Selbsteinsicht, retrospektiv

[bahlsen]

Rilke in der Hand, dann schrei ich:
meine gitter sind nur dir und mir gewidmet!
und wie aus
aschen und verbrannter erde
atmet meine lunge kerkerluft
aus.
du sagst, ich solle
ins sonnenlicht treten?

Aber wieso verdeckst du es dann?

ins hohle dann
der letzte schrei
aus neunzehnhundertfünf:

alleine steh ich traumverbrand
an schaumbedeckter küste
mir ist, als ob das meer hier alles wüsste
und hohl und nichtig sei die welt.

wie boten gleiten meine möwen
vom horizont hinaus aufs meer
ein weißgetauchtes federheer
sinkt vor mir nieder, schnattert leer.

dann plötzlich fährt die gruppe auf
und flattert um ein zentrum
es scheint, als ob dort mächte walten
die ihnen unbemerkt diktieren

es ist als ob es mächte gäbe
die ihre schwingen drehn und lenken
was würden diese boten bieten
wenn ich nur auch durch schnäbel spräche!

mich trägt ein leises wellenspiel
hinaus mit feuchtem flügel,
auf rauschend ruhigen meeresspiegel
ganz in sich ursprung, grund und ziel.

mich trägt das sanfte wolkenziehn
von ufer weg, hinauf aufs meer
ein himmelspiel, so friedlich leer
und ruhig! so still - schlaf ein!

schlaf ein! und spür die meereswogen
und lass dich treiben in der zeit
dort irgendwo beim sonnenschein
vielleicht liegt afrika? und ganz dahinter
ein neues ufer dir bereit.

Sommer 07