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Struktur eines historischen Romans: Aufbau, Rückblenden, Perspektivwechsel

 
 
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1240
Wohnort: An der Elbe


Beitrag07.12.2023 12:08
Struktur eines historischen Romans: Aufbau, Rückblenden, Perspektivwechsel
von Arminius
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe mir über mein Projekt, ein historischer Roman, ein paar Gedanken über den Aufbau gemacht, die ich gerne hier zur Diskussion stellen möchte.

Der Zeitrahmen beträgt ca. 90 Jahre und schließt drei Generationen ein, die je einen Protagonisten Stellen (Großvater, Vater, Sohn). Ich möchte nicht durchgängig erzählen (schon gar nicht allwissend), sondern von Generation zu Generation einen Perspektivwechsel vornehmen. So soll zum Ausdruck kommen, dass jeder Protagonist eine andere, von der vorherigen abweichende Sichtweise auf das Zeitgeschehen hat.

Was die Erzählperspektive angeht, habe ich mich noch nicht festgelegt, finde aber die multiple dritte Person sehr reizvoll. So kann ich das Geschehen aus mehreren Perspektiven zeigen.
Gerade in der ersten Generation halte ich Rückblenden für unerlässlich, um das Fundament der Geschichte zu verbreitern. Der Protagonist bewegt sich auf der Zeitschiene sparsam hin und her, wenn es für das Verständnis der Geschichte erforderlich ist. Mir ist klar, dass ich mit den Zeitformen aufpassen muss.

Der dritte Punkt ist (wie bereits andiskutiert in https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=77344), das Ende der Geschichte an den Anfang (Prolog) zu stellen und eine Nebenfigur zur Erzählerin in der ersten Person zu machen. Am Ende (Epilog) kommt die Nebenfigur nochmals zu Wort.

Die Skizze macht, hoffe ich, den Aufbau verständlicher.
Für Anregungen, Kritik und Vorschläge bin ich wie immer sehr offen und dankbar.



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A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)
There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
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nothingisreal
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3994
Wohnort: unter einer Brücke


Beitrag07.12.2023 12:41

von nothingisreal
Antworten mit Zitat

Was genau ist deine Frage? Abgesehen von der Klammer am Anfang und Ende aus der Perspektive einer Nebenfigur sieht es für mich ganz klassisch aus.

Was verstehst du unter multipler dritten Person? Dass jede Figur eine eigene Passage hat, in der aus ihrer Perspektive erzählt wird, oder dass du innerhalb einer Passage hin- und herwechselst? Beides kann sehr reizvoll sein und hängt meines Erachtens stark vom Geschmack ab. Mich persönlich stört der häufige Wechsel während einer Passage und wenn es nicht gut gemacht ist, kann es passieren, dass ich dem Autor vorwerfe, sein Handwerk nicht zu beherrschen.

Was mir auffällt, was eventuell schade sein könnte: Großvater und Enkel treffen nie auf einander.


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"Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham
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Taranisa
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 54
Beiträge: 3227
Wohnort: Frankenberg/Eder


Beitrag07.12.2023 13:20

von Taranisa
Antworten mit Zitat

Prota 1 erlebt ja auch nur die Kindheit von Prota 2. In einer Zeit voller Kriege / gegenseitiger Überfälle durchaus "normal".
Solange du durchgängig bei der jeweiligen Perspektivfigur, deren Zeitstrahl gerade dran ist, bleibst, ist das kein Problem. Könnten die Rückblenden -je nach notwendigem Umfang- auch "nur" erzählt werden, z.B. am Lagerfeuer oder beim Mahl?


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Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: An der Elbe


Beitrag07.12.2023 14:42

von Arminius
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Taranisa hat Folgendes geschrieben:
Könnten die Rückblenden -je nach notwendigem Umfang- auch "nur" erzählt werden, z.B. am Lagerfeuer oder beim Mahl?

Der Rahmen kann beliebig sein. Es darf nur nicht "konstruiert" wirken. Ich denke, damit eine Rückblende gleichberechtigt neben der aktuellen Handlung steht, muss sie genauso relevant, kausal verknüpft, unmittelbar und spannend sein. Rückblenden können durchaus einen großen Raum einnehmen, wenn die Geschehnisse in der Vergangenheit genauso essentiell sind wie die in der Gegenwart.


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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: An der Elbe


Beitrag07.12.2023 15:08

von Arminius
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben:
Was verstehst du unter multipler dritten Person? Dass jede Figur eine eigene Passage hat, in der aus ihrer Perspektive erzählt wird, oder dass du innerhalb einer Passage hin- und herwechselst?
Was mir auffällt, was eventuell schade sein könnte: Großvater und Enkel treffen nie auf einander.

Letzteres. Ich habe das in der Werkstatt schon ausprobiert. Die Beispiele in der Literatur haben mir sehr gefallen. Ich lese so etwas gern und würde auch gerne so schreiben (können) Wink

Die durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 30 und 40 Jahren lässt nicht viel Spielraum. Außerdem ist die Abbildung nur näherungsweise. Ursprünglich wollte ich die drei Generationen wie in "Billard um halb zehn" auftreten lassen, doch der Zeitrahmen ist viel zu groß. Ich hätte die Lebensdauer des Großvaters maßlos überstrecken müssen.


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Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2293
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag10.12.2023 17:02

von Pickman
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Sieht aus wie Der Pate I bis III.

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Tempus fugit.
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1240
Wohnort: An der Elbe


Beitrag10.12.2023 17:14

von Arminius
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Pickman hat Folgendes geschrieben:
Sieht aus wie Der Pate I bis III.

Nie gelesen, nie gesehen.
Insofern vielleicht doch keine so schlechte Idee...


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Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2293
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag10.12.2023 23:03

von Pickman
Antworten mit Zitat

Arminius hat Folgendes geschrieben:
Pickman hat Folgendes geschrieben:
Sieht aus wie Der Pate I bis III.

Nie gelesen, nie gesehen.
Insofern vielleicht doch keine so schlechte Idee...


Nie gelesen, oft gesehen, ein Klassiker, lohnt sich. Mein Tipp für lange Flüge zwischen Europa und Ostasien.


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Tempus fugit.
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Epiker
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 29
Beiträge: 289
Wohnort: Österreich


Beitrag11.12.2023 04:06

von Epiker
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Sieht ganz gut aus, so als Romanstruktur deiner angedachten Fassung. Nur pass bei diesen Rückblenden auf. So spannend und wichtig sie auch sein mögen, 90% der Leser werden sie auch als Bremse wahrnehmen und vllt. sogar überspringen, wenn du sie übertreibst. Man ist immerhin hier um die Geschichte zu erfahren, die am Buchrücken und im Klappentext angepriesen wird, nicht um seitenlang darüber zu lesen was davor geschehen ist.
1 oder 2 könnten ja noch vertretbar sein, doch im allerbesten Fall lass sie weg und versuche die benötigten Informationen im Fließtext auf die verschiedenste Weise miteinzubinden. Klingt zumindest für mich besser, so erfährt der Leser was er wissen muss und die eigentliche Geschichte kann ungehemmt weitergehen.

Wie meinst du das genau mit diesen Perspektivwechseln bei den Generationensprüngen anstatt einer durchgehenden Erzählung?


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Aber der Mensch entwirft, und Zeus vollendet es anders!

-Homer-

(Dieses Zitat dürfte so manchem Schriftsteller mehr als einmal passiert sein Wink )
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: An der Elbe


Beitrag11.12.2023 18:06

von Arminius
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@Epiker
Deine Einwände und Bedenken sind nicht unberechtigt. Da Du dich gedanklich bereits in die Romanstruktur hineingearbeitet hast, werde ich versuchen, sie noch transparenter zu machen:

So, wie sich die anachronische Struktur im Schema präsentiert, beginnt die Erzählzeit im Prolog und endet im Epilog. Ausgehend vom Jahr 21 n. Chr. werden in der erzählten Zeit die vorangegangenen Dekaden aus der Sicht unterschiedlicher Figuren dargestellt. Mit Hilfe von Rückblenden leben die Erinnerungen der einzelnen Protagonisten wieder auf. Im Prinzip stellt die gesamte erzählte Zeit eine Analepse dar, d.h. die Geschehnisse werden im Nachhinein erzählt.

Im Prolog und im Epilog, also in der Erzählzeit, haben wir die Ich-Erzählsituation. Wir erfahren in ihren Worten, was die Protagonistin erlebt, denkt und empfindet. Sie entscheidet, was wichtig ist und was nicht. Sie erzählt, was gerade passiert und passieren wird. Wie sie es sagt, muss zu ihrer Persönlichkeit - auch als Frau - passen.

Sie ist nicht die Hauptprotagonistin. Sie muss den größten Teil der erzählten Zeit anderen Quellen entnehmen (was sie im Epilog auch ankündigt). Deshalb ist es m.E. problematisch, die Story einer allwissenden Erzählstimme anzuvertrauen. Es spricht nicht die allwissende Erzählerin, sondern jemand, der mit vielen Beteiligten gesprochen hat und ihnen zahlreiche Details entlocken konnte. Deshalb bietet sich m.E. an, das Geschehen von einer multiplen dritten Person aus mehreren Perspektiven schildern zu lassen. Mit jeder weiteren Perspektive erweitert sich auch die Wahrnehmung der RezipientInnen. Die verschiedenen Erzähler müssen verschiedenen Dinge sehen und/oder erleben (die drei Hauptprotagonisten zeichnen sich in der Tat durch ihre unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Sichtweisen aus). Ob das tatsächlich funktioniert, weiß ich noch nicht. Es reizt mich aber, es auszuprobieren.

Soweit der Plan. Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis… Mr. Green


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stuffi
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Wohnort: München, Bonn


Beitrag11.12.2023 18:49

von stuffi
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Arminius hat Folgendes geschrieben:
Die durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 30 und 40 Jahren lässt nicht viel Spielraum.


Ich denke, du meinst die Lebenserwartung deiner speziellen Figuren, nicht des Menschen schlechthin? Falls letzteres, solltest du wissen, dass bei Herausrechnen der Kindersterblichkeit die Lebenserwartung nicht viel geringer war als heute. Selbst im neolithischen Zeitalter wurden die Leute schon durchschnittlich (!) um die 70.

Zur "multiplen dritten Person": Wenn du intern fokalisiert aus der dritten Person erzählen willst (der vage betitelte "Personale Erzähler"), dann ist es im Allgemeinen nicht ratsam innerhalb einer Szene die "Köpfe zu wechseln". Bei Szenenwechsel innerhalb eines Kapitels auch den Kopf zu wechseln ist natürlich üblich. Dabei trennt man die Szenen üblicherweise ab (z.B. *** o.ä.).

Das soll nicht heißen, dass es auf keinen Fall funktionieren kann, innerhalb einer Passage zu wechseln, wenn man es gut macht. Aber mir als Leser würde es erst einmal negativ auffallen, wenn in diesem Sinne "headhopping" betrieben wird, da es fast immer möglich ist, durch geschickte Szenenwahl die unterschiedlichen Lebensrealitäten auf die gleichen Ereignisse adäquat (und häufig spannender, weil verzögert) zu zeigen.
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Epiker
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Alter: 29
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Wohnort: Österreich


Beitrag11.12.2023 20:09

von Epiker
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Puh, alleine die Romanstruktur gleicht schon einer Diplomarbeit und bei der Handlung sind wir noch nicht einmal. Mr. Green

Ok ich denke ich habe es jetzt verstanden. Ein Roman in anachronischer Erzählform mit stilistischen Anleihen aus „1001 Nacht“ und dem (bis dato nicht existenten) Stils des dekonstruierten Briefromans.

Es klingt auf jeden Fall nach einem Experiment das man wagen kann um zu sehen was am Ende rauskommt und ist einmal was ganz anderes als der übliche Stil. Eigentlich habe ich heute Kapitel 1 (bzw. der hier veröffentlichte 2. Teil nach dem Prolog) deines Romans gelesen und wollte schon meine Kritik schreiben. Doch ich muss es wohl mit diesem Gedanken nochmal lesen und sehen, ob es mein Urteil verändert, wenn es sich nicht um einen klassischen Roman handelt.


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(Dieses Zitat dürfte so manchem Schriftsteller mehr als einmal passiert sein Wink )
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

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Wohnort: An der Elbe


Beitrag11.12.2023 22:04

von Arminius
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stuffi hat Folgendes geschrieben:
Arminius hat Folgendes geschrieben:
Die durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 30 und 40 Jahren lässt nicht viel Spielraum.


Ich denke, du meinst die Lebenserwartung deiner speziellen Figuren, nicht des Menschen schlechthin? Falls letzteres, solltest du wissen, dass bei Herausrechnen der Kindersterblichkeit die Lebenserwartung nicht viel geringer war als heute. Selbst im neolithischen Zeitalter wurden die Leute schon durchschnittlich (!) um die 70.
Gibt es seriöse Quellen zur Sterblichkeit zur damaligen Zeit?
Durch die Auswertung von in großer Zahl überlieferten Grabinschriften weiß man, dass im römischen Reich sehr viele Kinder im Alter von unter 10 Jahren starben. Die Hälfte der Bevölkerung wurde nicht älter als 20. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag unter 50. Das gilt für die Mehrheit der gewöhnlichen Bevölkerung unterhalb der Eliten (Quelle: Robert Knapp: Römer im Schatten der Geschichte. Männer und Frauen im Römischen Reich. Klett-Cotta 2012,2016). Die erreichten auf Grund ihrer privilegierten Lebensumstände ein wesentlich höheres Alter: Augustus wurde 77, Tiberius 79 Jahre alt.

Bei den Germanen ist man auf die weniger zahlreichen Moorleichen angewiesen. Diese haben aber den Vorteil, dass sie sich forensisch untersuchen lassen. Nach meinen Recherchen im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum muss die Kindersterblichkeit sehr hoch gewesen sein (50%). Bei den Moorleichen lassen sich an den Knochen oft Harris-Linien nachweisen, die auf jahreszeitlich bedingte Mangelernährung hinweisen. Die Lebenserwartung dürfte beim Stammesadel durchschnittlich zwischen 50-60 Jahre betragen haben. Mein erster Protagonist ist mit 72 Jahren deutlich betagter, der zweite liegt mit 58 Jahren im Limit (der dritte wurde bekanntermaßen mit 37 Jahren ermordet).


Zur "multiplen dritten Person": Wenn du intern fokalisiert aus der dritten Person erzählen willst (der vage betitelte "Personale Erzähler"), dann ist es im Allgemeinen nicht ratsam innerhalb einer Szene die "Köpfe zu wechseln". Bei Szenenwechsel innerhalb eines Kapitels auch den Kopf zu wechseln ist natürlich üblich. Dabei trennt man die Szenen üblicherweise ab (z.B. *** o.ä.).
Mehr beabsichtige ich nicht (obwohl es auch für Perspektivwechsel innerhalb einer Szene schöne Beispiele in der Literatur gibt).

Das soll nicht heißen, dass es auf keinen Fall funktionieren kann, innerhalb einer Passage zu wechseln, wenn man es gut macht. Aber mir als Leser würde es erst einmal negativ auffallen, wenn in diesem Sinne "headhopping" betrieben wird, da es fast immer möglich ist, durch geschickte Szenenwahl die unterschiedlichen Lebensrealitäten auf die gleichen Ereignisse adäquat (und häufig spannender, weil verzögert) zu zeigen.

So ist es. Vielen Dank für Deine Einschätzungen.


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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: An der Elbe


Beitrag11.12.2023 22:28

von Arminius
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Epiker hat Folgendes geschrieben:
Puh, alleine die Romanstruktur gleicht schon einer Diplomarbeit und bei der Handlung sind wir noch nicht einmal. Mr. Green

Ok ich denke ich habe es jetzt verstanden. Ein Roman in anachronischer Erzählform mit stilistischen Anleihen aus „1001 Nacht“ (daran habe ich noch gar nicht gedacht. Haha, schau mal auf meinen Beitragszähler...) und dem (bis dato nicht existenten) Stils des dekonstruierten Briefromans.
Sooo kompliziert wird es wohl nicht werden. Ich will ja auch mal damit fertig werden. Aber die Literatur bietet, was die Struktur angeht, durchaus ernsthafte Beispiele, die ich reizvoll finde.

Es klingt auf jeden Fall nach einem Experiment das man wagen kann um zu sehen was am Ende rauskommt und ist einmal was ganz anderes als der übliche Stil. Eigentlich habe ich heute Kapitel 1 (bzw. der hier veröffentlichte 2. Teil nach dem Prolog) deines Romans gelesen und wollte schon meine Kritik schreiben. Doch ich muss es wohl mit diesem Gedanken nochmal lesen und sehen, ob es mein Urteil verändert, wenn es sich nicht um einen klassischen Roman handelt.
Das ist alles Rohmaterial, das noch umgemodelt werden kann. Außerdem schreibe ich nicht hintereinanderweg, sondern an ganz unterschiedlichen Stellen des Romans. Die Endmontage erfolgt zum Schluss.
Danke für's lesen!


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stuffi
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Wohnort: München, Bonn


Beitrag12.12.2023 12:39

von stuffi
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Arminius hat Folgendes geschrieben:
Durch die Auswertung von in großer Zahl überlieferten Grabinschriften weiß man, dass im römischen Reich sehr viele Kinder im Alter von unter 10 Jahren starben. Die Hälfte der Bevölkerung wurde nicht älter als 20. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag unter 50. Das gilt für die Mehrheit der gewöhnlichen Bevölkerung unterhalb der Eliten (Quelle: Robert Knapp: Römer im Schatten der Geschichte. Männer und Frauen im Römischen Reich. Klett-Cotta 2012,2016). Die erreichten auf Grund ihrer privilegierten Lebensumstände ein wesentlich höheres Alter: Augustus wurde 77, Tiberius 79 Jahre alt.


Da werden zwei Dinge miteinander vermischt. "Durchschnittliche Lebenserwartung" ist hier die "Lebenserwartung ab Geburt". Wenn also viele Kinder oder Adoleszente sterben, zieht das den Wert herunter. Dem Beispiele von Privilegierten entgegenzusetzen, ist in sofern irreführend, als dass es klingt als wären sie im Gegensatz zur Restbevölkerung überhaupt in der Lage sich anständig zu ernähren, dabei haben wir schlichtweg eher Aufzeichnungen über Leute, die alt und "erfolgreich" gewesen sind.
Moorleichen haben ein ähnliches Problem. Du hast nur diejenigen, die unnatürlich zu Tode kamen.

Man geht davon aus, dass ohne externe Einflüsse die Lebenserwartung nicht massiv geringer war. Natürlich kann Mangelernährung ein Faktor sein, keine Frage!
"Aber glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast" wink. Dafür wollte ich bloß sensibilisieren. Man sollte niemanden mit 40 ausschließlich an Altersschwäche sterben lassen. Völlig plausibel, dass ein Charakter in der Antike auch 70 oder 80 wird, weil die menschliche Biologie unter adäquaten Begleitumständen sich da nicht groß verändert hat.
Deine Figuren sind da ja noch recht human. Dachte du könntest sie schon mit 35 altersbedingt über den Jordan schicken (alles schon gesehen!) smile

Meine Geschichtskurse sind schon ein paar Jahre her und ich müsste die Quelle(n), die wir bearbeitet haben, heraussuchen, aber es sollte sich recht einfach mit ein bisschen Internetrecherche herausfinden lassen. Was ich über die neolithische Ära noch im Kopf hatte, finde ich sogar mit Quellenangabe auf die Schnelle bei Wikipedia. Scheint ein beliebtes Fäktchen zu sein. Die Lebenserwartung ist sogar etwas höher für Jäger und Sammler angegeben als ich erinnerte (68-78):
https://de.wikipedia.org/wiki/Lebenserwartung#Vorhistorische_Zeit_bis_19._Jahrhundert
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Willebroer
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5448
Wohnort: OWL


Beitrag12.12.2023 14:01

von Willebroer
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Ich meine, man hätte ähnlich überraschende Beobachtungen auch schon bei Neandertalern gemacht. Das sind natürlich erst recht Einzelfälle, aber wenn man das hochrechnet im Verhältnis zur Gesamtzahl der Funde überhaupt, macht das doch einiges aus.
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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1240
Wohnort: An der Elbe


Beitrag12.12.2023 21:43

von Arminius
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@stuffi & Willebroer
Ich denke, das Kapitel Lebenserwartung können wir abhaken. Da passt alles zum zeitlichen Rahmen.
Danke für Quellen und Hinweise.


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