Himmel oder Hölle!
Doch beweisen mir die Fälle,
dass man wie auf Erden richt':
was man weiß, fällt ins Gewicht!"

[menetekel]

Der HErrgott meint:

Ach, wie viel muss man wohl schreiben,
sich dabei fast ganz entleiben,
um zu richten Freud und Leid,
ja, der Menschen Bösigkeit!

Dieses ist dir gut gelungen
und man sieht wie du gerungen
mit den Blagen groß und klein;

darum lass ich selbst es sein!

[Soleatus]

Hallo Wenigschreiber!

Das gefällt mir vom Erzählten her.

Die Umsetzung, hm ... da fühle ich mich weniger wohl, was vor allem an der Länge liegt beziehungsweise daran, dass ich als Leser schon recht früh eine Ahnung habe, worauf es hinauslaufen wird, der Weg dahin sich dann aber doch zieht; es tritt ja keine Steigerung ein in der Wahl der Beispiele, sondern es wird einfach nur gereiht.

Die Länge macht auch die vielen, vielen sprachlichen Härten auffälliger: In einem kurzen Text fällt eine harte Inversion vielleicht sogar angenehm auf, weil sie den Text aus dem Gleichmaß zwingt und so anregend wirkt. In einem so langen Text wie diesem und in so großer Menge wie hier empfinde ich es aber zunehmend als Störung, als unangenehme Ablenkung.

Schließlich sind da noch viele Stellen, wo ich eher annehme, dass gar keine Absicht vorliegt: "dies Frau" statt "diese Frau", "auf genommen" statt "aufgenommen" ...

Etwas unklar ist auch, wer da mit Petrus im Gespräch ist. Irgendwann, beim "– Moritz! –" wird klar, dass es anscheinend Max ist, und der wird dann seltsamerweise ganz am Schluss noch einmal benannt – "Max:"; was am Beginn sicher bessere Wirkung täte?! Wobei die Frage dann auch ist, ob das nicht auf beide Ankömmlinge verteilt besser wirkte.

Hm. Du hörst schon, ich habe meine Bedenken ... Zusammengefasst: Der Text hängt in einer unbefriedigenden Mitte fest. Ich glaube wirklich, er hätte deutlich mehr Wirkung, wenn er entweder kürzer wird, und dann gerne hart und kantig sein darf, weil sich alles der Pointe unterordnet; oder er wird noch um einiges länger, indem er die einzelnen Beispiele stärker auserzählt und auch der eigentlichen Handlung mehr Wirklichkeit gibt, mehr Vorstellbarkeit – und dafür müsste er dann sprachlich fließender werden.

Gruß,

Soleatus

[Wenigschreiber]

Hallo, Soleatus,
vielen Dank für die umfangreiche Beurteilung!!!
Da hast du dir aber viel Mühe gegeben, mein "Werk" so gründlich zu analysieren! Ein bisschen Lob tut manchmal auch gut - aber eben nur, wenn es angebracht ist. Das Problem: aus der Verwandtschaft und von Freunden hört man immer nur Lob - da fragt man sich dann doch, ob das ehrlich gemeint ist. Warum traut sich da niemand an eine Kritik?
Ich möchte jetzt nicht auf alle Probleme eingehen, die du angesprochen hast. Nur 2 Dinge: die Schreibfehler - und der Umfang.