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[Auszug aus einer Erzählung] Muttertag


 
 
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hannahliebt
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Alter: 28
Beiträge: 9



H
Beitrag20.02.2018 21:09
[Auszug aus einer Erzählung] Muttertag
von hannahliebt
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Menschen,

im Folgenden werde ich zwei Auszüge einer Erzählung anfügen, an der ich zur Zeit schreibe.

Sie handelt von einem Mutter-Tochter-Konflikt, der durch den Unfalltod des Vaters/Ex-Mannes der Protagonistinnen sowie die Schwangerschaft der Tochter eine Veränderung erfährt.
Mutter und Tochter sind beide POV-Figuren.

Es wäre großartig, wenn ihr mir Eure Gedanken mitteilen könntet; ich bin sicher, dass es viel zu Kritisierendes geben wird (bisher hat noch niemand etwas von mir Geschriebenes gelesen, sodass ich hoffentlich nicht zu viele Umstände damit bereite, was das "erforderliche" Kritikpensum angeht...) und bin insbesondere auch wegen meines Stils und der möglicherweise wenig interessanten Handlung (Fokus liegt sehr stark auf dem Innenleben der Figuren) unsicher.
In jedem Fall vielen vielen Dank bereits im Voraus für eure Mühe, Zeit und Kritik, ich freue mich sehr auf Eure Gedanken!


(...)

Wenn sie jemand fragte – manchmal kam das tatsächlich vor, eine Kollegin vielleicht – wie es ihren Eltern ginge, erzählte sie von ihrem Vater. Von ihm und seinem kleinen Malerbetrieb, seinem wuscheligen Hund, seiner Liebe zum Backen. Und über das Rezept seines rustikalen Apfelkuchens konnte sie es dann endlich wechseln, von diesem leidigen Thema übergehen zu einem so viel harmloseren. Und Deine Mutter? Meine Eltern sind getrennt, antwortete sie dann manchmal. Manchmal auch: Meine Mutter ist tot.
Dass das nicht stimmte, war nur eine Sicht der Dinge – es fühlte sich so an und Lil war der Meinung, dass das ebenso sehr zählte, wenn nicht mehr.
Gefühle. Tot.
Das war ihr Vater. Ein Autounfall, auf dem Heimweg, Berufsverkehr. Einfach so. Es war kaum fünf Monate her.




Sie blickte hinab auf ihren Bauch, der sich deutlich und eindeutig unter ihrer Bluse wölbte. Apfel, Birne, Pampelmuse, Aubergine. Obstsalat. So stand es in diesen Schwangerschaftsbüchern (sie hatte in einem Anflug von bemühter Vorbildlichkeit tatsächlich zwei dieser Ratgeber erworben), um die Größe des heranwachsenden Babys in verschiedenen Schwangerschaftswochen zu verdeutlichen. Sie wollte keinen Obstsalat in ihrem Bauch.
Sie mochte Obst nicht einmal besonders, allerhöchstens noch verborgen in Kuchen.
Eigentlich mochte sie auch Babys nicht besonders.
Ihr Mann hingegen war ganz begeistert von der Idee einer eigenen kleinen Familie und seit seine Schwester und deren Frau ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatten, bearbeitete er sie (denn so fühlte es sich an), bis sie endlich die Pille absetzte. Sie hatte nachgegeben, weil das einfacher schien. Irgendetwas musste man mit seinem Leben ja anfangen. Und so war es gut, weil fast alle das machten. Sie würde das doch dann wohl auch hinkriegen. Mutter sein…

Ihr Vater hatte Obst gemocht, eben ganz besonders Äpfel.
Ihr Vater hatte auch Babys gemocht, Kinder überhaupt.
Ihr Vater war tot und hatte zuvor nicht einmal mehr erfahren, dass sie schwanger war.


Sie hatte versuchen wollen, das Kinderzimmer zu streichen; Philipp hatte am Samstag Farbe im Baumarkt gekauft und Schablonen, mit denen sich die Silhouetten von Tieren an die Wand pinseln ließen. Die Schablonen formten turnende Affen und schlafende Löwen, ein Nilpferd war dabei, ein langohriger Hund und ein Elefant – mit Elefantenkind. Elefantenmutter, hatte sie gedacht. Und dann hatte sie Nilpferde gepinselt, in blau, ein ganzes Rudel. Ein Rudel? Nilpferde lebten nicht im Rudel, auch nicht in Herden oder Scharen oder Schwärmen:
Sie lebten allein.

Sie hatte die blauen Nilpferde angesehen, angesehen und angesehen und dann war diese Reklame plötzlich wieder da, grellrot und aufdringlich. Danke, Mama!

Ihre Mutter lebte allein.
Ach nein. Ihre Mutter war ja tot.

Und da war sie hinübergegangen in die Küche, mit blauen Fingern und blauen Gedanken und hatte auf dem Wandkalender das verräterische Herz entdeckt und daneben, in Philipps Schrift: 16.00 Uhr, Kaffee und Kuchen bei meinen Eltern.
Verräterisches Herz, dachte sie, dass Du so sehr lieben kannst. Mich hast Du auch verraten. Ein Wort, ein Gedanke, eine Kette - ohne Perlen.


(...)


2

Dornröschen war ein schönes Kind, schönes Kind, schönes Kind, Dornröschen war ein schönes Kind, schönes Kind …
Es hatte langsam angefangen und war immer schlimmer geworden. Mehr und mehr war ihr Schloss zugewachsen, umrankt worden von Rosen, Rosen und Dornen. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, wann es zuerst geschehen war, aber bereits zu ihrer Grundschulzeit hatte ihre Mutter beinahe monatlich eine ihrer Phasen gehabt. Staubdurchwirkte Dunkelheit bei heruntergelassenen Rollläden, eine verschlossene Schlafzimmertür. Ihre Mutter mit tränenschwerem Blick, leises Schluchzen bei Nacht. Manchmal hatte sie auch einfach nur dagesessen, stundenlang auf demselben Stuhl, und aus dem Küchenfenster geblickt, hinaus in den windzerzausten kleinen Garten. „Was sieht Du, Mama?“, hatte sie gefragt, oft gefragt, doch nie eine Antwort erhalten. Die meiste Zeit verbrachte ihre Mutter in diesen Phasen allerdings im Bett. Sie schrieb dort in ein schmales, ledergebundenes Notizbuch, blickte an die weiße Decke, ohne sich zu rühren oder schlief, schlief, schlief, schlief, schlief, so unglaublich viel. Sie beobachtete all das schleichfüßig durch das Schlüsselloch linsend, durch das sie einen guten Blick auf das große Bett der Eltern hatte. Ein Bett, dass ihr manchmal fern vorkam wie eine Insel, unerreichbar. Unerreichbar war dann auch ihre Mutter, sie reagierte nicht auf ihr Rufen und Klopfen, kaum je auf Ansprache. Ihre Kamera rührte ihre Mutter in solchen Phasen nicht an, still und blicklos lag sie dann hinter Glas in einer Vitrine im Wohnzimmer. Eingesperrt, hatte sie oft gedacht, eingesperrt so wie ich in diesem stillen, dunklen Haus. Eingesperrt wie in dem Schloss im Märchen, in dem alle Menschen in einen hundertjährigen Schlaf verfielen…
Ihr Vater hatte diesen Vergleich einst gezogen – und er war so unglaublich treffend. Selbst, wenn ihre Mutter in diesen Phasen Zeit außerhalb ihres Bettes verbrachte schien es doch, als schliefe sie, schliefe mit offenen Augen, immerzu. Lil hatte vieles erst verstanden, als sie älter wurde. Dass die Spindel, an der sich ihre Dornröschenmutter verletzt hatte, Depression hieß. Dass sie krank war, sehr krank, und dass sie sich mehr und mehr von ihnen entfernte.
Früher wurde es manchmal noch besser – es gab Zeiten zwischen den Dornen, in denen ihre Mutter wieder erwachte. Dann fotografierte sie wieder und hörte Lil zu, wenn sie aus der Schule kam. Ganz selten sang sie sogar. Sie küsste Lils Vater. Dann blühten alle Rosen und niemand wurde mehr verletzt.

Aber diesen Zeiten wurden mehr und mehr zu einem Dazwischen. „Warum bist du so oft traurig, Mama?“, hatte sie gefragt, im Dazwischen. Ihre Mutter hatte nachgedacht, lange. „Weißt Du“, hatte sie geantwortet, „die Traurigkeit kommt ganz plötzlich und dann… Ich bin dann nicht mehr ich. Ich bin nicht mehr hier. Ich bin weg, weit weg von allem, allein im Meer, ich…“. Sie war verstummt und hatte dann, mit fliegenden Händen und einem scheuen Lachen, das Thema gewechselt. Ich bin dann nicht mehr ich.
Sie wurde Dornröschen. [/i]

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RememberDecember59
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Beitrag21.02.2018 22:40

von RememberDecember59
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Hallo hannahliebt!
Die beiden Textausschnitte gefallen mir wirklich gut! Ich lese da sehr viel Empathie heraus und glaube, dass du ein ziemlich gutes Gespür für Menschen und ihre Gedanken und Gefühle hast. Besonders treffend finde ich übrigens die Beschreibung der Depressionen der Mutter und die Reaktion ihrer Tochter auf ihr Verhalten. Absolut glaubhaft.
Der Stil ist passend. Ich mochte die Klammern als Stilmittel nicht so gerne, ansonsten ist das für mich aber schon recht rund. Insgesamt hat mich das beeindruckt und vor allem sehr berührt. Von mir gibt es Daumen hoch!
 Daumen hoch


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Bartimäus: "...-was ist das?"
Kobold: "Hätte mich das jemand anders gefragt, o Herr, der ihr Schrecklich und Unübertrefflich seid, hätte ich ihn einen Dummkopf genannt, bei Euch jedoch ist diese Frage ein Zeichen jener entwaffnenden Schlichtheit, welche der Born aller Tugend ist. ..."

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Klemens_Fitte
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Beitrag22.02.2018 11:47

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo hannahliebt,

Zeit für einen ausführlichen Kommentar habe ich leider nicht, aber eine kurze Rückmeldung wollte ich doch dalassen.

Den ersten Teil finde ich ziemlich überzeugend. Da gibt es vielleicht den ein oder anderen Ausrutscher, aus meiner Sicht – die letzten Sätze bspw. – aber da passt schon ungemein viel; Sprache, Perspektive, oder kurz: Erzählhaltung.

Mit dem zweiten Teil habe ich (noch?) arge Probleme. Ich kann nicht sagen, ob es daran liegt, dass ich nicht mehr an Text zur Verfügung habe, mir der Blick auf das sog. große Ganze fehlt, oder ob es mit der Erwartungshaltung zu tun hat, die der erste Teil aufbauen konnte.

Zunächst hatte ich überlegt, ob mein Problem in der Pathetisierung der Sprache besteht: die Wiederholung von Worten
Zitat:
blickte an die weiße Decke, ohne sich zu rühren oder schlief, schlief, schlief, schlief, schlief, so unglaublich viel

Zitat:
Eingesperrt, hatte sie oft gedacht, eingesperrt so wie ich in diesem stillen, dunklen Haus. Eingesperrt wie in dem Schloss im Märchen

oder deren emotionale Aufladung
Zitat:
Staubdurchwirkte Dunkelheit

Zitat:
mit tränenschwerem Blick

Mittel, die nicht per se unzulässig sind, in denen ich aber eine Aneignung der kindlichen Perspektive vermute, ohne dass diese Aneignung, die verfälschenden Mechanismen, die ihr innewohnen, im Text oder in der Erzählhaltung problematisiert würden; im Gegenteil, es wird ja über die Märchenfigur Dornröschen, über das Aufgreifen der kindlichen Vorstellungswelt eine kindliche Perspektive suggeriert, da helfen auch die Verweise auf das Später nicht unbedingt.
Zitat:
Sie erinnerte sich nicht mehr daran

Zitat:
Lil hatte vieles erst verstanden, als sie älter wurde.

Das nimmt man als Leser mE nicht mehr wahr, weil der Rest ein ganz anderes Gewicht/eine andere Suggestionskraft hat.

Diese 'Aneignung' ist wiederum Bestandteil des eigentlichen Problems, das ich mit dem zweiten Teil habe und das mir beim Lesen des Kommentars von RememberDecember59 klar wurde:
Zitat:
Besonders treffend finde ich übrigens die Beschreibung der Depressionen der Mutter und die Reaktion ihrer Tochter auf ihr Verhalten. Absolut glaubhaft.

Es mag paradox klingen, aber mE wird eine treffende und glaubhafte Beschreibung (aus dem Später) dem Thema – so wie ich es vermute – gerade nicht gerecht; weil es, in treffende und glaubhafte Beobachtungen gekleidet, das Abgründige des Alltags und des Lebens verschleiert.
Anders: Dornröschen als Metapher für Depression ist ein derart vertrautes und in der Literatur zur Genüge abgearbeitetes Bild, dass ich sofort den Verdacht habe, hier gehe es eher darum, Glaubhaftigkeit zu erzeugen, als sich dem Wesen der Sache zu nähern. Und das, zusammen mit der unproblematisierten Aneignung der kindlichen Perspektive, ist mE der wunde Punkt des Textes.

Nur: all das mag daran liegen, dass ich nur einen Ausschnitt sehe. Und es bedeutet mitnichten, dass der Text schlecht geschrieben ist, im Gegenteil. Wahrscheinlich lese ich aus dem ersten Teil einfach ein Potential heraus, den Gegenstand des zweiten Teils sehr viel wahrer und weniger glaubhaft zu schildern.


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RememberDecember59
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Beitrag22.02.2018 12:28

von RememberDecember59
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@ Klemens: Interessant ist, dass die Stelle, die ich vor allem so treffend finde, genau die ist, die du auch sprachlich nicht so gelungen findest.
Die hier nämlich:
Zitat:
Die meiste Zeit verbrachte ihre Mutter in diesen Phasen allerdings im Bett. Sie schrieb dort in ein schmales, ledergebundenes Notizbuch, blickte an die weiße Decke, ohne sich zu rühren oder schlief, schlief, schlief, schlief, schlief, so unglaublich viel.

Und auch die hier:
Zitat:
Selbst, wenn ihre Mutter in diesen Phasen Zeit außerhalb ihres Bettes verbrachte schien es doch, als schliefe sie, schliefe mit offenen Augen, immerzu.

Denn das ist – auch wenn der Dornröschenvergleich nicht ganz neu ist – tatsächlich das, was ich vor allen anderen Dingen mit Depressionen verbinde: die unglaubliche Müdigkeit (noch weit vor der Traurigkeit), die einen auf eine so brutale Weise lähmt, dass man nicht in der Lage ist, auch nur irgendetwas zu tun.


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Klemens_Fitte
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Beitrag22.02.2018 12:52

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Interessant finde ich das überhaupt nicht, nur folgerichtig.

Sprachlich nicht gelungen war kein Urteil von mir. Eine Eignung der Sprache ist untrennbar mit dem verbunden, was und wie man erzählt, und da maße ich mir (noch) keine Meinung an, äußere nur meine Verdachtmomente; und die haben mehr mit Aneignung und Verfälschung zu tun, mit Mitteln, durch die eben etwas treffend wird.

Meine Probleme mit dem treffend habe ich bereits zu erläutern versucht. Was man gemeinhin mit Depressionen verbindet, ist nun kein Mysterium, und die Art der Verwortung hier recht naheliegend.

Der sich selbst zitiert hat Folgendes geschrieben:
Es mag paradox klingen, aber mE wird eine treffende und glaubhafte Beschreibung (aus dem Später) dem Thema – so wie ich es vermute – gerade nicht gerecht; weil es, in treffende und glaubhafte Beobachtungen gekleidet, das Abgründige des Alltags und des Lebens verschleiert.


Interessant fände ich derzeit erst mal die Sichtweise von hannahliebt.


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hannahliebt
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Alter: 28
Beiträge: 9



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Beitrag22.02.2018 14:33

von hannahliebt
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@RememberDecember59 und @Klemens_Fitte

Erst einmal ein Großes Dankeschön an Euch beide - dafür, dass ihr Euch die Zeit genommen habt, die Auszüge zu lesen und mir dann sogar noch Eure Gedanken und Kritik mitzuteilen.

Es ist ein eigenartiges und schönes Gefühl, zu lesen, wie andere Menschen über etwas Selbstgeschriebens denken, wie unterschiedlich einzelne Passagen aufgenommen werden können und allein das ist bereits eine lehrreiche Erfahrung, danke dafür.

@RememberDecember

Vielen Dank für das Beschreiben Deiner Gedanken/Gefühle zum Text, besonders für Deine liebevollen Worte.

(Gerade bei der Beschreibung der Depressionen bin ich noch sehr unsicher, da ja alle Arten von Erkrankungen sehr sensible und persönliche Themen sind und ich Betroffene weder in Schubladen stecken, noch ihnen unsensibel gegenübertreten ode literarisch verkleidete Vorwürfe machen mag... Daher bin ich um das Einfühlen wirklich bemüht (und kann dennoch sicher noch viel dazulernen, weil ich mich ja immer noch im Rahmen dessen bewege, was eine Außenstehende bemerken kann).  Danke.

Was Deine Gedanken zu den Klammern angeht, hast Du Recht - sie unterbrechen den Lesefluss auf eine eher störende Weise, ich denke, dass ich das noch anpassen/verändern werde, danke für Deine Sichtweise!


@Klemens

Vielen, vielen Dank, dass Du trotz Zeitdrucks eine so ausführliche Kritik geschrieben hast, das weiß ich wirklich sehr zu schätzen.

Natürlich hattest Du/hattet ihr hier nur die Möglichkeit, einen Auszug der gesamten Erzählung zu lesen und in gewisser Weise verändert sich damit der Kontext auf jeden Fall (so sind die merkwürdigen und vielleicht überladenen letzten Sätze des ersten Auszugs schon wieder assoziativ angebunden an den eigentlich unmittelbar folgenden Absatz und überhaupt fehlen natürlich Informationen.
Falls Du irgendwann einmal Zeit und selbstverständlich auch Lust dazu haben solltest, mehr zu den Ausrutschern des ersten Auszugs zu sagen, würde ich mich sehr freuen.)
Nichtsdestotrotz denke ich, dass Deine Gedanken zum zweiten Auszug absolut richtig bzw. die Deiner Beschreibung (sofern ich das richtig erfassen konnte) nach auftauchenden Diskrepanzen zwischen Stil, Erzählperspektive und Aussageintention existieren, auch wenn ich sie bisher nicht wahrgenommen habe.

Ich habe überlegt, woran das liegen kann und schreibe im Folgenden Mal ein paar meiner aus Deinen/Euren Gedanken enstandenden Überlegungen auf:

Der Verweis auf die pathetisch-überladene Sprache ist sehr hilfreich, danke -- vielleicht ist hier weniger mehr, wäre Schlichtheit angemessener und auch für die kindlichere Perspektive stimmiger.
(Ich neige wohl generell "stilistisch" zu dieser Art Pathos und muss da kritischer hinsehen)


Die enttäuschte Erwartungshaltung - ich habe es so verstanden, dass sie in der im zweiten Abschnitt aufgebauten, eher konstruiert-distanzierten-wattierten Beschreibung der Depressionen liegt, die (unabhängig von der außerdem fehlenden Stimmigkeit zwischen Erzählperspektive (Kind) und Stil) zu der "wahrhaftigeren", unmittelbareren, alltagsnäheren Schilderung im ersten Abschnitt in schroffem Kontrast steht - meintest Du das @Klemens?

Nach Deiner Rückmeldung und im Versuch, den Text objektiver zu betrachten, kann ich das nachempfinden! Etwas passt da nicht.
Es fühlt sich an, als stellte ich dem ersten Auszug einen später folgenden gegenüber, der manche der vielleicht drastischer geschilderten Gefühle/Gedanken der Tochter in eine Art schützende Metapher kleidet, die Distanz aufbaut und das eigentliche Geschehen in weitere Ferne rückt - das märchenhafte ist hier etwas Verfremdendes, vielleicht Abschwächendes...

Die Frage der Glaubwürdigkeit bzw. Konstruktion und das Gefühl fehlender Integrität haben sicher auch damit zu tun, wie ich mit der Beschreibung der Depression insgesamt umgegangen bin; ich habe immer wieder etwas verändert, überdacht, fand es nicht behutsam genug oder zu stereotyp. Daraus mag sich auch ein Teil des Gefühls der Unstimmigkeit ergeben...
(Es wird sicher interessant, Deine Beobachtungen auf die Szenen aus der Perspektive der depressiven Mutter zu übertragen, ich hoffe, das wird mir kritisch gelingen.)

Es fällt mir gerade schwer, es genauer in Worte zu fassen, aber mir bleibt Deine Beschreibung mit den Begriffen Aneignung und Verfälschung präsent.
Wenn Du vom Problematisieren der kindlichen Perspektive sprichst (genauer: Der veränderten Erzählperspektive), die ich hier aufgreife (wenn auch offenbar sehr schief), meinst Du dann, dass der spürbare Kontrast zwischen beiden Perspektiven gerade nicht durch auf die Gegenwart verweisenden Nebensätze, sondern in einer direkten gedanklichen Auseinandersetzung der Figur mit ihren Kindheitserinnerungen und deren anderer Perspektive überbrückt werden könnte?

Das dass Dornröschenmotiv in der Literatur ein häufig-vertrautes ist, war mir dabei leider nicht bewusst (nicht, dass ich annahm, ich hätte hier etwas neues entdeckt, denn das Märchen weist natürlich viele Anknüpfungspunkte auf und im Grunde sind natürlich beinahe alle Gedanken schon vorher gedacht worden) ...
Könntet ihr mir bei Gelegenheit vielleicht mehr dazu sagen, also vielleicht einen Text/ein Werk nennen, in dem es auftritt?
Vielleicht wäre es auch ein Ansatz, das Motiv umzugestalten, gerade wenn es literarisch schon vielfach belegt ist, ist es dann ja vielleicht weniger geeignet, um als Welterklärungsbild eines Kindes zu funktionieren.

das Abgründige des Alltags und des Lebens verschleiert.
Das ist noch so ein Schlüsselsatz für mich. Den darum soll es gehen, ganz genau - das Abgründige des Alltags, dass dann wohl in Auszug zwei mehr als kurz kommt bzw. in der Erzählung und Metapher verloren wird.

Ich ende hier zunächst und hoffe, Euch nicht missverstanden zu haben - in jedem Fall haben mir Eure Rückmeldungen, die Diskussion und Kritk schon viel weitergeholfen, eine neue Perspektive und Denkanstöße gegeben. Danke dafür!
Ich freue mich schon jetzt sehr auf Eure Antworten -

Hannah
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RememberDecember59
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Wohnort: Franken


Beitrag22.02.2018 14:49

von RememberDecember59
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Liebe hannahliebt,
gern geschehen!

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Daher bin ich um das Einfühlen wirklich bemüht (und kann dennoch sicher noch viel dazulernen, weil ich mich ja immer noch im Rahmen dessen bewege, was eine Außenstehende bemerken kann).


Falls du Interesse an persönlichen Erfahrungsberichten hast, um das Dornröschenbild durch konkretere Alltagssituationen zu ersetzen oder es damit zu untermauern, kannst du dich jederzeit per PN an mich wenden. smile


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Abari
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Der bronzene Durchblick


Beitrag22.02.2018 15:55

von Abari
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Hey, hannahliebt,

Ich habe Deinen Text jetzt mehrmals mit Abstand gelesen. Eine Sache fiel mir besonders auf: Du verschießt Dein ganzes Pulver in wenigen Sätzen.
Du kennst die rhetorischen Mittel und setzt sie ein, das ist immer legitim und wird die Wirkung steigern. Aber wenn Du alle "Geheimnisse des Textes" in wenigen Sätzen "verrätst", werden die Leser_innen mit einer großen Leere zurückbleiben.

Geschickt finde ich zB gelöst, die Depression in das Dornröschenschema zu bringen. Aber Du erzählst mir die Geschichte (noch) nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, möchtest Du einen Roman schreiben. Dann gehe in die Breite, bewahre Dir Geheimnisse auf und gib sie Stück für Stück den Leser_innen preis. Ich kann nur immer wieder dafür werben, das Erzählen und das Schreiben größtmöglich zu genießen, da das auf die Leser_innen überspringt.

Du kannst zB ein ganzes Kapitel lang erzählen, wie das Kind die immerfort währenden Depressionen, die die Mutter einwickeln, beobachtet und schließlich ein innerer Trennungsprozess einsetzt. Das wäre nicht zu viel gesagt, glaube ich. Ein so großer Konflikt, wie Du ihn entfalten möchtest, ist nicht in hundert Sätzen erzählt. Ich weiß, dass es beim Studium nicht legitim ist zu erzählen, aber das unterscheidet ja gerade Belletristik von wissenschaftlichen Arbeiten. Da darfst Du ein wenig schwelgen und ins Detail gehen. Dekomprimiere bitte für einen Roman deinen Erzählstil. Sonst wirst Du große Mühe haben, auf dreihundert Seiten zu kommen. Natürlich soll es nicht blümerant werden. Das wäre tatsächlich schade und scheint mir Deinem Schreibstil auch nicht zu entsprechen.

Dass Dir das erzählen liegt, sieht man am ersten Textabschnitt. Aber vielleicht traust Du Dich nicht so recht? Nur Mut! kann ich dazu nur sagen. Du hast schöne Einfälle, zB. das Kind immer mehr von der Mutter getrennt zu sehen, bis es schließlich nur noch die Schlüssellochperspektive hat.

So darf sich die Idee "ent-wickeln". Du wirst merken, je mehr Du Dich kontemplativ auf das Erzählen einlässt, desto kräftiger werden die Ideen sprudeln. Und dann macht es erst richtig Spaß.

Edit: Ich habe gerade bei Klemens_Fitte gelesen, dass das Dornröschenmotiv sehr vertraut ist. Oha, dann habe ich das wohl nicht mitgeschnitten (ich kann ja nicht "alles" lesen). Glücklich finde ich es trotzdem. Aber vielleicht passt ja auch Rapunzel? Eine Depression ist ja ein Gefangensein, das nicht aus freien Stücken passiert.

Nimm, was Du brauchen kannst.


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Klemens_Fitte
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Beitrag23.02.2018 11:04

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo hannahliebt.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Falls Du irgendwann einmal Zeit und selbstverständlich auch Lust dazu haben solltest, mehr zu den Ausrutschern des ersten Auszugs zu sagen, würde ich mich sehr freuen.)


Da bin ich sehr vorsichtig (geworden). Eine Detailkritik, ein lektorierendes Eingreifen in einen Text würde ich mir erst dann erlauben, wenn ich mehr als einen Ausschnitt kenne, wenn ich ein Gefühl für die Sprache des Autors/der Autorin habe und mehr darüber weiß, was diese Sprache transportieren soll; schließlich sind Sprache und Inhalt untrennbar verbunden und gibt es zunächst keine Formulierung, die per se schlecht/unpassend ist. Momentan sind das nur Verdachtsmomente, und die kleinteilig zu diskutieren, ist … nun ja, schwierig.

Ich sehe es so: alles, was ich tun kann, ist, mit meiner Rückmeldung eine möglichst klare Wand zu bilden, gegen die du mit deinem Reflektieren über den Text so lange rennst, bis du sie akzeptierst oder einreißt. Das ist ein Prozess, in dem man die Umrandungen dessen bemessen kann, was man schreibt – denn ein leeres Blatt hat keine Grenzen; und die halte ich für unverzichtbar.
Ich fände es nicht nur anmaßend, sondern für den Text/das Schreiben sogar destruktiv, mich als Freund des Textes zu gerieren und dir zu erklären, wohin er möchte, was er sein könnte, während ich eigentlich nicht den Text im Blick habe, sondern nur meine eigenen Vorstellungen davon, was Literatur ist.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Der Verweis auf die pathetisch-überladene Sprache ist sehr hilfreich, danke -- vielleicht ist hier weniger mehr, wäre Schlichtheit angemessener und auch für die kindlichere Perspektive stimmiger.


Für mich stellt sich halt – immer noch – die Frage, ob hier überhaupt eine kindliche Perspektive eingenommen werden soll. Allein, wenn ich mir die emotionale Aufladung der Begriffe ansehe, der Blick, der eben nicht verheult ist, sondern tränenschwer oder auch das hier:
Zitat:
war immer schlimmer geworden


– das ist eine Perspektive aus dem Danach, dem Moment der Reflexion, der Verarbeitung oder auch, das ist ja nicht so abstrus, der Trauer; aber wie ein sehr kluger Mensch mir kürzlich sagte: "Man kann nur erleben oder trauern. Nicht beides zugleich." Ein Begreifen, ein Einfassen in Motive ist immer nur vom Ende her möglich, und wenn wir sagen, dass uns diese Motive bereits vertraut waren, dann ist das nicht selten eine Verfälschung der ursprünglichen, unrettbar verlorenen Sicht.

Ich frage mich dann eben, ob hier schlüssige, treffende Motive, eine glaubhafte Schilderung – mit einer inneren Chronologie, ausgedeuteten, reflektierten Szenen – in eine kindliche Perspektive hineingemogelt werden soll, über sprachliche Mittel
Zitat:
Ein Bett, dass ihr manchmal fern vorkam wie eine Insel, unerreichbar. Unerreichbar war dann auch ihre Mutter, sie reagierte nicht auf ihr Rufen und Klopfen, kaum je auf Ansprache.

Zitat:
Eingesperrt, hatte sie oft gedacht, eingesperrt so wie ich in diesem stillen, dunklen Haus.


Für mich ist das keine kindliche Perspektive, höchstens eine Aneignung oder Übernahme einer kindlichen Perspektive – und ja, das kann man machen, sollte man in vielen Fällen sicher auch, aber dann muss es mE anders problematisiert, mir deutlicher ein unzuverlässiger Erzähler gezeigt werden. Sonst regt sich in mir der Verdacht, hier manipuliere nicht der Erzähler sich selbst, sondern der Autor den Leser. (ob bewusst oder unbewusst, spielt da keine Rolle, es ist ja kein Vorwurf, nur mein Verdachtsmoment beim Lesen)

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
(Ich neige wohl generell "stilistisch" zu dieser Art Pathos und muss da kritischer hinsehen)


Auch da wieder: Pathos ist nicht per se schlecht. Es muss nur (dir) klar sein, wozu es benutzt wird.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Die enttäuschte Erwartungshaltung - ich habe es so verstanden, dass sie in der im zweiten Abschnitt aufgebauten, eher konstruiert-distanzierten-wattierten Beschreibung der Depressionen liegt, die (unabhängig von der außerdem fehlenden Stimmigkeit zwischen Erzählperspektive (Kind) und Stil) zu der "wahrhaftigeren", unmittelbareren, alltagsnäheren Schilderung im ersten Abschnitt in schroffem Kontrast steht - meintest Du das @Klemens?


Eher umgekehrt: ich hätte, glaube ich, im zweiten Teil mit einer distanzierten Beschreibung, einer, die sich ihrer Konstruiertheit bewusst ist, sehr viel besser leben können (klingt hochgestochen, ich weiß) als mit dem Versuch, mir eine kindliche Perspektive genau so weit unterzuschieben, bis es glaubhaft wird; glaubhaft ist halt nicht echt.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Es fühlt sich an, als stellte ich dem ersten Auszug einen später folgenden gegenüber, der manche der vielleicht drastischer geschilderten Gefühle/Gedanken der Tochter in eine Art schützende Metapher kleidet, die Distanz aufbaut und das eigentliche Geschehen in weitere Ferne rückt - das märchenhafte ist hier etwas Verfremdendes, vielleicht Abschwächendes...


Ich glaube, die Distanz ist nicht das (mein) Problem der Metapher; es ist die Tatsache, dass sie so nahe liegt, das Erzählen so einfach macht. Ob der Text näher an die kindliche Perspektive heran muss oder weiter davon weg, ist davon unabhängig.
Vielleicht ist es das: eine Metapher ist eine Lösung, und als solche kann sie unglaublich wirksam sein. Sie wirkt aber schnell wie ein Herumdrücken, wenn der Weg zu ihr zu verkürzt scheint. Dann ist es – für mich – schnell ein erzählerischer Notbehelf, damit der Leser sagen kann: ah, okay, Depression.

Ob und, falls ja, wie du das änderst … ja, das ist dann die nächste Frage.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Die Frage der Glaubwürdigkeit bzw. Konstruktion und das Gefühl fehlender Integrität haben sicher auch damit zu tun, wie ich mit der Beschreibung der Depression insgesamt umgegangen bin; ich habe immer wieder etwas verändert, überdacht, fand es nicht behutsam genug oder zu stereotyp. Daraus mag sich auch ein Teil des Gefühls der Unstimmigkeit ergeben...


Die Grausamkeit des Alltags besteht zumeist im Stereotyp; solange man es nicht benutzt, um es sich leicht zu machen, sondern sich an ihm abarbeitet, ist das Stereotype der unverzichtbare Gegenspieler des Beschreibens. Und Behutsamkeit erwarte ich vielleicht von einem Therapeuten, aber nicht von einem Schriftsteller.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Wenn Du vom Problematisieren der kindlichen Perspektive sprichst (genauer: Der veränderten Erzählperspektive), die ich hier aufgreife (wenn auch offenbar sehr schief), meinst Du dann, dass der spürbare Kontrast zwischen beiden Perspektiven gerade nicht durch auf die Gegenwart verweisenden Nebensätze, sondern in einer direkten gedanklichen Auseinandersetzung der Figur mit ihren Kindheitserinnerungen und deren anderer Perspektive überbrückt werden könnte?


Das wäre zumindest der Ansatz, den ich an deiner Stelle ausprobieren würde. Ob es der richtige sein wird, kann ich nicht sagen.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Das dass Dornröschenmotiv in der Literatur ein häufig-vertrautes ist, war mir dabei leider nicht bewusst (nicht, dass ich annahm, ich hätte hier etwas neues entdeckt, denn das Märchen weist natürlich viele Anknüpfungspunkte auf und im Grunde sind natürlich beinahe alle Gedanken schon vorher gedacht worden) ...
Könntet ihr mir bei Gelegenheit vielleicht mehr dazu sagen, also vielleicht einen Text/ein Werk nennen, in dem es auftritt?


Da hatte ich kein spezielles Werk im Kopf, müsste entsprechend – bei Zeit und Gelegenheit – mal an mein Bücherregal.

hannahliebt hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre es auch ein Ansatz, das Motiv umzugestalten, gerade wenn es literarisch schon vielfach belegt ist, ist es dann ja vielleicht weniger geeignet, um als Welterklärungsbild eines Kindes zu funktionieren.

das Abgründige des Alltags und des Lebens verschleiert.
Das ist noch so ein Schlüsselsatz für mich. Den darum soll es gehen, ganz genau - das Abgründige des Alltags, dass dann wohl in Auszug zwei mehr als kurz kommt bzw. in der Erzählung und Metapher verloren wird.


Wenn du das mitnimmst, bin ich schon mal froh, kommentiert zu haben.

LG Klemens


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»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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Anoa
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Beitrag23.02.2018 11:44

von Anoa
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Hallo,

ich kann mich der Meinung von Abari nur anschließen und danke für diese nützlichen Gedanken. Die Geschichte ist gut und ausbaufähig. Vielleicht sollte noch etwas an der Rechtschreibung gearbeitet werden (Satzzeichen).

Grüße,

Anoa


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hannahliebt
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Beitrag23.02.2018 14:52

von hannahliebt
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@RememberDecember

Danke dafür, wirklich, ich finde Deine Offenheit damit sehr mutig und toll!
Wahrscheinlich würde ich darauf wirklich gern einmal zurückkommen, danke.

@Abari

Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um die Auszüge mehrfach zu lesen/sich setzen zu lassen und ganz besonders auch für Deine Rückmeldung.


Deine Gedanken zum Genießen des Erzählens und fabulieren-dürfen haben mich sehr angesprochen.
Ich denke, dass ich mich - trotz eines befreienden Gefühls beim Schreiben - damit wirklich bisher nicht richtig wohlgefühlt habe; Deine Anmerkung zum Studium mit der von Texten geforderten Knappheit und Seitenbegrenzung spielt da ganz bestimmt mit hinein, vielleicht aber auch, dass ich Angst davor habe, mich in Erzählungen zu verlieren, die vor lauter "Introspektion" vielleicht sehr uninteressant oder langatmig werden könnten. Ich habe schon einige Szenen in meinem Notizbuch, die zu schreiben ich aus ebendiesen Gründen nicht mehr vorhatte - weil ich mich wirklich nicht traue.
Damit hast Du mir auf jeden Fall einen sehr wichtigen Hinweis gegeben ("ins Schwarze getroffen") - und die Erzählung aus solchen Gründen zu arg zu stauchen oder sogar ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu schmälern, möchte ich auf keinen Fall, das wäre sehr schade.
Ich genieße das Schreiben schon sehr, aber möchte nach Deiner Anregung gern den Versuch unternehmen, das Erzählen dahingehend freier werden zu lassen, den Konflikt langsamer, damit aber auch ausführlicher und authentischer zu entwickeln (wenn ich an das "Geheimnis" denke) und vielleicht mehr Zeit in die Handlung zu bringen. Details - das klingt nach vielen Möglichkeiten und Spaß im Entwickeln (lassen)
Es klingt, als könnte ein bisschen mehr Freiheit und Ruhe da ganze Räume schaffen - und das wäre wunderbar!

 Ich kann nur immer wieder dafür werben, das Erzählen und das Schreiben größtmöglich zu genießen, da das auf die Leser_innen überspringt. Das ist ein sehr schöner Hinweis.

Was Dornröschen angeht, bin ich durch die Hinweise Eurer Kommentare schon ins Nachdenken geraten und habe entschieden, da erstmal auch noch ein bisschen zu recherchieren...
Rapunzel und das Gefangensein finde ich als Metapher auch sehr schön/stimmig!
(Später findet sich in der Erzählung eine Szene, in der Lil sich an ihren Wellensittich erinnert, den die Mutter aus ebensolchen Gefangensein-Gefühlen befreit und fort fliegen hatte lassen, weil sie sein Eingesperrtsein mitfühlend nicht ertrug.)
Vielen vielen Dank nochmal für Deine Zeit und Mühe!


@Anoa

Auch Dir vielen Dank für Deine Zeit und dafür, dass Du Deine Gedanken hier gelassen hast!
Ich will versuchen, mich durch Eure Ermutigung auf dieses Ausbauen der Erzählung einzulassen.
Danke auch für den Hinweis auf die Zeichensetzung; damit werde ich mich nochmal eingehender beschäftigen, schließlich ist das sehr störend.

DANKE nochmal an Euch alle, wirklich.
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hannahliebt
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Alter: 28
Beiträge: 9



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Beitrag23.02.2018 15:13

von hannahliebt
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Klemens

Vielen vielen Dank, dass Du Deine Gedanken noch einmal dargelegt und mir die noch unklaren oder von mir missverstandenen Punkte verdeutlich hast!

Ich denke, dass das sich-Erinnern aus Erwachsenenperspektive an in der Kindheit Erlebtes eine Verzerrung darstellt, die ich nach Deiner Anregung nicht im Text thematisiere.
Erst mit Deinen Anfragen an die passende Perspektive wurde mir bewusst, dass die Aneignung einer kindlichen Perspektive hier unbewusst geschehen ist, ich also nicht bewusst geplant hatte, diesen Abschnitt aus dezidiert kindlicher Perspektive zu beschreiben, weil ich das Problem nicht wahrgenommen habe - so kommt es auch zu Unstimmigkeit. Ich denke, ich würde gern versuchen, die Szene in eine Erinnerung-aus-erwachsener-Perspektive gefärbte Sicht umzuformen, die ich dann aber zur Sprache bringe/problematisiere, wie Du anregst (um dieses damit unbewusste Täuschen und Ent-täuschen der Leser*innen zu lösen - danke für die Schilderung dieses Leseeindrucks!). -->  
Zitat:
die sich ihrer Konstruiertheit bewusst ist, sehr viel besser leben können


Ich möchte in dieser Szene die Reflexion vor das Erleben stellen, welchem ich dann lieber in eigenen, echten Rückblendenszenen Raum geben möchte.

Zitat:

"Man kann nur erleben oder trauern. Nicht beides zugleich." Ein Begreifen, ein Einfassen in Motive ist immer nur vom Ende her möglich, und wenn wir sagen, dass uns diese Motive bereits vertraut waren, dann ist das nicht selten eine Verfälschung der ursprünglichen, unrettbar verlorenen Sicht.

Danke dafür, das ist eine sehr wichtige Perspektive!


Ich verstehe jetzt besser, was Du bezüglich der Metapher und ihrer Wirkung auf Leser*innen gemeint hast, danke.

Zitat:

Die Grausamkeit des Alltags besteht zumeist im Stereotyp; solange man es nicht benutzt, um es sich leicht zu machen, sondern sich an ihm abarbeitet, ist das Stereotype der unverzichtbare Gegenspieler des Beschreibens. Und Behutsamkeit erwarte ich vielleicht von einem Therapeuten, aber nicht von einem Schriftsteller.

Und auch an dieser Stelle bin ich ins Nachdenken geraten. Die Gegenspielerperspektive und das Abarbeiten an Stereotypen ohne dabei in Vereinfachung zu enden, ist sicher etwas, dass ich noch üben muss/kann.
(Zudem arbeite ich ehrenamtlich in der Online-Seelsorge und vielleicht schleicht sich da manchmal etwas von meinem Schreibverhalten in den Umgang mit den Figuren der anderen Texte - das werde ich mal kritisch beäugen.)


Zitat:
Ich sehe es so: alles, was ich tun kann, ist, mit meiner Rückmeldung eine möglichst klare Wand zu bilden, gegen die du mit deinem Reflektieren über den Text so lange rennst, bis du sie akzeptierst oder einreißt.

Danke für die Erklärung Deines Anspruches - das ist meines Erachtens nach ein sehr konstruktiver und offener Ansatz von Kritik.
Und auf diese Weise hast Du mir sehr weitergeholfen, danke!
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