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Kleinkariert und Alternativ


 
 
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CrazyFoxx
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 47
Wohnort: Ostfriesland


Beitrag07.02.2024 16:00
Kleinkariert und Alternativ
von CrazyFoxx
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Die Lehne eines dieser mega unbequemen Stühle der Arbeitsagentur drückte sich in meinen Rücken, während ich schon wieder dem abwertenden Blick von meiner Beraterin Frau Kowalski-Krause ausgeliefert war. „Wir wollen nur Ihr Bestes. Dieses Praktikum kann Ihnen beinahe jede Tür öffnen, wenn Sie sich zusammenreißen und das durchziehen“, über den Rahmen ihrer ollen Nickelbrille sah sie mich mit verkniffenen Augen an, während ihre Finger nur so über die Tastatur flogen. Nur mein Bestes, dass ich nicht lache. Als würde diese blöde Schnepfe irgendjemandes Bestes wollen. Und was kann ein Praktikum schon ausrichten, dachte ich, nickte jedoch artig. „Ich werde mich natürlich gleich nachher, wenn ich hier wieder raus bin, vorbereiten“, stellte ich in Aussicht und unterdrückte ein Augenrollen. Kann ich jetzt endlich verschwinden? Ich habe mir deinen Sprechdurchfall doch langsam mal genug angetan.
Frau Kowalski-Krause rümpfte die Hakennase, was ihre Brille leicht zum Rutschen brachte und verzog die dünnen Lippen. „Dann ist ja gut, Frau Schwarz. Wir sehen uns nach Ihrem Gespräch mit den Mitarbeitern von Herrn Gaspar. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

~~~*~~~

In meiner Wohnung angekommen, kickte ich mir die schweren, schwarzen Stiefel von den Füßen, betätigte den Lichtschalter und schüttelte die Jacke von meinen Schultern. Endlich habe ich meine Ruhe. Die Wände meines kleinen Reiches waren giftig-grün gestrichen, die Ränder und Ecken der Wände verbanden ein freundlich schwarzer Anstrich. Ich griff die Jacke, die auf dem Fußboden lag und hängte sie an einen der schlangenförmigen Haken meiner heiß geliebten Medusa-Garderobe. Seufzend ließ ich mich kurz darauf mit einer Cola auf das dunkelgrüne Ledersofa fallen, öffnete zischend die Dose und trank sie beinahe in einem Zug leer. Die Aluminiumverpackung warf ich geübt in den bereitstehenden Korb, der bereits überquoll, bevor ich nach der Fernbedienung für den Fernseher angelte. Ich sollte mir die Unterlagen ansehen, dachte ich noch, als auch schon der Bildschirm aufflackerte und mich ein Horrorfilm aus den 70er Jahren in seinen Bann zog.

~~~*~~~

Am nächsten Tag gegen Mittag wachte ich auf, strampelte meine Decke zur Seite und seufzte. Morgen schon sollte ich in diesem bescheuerten Büro aufschlagen. Ich hatte so dermaßen keinen Bock, dass ich mich auf den Bauch rollte, das Gesicht zu meinem Wecker drehte und einer Ewigkeit den Zeigern bei ihrer Wanderung über das Ziffernblatt zusah. Irgendwann musste ich aber dringend pinkeln und fluchte leise vor mich hin, während ich barfuß durch den kalten Flur ins Badezimmer lief. Kurz darauf rauschte die Spülung und ich sprang unter die Dusche, genoss, wie das warme Wasser über meine Haut lief, um anschließend mit einem leichten Gluckern im Abfluss zu verschwinden.

Tropfend trat ich auf den Vorleger, wickelte mir ein Handtuch um den Kopf und sah mich im Spiegel an. Blass, mit dunklen Ringen unter den Augen und einer kleinen Platzwunde auf dem linken Jochbein starrte mir mein Spiegelbild entgegen. Das wird eine ganze Menge Concealer brauchen, um das abzudecken. Den Cut hatte ich mir gestern Abend zugezogen, als Kevin Meier meinte, sich mit mir anlegen zu wollen. Und das nur, weil ich mich weigerte, ihn ‚Snake‘ zu nennen. Unbewusst verzog ich die Lippen zu einem gehässigen Grinsen, das meine Augen zum Leuchten brachte. Gott, das Universum oder die Genetik – irgendwas davon hatte mir strahlend grüne Augen beschert, als hätte es eine Vorahnung gehabt, welche Lieblingsfarbe ich für mich selbst auserkoren würde.

Meine rechte Augenbraue war nach etwa zwei Dritteln durchstochen und mit einem kleinen mattschwarzen Ring geschmückt, im linken Nasenflügel steckte ein weiteres Piercing, das allerdings mit einem grünen Steinchen besetzt war. Auch die Ränder meiner Ohrmuscheln waren zigfach durchstochen und mit diversen Helix-Piercings versehen.

Piercings und Tattoos machen wirklich süchtig. Fängt man einmal an, hört man so schnell nicht wieder auf. So fanden sich unter meiner Haut auch verschiedene Bilder. Die Santisima Muerte, die mexikanische Todesgöttin, zierte meinen rechten Oberarm, auf der anderen Seite sah man Lokis Tochter Hel, die zusammen mit ihrem Höllenhund am Fuß des Baumes Yggdrasil sitzt und auf die Toten wartet.
Die meisten meiner Tattoos hatten düstere Bedeutungen, waren mit viel schwarzer Tinte gestochen, aber auch leuchtende Grüntöne und andere Farbeinschläge fand man immer mal wieder.

Nachdem ich mich abgetrocknet hatte und in Jogginghose und einem weiten grünen Sweatshirt im Schlafzimmer stand, rubbelte ich mir die Haare trocken. Das Feinmachen hebe ich mir bis morgen auf. Ich spürte einen leichten Würgereiz bei dem Gedanken, mich am nächsten Tag den Blicken dieser hirnverbrannten Idioten auszusetzen. Niemand, der sie noch alle hat, würde freiwillig in so einem Schuppen arbeiten, oder?

Ich schlurfte in die Küche, warf mir ein Tiefkühlbrötchen in den Ofen und bereitet mich auf das verspätete Frühstück vor.

~~~*~~~

Oh Mann, was soll denn der Scheiß? Ohrenbetäubender Lärm drang aus der Nachbarwohnung, in die vor einem halben Jahr ein Pärchen eingezogen war. Die Wand erzitterte, was mich sofort in Rage brachte, sodass ich aus meiner Wohnung in den Hausflur stürmte. „EY!“, ich schlug ein paar Mal mit der Faust gegen die Tür. „Reißt ihr euch da drin die Köpfe ab, oder was is' los?“
Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen und ein kräftiger Kerl stand mit zerzausten Haaren und verschwitztem T-Shirt vor mir. Kurz funkelte er mich an, bevor er sich gegen den Türrahmen sacken ließ und mich von oben bis unten musterte. „Hey, Süße. Willst du etwa mitmachen? Ich kann mir gut vorstellen, dass du – HMPF!“

Ohne einen Kommentar hatte ich ihm mein Knie zwischen die Beine gerammt, nun sackte er immer weiter in sich zusammen. Ich zögerte keinen Augenblick und stieg über das Arschloch hinweg in die fremde Wohnung, die meiner recht ähnlich geschnitten war. Wenigstens weiß ich, wo was ist, schoss es mir durch den Kopf, währen ich in die Küche ging, die an mein Wohnzimmer grenzte. Dort stand ein total verschüchtertes Mädel und hielt sich die Oberarme, als wollte sie sich selbst Trost spenden. Ich blieb ein Stück entfernt von ihr stehen, streckte langsam den Arm in ihre Richtung und nickte ihr zu. „Komm mit. Ich bring dich hier raus.“

„A-aber Stefan. Er… er wird es n-nicht gut finden, w-wenn ich mit d-dir gehe“, schniefte das kleine Elfchen und sah mich aus großen, rot geweinten Augen an. „Ist doch egal, was der Vollpfosten denkt“, raunte ich ihr zu, als ich einen Schritt näher auf sie zuging. „Der interessiert sich doch für niemanden außer sich selbst. Du siehst außerdem nich‘ so aus, als würdest du hier bleiben woll‘n.“

Zaghaft legte sie ihre Hand in meine und ließ sich ohne weiteren Widerspruch aus der Wohnung ziehen. Kurz darauf standen wir in meiner Wohnung, ich kramte einige Sachen zusammen (mein Handy, Geld, Schlüssel und sowas halt), bevor ich sie weiterführte, die Straßen entlang bis vor eine rot lackierte Tür. Ich klopfte, zog an der Zigarette, die ich mir unterwegs angesteckt hatte, und pustete den bläulichen Rauch durch die Nase aus. Die Tür wurde quietschend geöffnet und uns sah eine rundliche Frau an, die die Hände vors Gesicht schlug und kurz aufjaulte. „Helena! Mein Gott, was hast du mit deinem hübschen Gesicht gemacht? Und wer ist das?“, kam in einem Schwung aus ihrem Mund.

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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1241
Wohnort: An der Elbe


Beitrag07.02.2024 17:50

von Arminius
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Du hast eine schwungvolle Schreibe. Bis auf ein paar Kleinigkeiten gefällt mir Dein Einstand.
Kritikpunkte:
Dieses Praktikum kann Ihnen beinahe jede Tür öffnen, wenn Sie sich zusammenreißen und das durchziehen“, über den Rahmen ihrer ollen... Dazwischen müsste ein Punkt stehen.
Die Aluminiumverpackung warf ich geübt in den bereitstehenden Korb, der bereits überquoll Schwer vorstellbar, wie man etwas in einen Korb werfen kann, der bereits überfüllt ist.
Zaghaft legte sie ihre Hand in meine und ließ sich ohne weiteren Widerspruch aus der Wohnung ziehen. Kurz darauf standen wir in meiner Wohnung Besser: in meinem Wohnzimmer (wegen der Dopplung).
Der Typ, der da in der Tür liegt, wird nicht weiter erwähnt. Warum?

Die Geschichte könnte noch ein wenig um das eingekürzt werden, was für die Handlung nicht von Belang ist, z.B. Ich griff die Jacke, die auf dem Fußboden lag und hängte sie an einen der schlangenförmigen Haken meiner heiß geliebten Medusa-Garderobe.
Gern gelesen!
Arminius


_________________
A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
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CrazyFoxx
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 47
Wohnort: Ostfriesland


Beitrag07.02.2024 20:40

von CrazyFoxx
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Hallo Arminius und vielen Dank für die Kritik!

Die von dir angemerkten Punkte werde ich nochmal überarbeiten, klingt für mich alles ziemlich schlüssig! Ich habe im weiteren Verlauf der Geschichte, die ich hier ja noch nicht veröffentlicht habe, auch selbst schon einige kleine Plotfehler gefunden, wird also ein längeres Unterfangen Embarassed

Liebe Grüße aus Ostfriesland, CrazyFoxx
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Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 944
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag08.02.2024 06:37

von Christof Lais Sperl
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Wäre es  nicht eher mega-unbequem oder megaunbequem? Eher ersteres, aber mit Binnenstrich besser.

_________________
Lais
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CrazyFoxx
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 47
Wohnort: Ostfriesland


Beitrag08.02.2024 11:13

von CrazyFoxx
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Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Wäre es  nicht eher mega-unbequem oder megaunbequem? Eher ersteres, aber mit Binnenstrich besser.


Mir wurde von mehreren Leuten erklärt, dass das Wort "mega" in diesem Kontext wie das Wort "sehr" zu benutzen wäre, also ohne Bindestrich.
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Hugin_Hrabnaz
Geschlecht:männlich(N)Ich-Erzähler

Alter: 48
Beiträge: 248
Wohnort: Ulm


Beitrag08.02.2024 17:44
Re: Kleinkariert und Alternativ
von Hugin_Hrabnaz
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Hallo CrazyFoxx,

ich revanchiere mich dann mal für dein Feedback.

Der Einstieg liest sich flüssig und beschwingt. Macht soweit Spaß und weckt ein gewisses Grundinteresse an der Protagonistin, auch wenn ich tatsächlich noch nie aus eigenem Antrieb einen Roman zum Komplex "Liebe" gelesen habe, außer halt die edle, platonische bis esoterische Liebe im Tolkien-Stil, oder als Nebenstrang einer anderen Hauptthematik. Doch hier zeichnet sich ja auch ein gewisses Engagement der Protagonistin im Sinne der Gerechtigkeit und der Hilfsbereitschaft ab, aber auch eine Toughness. Tattoos von Hel sind einen Bonus wert. Wink

Das Spiegel-Thema bei Ich-Erzählern ist natürlich ein Klassiker. Finde ich generell eher schwierig, es gut umzusetzen, als Methode zur Beschreibung des Protagonisten. Aber ich finde, dass du es hier recht gut und angemessen gelöst hast. Wirkt nicht aufgesetzt. Vielleicht wäre es einen Tick weniger detailliert noch eleganter, was die einzelnen körperlichen Features angeht. Weitere Details kannst du ja dann auch noch später einstreuen, damit es noch weniger als abgearbeiteter Selbstbeschreibungsblock wirkt. Aber es ist in der Form, wie du es jetzt hast hast, durchaus okay und nicht zu viel auf einmal, für meinen Geschmack.


Da ich nicht ganz aus meiner Freizeit-Lektorenhaut kann, hier ein paar sprachliche Anmerkungen:

CrazyFoxx hat Folgendes geschrieben:
Die Lehne eines dieser mega unbequemen Stühle der Arbeitsagentur drückte sich in meinen Rücken, während ich schon wieder dem abwertenden Blick von meiner Beraterin Frau Kowalski-Krause ausgeliefert war.

Für mich ein klarer Genitiv-Fall.

Zitat:

Die Wände meines kleinen Reiches waren giftig-grün gestrichen, die Ränder und Ecken der Wände verbanden ein freundlich schwarzer Anstrich.

Im Relativsatz ist "der Anstrich" das Subjekt, also wäre das Prädikat im Singular zu verwenden.

Zitat:

Gott, das Universum oder die Genetik – irgendwas davon hatte mir strahlend grüne Augen beschert, als hätte es eine Vorahnung gehabt, welche Lieblingsfarbe ich für mich selbst auserkoren auserkiesen würde.

Futur I lautet hier richtigerweise "auserkiesen würde". Futur II wäre "auserkoren haben würde".



Liebe Grüße
Hugin.
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CrazyFoxx
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 47
Wohnort: Ostfriesland


Beitrag08.02.2024 18:32
Re: Kleinkariert und Alternativ
von CrazyFoxx
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Hallo Hugin, ach was freue ich mich, dass du den Weg hier her gefunden hast Smile

Hugin_Hrabnaz hat Folgendes geschrieben:
Futur I lautet hier richtigerweise "auserkiesen würde". Futur II wäre "auserkoren haben würde"


Das Wort bzw. die Konjugation kannte ich bisher noch gar nicht, da ist mir wohl eine glorreiche Recherche durchgegangen smile extra

Ich finde es äußerst spannend, das dieses Genre eigentlich nicht unbedingt deins ist, ausgerechnet die Meinung eines Genrefremden zu bekommen, vielen Dank dafür! Ich werde mir deine Kritik zu Herzen nehmen.

Liebe Grüße aus Ostfriesland, CrazyFoxx
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Blattgold
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 60
Beiträge: 116
Wohnort: Stuttgart


Beitrag09.02.2024 12:46
Dein Text
von Blattgold
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Hallo CrazyFoxx, herzlich willkommen hier. An deinem Text sind mir mehrere Dinge aufgefallen:

Die Lehne eines dieser (mega ist umgangssprachlich) unbequemen Stühle der Arbeitsagentur drückte sich in meinen Rücken. Schon wieder war ich dem abwertenden Blick von meiner Beraterin Frau Kowalski-Krause ausgeliefert.
„Wir wollen nur Ihr Bestes. Dieses Praktikum kann Ihnen beinahe jede Tür öffnen, wenn Sie sich zusammenreißen und das zu Ende bringen“, sagte sie und sah mich über den Rahmen ihrer (ollen ist umgangssprachlich) Nickelbrille mit verkniffenen Augen an, während ihre Finger über die Tastatur flogen.
Nur mein Bestes, dass ich nicht lache. Als würde diese blöde Schnepfe für irgendjemand das Beste wollen. Und was kann ein Praktikum schon ausrichten, (dachte ich, brauchst du nicht, ich weiß schon, dass sie das denkt) nickte jedoch artig.
„Ich werde mich natürlich gleich nachher, wenn ich hier wieder raus bin, vorbereiten“, stellte ich in Aussicht und unterdrückte ein Augenrollen. Kann ich jetzt endlich verschwinden? Ich habe mir deinen Sprechdurchfall doch langsam (mal klingt komisch) genug angetan.
Frau Kowalski-Krause rümpfte die Hakennase, worauf ihre Brille leicht herunterrutschte und verzog die dünnen Lippen. „Dann ist ja gut, Frau Schwarz. Wir sehen uns nach Ihrem Gespräch mit den Mitarbeitern von Herrn Gaspar. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

~~~*~~~

In meiner Wohnung angekommen, kickte ich mir die schweren (die Farbe ist unwichtig) Stiefel von den Füßen, betätigte den Lichtschalter und streifte die Jacke von meinen Schultern. Endlich hatte ich meine Ruhe. Die Wände meines kleinen Reiches waren giftgrün gestrichen, die Ränder und Ecken der Wände verband ein schwarzer Anstrich. Ich griff die Jacke, die auf dem Fußboden lag und hängte sie an einen der schlangenförmigen Haken meiner heiß geliebten Medusa-Garderobe. Seufzend ließ ich mich kurz darauf mit einer Cola auf das dunkelgrüne Ledersofa fallen, öffnete zischend die Dose und trank sie beinahe in einem Zug leer. Die Aluminiumverpackung warf ich geübt in den bereitstehenden Korb, der bereits überquoll, bevor ich mir die Fernbedienung für den Fernseher angelte. Ich sollte mir die Unterlagen ansehen, dachte ich noch, als auch schon der Bildschirm aufflackerte und mich ein Horrorfilm aus den siebziger Jahren in seinen Bann zog.

~~~*~~~

Am nächsten Tag gegen Mittag wachte ich auf, schlug meine Decke zur Seite und seufzte. Morgen schon sollte ich in diesem bescheuerten Büro aufschlagen. Ich hatte überhaupt keine Lust, sodass ich mich auf den Bauch rollte, das Gesicht zu meinem Wecker drehte und einer gefühlten Ewigkeit den Zeigern bei ihrer Wanderung über das Ziffernblatt zusah. Irgendwann musste ich aber dringend auf die Toilette und fluchte leise vor mich hin, während ich barfuß durch den kalten Flur ins Badezimmer lief. Kurz darauf rauschte die Spülung und ich sprang unter die Dusche. Ich genoss, wie das warme Wasser über meine Haut lief, bis es anschließend mit einem leichten Gluckern im Abfluss verschwand.

Das Wasser tropfte herunter und ich trat auf den Vorleger, wickelte mir ein Handtuch um den Kopf und sah mich im Spiegel an. Blass, mit dunklen Ringen unter den Augen und einer kleinen Platzwunde auf dem linken Jochbein starrte mir mein Spiegelbild entgegen. Das wird eine ganze Menge Concealer brauchen, um das abzudecken. Den Cut hatte ich mir gestern Abend zugezogen, als Kevin Meier meinte, sich mit mir anlegen zu müssen. Und das nur, weil ich mich weigerte, ihn Snake zu nennen. Unbewusst verzog ich die Lippen zu einem gehässigen Grinsen, worauf meine Augen leuchteten. Gott, das Universum oder die Genetik – irgendwas davon hatte mir strahlend grüne Augen beschert, als hätte es eine Vorahnung gehabt, welche Lieblingsfarbe ich für mich selbst auserkoren würde.

Meine rechte Augenbraue war längs mit etwa zwei Dritteln durchstochen und mit einem kleinen mattschwarzen Ring geschmückt. Im linken Nasenflügel steckte ein weiteres Piercing, das mit einem grünen Steinchen besetzt war. Auch die Ränder meiner Ohrmuscheln waren zigfach durchstochen und mit diversen Helix-Piercings versehen.

Piercings und Tattoos machen wirklich süchtig. Fängt man einmal an, hört man so schnell nicht wieder auf. So fanden sich unter meiner Haut auch verschiedene Bilder. Die Santisima Muerte, die mexikanische Todesgöttin, zierte meinen rechten Oberarm, auf der anderen Seite sah man Lokis Tochter Hel, die zusammen mit ihrem Höllenhund am Fuß des Baumes Yggdrasil sitzt und auf die Toten wartet.
Die meisten meiner Tattoos hatten düstere Bedeutungen, waren mit viel schwarzer Tinte gestochen, aber auch leuchtende Grüntöne und andere Farbeinschläge fanden sich auf meiner Haut.

Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, in Jogginghose und einem weiten grünen Sweatshirt im Schlafzimmer stand, rubbelte ich mir die Haare trocken. Das Feinmachen hob ich mir bis morgen auf. Ich spürte einen leichten Würgereiz beim Gedanken, mich am nächsten Tag den Blicken dieser hirnverbrannten Idioten auszusetzen. Niemand, der sie noch alle hat, würde freiwillig in so einem Schuppen arbeiten, oder?

Ich schlurfte in die Küche, warf mir ein Tiefkühlbrötchen in den Ofen und bereitete mich auf das verspätete Frühstück vor.

~~~*~~~

Oh Mann, was soll denn der Scheiß? Ohrenbetäubender Lärm drang aus der Nachbarwohnung, in die vor einem halben Jahr ein Pärchen eingezogen war. Die Wand erzitterte, was mich sofort in Rage brachte, sodass ich aus meiner Wohnung in den Hausflur stürmte. „Ey!“, schrie ich und schlug ein paar Mal mit der Faust gegen die Tür. „Reißt ihr euch da drin die Köpfe ab, oder was is' los?“
Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen und ein kräftiger Kerl mit zerzausten Haaren und verschwitztem T-Shirt stand vor mir. Kurz funkelte er mich an, bevor er sich gegen den Türrahmen sacken ließ und mich von oben bis unten musterte. „Hey, Süße. Willst du etwa mitmachen? Ich kann mir gut vorstellen, dass du – HMPF!“

Ohne einen Kommentar rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine, worauf er immer weiter in sich zusammensackte. Ich zögerte keinen Augenblick und stieg über das Arschloch hinweg in die fremde Wohnung, die meiner recht ähnlich geschnitten war. Wenigstens weiß ich, wo was ist, schoss es mir durch den Kopf, während ich in die Küche schoss, die an mein Wohnzimmer grenzte. Dort stand ein total verschüchtertes Mädchen und hielt sich die Oberarme, als wollte sie sich selbst Trost spenden. Ich blieb mit etwas Abstand von ihr stehen, streckte langsam den Arm in ihre Richtung und nickte ihr zu.
„Komm mit. Ich bring dich hier raus.“

„Aber ..., aber, Stefan. Er …, er wird es n-nicht gut finden, wenn ..., wenn ich mit d-dir gehe“, sagte das kleine Elfchen. Sie schniefte und sah mich aus großen, rot verweinten Augen an.
„Ist doch egal, was der Vollpfosten denkt“, raunte ich ihr zu, als ich mich ihr einen Schritt näherte. „Der interessiert sich doch für niemanden, außer sich selbst. Du siehst außerdem nich‘ so aus, als würdest du hier bleiben woll'n.“

Zaghaft legte sie ihre Hand in meine und ließ sich ohne weiteren Widerspruch aus der Wohnung ziehen. Kurz darauf standen wir in meiner Wohnung, ich kramte mein Handy, Geld, Schlüssel zusammen, bevor ich sie weiterführte, die Straßen entlang bis vor eine rot lackierte Tür. Ich klopfte, zog an der Zigarette, die ich mir unterwegs angesteckt hatte, und pustete den bläulichen Rauch durch die Nase aus. Die Tür öffnete sich quietschend und uns sah eine rundliche Frau an, die beide Hände vors Gesicht schlug und kurz aufjaulte.
„Helena! Mein Gott, was hast du mit deinem hübschen Gesicht gemacht? Und wer ist das?“, kam in einem Schwung aus ihrem Mund.


So, das sind meine Vorschläge. Nimm dir, was du brauchst.


Herzliche Grüße
Blattgold


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Simplicity is the key to brilliance
Bedienen Sie den Voyeurismus Ihrer Leser, denn deswegen lesen sie.
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CrazyFoxx
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 47
Wohnort: Ostfriesland


Beitrag09.02.2024 13:12

von CrazyFoxx
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Hallo Blattgold und vielen Dank für die ausführliche Kritik!

Worte wie "oll" und "mega" werden noch des Öfteren vorkommen, da sich die Protagonistin weder um das gesprochene noch gedachte Wort sonderlich viele Gedanken macht. Dass alltägliche Verschlucken von Vokalen habe ich zum Beispiel mit "woll'n" verdeutlichen wollen.

Ich werde mir die von dir überarbeitete Version des Textes zu Herzen nehmen, der Text ist ja eh noch in der Korrekturphase.
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Hugin_Hrabnaz
Geschlecht:männlich(N)Ich-Erzähler

Alter: 48
Beiträge: 248
Wohnort: Ulm


Beitrag09.02.2024 14:57

von Hugin_Hrabnaz
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Da du die Ich-Erzählerperspektive gewählt hast, und damit ja letztlich einen umfassenden inneren Monolog lieferst, meine ich, dass es okay ist, Kolloquialismen zu verwenden, um abzubilden, wie die Protagonistin wirklich denkt. Man muss halt trotzdem ein bisschen aufpassen, dass es nicht zu heftig wird, denn damit kann man natürlich Leser auch abschrecken, wenn ihm der Slang des Protagonisten zu "ranzig" ist.

Das ist halt letztlich das übliche Spannungsfeld, das sich immer auftut: Je authentischer und individueller der Protagonist ist, umso kleiner wird naturgemäß die Gruppe derjenigen potentiellen Leser, die sich mit ihm identifizieren können und wollen. Ein charakterstarker Protagonist mit abseitigen Interessen und einer heftigen Sprechweise als Ich-Erzähler wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mengenmäßig geringere Zielgruppe ansprechen, als ein Protagonist in dem "von jedem von uns" etwas steckt. Auf der anderen Seite kann ein kantiger Protagonist mit hoher Wahrscheinlichkeit der kleineren Zielgruppe umso mehr als Identifikationsgröße dienen und diese dann enger binden.

Da Unmengen an Büchern erscheinen, und viele davon sehr stereotype Figuren haben, so dass das Identifikationspotential der ebensolchen gerne mal aufgrund der schieren Masse verpufft, halte ich grundsätzlich den Weg zum "spezielleren" Stil in Sachen Sprache und Charcter Building für den attraktiveren. Der Weg zu spannender Kunst ist für mich immer in erster Linie jener Weg, der nicht die Mechanismen des Mainstreams bedient. Allerdings ist dieser spannendere Weg halt in vielen Fällen der erfolglosere und in jedem Fall der steinigere.

Trotzdem kann ich den Einwand von Blattgold schon nachvollziehen, was die Kolloquialismen angeht. Da kannst du dir vielleicht mal überlegen, ob du hier nicht doch zwischen der Sprache der Ich-Erzählerin und der Sprache der Protagonistin in der direkten Rede oder im inneren Monolog unterscheiden möchtest. Zumindest zaghaft. Wenn ich jetzt beispielsweise ein Buch über mich selbst als Ich-Erzähler schreiben würde, müsste ich dauernd Schwäbisch schreiben, weil das eben ich bin, weil ich so denke und rede. Das kann man tun, aber die potentielle Zielgruppe schrumpft halt auf 1,5% der möglichen Reichweite zusammen, weil selbst die meisten Schwaben darüber stolpern würden, wenn ich den Erzähltext auf Schwäbisch schriebe. Ist man einfach so gar nicht gewohnt.

Mit Dingen wie "mega", "die Olle" usw... ist es ähnlich. In der direkten Rede oder im inneren Monolog: Kein Thema! Das rafft jeder und nimmt es hin, weil die Protagonisten eben so spricht und denkt. Im Erzähltext, auch wenn es die Ich-Perspektive ist, ist es aber auf jeden Fall ein Stolperstein. Und wie es mit Stolpersteinen so ist, setzt man die wohl am besten mit Bedacht ein, wenn man sie braucht, um einen Effekt zu erzielen. Wenn sie der Standard werden, dann kann der Weg für den Leser allzu steinig werden, oder - wenn der Gewöhnungseffekt zu stark wird - geht die Besonderheit des Stilmittels verloren.

Wie immer, Abwägungssache. Ich würde in einer vergleichbaren Situation die Protagonistin vermutlich durchaus so umgangssprachlich reden (in Anführungszeichen) und denken (in Kursiva) lassen, ihren Ich-Erzähltext aber nur in besonders wichtigen Momenten, in denen es auf diese spezielle Sprechweise wirklich ankommt, behutsam daran angleichen. Ja, sie erzählt IHRE Story, mit IHREN Worten, aber sie will ja auch gelesen werden.

Auch hier gilt: Nur eine mögliche Perspektive, kein Credo, keine Handlungsempfehlung.
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Drakenheim
Geschlecht:weiblichEselsohr

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NaNoWriMo: 50166
Wohnort: Burg Drakenheim Gelehrtenturm


Beitrag09.02.2024 16:18

von Drakenheim
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Hallo Crazyfoxx,

wie geht es jetzt weiter? Was wird das für ein Praktikum? Wissen will! Buch

Und Schnellkritik: Klasse, bei dir wird es nicht um Schreibfehler oder haarsträubend schiefe Bilder gehen. Deine Schreibe ist flüssig, sicher und packend. Da muss ich schon im Inhalt suchen, um was zu meckern zu finden.

Mal sehen.

Abschnitt eins beim Amt... ja, das geliebte Amt. Da bin ich auch wieder. Die Sachbearbeiterin ist klar gezeichnet als Unsympath, vielleicht etwas überzeichnet, aber noch ok.

~~~*~~~

Anschnitt zwei, das sind sehr viele Wörter für die Beschreibung der Wohnung, in der die Prota jeden Tag sitzt. Wirklich viele Wörter. Kann der weg? Also, bis auf den Satz mit den Wänden und dem verbindenen Schwarz. Das passt hier.

~~~*~~~

Yeah, das Wettlaufen der Zeiger. Das ist schön. Jeder hat etwas, was ihn aus dem Bett treibt, und sei es nur die volle Blase. lol
Selbstbeschreibung Prota im Spiegel, geht. Oh, sie ist so Bad-Ass, dass die Prügelei vom Vorabend nur einen Nebensatz wert ist? Beim dritten Lesen etwas überzogen. Ich muss irgendwie an Shego denken, von Kim Possible.

~~~*~~~

Abschnitt 4, Lärm aus der Nachbarwohnung, und sie rettet im Alleingang ein unschuldiges Weiblein aus der Tyrannei ihres Missbrauchers. Mit einem saftigen Tritt in die Familienplanung. Überzogen, schon beim ersten Lesen, aber die Geschichte spielt eindeutig in einer anderen Welt, in die ich mich reinziehen lasse.
Aber dieser Nachbar... geht gar nicht. Ein Typ sackt gegen den Türrahmen... nee, du meinst wohl, er lehnt sich dagegen? Und fragt dann, ob sie mitmachen will. Aber bei was? Klingt erst anzüglich nach Sex, aber das Opfer, das sie vorfindet, wirkt eher wie geprügelt als ... anderweitig... ach, was soll's. Aber welcher Schläger grinst den Störenfried an der Tür so an, statt ihn einfach anzubrüllen? Aber gut, der soll auch nicht realistisch wirken, der soll ein unsympatischer Boxsack sein.

Und dann kommen wir bei Helena an und der Text ist zu Ende. Huh? Hey!
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CrazyFoxx
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Beitrag09.02.2024 21:39

von CrazyFoxx
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Hallo Drakenheim und vielen Dank für dein Feedback!
Es freut mich, dass du Helenas Geschichte als so fesselnd empfindest und ich werde das nächste Kapitel hier einstellen, sobald ich mit der nächsten Überarbeitungsrunde durch bin, um bereits angesprochene Fehler direkt zu eliminieren.

Ich nehme die Tipps und Hinweise von allen hier sehr ernst, ich möchte mich, wie wohl jeder hier, weiter entwickeln. Und nicht die gleichen Fehler aus Faulheit immer wieder machen, sonst würdet ihr euch sicher alle denken "Wieso mache ich mir die Mühe für eine Kritik, wenn es sie nicht interessiert?"

Auch den Anfang werde ich nach der Überarbeitung nochmal einstellen.
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CrazyFoxx
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Wohnort: Ostfriesland


Beitrag12.02.2024 11:48

von CrazyFoxx
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Die Lehne eines dieser unbequemen Stühle der Arbeitsagentur drückte sich in meinen Rücken, während ich schon wieder dem abwertenden Blick meiner Beraterin Frau Kowalski-Krause ausgeliefert war. „Wir wollen nur Ihr Bestes. Dieses Praktikum kann Ihnen beinahe jede Tür öffnen, wenn Sie sich zusammenreißen und das zu Ende bringen.“ Über den Rahmen ihrer Nickelbrille sah sie mich mit verkniffenen Augen an, während ihre Finger über die Tastatur flogen. Nur mein Bestes, dass ich nicht lache. Als würde diese blöde Schnepfe für irgendjemanden das Beste wollen. Und was kann ein Praktikum schon ausrichten, dachte ich, nickte jedoch artig. „Ich werde mich natürlich gleich nachher, wenn ich hier wieder raus bin, vorbereiten“, stellte ich in Aussicht und unterdrückte ein Augenrollen. Kann ich jetzt endlich verschwinden? Ich habe mir deinen Sprechdurchfall doch langsam genug angetan.
Frau Kowalski-Krause rümpfte die Hakennase, woraufhin ihre Brille leicht herunterrutschte und verzog die dünnen Lippen. „Dann ist ja gut, Frau Schwarz. Wir sehen uns nach Ihrem Gespräch mit den Mitarbeitern von Herrn Gaspar. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

~~~*~~~

In meiner Wohnung angekommen, kickte ich mir die schweren Stiefel von den Füßen, betätigte den Lichtschalter und streifte die Jacke von meinen Schultern. Endlich habe ich meine Ruhe. Die Wände meines kleinen Reiches waren giftgrün gestrichen, die Ränder und Ecken der Wände verband ein freundlich schwarzer Anstrich. Ich griff die Jacke, die auf dem Fußboden lag und hängte sie an einen der schlangenförmigen Haken meiner heiß geliebten Medusa-Garderobe. Seufzend ließ ich mich kurz darauf mit einer Cola auf das dunkelgrüne Ledersofa fallen, öffnete zischend die Dose und trank sie beinahe in einem Zug leer. Die Aluminiumverpackung warf ich geübt in den bereitstehenden Korb, der schon fast überquoll, bevor ich mir die Fernbedienung für den Fernseher angelte. Ich sollte mir die Unterlagen ansehen, schoss mir durch den Kopf, als auch schon der Bildschirm aufflackerte und mich ein Horrorfilm aus den siebziger Jahren in seinen Bann zog.

~~~*~~~

Am nächsten Tag gegen Mittag wachte ich auf, schlug die Decke zur Seite und seufzte. Morgen schon sollte ich in diesem bescheuerten Büro aufschlagen. Ich hatte überhaupt keine Lust, sodass ich mich auf den Bauch rollte, das Gesicht zu meinem Wecker drehte und einer gefühlten Ewigkeit den Zeigern bei ihrer Wanderung über das Ziffernblatt zusah. Irgendwann musste ich aber dringend aufs Klo und fluchte leise vor mich hin, während ich barfuß durch den kalten Flur ins Badezimmer lief. Kurz darauf rauschte die Spülung, ich sprang unter die Dusche und genoss, wie das warme Wasser über meine Haut lief, um anschließend mit einem leichten Gluckern im Abfluss zu verschwinden.

Tropfend trat ich auf den Vorleger, wickelte mir ein Handtuch um den Kopf und sah mich im Spiegel an. Blass, mit dunklen Ringen unter den Augen und einer kleinen Platzwunde auf dem linken Jochbein starrte mir mein Spiegelbild entgegen. Das wird eine ganze Menge Concealer brauchen, um das abzudecken. Den Cut hatte ich mir gestern Abend zugezogen, als Kevin Meier meinte, sich mit mir anlegen zu müssen. Und das nur, weil ich mich weigerte, ihn ‚Snake‘ zu nennen. Er war ein Trottel und musste sich meinen Respekt und einen anständigen Spitznamen erst einmal verdienen. Unbewusst verzog ich die Lippen zu einem gehässigen Grinsen und meine Augen leuchteten. Gott, das Universum oder die Genetik – irgendwas davon hatte mir strahlend grüne Augen beschert, als hätte es eine Vorahnung gehabt, welche Lieblingsfarbe ich für mich selbst bestimmen würde.

Meine rechte Augenbraue war nach etwa zwei Dritteln durchstochen und mit einem kleinen mattschwarzen Ring geschmückt. Im linken Nasenflügel steckte ein weiteres Piercing, das allerdings mit einem grünen Steinchen besetzt war. Auch die Ränder meiner Ohrmuscheln waren mit diversen Piercings versehen.

Piercings und Tattoos machen wirklich süchtig. Fängt man einmal an, hört man so schnell nicht wieder auf. So fanden sich unter meiner Haut auch verschiedene Bilder. Die Santisima Muerte, die mexikanische Todesgöttin, zierte meinen rechten Oberarm, auf der anderen Seite sah man Lokis Tochter Hel, die zusammen mit ihrem Höllenhund am Fuß des Baumes Yggdrasil sitzt und auf die Toten wartet.
Die meisten meiner Tattoos hatten düstere Bedeutungen, waren mit viel schwarzer Tinte gestochen, aber auch leuchtende Grüntöne und andere Farbeinschläge fand man immer mal wieder.

Nachdem ich mich abgetrocknet hatte und in Jogginghose und einem weiten grünen Sweatshirt im Schlafzimmer stand, rubbelte ich mir die Haare trocken. Das Feinmachen hebe ich mir bis morgen auf. Ich spürte einen leichten Würgereiz bei dem Gedanken, mich am nächsten Tag den Blicken dieser hirnverbrannten Idioten auszusetzen. Niemand, der sie noch alle hat, würde freiwillig in so einem Schuppen arbeiten, oder?

Ich schlurfte in die Küche, warf mir ein Tiefkühlbrötchen in den Ofen und bereitete mich auf das verspätete Frühstück vor.

~~~*~~~

Oh Mann, was soll denn der Scheiß? Ohrenbetäubender Lärm drang aus der Nachbarwohnung, in die vor einem halben Jahr ein Pärchen eingezogen war. Die Wand erzitterte, was mich sofort in Rage brachte, sodass ich aus meiner Wohnung in den Hausflur stürmte. „EY!“, schrie ich und schlug ein paar Mal mit der Faust gegen die Tür. „Reißt ihr euch da drin die Köpfe ab, oder was is' los?“
Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen und ein kräftiger Kerl mit zerzausten Haaren und verschwitztem T-Shirt stand vor mir. Kurz funkelte er mich an, bevor er sich gegen den Türrahmen lehnte und mich von oben bis unten musterte. „Was willst du? Ich kann mir gut vorstellen, dass du – HMPF!“

Ohne einen Kommentar rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine, woraufhin er in sich zusammensackte, bis er gekrümmt auf dem Boden lag. Ich zögerte keinen Augenblick und stieg über das Arschloch hinweg in die fremde Wohnung, die meiner recht ähnlich geschnitten war. Wenigstens weiß ich, wo was ist, dachte ich, während ich in die Küche schoss, die an mein Wohnzimmer grenzte. Dort stand ein total verschüchtertes Mädchen und hielt sich die Oberarme, als wollte sie sich selbst Trost spenden. Ich blieb ein Stück entfernt von ihr stehen, streckte langsam den Arm in ihre Richtung und nickte ihr zu. „Komm. Ich bring dich hier raus.“

„A-aber Stefan. Er …, er wird es n-nicht gut finden, w-wenn ich mit d-dir gehe“, schniefte das kleine Elfchen und sah mich aus großen, rot geweinten Augen an. „Ist doch egal, was der Vollpfosten denkt“, raunte ich ihr zu, als ich mich ihr einen Schritt näherte. „Der interessiert sich doch für niemanden, außer sich selbst. Du siehst außerdem nich‘ so aus, als würdest du hier bleiben woll‘n.“

Zaghaft legte sie ihre Hand in meine und ließ sich ohne weiteren Widerspruch aus der Wohnung ziehen. Kurz darauf standen wir in meinem Wohnzimmer, ich kramte mein Handy, Geld und den Schlüssel zusammen, bevor ich sie weiterführte, die Straßen entlang bis vor eine rot lackierte Tür. Ich klopfte, zog an der Zigarette, die ich mir unterwegs angesteckt hatte, und pustete den bläulichen Rauch durch die Nase aus. Die Tür wurde quietschend geöffnet und uns sah eine rundliche Frau an, die beide Hände vors Gesicht schlug und kurz aufjaulte. „Helena! Mein Gott, was hast du mit deinem hübschen Gesicht gemacht? Und wer ist das?“, kam in einem Schwung aus ihrem Mund.


~~~~~~~

So hier kommt erstmal der überarbeitete Text. Wie ich das ängstliche Stottern der Nachbarin genau umsetze, weiß ich leider noch nicht. Da werde ich noch einiges an Hirnschmal investieren müssen, deswegen ist es jetzt erstmal so geblieben.

@Drakenheim: Shego ist eine von mehreren Inspirationen, also gar nicht so weit hergeholt Razz

Ich setze mich dann mal an die folgenden Passagen smile extra
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CrazyFoxx
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Beitrag12.02.2024 16:50

von CrazyFoxx
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Wie versprochen, hier kommt der nächste Teil. Mit einigen Formulierungen bin ich selbst noch nicht zufrieden, vielleicht bekomme ich ja einige Anregungen von euch Wink

Ich nickte zu dem Mädchen, das schräg hinter mir stand. „Das is' Vivien. Ihr Macker hat die halbe Wohnung auseinandergenommen, also hab‘ ich ihm in die Eier getreten und sie da rausgeholt“, sagte ich nüchtern. Ihren Namen hatte sie mir die Brünette auf dem Weg hier her verraten. „Jetzt mach kein Fass auf, Mam. Den Cut hab' ich gestern von Kevin bekommen, diesem Spacko, aber du müsstest ihn mal seh'n, dem hab' ich’s gezeigt.“

Greta, Mutterersatz für alle ohne eigene Familie im Allgemeinen und Pflegemutter für mich im Speziellen, sah von mir zu meiner noch immer leicht verstörten Begleitung. „Vivien also, hm? Dann kommt erstmal rein, ich habe noch Nudelgratin, wenn ihr was essen möchtet.“

Im Esszimmer stand ein großer Tisch mit Tischdecke, allerdings war er nicht mehr gedeckt. Bei Mam bekam eigentlich jeder ein deftiges Abendessen, aber dafür war es bereits zu spät. Trotzdem holte sie Teller aus dem Schrank, schaufelte noch warmes Gratin darauf und stellte sie zusammen mit zwei Wassergläsern auf den Tisch. „Vivien? Mein Name ist Greta. Du kannst vorerst ein paar Tage hierbleiben, aber dann müssen wir für dich eine vernünftige Bleibe finden. Helena kann dir bestimmt einige Sachen holen oder etwas von sich ausleihen, ihr scheint beinahe die gleiche Größe zu haben. Aber jetzt esst, bevor es kalt wird.“ Schon vor ihrer kleinen Rede war ich über den Teller hergefallen, der fast leer gegessen vor mir stand. Hmmm, so gut! Es gibt keine bessere Köchin als Mam.

Vivien besah sich den Teller, griff dann nach der Gabel und begann zögerlich zu essen. Während wir am Tisch saßen, ging die Gastgeberin ins Nachbarzimmer, kam aber bereits nach wenigen Minuten wieder zurück. „Nico kommt gleich und schaut sich deine Platzwunde an, Helena. Und auch dich wird er einmal durchsehen, Liebes“, sagte sie zuerst zu mir, dann an Vivien gewandt.

„Mam, hör endlich auf mich Helena zu nennen“, sagte ich mit knirschenden Zähnen. „Hel reicht, das klingt doch sonst total bescheuert.“ – „Quatsch, Kindchen“, antwortete sie und strich mir mit ihrer warmen Hand über den Kopf. „Du tust immer so cool, aber eigentlich bist du nicht so.“ Ich schnaufte. „Ich bin nich' cool? Hör zu, ich bin cooler als Kevin, das ist ma' klar!“ Ich verdrehte die Augen, stand auf und stellte den leeren Teller in die Spüle. „Viv?“

Große blaue Augen sahen mich erschrocken an. „Ja?“ An die Arbeitsplatte gelehnt, nickte ich kurz zu Greta hinüber. „Sie hat Recht. Soll ich dir Klamotten oder sowas holen?“ Die Arme verschränkte ich vor der Brust. „Bevor Nico hier ankommt. Der is' schon okay, aber an mir brauch‘ keiner rumdoktern.“

„Wenn Stefan w-weg ist, kannst du w-was holen. Aber ich w-will nicht, dass d-dir was passiert.“ Was hat der Arsch mit ihr gemacht? Ich nickte nur kurz, kniff die Augen zusammen, als ich Schritte im Flur hören konnte und ging zur Tür. „Nico, hey. Ich verschwinde, muss noch was machen“, nuschelte ich und wollte mich an Gretas Sohn vorbeischieben, als er mich am Arm festhielt und ich aus Reflex die noch freie Hand hob. „Nein. Ich hau ab“, sagte ich nachdrücklich. Er sah mich aus dunklen Augen an, die ich schon ewig kannte und ließ meinen Arm los.

„Ok. Aber es sieht wirklich so aus, als sollte ich mir das anschauen“, sagte er und nickte mir, oder eher meinem Jochbein, zu. „Jaja. Später.“ Und mit einem letzten Blick auf Vivien war ich raus und stand auf der Straße.

~~~*~~~

Ich lief etwa zwanzig Minuten zurück zu dem Haus, in dem Vivs und meine Wohnung lagen. Ob der Idiot noch da ist? Vorsichtshalber stellte ich mich ins Wohnzimmer, drückte das Ohr gegen die Wand und lauschte. Als ich mir ziemlich sicher war, dass die Wohnung nebenan leer war, nahm ich mir den Schlüssel, den ich von Viv bekommen hatte und eine blaue Tüte vom Möbelhaus. Mit dem nervigen Riesending betrat ich die Nachbarwohnung.

Wie ich es vorhin schon kurz gesehen hatte, herrschte hier das totale Chaos – so sieht ja noch nicht einmal meine Wohnung aus, und ich bin nicht gerade für meine Ordnung bekannt. Schon im Flur lagen Schuhe und Jacken auf dem Boden herum, die Küche war ein einziger Scherbenhaufen. Wahrscheinlich hatte er einen Wutanfall bekommen, nachdem er wieder aufstehen konnte. Weiter im Schlafzimmer öffnete ich wahllos Schubladen und Schranktüren, warf Kleidungsstücke in die große Einkaufstasche. Im Wohnzimmer machte ich mich auf die Suche nach einigen DVDs, die halfen eigentlich immer beim Abschalten. Aber die Filmauswahl war eher – ‚naja‘ war noch nett gesagt. 'Titanic' und 'Liebe braucht keine Ferien'. Solche Schnulzen waren zu Hauf da, sonst fand ich nichts.

~~~*~~~

Seufzend stellte ich die Tasche neben meine Couch und ließ mich in das weiche Leder sinken. Auf dem Couchtisch lagen die Infozettel über Familie Gaspar und das Architekturbüro ‚Gaspar und Söhne‘ und wieso sie ach-so-toll waren und was für Schnösel diese Familie doch gezaubert hat. Architektur. Ist ja nicht so, als könnte ich damit was anfangen. Oder als würde mich das weiterbringen. Morgen früh würde mein Wecker mich aus dem Bett werfen, damit ich nicht zu spät kam. Ich hatte noch die Stimme der Kowalski-Krause im Ohr: „Achten Sie auf Ihre Erscheinung und Ihr Auftreten, Frau Schwarz. Das Praktikum und eine mögliche Ausbildung im ‚Architekturbüro Gaspar und Söhne‘ ist für Sie eine riesige Möglichkeit. Bedeutende Leute haben ihre Ausbildungen dort gemacht. Sie wollen doch bestimmt auch eine vernünftige Ausbildung machen?“

Schwachsinn. Absoluter Scheiß, das ist das Gespräch morgen. Niemals würden mich solche Schicki-Micki-Leute bei sich haben wollen, aber was hatte ich schon zu verlieren. Also packte ich die Zettel in die Mappe, die mir von ‚Doppel-K‘ mitgegeben worden war und machte mich auf den Weg zurück zu Greta und Viv.

Draußen war es verdammt dunkel geworden, nur einige Hauseingänge waren beleuchtet und die Straßenlaternen waren größtenteils ausgefallen. Ich fischte die Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und steckte mir den Glimmstängel zwischen die Lippen. Kaum war meine Hand wieder in die Tasche gewandert, traf mich etwas in den Magen. Die Zigarette flog durch die Luft und landete auf dem Boden. Wütend ließ ich die Henkel der Tasche los, die mit einem dumpfen Geräusch ebenfalls zu Boden ging und sah mich um. Als ich aus den Augenwinkeln die Faust sah, reagierte ich schnell, duckte mich und boxte in die Dunkelheit.

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Anka
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Beitrag13.02.2024 13:10

von Anka
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Hallo CrazyFoxx irgendwann muss mal damit angefangen werden. Du bist mein erstes Opfer in der Kritik. Es gefällt mir, wie sich dein "Böses Mädchen" durch das Leben prügelt. Gute Idee. Nur empfinde ich die Slangs in deinem Text wie Schlaglöcher auf der Autobahn. Funktioniert super im Poertry-Slam von meiner Tochter. Kurze intensive Kraftwörter, aber bei einem längeren Text würde ich das Handtuch werfen. Ich empfehle dir die Autorin Christine Lehmann. Der Krimi Gaisburger Schlachthof ist in deinem Stil geschrieben. Der Prota ist auch eine Frau, die es faustdick hinter den Ohren hat und sich nicht kleinkriegen lässt. Du hast den gleichen Sound in deinem Text, wie diese Autorin. Natürlich ist das nur meine ganz persönliche Meinung. Ich wünsche dir einen schönen Tag. Liebe Grüße Anka.
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CrazyFoxx
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Beitrag14.02.2024 16:06

von CrazyFoxx
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Meine Knöchel trafen einen Körper, der von rauem Stoff bedeckt war. Ein heiseres Lachen ertönte, was mich nur noch wütender machte. Ich presste die Kiefer zusammen und versuchte, meine Atmung zu kontrollieren. ‚Bloß nicht verleiten lassen‘ lautete die Taktik, die Gretas Sohn mir beigebracht hatte. „Du bist meistens kleiner als deine Gegner, wendiger und schneller. Nutze das zu deinem Vorteil“, ich hörte die Worte, als würde er neben mir stehen. Nur langsam wollten sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen, bis ich dann doch – endlich – einen Schatten mit menschlichen Zügen neben mir ausmachen konnte. Zischend stieß ich die Luft aus, als meine Fäuste nach vorne schnellten, oft trafen sie ihr Ziel. Ich duckte mich gelegentlich zur Seite, um den Schlägen meines Gegners auszuweichen, was mir meistens auch gelang.

Schwere Schritte dröhnten in meinen Ohren und plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen. Meine Arme wurden zuerst abgefangen und festgehalten, nur um dann beinahe schmerzhaft umgedreht zu werden. Ich fauchte wie ein wildes Tier, bis ich ein Feuerzeug schnappen hörte und die Flamme vor meinen Augen sah. Den kleinen Metallgegenstand festhaltend, stand der Macker von Viv vor mir, das Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzogen. „Hey Täubchen, hör doch auf dich zu wehren“, grüßte er höhnisch, ließ den Deckel zuschnappen und die Flamme erlöschen. Wieder war ich von Schwärze umgeben, hörte ein Kichern und wurde starr. Der Arsch hat zwei Kumpels mitgebracht, hat wohl alleine zu viel Schiss. Aber zu Recht. Mein Atem wurde ruhiger, während ich mich auf das Gefühl der groben Hände an meinen Armen konzentrierte und wartete, dass ich wieder mehr erkennen konnte.

Ich zuckte mit den Schultern, bewegte leicht meine Arme, um rauszufinden, wie fest mich die Deppen hielten. Der Kerl rechts neben mir merkte meine Versuche direkt, hielt mich fester und presste seinen massigen Körper dichter an mich.

Beinahe im Rausch trat ich auf seinen Fuß, mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Er heulte auf und ich hatte mein Ziel erreicht: Er ließ meinen Arm los. Mit der nun freien Rechten war es ein leichtes, mir auch den Zweiten Typen vom Arm zu schälen. Ein Faustschlag und ich hörte Knochen knacken. Das ging ins Auge. Oder eher auf die Nase. Als auch der zweite Arm befreit war, machte ich einen Schritt nach vorne und baute mich vor Stefan auf. „Du kleiner Pisser machst jetz‘, dass du wegkommst. Lass mich und Viv in Ruhe, sonst setzt‘s was.“ Direkt hörte man den Knall, als meine Hand auf seine Wange traf. Schnell griff ich die Tüte und drehte mich um. „Und komm ja nich‘ auf die Idee, dass du ‘ne Chance gegen mich hättest.“ Ich bog schon um die Ecke und holte mir erneut eine Kippe aus der Jacke.

~~~*~~~

Nach vorne gebeugt saß ich auf dem Stuhl in Gretas Esszimmer, während Nico sich meine Arme und Fingerknöchel ansah. „Herrgott, Helena! Wie hast du das geschafft?“, fragte er und schmierte meine Knöchel dick mit Salbe ein.

„Drei Typen, einer davon Vivs Ex, haben auf mich gewartet. Haben mich aber nich‘ bekommen, also komm wieder runter.“ Schmerzhaft verzog ich das Gesicht, als er mich nach hinten gegen die Lehne des Stuhls drückte und an mein Sweatshirt zog, bis er meinen Bauch sehen konnte. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, ahnte aber, was man darauf erkennen würde. Tätowierte Haut, die schmale Muskelstränge bedeckte. Und auf den freien Flächen ohne Tinte blaue Flecken, oder welche Farbe auch immer. Ich hatte mehr Schläge abbekommen, als ich zugeben wollte.

„Tut das weh?“, wurde ich gefragt, bevor Nico mit beiden Händen um meine Taille griff und zudrückte. Zischend atmete ich ein und bejahte die Frage. Seine Folter wollte kein Ende nehmen, immer mehr drückte er an mir herum.

Ich hörte zögerliche Schritte im Flur, drehte den Kopf zur Treppe und sah Vivien, die Hand noch am Geländer. Mit verstörten blauen Augen musterte sie mich und zupfte sich verlegen an den Fingerspitzen. „Helena? Oh Gott, was ist dir denn passiert?“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Mit den Händen schob ich Nico von mir, der immer noch meinem Bauch untersuchte und stand auf. Noch in der Bewegung zog ich das Shirt runter und griff dann nach den nervösen Fingern. „Es is‘ nich‘ so wild, Viv. Ich hab‘ dir Klamotten mitgebracht. Da steht die Tasche.“ Ich zeigte auf das blaue Ungetüm neben die Küchentheke.

Kaum hatte ich mich ihr wieder zugedreht, schlang sie bereits die dünnen Arme um mich und drückte mich. „Danke“, schluchzte sie. „Du hast das extra für mich gemacht und dich sogar verletzt. Und ich habe nur geweint und hatte Angst.“ Ohne mich zu bewegen, stand ich einfach nur da, wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Neben mir wuselte Nico durch die Küche und als er in mein Blickfeld trat, sah ich ihn dreckig grinsen.

Schnell schob ich das Mädchen von mir, drehte mich zu ihm herum und wie von selbst schloss sich meine Hand zur Faust und flog direkt auf ihn zu. Doch ohne auch nur mit der Wimper zu zucken fing er meine Hand ab, lenkte sie nach unten und sah mir ins Gesicht. „Hel. Beruhige dich, ich habe doch nur einen Spaß gemacht“, raunte er, während seine dunklen Augen gefährlich blitzten. Grummelnd riss ich meine Hand los. „Schluss jetzt“, Vivs Stimme fester, als ich es ihr nach ihrem kleinen Zusammenbruch zugetraut hätte. Sie kam zu uns, schob uns auseinander und hob den Kopf ein Stück. „Ihr seid hier nicht im Kindergarten, also benehmt euch anständig.“

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um, schüttelte den Kopf gegen die aufkommende Übelkeit und griff die Jacke, die über eine Stuhllehne hing. Dann machte ich, dass ich weg kam.

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CrazyFoxx
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Beitrag14.02.2024 16:09

von CrazyFoxx
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Anka hat Folgendes geschrieben:
Nur empfinde ich die Slangs in deinem Text wie Schlaglöcher auf der Autobahn.


Mich würde interessieren, welche Slangs du hier genau meinst. Ich habe ja einige auch in der überarbeiteten Version rausgenommen und versuche die nur noch in der direkten Rede oder den kursiven Gedanken der Prota zu lassen.

Wenn allerdings noch Weitere als störend empfunden werden, schau ich gerne nochmal drüber.

Danke für die Anregung und liebe Grüße aus Ostfriesland, CrazyFoxx
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Anka
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Beitrag15.02.2024 12:04

von Anka
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Hallo CrazyFoxx. Hau einfach raus. Lass dich nicht verunsichern, sonst bekommst du womöglich eine Schreibblockade. Ich finde, deine Story hat Dampf. Mir gefällt es. Liebe Grüße Anka.
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Beitrag15.02.2024 12:06

von Anka
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Hallo CrazyFoxx. Hau einfach raus. Lass dich nicht verunsichern, sonst bekommst du womöglich eine Schreibblockade. Ich finde, deine Story hat Dampf. Mir gefällt es. Liebe Grüße Anka.
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Beitrag15.02.2024 12:08

von Anka
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ubs!
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Beitrag15.02.2024 15:26

von Drakenheim
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Hi CrazyFoxx,

ich habe deine Überarbeitung gesehen, da hast du ja schon einiges übernommen. Ich lasse den trotzdem erst mal ruhen, weil ich die erste Version im Kopf noch präsent habe, und gehe direkt in Teil 2.

CrazyFoxx hat Folgendes geschrieben:
Wie versprochen, hier kommt der nächste Teil. Mit einigen Formulierungen bin ich selbst noch nicht zufrieden, vielleicht bekomme ich ja einige Anregungen von euch Wink
Mal sehen, was ich für dich tun kann.


Ich nickte zu dem Mädchen, das schräg hinter mir stand. „Das is' Vivien. Ihr Macker hat die halbe Wohnung auseinandergenommen, also hab‘ ich ihm in die Eier getreten und sie da rausgeholt“, sagte ich nüchtern. Ihren Namen hatte sie mir die Brünette auf dem Weg hier her verraten. „Jetzt mach kein Fass auf, Mam. Den Cut hab' ich gestern von Kevin bekommen, diesem Spacko, aber du müsstest ihn mal seh'n, dem hab' ich’s gezeigt.(Oweh. Sie ist ein Proll. Minuspunkte in der Sympathiewertung, bei mir zumindest.)

Greta, Mutterersatz für alle ohne eigene Familie im Allgemeinen und Pflegemutter für mich im Speziellen, sah von mir zu meiner noch immer leicht verstörten Begleitung. „Vivien also, hm? Dann kommt erstmal rein, ich habe noch Nudelgratin, wenn ihr was essen möchtet.“

Im Esszimmer stand ein großer Tisch mit Tischdecke, allerdings war er nicht mehr gedeckt. Bei Mam bekam eigentlich jeder ein deftiges Abendessen, aber dafür war es bereits zu spät. doch es war schon spät am Abend. Trotzdem holte sie Teller aus dem Schrank, schaufelte noch warmes Gratin darauf und stellte sie zusammen mit zwei Wassergläsern auf den Tisch. „Vivien? Mein Name ist Greta. Du kannst vorerst ein paar Tage hierbleiben, aber dann müssen wir für dich eine vernünftige Bleibe finden. Helena kann dir bestimmt einige Sachen holen oder etwas von sich ausleihen, ihr scheint beinahe die gleiche Größe zu haben. Aber jetzt esst, bevor es kalt wird.“ Schon vor ihrer kleinen Rede war ich über den Teller hergefallen, der fast leer gegessen vor mir stand. Hmmm, so gut! Es gibt keine bessere Köchin als Mam. (Irgendwie stört der Satz die Reihenfolge der Ereignisse. Mir fällt aber auch grad nichts besseres ein.)

Vivien besah sich den Teller, griff dann nach der Gabel und begann zögerlich zu essen piekste zögerlich eine Nudel auf. (Bei Formulierungen mit "begann [...] zu" stellen sich mir die Nackenschuppen auf.) Während wir am Tisch saßen, ging die Gastgeberin ins Nachbarzimmer, kam aber bereits nach wenigen Minuten wieder zurück. (Ist der Satz wichtig? Oder kann der weg?)[/s]„Nico kommt gleich und schaut sich deine Platzwunde an, Helena. Und auch dich wird er einmal durchsehen, Liebes“, sagte sie zuerst zu mir, dann an Vivien gewandt.

„Mam, hör endlich auf mich Helena zu nennen“, sagte ich mit knirschenden Zähnen. „Hel reicht, das klingt doch sonst total bescheuert.“ – „Quatsch, Kindchen“, antwortete sie und strich mir mit ihrer warmen Hand über den Kopf. „Du tust immer so cool, aber eigentlich bist du nicht so.“ Ich schnaufte. „Ich bin nich' cool? Hör zu, ich bin cooler als Kevin, das ist ma' klar!“ Ich verdrehte die Augen, stand auf und stellte den leeren Teller in die Spüle. „Viv?“

Große blaue Augen sahen mich erschrocken an. „Ja?“ An die Arbeitsplatte gelehnt, nickte ich kurz zu Greta hinüber. „Sie hat Recht. Soll ich dir Klamotten oder sowas holen?“ Die Arme verschränkte ich vor der Brust. „Bevor Nico hier ankommt. Der is' schon okay, aber an mir brauch‘ keiner rumdoktern.“

„Wenn Stefan w-weg ist, kannst du w-was holen. Aber ich w-will nicht, dass d-dir was passiert.“ Was hat der Arsch mit ihr gemacht? Ich nickte nur kurz, kniff die Augen zusammen, als ich Schritte im Flur hören konnte und ging zur Tür. „Nico, hey. Ich verschwinde, muss noch was machen“, nuschelte ich und wollte mich an Gretas Sohn vorbeischieben, als er mich am Arm festhielt und ich aus Reflex die noch freie Hand hob. „Nein. Ich hau ab“, sagte ich nachdrücklich. Er sah mich aus dunklen Augen an, die ich schon ewig kannte und ließ meinen Arm los.

„Ok. Aber es sieht wirklich so aus, als sollte ich mir das anschauen“, sagte er und nickte mir, oder eher meinem Jochbein, zu. „Jaja. Später.“ Und mit einem letzten Blick auf Vivien war ich raus und stand auf der Straße.

~~~*~~~

Ich lief etwa zwanzig Minuten zurück zu dem Haus, in dem Vivs und meine Wohnung lagen. Ob der Idiot noch da ist? Vorsichtshalber stellte ich mich ins Wohnzimmer, drückte das Ohr gegen die Wand und lauschte. Als ich mir ziemlich sicher war, dass die Wohnung nebenan leer war, nahm ich mir den Schlüssel, den ich von Viv bekommen hatte und eine blaue Tüte vom Möbelhaus. (Wohow) Mit dem nervigen Riesending betrat ich die Nachbarwohnung.

Wie ich es vorhin schon kurz gesehen hatte, herrschte hier das totale Chaos – so sieht ja noch nicht einmal meine Wohnung aus, und ich bin nicht gerade für meine Ordnung bekannt. Schon im Flur lagen Schuhe und Jacken auf dem Boden herum, die Küche war ein einziger Scherbenhaufen. Wahrscheinlich hatte er einen Wutanfall bekommen, nachdem er wieder aufstehen konnte. Weiter im Schlafzimmer öffnete ich wahllos Schubladen und Schranktüren, warf Kleidungsstücke in die große Einkaufstasche. Im Wohnzimmer machte ich mich auf die Suche nach einigen DVDs, die halfen eigentlich immer beim Abschalten. Aber die Filmauswahl war eher – ‚naja‘ war noch nett gesagt. 'Titanic' und 'Liebe braucht keine Ferien'. Solche Schnulzen waren zu Hauf da, sonst fand ich nichts.

~~~*~~~

Seufzend stellte ich die Tasche neben meine Couch und ließ mich in das weiche Leder sinken. Auf dem Couchtisch lagen die Infozettel über Familie Gaspar und das Architekturbüro ‚Gaspar und Söhne‘ und wieso sie ach-so-toll waren und was für Schnösel diese Familie doch gezaubert hat. (? Verwirrung. Vielleicht sind das Schnösel, aber zaubern sie nicht eher tolle neue Häuser?) Architektur. Ist ja nicht so, als könnte ich damit was anfangen. Oder als würde mich das weiterbringen. Morgen früh würde mein Wecker mich aus dem Bett werfen, damit ich nicht zu spät kam. Ich hatte noch die Stimme der Kowalski-Krause im Ohr: „Achten Sie auf Ihre Erscheinung und Ihr Auftreten, Frau Schwarz. Das Praktikum und eine mögliche Ausbildung im ‚Architekturbüro Gaspar und Söhne‘ ist für Sie eine riesige Möglichkeit. Bedeutende Leute haben ihre Ausbildungen dort gemacht. Sie wollen doch bestimmt auch eine vernünftige Ausbildung machen?“ (Dreimal Ausbildung in einer Ansprache. KLingt, als ob Frau K-K selber kein gutes Gefühl bei hat. Naja, immerhin schickt sie eine Tätowierte Abrissbirne in ein Schnösel-Architektur-Büro, wo sonst nur bedeutende Leute... Ich würde den mittleren Satz streichen. Der ist mir zu viel.)

Schwachsinn. Absoluter Scheiß, das ist das Gespräch morgen. Niemals würden mich solche Schicki-Micki-Leute bei sich haben wollen, aber was hatte ich schon zu verlieren. Also packte ich die Zettel in die Mappe, die mir von ‚Doppel-K‘ mitgegeben worden war und machte mich auf den Weg zurück zu Greta und Viv.

Draußen war es verdammt dunkel geworden, nur einige Hauseingänge waren beleuchtet und die Straßenlaternen waren größtenteils ausgefallen. Ich fischte die Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und steckte mir den Glimmstängel zwischen die Lippen. Kaum war meine Hand wieder in die Tasche gewandert, traf mich etwas in den Magen. Die Zigarette flog durch die Luft und landete auf dem Boden. Wütend ließ ich die Henkel der Tasche los, die mit einem dumpfen Geräusch ebenfalls zu Boden ging und sah mich um. Als ich aus den Augenwinkeln die Faust sah, reagierte ich schnell, duckte mich und boxte in die Dunkelheit.


 Blink
Schon wieder an der spannendsten Stelle aufgehört. Und über das Praktikum weiß ich immer noch zu wenig. Ok, du weißt, wie du mich am Haken halten kannst. Aber ich muss gestehen, dass mir Hels Über-Coolheit auf Dauer auf die Nerven gehen kann.
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Beitrag15.02.2024 15:52

von Drakenheim
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Ah, gut, geht direkt weiter.
 Buch

CrazyFoxx hat Folgendes geschrieben:
Meine Knöchel trafen einen Körper, der von rauem Stoff bedeckt war. Ein heiseres Lachen ertönte, was mich nur noch wütender machte. Ich presste die Kiefer zusammen und versuchte, meine Atmung zu kontrollieren und brachte meine Atmung unter Kontrolle. ‚Bloß nicht verleiten lassen‘ lautete die Taktik Lektion, die Gretas Sohn mir beigebracht hatte. „Du bist meistens kleiner als deine Gegner, wendiger und schneller. Nutze das zu deinem Vorteil“, ich Vorteil." Ich hörte die Worte, als würde er neben mir stehen. Nur langsam wollten sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen, bis ich dann doch – endlich – einen Schatten mit menschlichen Zügen neben mir ausmachen konnte. Zischend stieß ich die Luft aus, als meine Fäuste nach vorne schnellten, oft trafen sie ihr Ziel. Ich duckte mich gelegentlich zur Seite, um den Schlägen meines Gegners auszuweichen, was mir meistens auch gelang. (Schwierig. Gibt kein gutes Kopfkino. Sehr distanziert.)

Schwere Schritte dröhnten in meinen Ohren und plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen. Meine Arme wurden zuerst abgefangen und festgehalten, nur um dann beinahe schmerzhaft umgedreht zu werden. Ich fauchte wie ein wildes Tier, bis ich ein Feuerzeug schnappen hörte und die Flamme vor meinen Augen sah. Den kleinen Metallgegenstand festhaltend, stand der Macker von Viv vor mir, das Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzogen. Der Arsch hat zwei Kumpels mitgebracht, hat wohl alleine zu viel Schiss. Aber zu Recht. „Hey Täubchen, hör doch auf dich zu wehren“, grüßte er höhnisch, ließ den Deckel zuschnappen und die Flamme erlöschen. Wieder war ich von Schwärze umgeben, hörte ein Kichern und wurde starr. Der Arsch hat zwei Kumpels mitgebracht, hat wohl alleine zu viel Schiss. Aber zu Recht. Mein Atem wurde ruhiger, während ich mich auf das Gefühl der groben Hände an meinen Armen konzentrierte und wartete, dass ich wieder mehr erkennen konnte.

Ich zuckte mit den Schultern, bewegte leicht meine Arme, um rauszufinden, wie fest mich die Deppen hielten. Der Kerl rechts neben mir merkte meine Versuche direkt, hielt mich fester und presste seinen massigen Körper dichter an mich.

Beinahe im Rausch trat ich auf seinen Fuß, mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Er heulte auf und ich hatte mein Ziel erreicht: Er ließ meinen Arm los. Mit der nun freien Rechten war es ein leichtes, mir auch den Zweiten Typen vom Arm zu schälen. (Schön gesagt. Jetzt erst habe ich das Gesamtild: Sie steht noch auf beiden Beinen, halbwegs aufrecht, an jedem Arm einen Angreifer, und Nachbar Dreckskerl vor ihr. Aber wo in den Gassen sind sie? Ist das wirklich so dunkel, dass sie sein Gesicht nicht ohne das Feuerzeug erkennen kann? Und warum hat er es ihr nicht gleich ins Gesicht... Ok. Das lasse ich mal.) Ein Faustschlag und ich hörte Knochen knacken. Das ging ins Auge. Oder eher auf die Nase. Als auch der zweite Arm befreit war, machte ich einen Schritt nach vorne und baute mich vor Stefan auf. „Du kleiner Pisser machst jetz‘, dass du wegkommst. Lass mich und Viv in Ruhe, sonst setzt‘s was.“ Direkt hörte man den Knall, als meine Hand auf seine Wange traf. (Hier fehlt mir seine Reaktion auf ihre Rede. Läuft er weg? Bleibt er erstarrt stehen? Versucht er einen Angriff? Ich weiß, er ist nur der unfreundliche Boxsack von nebenan, aber er wirkt so unecht.) Schnell griff ich die Tüte Tasche und drehte mich um. „Und komm ja nich‘ auf die Idee, dass du ‘ne Chance gegen mich hättest.“ Ich bog schon um die Ecke und holte mir erneut eine Kippe aus der Jacke.

~~~*~~~

Nach vorne gebeugt saß ich auf dem Stuhl in Gretas Esszimmer, während Nico sich meine Arme und Fingerknöchel ansah. „Herrgott, Helena! Wie hast du das geschafft?“, fragte er und schmierte meine Knöchel dick mit Salbe ein.

„Drei Typen, einer davon Vivs Ex, haben auf mich gewartet. Haben mich aber nich‘ bekommen, also komm wieder runter.“ Schmerzhaft verzog ich das Gesicht, als er mich nach hinten gegen die Lehne des Stuhls drückte und an mein Sweatshirt zog, bis er meinen Bauch sehen konnte. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, ahnte aber, was man darauf erkennen würde. Tätowierte Haut, die schmale Muskelstränge bedeckte. Und auf den freien Flächen ohne Tinte blaue Flecken, oder welche Farbe auch immer. Ich hatte mehr Schläge abbekommen, als ich zugeben wollte.

„Tut das weh?“, wurde ich gefragt, bevor Nico mit beiden Händen um meine Taille griff und zudrückte. Zischend atmete ich ein und bejahte die Frage. Seine Folter wollte kein Ende nehmen, immer mehr drückte er an mir herum.

Ich hörte zögerliche Schritte im Flur, drehte den Kopf zur Treppe und sah Vivien, die Hand noch am Geländer. Mit verstörten blauen Augen musterte sie mich und zupfte sich verlegen an den Fingerspitzen. „Helena? Oh Gott, was ist dir denn passiert?“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Mit den Händen schob ich Nico von mir, der immer noch meinem Bauch untersuchte und stand auf. Noch in der Bewegung zog ich das Shirt runter und griff dann nach den nervösen Fingern. (wessen nervöse Finger?) „Es is‘ nich‘ so wild, Viv. Ich hab‘ dir Klamotten mitgebracht. Da steht die Tasche.“ Ich zeigte auf das blaue Ungetüm neben die der Küchentheke.

Kaum hatte ich mich ihr wieder zugedreht, schlang sie bereits die dünnen Arme um mich und drückte mich. (Tut das nicht weh?) „Danke“, schluchzte sie. „Du hast das extra für mich gemacht und dich sogar verletzt. Und ich habe nur geweint und hatte Angst.“ Ohne mich zu bewegen, stand ich einfach nur da, wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Neben mir wuselte Nico durch die Küche und als er in mein Blickfeld trat, sah ich ihn dreckig grinsen.

Schnell schob ich das Mädchen von mir, drehte mich zu ihm herum und wie von selbst schloss sich meine Hand zur Faust und flog direkt auf ihn zu. (Bißchen überreizt, die Gute. Aber ihre Kurzschlusshandlung passt nicht wirklich zum langsamen Satzbau.) Doch ohne auch nur mit der Wimper zu zucken fing er meine Hand ab, lenkte sie nach unten und sah mir ins Gesicht. „Hel. Beruhige dich, ich habe doch nur einen Spaß gemacht“, raunte er, während seine dunklen Augen gefährlich blitzten. Grummelnd riss ich meine Hand los. „Schluss jetzt“, Vivs Stimme (klang?) fester, als ich es ihr nach ihrem kleinen Zusammenbruch zugetraut hätte. Sie kam zu uns, schob uns auseinander und hob den Kopf ein Stück. „Ihr seid hier nicht im Kindergarten, also benehmt euch anständig.“
(Ok. Ich sehe, was du zeigen willst, aber die Gefühle sind etwas übersteuert. Kannst du die ein wenig runter regeln?)


Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um, schüttelte den Kopf gegen die aufkommende Übelkeit und griff die Jacke, die über eine Stuhllehne hing. Dann machte ich, dass ich weg kam.
(Und der Wecker klingelt immer noch am nächsten Morgen. Ob die im Architekturbüro einen Body-Guard brauchen können?)
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