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Dime


 
 
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Herztrost
Geschlecht:weiblichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Schwarzwald


Beitrag19.03.2024 08:54
Dime
von Herztrost
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Dime

Alex und Dime

Das Leben im Widerstand fühlte sich meistens nicht anders an als andere Leben. Es war die gleiche Welt, in der alle hierhin und dorthin gingen, sich niederließen und wieder aufstanden, um weiterzugehen. Und wenn Alex bei Dime war, musste er sich immer besonders anstrengen, nicht zu vergessen, wer sie waren und was sie taten.

*

Vor etwas mehr als einem Jahr war er Praktikant in der Regionalverwaltung von Richmond gewesen. Irgendwann hatte er Dime mittags in der Cafeteria gesehen.

Sie fiel sofort auf, weil sie hübsch war. Dime war die Sorte Mädchen, denen die Türen aufgehalten wurden und denen man nachschaute, ohne es zu wollen. Und es war die Sorte, um die man sich immer Sorgen machte.

Jeder wusste, dass der Treppenabsatz davor tückisch und ihre Absätze schmal waren, wenn sie ihr stets halb leeres Tablett zusammen mit einem ganzen Stapel Bücher oder Akten in Richtung der Tische am Fenster trug. Und man machte sich noch mehr Sorgen, wenn sie wieder zurückging, das Tablett in einem wahren Balanceakt einhändig in den Essenswagen einfädelte und sich in Richtung Obergeschoss aufmachte, wo noch mehr Treppen, schwerere Akten und bösere Menschen lauern würden als hier. Spätestens dann wollte Alex unwillkürlich aufspringen, zu ihr gehen und höflich anbieten, ihr etwas abzunehmen und sie zu begleiten, aber das tat er nicht. Sie würde ablehnen, davon ging er aus, weil nichts so war, wie es schien.

Denn obwohl Dime zart und klein war - sicher nicht größer als einen Meter sechzig - wäre niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, dass eine Treppe, ein Absatz oder sonst etwas anderes sie zu Fall bringen konnte. Im Gegenteil. Dime teilte das Meer, wenn sie sich durch den Raum bewegte. Das lag nicht an den Bergen von Zeug, das sie ständig mit sich herumtrug. Oder an den bunten Kleidern, die sie im Sommer gerne anzog. Sondern es lag an dem bloßen Schwung ihrer Bewegungen und ihrem Auftreten. Während sie lief, schaute sie sich nicht um, aber wenn man ihren Blick traf, lächelte sie mit so viel Freundlichkeit, als sei es ihr eine Aufgabe, eben jene jedem zukommen zu lassen. Dime kam Alex vor wie eine Batterie, die alles um sich herum auflud und zum Leuchten brachte, wenn man es nur schaffte, nah genug an sie heranzukommen. Diese Energie und Freundlichkeit waren es auch, derer sie sich selbst absolut sicher schien und die sie so ansteckend, einnehmend und strahlend wirken ließ, dass man kaum glauben konnte, was man in der Welt sah, wenn Dime nicht mehr da war.

An dem Tag, als Alex Dime tatsächlich ansprach, war das keiner falschen Fürsorge oder bloßen Bewunderung geschuldet, sondern einfach Zufall. Sie war es, die etwas hatte und er war es, der etwas brauchte. Man schickte Alex in ihr Büro im dritten Stock, ohne dass er das gewusst hätte, und als er nach seinem Klopfen und ihrem Ja-Sagen hereintrat, war er froh, seinen Auftrag gut lesbar auf einem dieser kleinen gelben Zettel geschrieben zu haben. Die erste Kontaktaufnahme musste daher aus nichts Weiterem bestehen als einem „Guten Morgen“, gefolgt von einer ausgestreckten Hand, die ihr die Notiz reichte, und einen abschließenden „Bitte“. Das alles brachte Alex leidlich korrekt zu Stande und er durfte auf Dimes Antwort hoffen, während ihm langsam wieder einfiel, wie man zuhörte, ohne das Atmen und Antworten zu vergessen.

Dabei war es nie einfach, Dime zuzuhören, denn man verfing sich leicht in ihr. Aber bei ihrem ersten Treffen sagte sie nicht viel. Stattdessen lächelte sie, warf einen Blick auf den Zettel, nickte und bedeutete ihm ihr zu folgen. Sie nahmen den Fahrstuhl, nicht die Treppen, und fuhren sechs Stockwerke tiefer.

Das Archiv war im Keller. Alle Räume seien groß, dunkel und voll und würden sich über mehrere Etagen in die Tiefe erstreckten, erklärte Dime. Sie öffnete eine Sicherheitstür, machte das Licht an, das ihnen folgte, und führte sie einen breiteren Mittelgang entlang, bis sie abbogen und sich noch tiefer in das Labyrinth aus Wegen und Pfaden zwischen endlosen Regalen hineinwagten – und Alex wunderte sich. Eine Regionalverwaltung mit einem Archiv so groß wie eine Kleinstadt? Das kam ihm merkwürdig vor. Er wollte Dime gerade danach fragen, als diese stehen blieb, ein kleines Gerät hervorzog und damit die Regale in Bewegung brachte. Wie von Zauberhand zogen sich die Reihen zusammen oder auseinander und bildeten neue Flure, was Alex erschaudern ließ. Wer sich hier nicht auskannte, würde ein Problem haben. Aber Dime kannte sich aus, denn es war ihr Reich.

Zielstrebig trat sie nun an eines der Regale heran, schritt mit dem Finger die Nummern prüfend ab, verharrte kurz, ein genauerer Blick, ließ den Finger weiterlaufen und griff schließlich zielgenau zu wie ein Adler nach seiner Beute.
„Hier drin ist sie.“
„Was?“ Alex war fasziniert. Und irritiert.
„Die Personalakte, die du suchst.“
„Ich suche eine Personalakte?“
„Ja.“ Dime drückte ihm belustigt den Karton in die Hand. „Die Nummer auf deinem Zettel war eine Personalnummer. Die Akte zum Menschen ist hier. Du kannst sie nicht mitnehmen, das ist verboten. Aber ich kann dich in einen Rechercheraum bringen. Dort kannst du die Akte öffnen und dir Notizen machen.
„Notizen?“ Alex betrachtete den schweren Karton skeptisch und Dime lachte.
„Du willst doch etwas Bestimmtes wissen. Eine Information finden. Oder nicht?“
Peinlich berührt schaute er sie an. Er hatte vergessen, worum es eigentlich ging. Oder hatte man es ihm überhaupt gesagt? Alex war sich nicht sicher und Dime sah es und lachte wieder und nahm ihm den Karton aus der Hand.
„Kein Problem. Ich schließe die Akte für dich ein. Dann kannst du wiederkommen, wenn du weißt, warum.“

Leicht beschämt nickte er. Dime ging voran und schnellen Schrittes zurück, mit dem Karton weiter in ihrer Hand. Es vergingen Sekunden, bis Alex etwas einfiel, was er zu ihr sagen konnte, während er hinter ihr hereilte.
„Ich kann sie dir abnehmen. Die Akte.“, fing er an, aber Dime schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen.
„Nein danke, das geht schon. Mache ich ständig.“
„Kartons schleppen?“
„Ja.“
„Warum? Gibt es hier keine Computer?“
Er sah Dimes Zucken und hörte ihr Prusten. Sie antwortete lauter, ohne langsamer zu werden.
„Die Computer gibt es schon, aber die Daten nicht. Noch nicht. Die Digitalisierung läuft. Darum bin ich hier. Aber bei all dem Zeug…“
Plötzlich blieb sie stehen, balancierte den Karton wie in der Cafeteria das Tablet auf einer Hand und drehte sich einmal im Kreis. Ihr Rock streifte sein Bein.  
„… sieht es eher so aus, als wolle man nicht, dass es jemals fertig wird. Und darum“, genau vor ihm hielt sie inne und schaute ihn an, „bist du hier.“

*

Alex besuchte Dime fortan öfter. Er reichte ihr mehr kleine gelbe Zettel, ging mit ihr ins Archiv und kam mit ihr wieder heraus. Später dauerte es manchmal etwas länger. Und manchmal stand auf dem Zettel etwas anderes drauf. Aber in der Cafeteria der Regionalverwaltung von Richmond blieben sie, was sie waren: Der Praktikant und die Archivassistenz, deren beider Leben nicht ausreichen würden, um zu ändern, was mit ihnen und der Welt passiert war.   

***

Kurzbeschreibung

In einem Prolog lernen wir Alex und Dime kennen, wie sie Zettel tauschen, ins Archiv gehen und wieder herauskommen.
Dann blicken wir zurück.

Im ersten Teil begleiten wir Dimes Vater Paul, ein junger Lehrer, der überlegt, was er tun soll, wenn der Schule in Zukunft die Kinder ausgehen. Wir erfahren außerdem, wie Paul Mary kennenlernt, die Mutter Dimes, Supermarktangestellte und Fast-Alles-Könnerin, und wie ein Münzwurf entscheidet, ob Dime geboren wird, obwohl die Welt zu Grunde geht.

Im zweiten Teil verschwindet Paul, was Mary und Dime in Schwierigkeiten bringt. Sie bekommen Hilfe von dem alten Herrn aus dem Park und dessen Terrier Jack, die fortan aufpassen, bis Mary und Dime beschließen ebenso zu verschwinden wie Paul. Sie lernen eine andere Welt kennen und folgen dem Weg des Widerstands, um Paul zu finden.

Im dritten Teil kehren wir zurück zu Dime und Alex, die beginnen, mehr Zettel zu tauschen. Gemeinsam setzen sie die Suche nach Dimes Vater fort, unterstützt von Mary und dem Widerstand – gegen die eine und für die andere Welt, solange es sie noch gibt.

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Thomas74
Geschlecht:männlichExposéadler

Alter: 49
Beiträge: 2346
Wohnort: Annaburg


Beitrag19.03.2024 08:59

von Thomas74
Antworten mit Zitat

Das liest sich gut an, echt gut sogar. Einer der wenigen Einstände, die ich bis zum Ende gelesen habe und nun gerne wissen würde, wie es weitergeht.
Hast du die komplette Geschichte schon fertig, oder ist das nur ein Fragment einer Idee?


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Herztrost
Geschlecht:weiblichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Schwarzwald


Beitrag19.03.2024 09:29

von Herztrost
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Guten Morgen,

ich habe gerade gesehen: Beim sieben und achten Abschnitt geht es gleich dreimal "tief" zur Sache. Und aus dem letzten Tablett wurde  ein "Tablet" - immer dieses Kreuz mit der Rechtschreibung, aber zumindest hat beides vier Ecken. Smile

Tatsächlich ist das etwas Älteres, was lange Zeit in der Ecke lag. Ich habe es wieder hervorgeholt, weil ich gerade überlege, was ich als nächstes (ernsthaft) angehe. Und da dachte ich, das wäre doch etwas für den Einstand.

Bisher existiert der Prolog (s.o.), der erste Teil und - ich würde einmal schätzen - die Hälfte vom zweiten Teil. Es fehlt also noch eine Menge. Aber ich bin motiviert und habe nun mehr Zeit als früher.

Grüße Herztrost
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1244
Wohnort: An der Elbe


Beitrag19.03.2024 10:33

von Arminius
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Hallo Herztrost,
gern gelesen (nicht nur, weil ich mich selbst oft in Archiven aufgehalten habe).
Mir gefällt, wie Du Dime zu Anfang vorstellst. Man kann sich ein gutes Bild von ihr machen, auch wenn man noch nichts über ihre Haar- und Augenfarbe erfährt. Kommt das noch, wenn sich Alex näher mit ihr befasst Question
Mein Interesse ist jedenfalls geweckt.
Gruß
Arminius


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hobbes
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Beiträge: 4299

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Beitrag19.03.2024 16:46

von hobbes
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Hi,

ich mag deinen Text. Er kommt selbst ein bisschen wie Dime daher - leicht und beschwingt und so, dass ich weiterlese, ohne es zu wollen Laughing

Und jetzt wundere ich mich ein bisschen darüber, warum es wichtig wäre, Dimes Haar- und Augenfarbe zu wissen. Das soll keine Kritik an Arminius sein, ich schreibe es nur, um hierzulassen, dass ich diese Information nicht brauche.


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Skatha
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Beiträge: 372
Wohnort: Alpenraum


Beitrag19.03.2024 17:49

von Skatha
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Hallo,
bin auch angetan. Ich finde den Einstieg mit der Charakterbeschreibung interessant und gut gemacht, oder die Figur interessant und gut gemacht - auf alle Fälle hat es mich als Leserin abgeholt. Die Erzählstimme sitzt. Ruhig, eher sachlich und analysierend, mit Blick auf teils Belangloses, wird berichtet, und das Ungewöhnliche, das Lauernde ist überall zwischen den Zeilen zu spüren. Hier zum Beispiel: Sie nahmen den Fahrstuhl, nicht die Treppen, und fuhren sechs Stockwerke tiefer. Das mit den Treppen wäre im Grunde nicht relevant zu erwähnen, aber in dieser Erzählstimme und Geschichte wirkt es einfach.

De Kurzbeschreibung macht mich ebenfalls neugierig. Ich würde weiterlesen wollen.

Liebe Grüße, und Willkommen im Forum!


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(J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings)
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Veritas
Gänsefüßchen
V


Beiträge: 18



V
Beitrag19.03.2024 22:56

von Veritas
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Hallo Herztrost,

auch mich hat die Geschichte gepackt und ich hätte sie gern weitergelesen! Sowohl inhaltlich als auch vom Stil her spricht mich das Geschriebene an.

Zwischendrin bin ich gelegentlich an Kleinigkeiten hängengeblieben, zum Beispiel an diesem Satz:

"Dime war die Sorte Mädchen, denen die Türen aufgehalten wurden ..."

Analog z.B. zu "Eierschecke ist die Sorte Kuchen, der ich meist widerstehen kann", bezieht sich der Nebensatz nach meinem Verständnis auf "die Sorte" und nicht auf "Mädchen", so dass es heißen müsste "der die Türen aufgehalten wurde". Oder der ganze Satz anders gestaltet: "Dime gehörte zu jenen Mädchen, denen die Türen aufgehalten wurden ..."

Der nächste Absatz erzählt sinngemäß von der ständigen Sorge, Dime könnte stolpern (tückischer Treppenabsatz usw.). Im übernächsten Absatz ist m.E. das Gegenteil beschrieben, so dass ich das Erzählte als widersprüchlich empfinde: "... wäre niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, dass eine Treppe, ein Absatz oder sonst etwas anderes sie zu Fall bringen konnte. Im Gegenteil. Dime teilte das Meer, wenn sie sich durch den Raum bewegte."

"eben jene jedem" ist auch so eine Kleinigkeit, die sich eventuell  sprachlich anders lösen ließe.

"Diese Energie und Freundlichkeit waren es auch, derer sie sich selbst absolut sicher schien und die sie so ansteckend, einnehmend und strahlend wirken ließ," das müsste "ließen" heißen, oder?

An dieser Stelle lege ich die Lupe mal weg und komme noch einmal auf das Gesamtbild: Sehr gern gelesen. In einer  Buchhandlung hätte ich das Buch nach dem Lesen dieses Ausschnitts sicher mitnehmen wollen!
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Jojojo
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
J


Beiträge: 55



J
Beitrag20.03.2024 09:04

von Jojojo
Antworten mit Zitat

Ich reihe mich jetzt mal in die Reihen der Weiterlesen!-Fraktion ein und würde gerne wissen, wann es denn das nächste Stück gibt.

Es hat mich ja auch so gepackt, dass ich mich gefragt habe, warum der Text funktioniert.

Die Absätze sind es. Jeder Absatz zeigt eine neue Facette und was gezeigt wird, ist abwechslungsreich. Dazu kein handlungsarmes "Er verließ den Fahrstuhl und ging zur Archivtür". Das Archiv könnte zudem so ein Wahnsinnsort wie bei Kafka sein. Ich sehe die Buchrückenreihe förmlich vor mir. Der Process. Das Schloss. Der Verschollene. Das Archiv.
Man liest, dass jemand gelesen und das Gelesene analysiert hat.

Ich bin jetzt allerdings zweimal hängen geblieben an dem Punkt, dass Alex nach einer Personalakte geschickt wurde, was bisher wohl nie geschehen war. In den folgenden Wochen, so liest es sich zumindest für mich, gibt er sich dann selbst die Aufträge, ins Archiv zu gehen? Es klingt auch an, als schriebe er Dime Botschaften für ein Stelldichein, aber als Praktikant muss er doch Weisungen ausführen, wo bleibt da die Zeit dafür? Muss sie als Assistenz nicht auch einem Vorgesetzen Rechenschaft ablegen?


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Jojojo
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Herztrost
Geschlecht:weiblichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Schwarzwald


Beitrag20.03.2024 11:16
Fortsetzung
von Herztrost
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Guten Morgen,

vielen herzlichen Dank an alle fürs Lesen und Kommentieren. Ich freue mich ungemein. Denn was kann sich ein Schreiberling mehr wünschen als (potentielle) Leser!

Ich bin auch sehr angetan von den Figuren. Dime entsteht im Erzählen und wächst und lebt in jedem Teil der Geschichte. Es war für mich selbst ein wenig faszinierend, sie  nach etwas mehr als 2 Jahren quasi als Leser "wiederzuentdecken" und mit ihr diese Welt, die erst eine sehr kleine ist (eine Wohnung, eine Nische im Park) und die dann größer werden muss, weil man als Familie die Welt nicht außen vor halten kann. Auch das Thema "Widerstand" finde ich interessant. Bei Paul und Mary ist es zuerst eine Nichtanpassung und "innere Emigration" aufgrund von Dimes Geburt, dann die aufgezwungene tatsächliche "Emigration" von Mary und Dime und schließlich die Rückkehr Dimes als Form des "aktiven Widerstands". Das alles soll in einer Welt stattfinden, die stirbt. Langsam. Generation für Generation. Und die damit sehr pragmatisch umgeht.   

Ich würde jetzt also gerne sagen: Fortsetzung folgt (bald).

Aber ein Roman ist für mich etwas Ganzes. Alles, was über den ersten Auftakt hinausgeht, sollte für mich auch im Gesamten geschrieben, gelesen und besprochen werden.
Und ich bin jemand, der selbst erst einmal versucht, alles gründlich zu durchdenken, zu konstruieren, zu formulieren und zu revidieren. Ich muss noch viel lernen (Dialoge schreiben - oh Graus!) und lesen (Staat, Sicherheit und Techniken der Geheimniskrämerei?). Ich bin bei alldem recht selbstkritisch. Vielleicht wird es also am Ende nichts... und wenn doch, werde ich mich melden Smile

Im Moment hüpft Dime aber noch unbekümmert einem kleinen, grauhaarigen Hund hinterher, während ihre Mutter den Kinderwagen schiebt. Mary überlegt, ob sie alles dabei hat. Sie versucht, sich nicht umzudrehen, sondern heftet den Blick auf ihr Kind. Beide verschwinden zwischen den Bäumen ...

Viele Grüße
Herztrost
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Herztrost
Geschlecht:weiblichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Schwarzwald


Beitrag20.03.2024 12:41
Anmerkungen und Anregungen
von Herztrost
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe alle eure Anmerkungen und Anregungen als Kommentare in mein Skript übernommen. Vielen Dank dafür!

@Arminius:
- Dimes Augenfarbe kommt sicher erst ins Spiel, wenn eine Figur einmal genau in eben jene tief genug hineinblickt. Oder danach fragt - bei schlechterem Licht. Smile

- Die Haare sind so eine Sache, über die ich nachgedacht habe. Es wäre kein Problem, eine Beschreibung in die ersten Zeilen einzufügen. (Dort steht im Moment dein Kommentar.) Allerdings: Fallen einem die Haare von jemandem auf, sind sie so beschreibungswürdig oder als Erkennungsmerkmal geeignet, wenn sie "nichts besonderes" sind? Dime ist bei mir weder platinblond, noch wild wuselig gelockt. Sie hat kein karottenrotes Haar oder langes so schwarz wie Ebenholz. Smile Ich denke eher, dass eine Figur irgendwann Dime in der Menge suchen wird und dabei feststellt, dass weder ihre Haarfarbe noch ihre Frisur auffällt - bei all den mausgrauen oder straßenköterblonden, hell- und dunkelbraun gesträhnten Menschen auf der Welt, die nicht in den Farbtopf gefallen sind...

@Veritas
- Grammatik ist korrigiert. Danke fürs Stolpern.

- Das Widersprüchliche ist Absicht. Der Erzähler selbst thematisiert es. Und ich finde es gut Smile

Die erste Beschreibung ist ein typischer erster Eindruck von außen. Er kategorisiert Dime als "Sorte" Mädchen, als Stereotyp. Eine junge, hübsche Frau. Engagiert, strebsam (der Stapel Zeug in der Mittagspause), vielleicht auch angepasst (Absätze), aber noch ein wenig unorganisiert. Das "Mädel" will aber ihren Job gut machen, vielleicht was erreichen (Treppen nach oben), aber alle Welt macht sich echt Sorgen, ob sie das schafft... Oder nicht doch unter die Räder kommt ... fällt ... weil die vielen Treppen nun einmal da sind usw. Aber der Erzähler hinter der Perspektivfigur Alex selbst kommentiert, dass der "Schein trügt." (Das ist quasi doppelt doppeldeutig, denn wir wissen bereits, dass auch "Widerstand" ein Thema ist.)

Die zweite Beschreibung ist ebenfalls noch ein Eindruck von außen, beruht aber schon auf etwas längeren Beobachtungen und ggf. einem ersten flüchtigen (Blick-) Kontakt: Ihr freundliches Wesen, ihr offenbar grundsätzlich offener und wohlwollender Umgang mit anderen, auch wenn sie diese nicht kennt. Und ihre an den Tag gelegte Tatkraft. (Die ja abgesehen davon auch zum Problemen werden kann: Man übersieht die Treppenstufen und begibt sich leicht in Gefahr, weil mein diese als solche nicht erkennt...Widerstand...)

Der Erzähler lehnt aber letztendlich beide Eindrücke von außen als unzureichend ab: Nicht "falsche Fürsorge" oder "bloße Bewunderung" führen dazu, dass Alex und Dime sich kennenlernen, sondern ein "Zufall". Es gilt demnach (auch für den Leser), sich ein eigenes Bild zu machen. Also muss Alex (ob er will oder nicht Wink) mit ihr interagieren, handeln, sprechen... Der Höhepunkt dieser kleinen Szene ist für mich aber etwas Nonverbales: "Ihr Rock streifte sein Bein."

So - nun hat der Autor seinen Text interpretiert. Das soll er ja eigentlich nicht machen Wink Aber ja, ich hatte mir zum Textaufbau Gedanken gemacht, wie man liest Smile Man muss vielleicht dazusagen, dass ich eigentlich kein wirklicher Freund von Prologen, Intros oder Ähnlichem bin. Manchmal bin ich auch faul und überfliege die nur, besonders wenn das Buch sehr dick ist. (Kommt ja alles später noch mal ... Die eine entscheidende Vorausdeutung erfasse ich auch so ... Lasst uns endlich anfangen ...)

@Jojojo
ja ja, die Storyline ... *hust* ... Ich fand es ganz passend, dass Alex hier noch Praktikant ist, den ganzen Tag von A nach B geschickt wird (dann kann man ja schon einmal vergessen, um was es so richtig geht, besonders wenn man dann vor Dime steht Wink), und irgendwann, vielleicht bei "Praktikumsteil in Abteilung XY", mit einer Nummer auf einem Zettel im Archiv landet und dann auch noch wiederkommen muss! Smile Es spricht m. E. nichts dagegen, dass der Abteilungsleiter den praktischen Praktikanten (wer geht schon gern ins Archiv) weiter ausnutzt und Alex das ganz gut findet und sich "bewährt" ...
Die Grundidee für das dritte Kapitel ist aber, dass Alex und Dime natürlich beide in der Behörde an passender Stelle arbeiten und sie neben dem "Verwaltungsgeschäft" das Archiv nutzen, um etwas über verschwundene Personen herauszufinden und entsprecht auch "andere Botschaften" auf die Zettel schreiben. Eine  (tatsächliche oder von außen angenommen) Beziehung ist da sicher auch nützlich - fällt nicht so auf, wenn es mal "länger dauert". Wink
Ihr Vater war Lehrer, also Staatsbediensteter, aber vielleicht wäre es da besser, z.B. eine Finanzbehörde zu nehmen ... Ist notiert und wird durchdacht, wenn Dime alt genug für ein Vorstellungsgespräch ist Smile

In diesem Sinne... Es gibt noch viel zu tun!
Grüße Herztrost
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