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"Ungewollte Tränen"


 
 
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helenawagner
Geschlecht:weiblichErklärbär
H

Alter: 27
Beiträge: 3
Wohnort: BaWü


H
Beitrag01.11.2018 21:43
"Ungewollte Tränen"
von helenawagner
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!
Da melde ich mich mal wieder, meinen ersten Text habe ich ja nur vor drei Monaten hier gepostet. *hust*

Dieser Anfang einer sehr kleinen Geschichte ist mehr zum Spaß entstanden, ich wollte eigentlich für mein größeres Projekt üben. Außerdem habe ich versucht, ein bisschen was von meinem Schreibstil zu zeigen, der - wie ich denke - ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist. Besonders die kursiv gedruckten Einschübe sind mir wichtig, solltet ihr also ein paar Worte zu diesem unglaublich langen und spannendem Epos loswerden wollen, könntet ihr mir vielleicht eure Eindrücke dazu hierlassen.
Das Ganze beruht auf keiner wahren Begebenheit, ich lese nur viel und spiele Spiele, meine Kreativität ist somit gerade komplett ausgelastet.

Der Einstieg geschieht sehr unvermittelt, das ist aber gewollt. Dieses kleinere Projekt besteht nur aus solchen Texten, kurz und unverbindlich.

Jetzt aber genug Vorwort, viel Vergnügen beim Lesen!



_____________________________________

"Es gibt aber eine interessantere Geschichte," fing Daniel an. Wir saßen wieder in seinem Wagen und warteten, bis der starke Regen aufhörte. Es hatte gerade angefangen zu regnen, als wir in sein Auto stiegen. Wie genau wir zu dem Wagen kamen, wusste ich nicht mehr. Der Parkplatz, auf dem wir gerade warteten, war mitten auf dem Campus, einem Teil, in dem ich noch nie war. Generell glich hier alles einem Labyrinth.
Das Wetter war zwar absolut schrecklich, trotzdem genoss ich es. Ich war kein Fan vom Sommer, viel zu heiß und viel zu trocken. Doch was gab es Besseres als einen regnerischen Tag, den man im Warmen verbringen konnte? Richtig, nichts. Selbst wenn das Warme nur ein Auto war.
Ich seufzte. Mir war durchaus bewusst, worauf er hinauswollte. "Naja, wie man's nimmt."
Oh doch, die Geschichte war sehr interessant. Vielleicht wollte ich es nur nicht zugeben, doch ich wollte unbedingt darüber reden. Mittlerweile schleppte ich diese Geschichte schon ein Jahr mit mir herum, von der niemand so richtig wusste. Oft hatte ich das Thema bei meinen Freunden angesprochen, doch keiner wollte mir so richtig zuhören. Er war der erste, der mir wirklich das Gefühl gab, dass mein Leben für jemanden interessant sei.
Du weißt, dass das nicht stimmen kann. Niemand wie Daniel würde freiwillig mit dir sprechen wollen, sagte eine leise, aber präsente Stimme in meinem Kopf. Ich wollte sie nicht hören, doch da war sie. Immer da und immer lauter als alle anderen. Doch, das will er. Hoffentlich.
Plötzlich merkte ich, wie meine Augen wässrig wurden. Oh Gott, bitte jetzt nicht.
"Wo soll ich anfangen?" Angestrengt starrte ich durch die Frontscheibe, auf die der Regen prasselte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich wirklich weinen würde, war klein. Vielmehr würden mir einfach nur ungewollt ein paar Tränen an den Wangen herunterlaufen. Ich persönlich war das mittlerweile gewohnt, nur andere Menschen für gewöhnlich nicht.
Keine Antwort. Als ich meinen Kopf drehte und Daniel anschaute, sah ich, dass er mich stirnrunzelnd anschaute. Tja, das war's wohl. Scheisse. Ich konnte seinen Blick nicht deuten, doch diese verdammte Stimme meldete sich wieder. Gleich wirft er dich raus und wird sich fragen, warum er seine Zeit mit dir verschwendet hat. Das hätte dir klar sein sollen, peinlich.
Und da waren sie - genau wusste ich nicht, woher die Tränen kamen, aber da rollten sie. Unaufhörlich und ohne, dass ein Ende in Sicht war. Ich schluchzte nicht oder gab auch nur einen Laut von mir außer ein verzweifeltes Seufzen und ein sanftes "Sorry".
Daniels Augen weiteten sich. "War ich das?" Nein. "Oh Gott, tut mir leid." Leicht panisch schaute er sich nach einer Tasche um, die auf dem Rücksitz lag. Er beugte sich nach hinten, musste sich dabei aber so stark strecken, dass er zusammenzuckte und sich das Bein hielt.
Mittlerweile war meine Sicht so verschwommen, dass ich Daniel kaum noch sehen konnte. Intensiv blinzelnd versuchte ich, gegen das Brennen in meinen Augen anzukämpfen. Auch meine Nase fing an zu laufen, es würde also wirklich unschön werden.
"Das passiert mir oft. Mindestens einmal in der Woche." Meine Stimme war außergewöhnlich fest, worauf ich stolz war. "Lass, geht schon." Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm, wegen mir und meinen ungewollten Tränen sollte er sich kein weiteres Kreuzband reißen.
Er blickte langsam in mein Gesicht, sein leicht verstörter Blick sprach Bände. Ich nahm meine Hand von seinem Arm. Wie ich wohl aussehen musste - (höchstwahrscheinlich) rote, aufgequollene Augen, ein verzweifelter Blick und noch nicht getrocknete Tränen auf der Wange. Kein schöner Anblick, auch ohne all das. Starr blickte ich nach vorne und schluckte - wenn ich ihn nicht ansah, konnte er nicht noch schlechter von mir denken. Keine greifbare Logik, aber hilfreich in diesem Moment.
"Hab ich irgendwas Falsches gesagt?"
"Nein", beschwichtigte ich ihn. "Wie gesagt, das passiert mir oft. Ich bin nah am Wasser gebaut und breche unter dem kleinsten Druck." Unauffällig versuchte ich, meine immer noch wässrigen Augen zu trocknen. Mein Jackenärmel war kein guter Taschentuchersatz, aber besser als nichts.
Eine neue Welle an Tränen bahnte sich an, während der Regen nicht nach lies. Beständig und stark wie zuvor prasselte er auf das Auto. "Das alles beschäftigt mich schon seit einem Jahr und du bist der erste, der sich dafür interessiert. Glaube ich.", fügte ich kleinlaut hinzu, während meine Stimme wegbrach.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er mir seinen Jackenärmel hinhob. "Hier. Erzähl."
Ich lächelte.

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BaronHarkonnen
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Berlin


Beitrag03.11.2018 08:24

von BaronHarkonnen
Antworten mit Zitat

Hi Helena,

dann werde ich mal ein kleines, frühmorgendliches Feedback hinterlassen Wink

Also insgesamt erstmal ein dickes Kompliment. Ich weiß ja nicht, was und wieviel Du sonst so schreibst, aber das hier ist besser als viele andere Erstlingswerke, die man hier zu lesen bekommt! Fehlerfrei, guter Stil, natürliche Dialoge - da gibts nicht viel zu meckern. Du solltest - falls Du es nicht schon vorhast - auf jeden Fall am Schreiben dranbleiben. Das lohnt sich!

Ein paar kleine Sachen, die mir aufgefallen sind:

Zitat:

Der Parkplatz, auf dem wir gerade warteten, war mitten auf dem Campus, einem Teil, in dem ich noch nie war.

Da das letzte war noch weiter in der Vergangenheit liegt: Plusquamperfekt.
Also ... gewesen war.

Zitat:
Oh doch, die Geschichte war sehr interessant. Vielleicht wollte ich es nur nicht zugeben, doch ich wollte unbedingt darüber reden. Mittlerweile schleppte ich diese Geschichte schon ein Jahr mit mir herum, von der niemand so richtig wusste.

2mal Geschichte kurz nacheinander. Vielleicht das zweite ersetzen durch ein Synonym, z.B. 'Sache'

Zitat:
Ich schluchzte nicht oder gab auch nur einen Laut von mir außer ein verzweifeltes Seufzen und ein sanftes "Sorry".

Der Satz ist zu kompliziert gebaut. Entweder teilst Du ihn in 2 Sätze, oder wirfst das mit dem Laut raus.

Zitat:
Daniels Augen weiteten sich. "War ich das?" Nein. "Oh Gott, tut mir leid."

Hier ist nicht ganz klar, ob das Nein gesprochen (dann: Anführungszeichen) oder gedacht (dann: kursiv) wird. Vielleicht teilst du das auf mehrere Zeilen auf: jede Aussage in eine eigene Zeile.

Zitat:
Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm, wegen mir und meinen ungewollten Tränen sollte er sich kein weiteres Kreuzband reißen.

Du neigst (wie ich) dazu, lange Sätze zu verketten. Probier öfter mal aus, stattdessen 2 Sätze zu bilden. Ich finde, das macht die Sache oft prägnanter. Also:
Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm. Wegen mir und meinen ungewollten Tränen sollte er sich kein weiteres Kreuzband reißen.

Na wenigstens ein kleiner Rechtschreibfehler Wink
nach lies --> nachließ


Zu den kursiven Einschüben: die passen sehr gut, wie in finde, und bescheren dem Leser die Innenperspektive Deines Charakters. Generell darf man es damit nicht übertreiben, aber wohldosiert machen sie die Sache für den Leser persönlicher und lebendiger.
Dass ich das gut finde, mag aber ach daran liegen, dass ich selbst gern damit arbeite Laughing

Spontanes copy&paste aus meiner Geschichte (Perspektive von Denise):
Zitat:

Ingrid stürmte nach draußen, die Zigarettenschachtel in der Hand. Nach kurzem Zögern schloss sich Denise ihr an.
Als sie den ersten Zug inhalierte und den Rauch in die kühle Herbstluft ausstieß, merkte sie, wie ihre Anspannung ein wenig nachließ.
Du wirst noch zur Kettenraucherin, Nisy.
Als ob das ihr drängendstes Problem wäre.
„Ist ja toll gelaufen“, sagte sie, und Ingrid nickte mit abwesendem Gesichtsausdruck.

Es funktioniert also (finde ich), wenn man in der dritten Person schreibt. Bei Dir in der ersten passt es noch besser. By the way: Gerade amerikanische Spannungsliteratur wie z.B. Stephen King setzen das auch gern ein.

Also, ich habs sehr gern gelesen und wünsche weiter viel Erfolg!

Schönes Wochenende von
BaronHarkonnen


_________________
Alles was wir sehen oder scheinen,
ist nichts als ein Traum in einem Traum.
Poe
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reißwolf
Leseratte


Beiträge: 138



Beitrag03.11.2018 20:24
Re: "Ungewollte Tränen"
von reißwolf
Antworten mit Zitat

Zitat:

"Es gibt aber eine interessantere Geschichte," fing Daniel an. Wir saßen wieder in seinem Wagen und warteten, bis der starke Regen aufhörte. Es hatte gerade angefangen zu regnen als wir in sein Auto stiegen.

Der Rückgriff auf den Beginn des Regens, nachdem du gerade vom Aufhören gesprochen hast, macht es der Phantasie schwer, einzusteigen. Das Gleiche gilt für den paradoxen Sprung "im Auto sitzen" - "ins Auto steigen". Gerade am Anfang ist es ratsam, ein paar Zeilen lang eine klare Richtung zu nehmen. Solche eingeschobenen Mini-Rückblenden stören da sehr.
Zitat:
Wie genau wir zu dem Wagen kamen [gekommen waren], wusste ich nicht mehr.

Plusquamperfekt, da Rückblende.
Zitat:
Der Parkplatz, auf dem wir gerade warteten, war mitten auf dem Campus, einem Teil, in dem ich noch nie war. Generell glich hier [Hier glich] alles einem Labyrinth.

Zuviel "war".
Zitat:
Das Wetter war zwar absolut schrecklich, trotzdem genoss ich es. Ich war kein Fan vom Sommer, [...]

s. o.
Zitat:
viel zu heiß und viel zu trocken. Doch [denn]was gab es Besseres als einen regnerischen Tag, den man im Warmen verbringen konnte?Richtig, nichts. Selbst wenn das [dieses] Warme nur ein Auto war.
Ich seufzte. Mir war durchaus bewusst, worauf er hinauswollte. "Naja, wie man's nimmt."

und noch zweimal "war". Übrigens: Wer spricht hier? Daniel oder der Prota?
Zitat:
Oh doch, die Geschichte war sehr interessant. Vielleicht wollte ich es nur nicht zugeben, doch ich wollte unbedingt darüber reden.

Versteh ich in diesem Moment nicht. Wer von beiden will denn nun die Geschichte erzählen?
Zitat:
Mittlerweile schleppte ich diese Geschichte schon ein Jahr mit mir herum, von der niemand so richtig wusste.

Dieser Satz ist eine echte Gurke. Um daraus etwas Sinnvolles zu machen, musst du die Teile umstellen. Etwa: "Mittlerweile schleppte ich diese Geschichte, von der niemand so richtig wusste, schon ein Jahr mit mir herum."
Zitat:
Oft hatte ich das Thema bei meinen Freunden angesprochen, doch keiner wollte mir so richtig zuhören. Er war der erste, der mir wirklich das Gefühl gab, dass mein Leben für jemanden interessant sei.

Den Abschwächer "so richtig" hattest du gerade im vorangegangenen Satz verwendet. Eins von beiden muss weg.
Zitat:
[...]Niemand wie Daniel würde freiwillig mit dir sprechen wollen[...],
Dürftiges Deutsch. Eher: "Jemand wie Daniel würde niemals freiwillig ..."
Zitat:
Ich wollte sie nicht hören, doch da war sie. Immer da und immer lauter als alle anderen. Doch, das will er. Hoffentlich.

Unschöne Wortwiederholungen: "Doch" und "da". Das zweimalige "immer" finde ich dagegen in Ordnung.
Zitat:
Plötzlich merkte ich, wie meine [wurden meine] Augen wässrig wurden.

Typischer Erzählfehler: Bei personaler und Ich-Perspektive ist ohnehin alles vom Protagonisten erlebt. Man muss nicht schreiben, dass er etwas hört, sieht, spürt, merkt. Aus Sätzen wie: "Ich hörte, wie ein Hund bellte." wird: "Ein Hund bellte".
Zitat:
Oh Gott, bitte jetzt nicht.
"Wo soll ich anfangen?" Angestrengt starrte ich durch die Frontscheibe, auf die der Regen prasselte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich wirklich weinen würde, war klein.

Wieder ein Zickzack: Erst die mit einer Gottesbeschwörung weggeflehte Angst vor dem Weinen, dann auf einmal die Frage, wo er (sie?) angangen soll, und nun wieder das Thema Weinen - wundersamerweise jedoch entdringlicht. Eben hieß es noch "Oh Gott, bitte jetzt nicht" und auf einmal besteht keine große Wahrscheinlichkeit, dass er (sie) weinen würde. Hier schreibt jemand, der seine Gedanken nicht geordnet hat.
Zitat:
Vielmehr würden mir einfach nur ungewollt ein paar Tränen an den Wangen herunterlaufen. Ich persönlich war das mittlerweile gewohnt, nur andere Menschen für gewöhnlich nicht.

Das "persönlich" ist das Schlimmste an dem Satz. Es sagt nichts, bringt nichts, bedeutet nichts. Füllt nur. Vergiftet zudem deinen Text mit dem Emotionskiller der Verwaltungssprache.
Zitat:
Keine Antwort. Als ich meinen Kopf drehte und Daniel anschaute, sah ich, dass er mich stirnrunzelnd anschaute.
Lies den Satz mal langsam. Gemerkt? Nicht? Ja, das kenn ich. Für Wortwiederholungen im eigenen Text ist man oft blind (bei mir erledigt das meine Frau). Dabei wäre es im Falle deines Satzes so einfach! Was spräche gegen diese Version: "Keine Antwort. Daniel schaute mich stirnrunzelnd an." Punkt, aus, fertig.

So, ich mach an dieser Stelle mal Schluss, ich muss noch einkaufen.
Positiv zu vermerkten: Du hältst den Leser über eine gewisse Strecke in der Spannung, indem du ihm Informationen vorenthältst.
Auf der Negativseite sehe ich aber tonnenweise Erzählfehler. Dein Text krankt an der Tendenz, zu viel Überflüssiges zu sagen. Vielleicht verdeutlicht dieses Beispiel, was ich meine: Neulich gab mir jemand einen Text mit der Bitte um Optimierung. Frei wiedergegeben stand darin etwa Folgendes:
Zitat:
Ich erhob mich von meinem Stuhl, drehte mich um 15,5° nach links und setzte meine Schritte über das Schachbrett-Laminat in Richtung Kühlschrank, dessen Tür ich mit der Linken aufdrückte, obwohl ich gar kein Linkshänder war. Mein Vater war Linkshänder und auch ein Onkel zweiten Grades. Zwei meiner Freunde sind außerdem Linkshänder. Aber ich nicht. Ich bin nämlich Rechtshänder. Ich blickte also in den Kühlschrank. In der zweiten Ebene von oben lagen zwischen dem Käse drei Flaschen Edelkronenpils. Ich zog eine hervor, ließ die Kühlschranktür mit einem satten Schmatzen zufallen, schlurfte zur Schublade unterhalb des Fensters und entnahm ihr einen angerosteten Öffner. Immer waren diese Öffner angerostet. Vielleicht, weil sie oft für Grillpartys verwendet wurden und dann über Nacht draußen herumlagen. Im Gras. Dann wurden sie feucht vom Tau. Ich riss den Kronenkorken von der Flasche, es zischte verheißungsvoll. Dann ging ich wieder zurück zu meinem Stuhl und setzte mich. Die Flasche stellte ich auf den Tisch und hielt sie dabei mit beiden Händen umschlossen. Ich spürte die Kühle. Es war ein heißer Tag. Absichtlich verzögerte ich den Moment, den ersten, herrlichen Zug durch meine Kehle rinnen zu lassen.

Ich korrigierte den Text (etwas boshaft) in: "Ich holte ein Bier aus dem Kühlschrank."
Ok, ich hab dieses Beispiel jetzt absichtlich auf die Spitze getrieben. Man kann solche Texte durchaus schreiben, wenn all das Drumherum irgendwas transportiert, eine spezifische Stimmung zum Beispiel. Bei dir aber sehe ich das nicht. Du musst nicht unbedingt sagen, dass der Prota den Kopf dreht und Daniel ansieht und dann das Stirnrunzeln bemerkt. Schreib einfach: Daniel runzelte die Stirn. Fertig ist die Laube.
Zu dieser Schwäche kommen bei dir noch die vielen Abschwächer und Füllwörter, die den Text einfach nur verlängern. Was noch? Ach ja, eine zu hohe Dichte an Hilfsverben, vor allem "war". Und zu guter Letzt, das scheint mir dein größtes Manko, hast du deine Gedankengänge nicht immer klar gegliedert, wodurch sich oft in einem Satz zwei Motive darüber streiten, welches die Oberhand behalten soll. All das wirft den Leser raus.

Viel Spaß beim Verwerfen oder Verwenden!
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jon
Geschlecht:weiblichEselsohr
J

Alter: 57
Beiträge: 269
Wohnort: Leipzig


J
Beitrag03.11.2018 22:10
Re: "Ungewollte Tränen"
von jon
Antworten mit Zitat

Im Großen und Ganzen: So macht Text Spaß. Das Folgende ist also Meckerei auf hohem Niveau, wie man so sagt.

Vorab: Ich mag es gar nicht, wenn rumgeheimnist wird. Dieser Text(ausschnitt) ist so spürbar darauf getrimmt, die Spannung zu steigern, dass es mich ärgert. Es ist okay, wenn die Spannung gesteigert wird, aber nicht, wenn man als Leser den Eindruck hat, dass das der alleinige Zweck eines Text/einer Passage ist.

Dateils:

Zitat:
"Es gibt aber eine interessantere Geschichte," fing Daniel an.

Das kann so nicht stimmen. Allein schon das "aber" zeigt, dass es Dialog davor gegeben haben muss. Im Weiteren wird klar, dass dies hier die Erwiderung auf eine Bemerkung des Lyrischen Ich sein muss. Also: "fing an" ist falsch.

Zitat:
Es hatte gerade angefangen zu regnen, als wir in sein Auto stiegen.

in sein Auto gestiegen waren Es ist zwar okay, im Laufe eines Rückblicks ins Präteritum zu wechseln, aber nicht mitten in einem Satz.

Zitat:
Wie genau wir zu dem Wagen kamen, wusste ich nicht mehr.

in den Wagen gekommen waren Auch hier: Innerhalb eines Satzes die Zeitstruktur korrekt abbilden!

Zitat:
Der Parkplatz, auf dem wir gerade warteten, war mitten auf dem Campus, einem Teil, in dem ich noch nie war.

noch nie gewesen war

Zitat:
Generell glich hier alles einem Labyrinth.

Hier auf dem Parkplatz?

Zitat:
Oh doch, die Geschichte war sehr interessant. Vielleicht wollte ich es nur nicht zugeben, doch ich wollte unbedingt darüber reden.

Wieso "vielleicht"? Das LyrIch sagt gerade (sich selbst), dass die Story definitiv interessant ist. Zu Daniel sagt er/sie, dass sie es eher nicht ist. Also ist glasklar, dass er/sie es nicht zugeben will.
Wieso "doch"? Er/sie muss es ja nicht zugeben, um darüber reden zu dürfen/können. Ein "doch" wäre sinnvoll bei solchen Sätzen: "Ich hatte Angst, da reinzugehen, doch anders würde ich an den Schatz nicht rankommen."
Das Wörtchen "nur" ist hier ein überflüssiges Füllwort. Probier es aus! Ohne "nur" büßt der Satz nichts ein.


Zitat:
Mittlerweile schleppte ich diese Geschichte schon ein Jahr mit mir herum, von der niemand so richtig wusste. Oft hatte ich das Thema bei meinen Freunden angesprochen, doch keiner wollte mir so richtig zuhören.

Der attributive Nebensatz steht direkt hinter dem Wort/der Wortgruppe, für den/die es Attribut ist. Ausnahmen sind kurze Element hinter diesem Wort/dieser Wortgruppe; etwa wie "Es war eine Geschichte zu erzählen, die echt gut war.". nicht "Die Geschichte musste ich erzählen, die echt gut war."
Das "von der niemand so richtig wusste" erscheint mit unpräzise - offenbar hat er/sie sie oft erwähnt, also wussten zumindest einige davon. Sie kannten die Geschichte nur nicht richtig.
unschöne Dopplung "so richtig"


Zitat:
Plötzlich merkte ich, wie meine Augen wässrig wurden. Oh Gott, bitte jetzt nicht.

Das "plötzlich" ist ein überflüssiges Füllwort an dieser Stelle. Als Unterbrechung eines anderen Geschehens ist das Wort ein Signal (*), hier suggeriert es eine Überraschung, die nicht stattfindet. (* Ich ging gemütlich die Straße entlang. Plötzlich traf mich ein Stein.)

Zitat:
Keine Antwort.

Antwort worauf? Das "Wo soll ich anfangen?" ist eine typische rhetorische Frage.

Zitat:
Als ich meinen Kopf drehte und Daniel anschaute, sah ich, dass er mich stirnrunzelnd anschaute.

unschöne Dopplung "anschaute"

Zitat:
Tja, das war's wohl. Scheisse.

Scheiße

 
Zitat:
Daniels Augen weiteten sich. "War ich das?" Nein. "Oh Gott, tut mir leid."

Was ist das "Nein" dort dazwischen?
Ich verstehe Daniels Entsetzen nicht. Er hat lediglich Interesse an ihm/ihr bekundet, nicht ihn/sie geschlagen oder unter Drogen gesetzt oder sowas. Glaubhafter wäre etwas wie: "Sorry. Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Echt nicht."

Zitat:
Leicht panisch schaute er sich nach einer Tasche um, die auf dem Rücksitz lag.

Entweder er ist panisch oder nicht. Nur "leicht panisch" geht nicht, das ist wie "leicht tot." Nicht die stärksten Worte verwenden (die man dann eventuell abschwächen muss), sondern die treffendsten!
Das "nach einer Tasche" klingt, als sei nicht klar, ob dort überhaupt eine liegt.
Warum muss er sich danach eigentlich umsehen (den Blick suchend schweifen lassen)? Es reicht, wenn er sich nach hinten zur Tasche hin beugt.

Zitat:
Er beugte sich nach hinten, musste sich dabei aber so stark strecken, dass er zusammenzuckte und sich das Bein hielt.

Das stimmt so nicht: Nur weil man sich stark streckt, zuckt man nicht zusammen oder muss sich das Bein halten. Dieser Einschub ist sowieso ein reiner Füller, der zur Handlung nichts beiträgt; er dient offenbar lediglich als Spannungsbogenverlängerer. Hinweis: Man kann Spannungsbögen auch so stark dehnen, dass sie dünn werden und letztlich reißen.

Zitat:
Auch meine Nase fing an zu laufen, es würde also wirklich unschön werden.

Auch das wirkt eher verkrampft: Okay, ein verfenztes Gesicht taugt nicht für einen Schönheitswettbewerb, aber "es würde (wirklich) unschön werden" meint ein ganz anderes Kaliber (da geht es eher um Brutalitäten).

Zitat:
Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm, wegen mir und meinen ungewollten Tränen sollte er sich kein weiteres Kreuzband reißen.

"Kreuzband reißen"? Nicht übertreiben! Nein im Ernst: Du hast Effekthascherei nicht nötig und auch diese Figur ist in diesem Moment nicht in so sarkastischer Stimmung.

Zitat:
Er blickte langsam in mein Gesicht, sein leicht verstörter Blick sprach Bände.

Wie kann man "langsam blicken"?
Wieder: Entweder der Blick wirkt verstört (dann kann er auch Bände sprechen) oder nicht. Jaja, ich weiß: Es gibt für bestimmte Dinge Abstufungen, aber in den meisten Fällen gibt es auch verschiedene Wörter für diese Stufen.
Ich verstehe nicht, was für "Bände" der Blick spricht. Im Ernst: Was wollte Daniel mit/in der Tasche, die er dann doch nicht genommen hat? Was geht ihm so deutlich erkennbar durch den Kopf? Fühlt er sich angemacht? ER hat Interesse bekundet. Und er hat auf die Tränen nicht mit Ablehnung sondern Sorge reagiert. Auf eine mutmaßliche Anmache sollte er also vielleicht verunsichert reagieren (weil er nicht genau weiß, ob es eine ist), aber eher nicht verstört.

Zitat:
Ich nahm meine Hand von seinem Arm. Wie ich wohl aussehen musste - (höchstwahrscheinlich) rote, aufgequollene Augen, ein verzweifelter Blick und noch nicht getrocknete Tränen auf der Wange.

In erzählenden Texten haben Klammern nichts zu suchen. Zudem: Das "höchstwahrscheinlich" (es ist eine Vermutung) steckt auch schon im "wohl" drin.
Wieso verzweifelter Blick? Der Text klang - bei aller Trauer, allem Schmerz - eher nach Erleichterung, endlich sprechen zu dürfen.
Das "aufgequollen" klingt für mich nach einem falschen Zungenschlag. Holz kann aufquellen, Augen wirken eher verquollen.

Zitat:
Kein schöner Anblick, auch ohne all das.

Ohne was?

Zitat:
"Hab ich irgendwas Falsches gesagt?"

DAS wäre die richtige Frage gewesen, als das LyrIch zu weinen begann. Das heißt: Der ganze Text zwischen den ersten Tränen und dem hier wirkt wie nachträglich eingeschoben, um Zeit/Text zu schinden.

Zitat:
Eine neue Welle an Tränen bahnte sich an, während der Regen nicht nach lies.

nicht nachließ

Zitat:
Beständig und stark wie zuvor prasselte er auf das Auto. "Das alles beschäftigt mich schon seit einem Jahr und du bist der erste, der sich dafür interessiert. Glaube ich.", fügte ich kleinlaut hinzu, während meine Stimme wegbrach.

unschöne Dopplung "während"
Punkt hinter "Glaube ich" ist zu viel.

Zitat:
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er mir seinen Jackenärmel hinhob. "Hier. Erzähl."

Echt? Er hält ihr/ihm seinen Arm hin? Wozu? (Kann es sein, dass er die Jacke nicht anhat? Warum hat er sie dann griffbereit? Irgendwie fehlt da eine Info im Text.)


Schlusswort: Nicht beirren davon beirren lassen, dass ich so viel "angestrichen" habe! Ich finde nahezu immer was zum Anstreichen. wink


_________________
Es ist nicht wichtig, was man mitbringt, sondern was man dalässt. (Klaus Klages)
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SannyB
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S


Beiträge: 174
Wohnort: BaWü


S
Beitrag04.11.2018 20:59

von SannyB
Antworten mit Zitat

Hallo helenawagner,

zu den Details würde schon recht viel gesagt, deshalb nur kurz:
Ich konnte mich gut einfühlen und wäre neugierig, um was es eigentlich geht, wie es weiter geht.

Grüße, Sanny
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Abari
Geschlecht:männlichAlla breve

Alter: 43
Beiträge: 1838
Wohnort: ich-jetzt-hier
Der bronzene Durchblick


Beitrag05.11.2018 10:45

von Abari
Antworten mit Zitat

Hey helenawagner,

Deine Geschichte ist flüssig geschrieben und gefällt mir sehr.

Allein der erste Absatz kommt mir mit geballten Informationen daher. Magst Du sie als Sinneswahrnehmungen auf den Text etwas verteilen? Das würde ihm guttun, glaube ich. Nichts zwingt Dich, das Setting im ersten Absatz "abzuhandeln". Spannender fände ich es, Stück für Stück mit den Augen der (?) Prota das ganze zu erkunden.

Aber das ist, wie die anderen schon sagten, nörgeln auf hohem Niveau. Mach weiter! Das lohnt sich.


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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