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BerndHH
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Beitrag26.02.2023 12:57

von BerndHH
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Ich schwurbele nur deswegen so herum, da ich mich einfach nicht in die Lebenswirklichkeit eines einfachen Bauerns hineinfühlen kann und schon gar nicht vor 2.000 Jahren.

Außerdem frage ich mich bei jedem Satz, gab es das wirklich, war es damals wirklich so?
Der Bauer hört Wolfsgeheul (gab es die), sein kleiner Sohn im Wald das Schnaufen eines riesigen Auerochsen (gab es die noch um diese Zeit?) ... und das behindert alles enorm.
Ich habe einfach überhaupt keinen Clue mehr, erzwingen kann man die Muse sowieso nicht.


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BerndHH
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beitrag26.02.2023 13:09

von BerndHH
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Hallo Soleatus,

sorry, hatte bereits gepostet, bevor ich Deinen schönen Beitrag las. Besten Dank dafür!
Ja, ein sehr hübsches und v.a. stilvolles Gedicht. Das hat wirklich was.
Klar mit Fußnoten kann man arbeiten. Man muss aber in der Lebenswelt der Leinetal-Cheruskers leben. Es ist nicht die Leine oder plattdeutsch Laane, sondern vielleicht der große Schlammfluss, der zweimal im Jahr alles mit seinen Fluten wieder hinfortreißt.
Und da sind wir schon wieder beim Thema: die Leine als nicht begradigter natürlicher Fluss mit sehr viel mehr Mäandern und Altarmen als heutzutage. Wie war es vor 2.000 Jahren? Absolut keine Ahnung.
Und so verursacht jeder Satz absolute Verunsicherung. Außerdem verliert man sich absolut in Nebensächlichkeiten und verliert die Geschichte aus den Augen, wenn man sich die ganze Zeit darüber den Kopf zerbricht.

Ich hatte das schon mehrfach. Wenn man sich strikt an die historischen Fakten hält, dann zwängt man sich in ein Korsett, was wohlmöglich absolut nicht zu den dramatischen Möglichkeiten passt.

Grüße


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Soleatus
Reißwolf


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Beitrag26.02.2023 13:34

von Soleatus
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Hallo Bernd!

Ja, das ist wohl so; deswegen ja der Vorschlag, das mal nachzuprüfen anhand der Verfasser, die da schon was geschaffen haben. Hm, ich schreibe nicht nur keine Prosa, ich lese auch keine; aber aus dem letzten Jahrtausend sind noch Erinnerungen da, "Eisenhand" etwa von Lindsey Davis – ich glaube, irgendwann haben alle diese Romanreihen um das alte Rom ihre Helden einmal nach Germanien geschickt, da ließe sich schauen. Das ergibt natürlich kein vollständiges Bild, aber viele Mosaiksteine helfen ja auch; erst recht, wenn Rom auch eine Rolle spielen soll.

Am Ende ist die Frage, ob du eine historische Darstellung schreiben willst, die durch eine Handlung anschaulicher wird, oder eine Geschichte erzählen willst, die durch einen umfassend recherchierten Hintergrund an Glaubwürdigkeit gewinnt. Ich glaube, bevor du da keine Sicherheit hast, drehst du dich immer im Kreis.

Gruß,

Soleatus
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BerndHH
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beitrag26.02.2023 13:59

von BerndHH
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Hi Soleatus,

Lindsey Davis: Eisenhand und der römische Privatdetektiv Marcus Didius Falco (so der kurze Text b. Amazon) klingt wirklich interessant.

Ja, was will ich eigentlich?

Die romantische Kernfrage ist, wieviel Germanentum steckt in uns? Das ist auch das Thema, welches sich der Großbauernsohn Henning stellt.
1983 studiert er in Göttingen auf Wunsch seines Vaters Agrarwissenschaften. Göttingen wird ganz im Gegensatz zum anstrengenden Leben der elterlichen Landwirtschaft zu einem wüsten Trip aus Sex, Drugs & Rock n' Roll.

Durch seine Mitbewohner im Studentendorf (gab/gibt es wirklich) kommt er zu den Geschichtswissenschaften, die ihn sehr viel mehr als Pflanzenbau oder Nutztiere interessieren, da er auf der Suche nach seiner Identität ist.

Zwischen ihm und der überaus sexy Inga Bärwald (sie ist für ihn die Personifikation der Messalina; mir schwebt da ein ganz bestimmter Frauentyp vor) steckt sehr viel erotische Spannung.

Das dunkelhaarige Mädchen mit dem romanischen Typus ist im Ausgrabungsteam von Prof. Dr. Johann-Wilhelm Gehrke und sie finden in unmittelbarer Nähe des elterlichen Gutes durch eine geologische Annomalie (irgendetwas in der Art) eine sehr gut erhaltene Cheruskersiedlung.
Henning und Inga konsumieren jede Menge starker bewusstseinsverändernder Substanzen. Auf einmal ist Henning sein Alter Ego in der Eisenzeit: Hermut. Er schlüpft in diese Person. Hermut und seine Familie, Reik Arne, die Sippe der Hirschleute, die Augusteischen Germanenkriege, der Drusus-Feldzug, und, und, und ...

Also zwei zunächst getrennte Handlungen: Hermut in der Antike und Henning in den 1980er Jahren - am Ende führen beide Handlungsstränge zusammen. Das Ende ist noch offen.

Ein Neuzeitmensch in der Antike. Henning hatte seine Abifahrt 1982 in Roma Eterna und sein Onkel, der ihn gerne auf Jagd in den Alfelder Bergen mitgenommen hatte, hatte ihn den Floh des Germanentums ins Ohr gesetzt. Im anderen Erzählstrang ist Hermut als Sklave in Rom, soll entweder auf einer Tierhetze oder einem Gladiatorenkampf im Circus verheizt werden, wird aber von der Edelhure Laurentia Quintilia gekauft, weil ...

Ja, ich weiß, das ist alles nicht so dolle ... der Kopf ist und bleibt vollkommen verknotet.


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MacWrite
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Beitrag26.02.2023 14:55

von MacWrite
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Hallo Bernd,

hey, mach es dir nicht selbst unnötig kompliziert. Die Grundstruktur steht offensichtlich. Im Prinzip hast du doch die Geschichte schon in groben Zügen im Kopf. Es ist gar nicht notwendig, allzuviele zeittypische Details einzuarbeiten. Die ergänzen deine Leser:innen schon von ganz alleine. Und ein historisch korrektes Sachbuch willst du doch nicht schreiben, oder? Also: Einfach hinsetzen und losschreiben – und schauen, wohin dich dein Schreiben führt. Und ja, es wird sowieso ein paar Abbiegungen nehmen, die du derzeit noch nicht auf dem Plan hast. Zumal es in erster Linie um Menschen geht und deren Verstrickungen, Verwirrungen und persönliche Intentionen. Das ist es, was spannend ist zu lesen!

LG aus dem Taunus
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BerndHH
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Beitrag26.02.2023 15:11

von BerndHH
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Hi MacWrite,

ja, das ist sehr einfach.
Einfach loslegen und Text zu füllen ist eine meiner leichtesten Übungen. 500 Seiten zu produzieren, das geht schnell.  
Schon jetzt habe ich schon wieder 51 Seiten und 18.102 Wörter zusammen aber auch sehr viel Mist.

Eine gut strukturierte, schlüssige, widerspruchsfreie und lesenswerte Geschichte zu produzieren ist allerdings die große Kunst.

Meine Lösung:
alle geplanten Kapitel kurz anreißen, nicht mehr als 10 Seiten. Aber streng auf Stringenz achten. Wann ist Hermut noch Knabe, wann wird er geschlechtsreif und wann soll er in die Jungmannenschaft aufgenommen werden.


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Taranisa
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Beitrag28.02.2023 09:09

von Taranisa
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Ein Tipp für das Leben der bäuerlichen Gesellschaft: Über das Mittelalter ist inzwischen viel mehr bekannt, orientiere dich daran. Soooo viel dürfte sich bezüglich Ackerbau und Tierhaltung nicht verändert haben. OK, im Hochmittelalter (soweit ich mich spontan erinnere) kam die Dreifelder-Wirtschaft auf und die Flachwebstühle entwickelten sich, aber die grundlegenden Dinge kannst du so auch für eine frühere Zeit übernehmen.

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MacWrite
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Beitrag28.02.2023 10:53

von MacWrite
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BerndHH hat Folgendes geschrieben:
alle geplanten Kapitel kurz anreißen, nicht mehr als 10 Seiten. Aber streng auf Stringenz achten. Wann ist Hermut noch Knabe, wann wird er geschlechtsreif und wann soll er in die Jungmannenschaft aufgenommen werden.


So ähnlich mache ich es auch. Ich folge in der Regel dem Vierakter-Prinzip und plotte bei meinen Thrillern die Kapitel nur in Stichworten. Was bedeutet, dass bspw. 26 Kapitel nur fünf bis sechs Seiten füllen. Es genügt, die Handlungs-Outline zu erstellen. Daran kann man sich dann gut entlanghangeln beim Schreiben Daumen hoch

LG aus dem Taunus
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BerndHH
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Beitrag01.03.2023 05:58

von BerndHH
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@Hallo Taranisa,

ja, vielen Dank für den Tipp! Damit hast Du sicherlich recht. Das Leben der Cherusker bleibt eine absolute BLACK BOX, ein BLACK GAP. Ich denke mal über den Stammesverband der Sachsen ist mehr überliefert oder was sagen Deine Recherchen?

Die kleinbäuerliche Lebensweise ist mit Sicherheit der Kern des germanischen Lebens. Also sehr einfacher Ackerbau von Emmer, Dinkel, Gerste, Hafer auf kleinen Feldern, die sehr mühsam bestellt werden mussten. Vielleicht etwas Kohl in der Nähe der Behausungen etc. Das Vieh dann häufig im Hudewald/Hutewald. Also halbwilde Hausschweine/gezähmte Wildschweine bei der Eichelmast im Buchenwald (?) und natürlich die wertvollen Rinder. Mittlerweile habe ich gelesen, dass auch die Bauern bewaffnet sein mussten, um ihre wertvollen Rinder vor wilden Tieren (Wölfen?) und ebenfalls bewaffneten Viehdieben zu beschützen.

Es gab also diese sesshaften Bauern, die ihre Höfe, Dörfer nach ein paar Generationen versetzten aber ansonsten in ihrem Lebensraum verblieben und diese mobilen Kriegergefolgschaften/-horden, die vielleicht von den Bauern ernährt werden mussten und auf Raubzug gingen. Mal über den Rhein nach Gallien, mal ein Nachbarvolk überfallen, was auch immer.

Für den Germanen war es anscheinend das Größte, mit reicher Beute in die heimatliche Hütte zurückzukehren. Auf die Frage, ob die Germanen Käse (Rinder-, Schaf-, Ziegenkäse) produzierten - sie machten viel mit Sauermilch oder gar Bier (Braugerste, Sommergerste) brauen konnten, habe ich leider keine eimdeutige Antwort gefunden. Met aus Honig halte ich für wenig wahrscheinlich. Aber ich weiß es nicht, vielleicht gab es Wildbienenvölker oder domnestizierte Hausbienen. Bei den Römern auf jeden Fall aber bei den Germanen weiß ich es nicht.

Übrigens, das Germanien, so wie es uns Filme vermitteln wollen: extrem kalt, Dauerregen ... so soll es in den beiden Jahrhunderten um Chr. Geburt nicht gewesen sein. Eher trocken und warm, mit welchen Daten auch immer.

@Hallo Roland,

sehr spannend, wie Du vorgehst. Handlungs-Outline ist ein gutes Stichwort. Wie sieht das bei Dir aus? Tag X, Szene 1: Prota  A begegnet Anta B und Figur C heckt mit Figur D eine Verschwörung aus ...?
Ich scheitere schon daran, dass ich mir immer wieder die Frage stelle, wann ist Hermut (Prota) geschlechtsreif? Kann er jetzt schon so handeln? Kann er das jetzt schon wissen? Und so weiter und so fort.   

Mich würde sehr interessieren, wie Ihr beiden es haltet.
Schafft Ihr erst das Universum Eurer Protas, d.h. ausformulierte Figuren, deren Charakterzüge bis auf die Haarspitzen durchleuchtet werden, die Hierarchien, sämtliche Interaktionen zwischen ihnen und erst wenn Ihr dies absolut logisch, widerspruchsfrei, nachvollziehbar zu Papier gebracht hat, dann geht erst der Plot los?
Die Kunst besteht ja darin, dem Leser ein neues Universum zu verkaufen, in dem die Figuren nachvollziehbar (inter)agieren.

Grüße


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MacWrite
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Beitrag01.03.2023 12:51

von MacWrite
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Zitat:

Schafft Ihr erst das Universum Eurer Protas, d.h. ausformulierte Figuren, deren Charakterzüge bis auf die Haarspitzen durchleuchtet werden, die Hierarchien, sämtliche Interaktionen zwischen ihnen und erst wenn Ihr dies absolut logisch, widerspruchsfrei, nachvollziehbar zu Papier gebracht hat, dann geht erst der Plot los?
Die Kunst besteht ja darin, dem Leser ein neues Universum zu verkaufen, in dem die Figuren nachvollziehbar (inter)agieren.


1) Ich beginne mit der Grundidee, indem ich auf einen recherchierten Fakt fiktional aufbaue. Beispiel: 1968 stürzte ein US-Bomber über dem Polarmeer ab, an Bord vier H-Bomben. Nur drei davon konnten geborgen werden. Mal angenommen, die vierte Bombe würde Jahrzehnte später im Netz eines Trawler landen, der im mittlerweile während des Sommers eisfreien Polarmeer fischt. – Im Prinzip also ein Pitchsatz.

2) Ich stelle mein Casting-Set zusammen: Protagonist, Antagonist(en), wichtige Nebenfiguren, jeweils mit Foto, kurzer Vita  und positiven/negativen Grundcharakteristika.

3) Ich schreibe einen kurzen Klappentext und entwickle ein circa zweieinhalb Seiten langes Expo, das die Handlung vom Ausgangspunkt bis zu Ende beschreibt, beschränkt auf den Hauptstrang.

4) Ich nehme mir einen (bspw.) Vierakter vor, plotte dazu die Kapitel durch, knapp dreißig in der Regel und schreibe zu jedem in ein paar Stichworten, was darin passieren soll. Die vier Akte sind alle in etwa gleich umfangreich und beinhalten in der Abfolge im Akt 1 Ausgangssituation und Aufhänger / Ruf zum Abenteuer / erste Widerstände; im Akt 2 Prüfungen, Feinde, Verbündete / Komplikationen und erste Hinweise; im Akt 3 weitere Komplikationen und eine Erhöhung des Einsatzes; im Akt 4 die Auferstehung meines Protagonisten und der finale Versuch zu gewinnen /Belohnung und Nachwirkungen.

Nach diesen vier Schritten lege ich mit dem Schreiben los. Zwischendrin gibt's keine Überarbeitungen; allenfalls, wenn es die Handlungslogik gebietet, Rückwärtskorrekturen.

All das bezieht sich auf die Art Thriller, die ich schreibe, kann dir aber als Anregung für die Vorgehensweise dienen.


LG aus dem Taunus
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BerndHH
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Beitrag02.03.2023 06:00

von BerndHH
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Guten Morgen Roland,

besten Dank für Deine Tipps! Du scheinst da sehr planvoll vorzugehen, sehr gut. Vor allem viele kleine Kapitel finde ich gut. Das sollte ich vielleicht ähnlich machen. Ich hatte schon öfter den Kapitalfehler begangen, mehrere Szenen, die schlecht zueinander passten in ein Kapitel zu werfen. Dann wird es ganz schnell schwurbelig.

Ich habe mir folgendes überlegt, keine Ahnung ob das nachvollziehbar ist.
1. Das friedvolle Cheruskerdorf der Hirschleute dämmert vor sich hin. Die Dorfbewohner hüten ihre Rinder auf den Leineauen, beschützen sie vor den Wölfen, die aus den Bergen kommen. Sie betreiben einfachsten Handel. Tierfelle gegen Wolle, die ein Händler der Chauken (Norddt. Tiefebene) mit einem Ochsenkarren bringt.
2. Das friedvolle Cheruskerdorf der Hirschleute, dem Reik Arne vorsteht, steht im Spannungsfeld zweier mächtiger Cheruskerclans/-sippen|Fürstenfamilien, möchte aber unabhängig bleiben.
3. Ein berittener Bote der Tenkterer (Stamm v. Niederrhein) kündet von den römischen Legionen, die eine große Invasion auf Germanien planen.
4. Enno der Schamane/Seher glaubt dass die Frauen des Dorfes verflucht sind, weil sie nur tote Söhne gebären. Sie brauchen Krieger, um die kommenden Zeiten überstehen zu können. Ein chattischer Kriegsgefangener wird geopfert, um die Götter zu besänftigen.
5. Der Fluch ist nach neun Monaten gebrochen und Hermut ist das erste Produkt daraus. Der Junge hat nur einen Fehler: er ist ein Hasenfuß.
6. Das große Thing. Fürst Segestes ruft alle cheruskischen Führer bei Vollmond auf den Thingplatz der Hirschleute zusammen. Sie beschließen, den Römern nicht in einer offenen Feldschlacht zu begegnen.
7. Vater Sigurd ist Rinderknecht und lebt in Schuldknechtschaft. Kriemhild, Hermuts Schwester, wird von Sigurd an einen ubischen Sklavenhändler verkauft. Ihr Schicksal ist unbestimmt. Sigurd kann sich von einem Teil seiner Schuld freikaufen (mmmh, die Germanen kannten ja kein Geld. Was sollten sie denn mit römischen Sesterzen?).
8. Die Chatten greifen im Morgengrauen das Dorf der Hirschleute an. Frauke, Hermuts Mutter wird aus der Hütte gezerrt, mitten auf dem Dorfplatz vergewaltigt und grausam getötet. Auch Sigurd, Hermuts Vater stirbt bei dem Überfall.
9. Die überlebenden Hirschleute|Cherusker können sich in die Bergen retten. Oheim|Onkel Oswin kümmert sich um den heranwachsenden Hermut.
10. Oswin bringt von einem Feldzug gegen die romfreundlichen Chatten die chattische Fürstentochter Sünnje mit, die er seinem Reik Arne schenkt. Für Sünnje beginnt ein Martyrium aus Vergewaltigungen durch Reik Arne und seines Bruders Eike. Hermut ist der einzige, der Sympathie mit der Sklavin hat.
11. Die Lage hat sich zugespitzt. Oheim Oswin zwingt Hermut dazu, in eine Jungmannschaft einzutreten und als Krieger seine Mannbarkeit zu demonstrieren. Das Kriegshandwerk ist Hermut zuwider, doch man erwartet von ihm, dass er an den verhassten Chatten, die seine Mutter und seinen Vater auf dem Gewissen haben, Blutrache verübt.
12. Hermut geht auf seinen ersten Feldzug gegen die Chatten. Sie überfallen im Morgengrauen ein Chattendorf. Der Handstreich wird zu einem Fiasko. Bis auf Hermut kommen alle seine Mitstreiter ums Leben. Hermut wird an den gleichen ubischen Sklavenhändler verkauft, der damals schon seine Schwester verschleppt hatte.

13. Hermut kommt als germanischer Sklave nach Rom. Er soll zur Volksbelustigung als Gladiator kämpfen oder auf einer Tierhetze sterben. Eine edle sizilianische Edelhure rettet ihn, indem sie ihn kauft. Er ist danach ein Freigelassener.
14. Hermut gefällt sein neues Leben in Rom. Er lernt über Umwege den cheruskischen Fürstensohn Arminius kennen und das Heimweh wird unerträglich.
15. Hermut hat mittlerweile Latein gelernt und dient in der Auxilie des Arminius als XX.
16. Zurück in der Heimat steigt er aus den römischen Diensten aus und kehrt in sein Dorf zurück. Der romfreundliche Fürst Segestes hat hier seinen Einfluß ausgedehnt.
17. Hermut möchte nicht gegen den neuen Statthalter Varus in einer neuen antirömischen Koalition unter Arminius (Cherusker, Marser, Brukterer u.a.) zu Felde ziehen.

Weiter weiß ich auch nicht.

Grüße


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BerndHH
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Beitrag02.03.2023 06:19

von BerndHH
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Das Problem ist, es ist alles noch viel zu schwurbelig. Die Handlung erscheint viel zu unrealistisch.
Der Prota bekommt einfach viel zu viele Nackenschläge. Das Leben ist kurz, daher ist es auch so verdichtet.
Er verliert Mutter und Vater. Sein Onkel zwingt ihn gegen seine Überzeugung, seinen Willen dazu, ein Krieger zu werden, um seine Familie zu rächen.

Wird das Dorf von den Chatten überfallen oder soll Feldherr Drusus mit seiner römischen Legionen selber kommen und die Hütten und Höfe niederbrennen? Ein Leben auf der Flucht, in diesen unruhigen Zeiten der Augusteischen Germanenkriegen kann ich mir gut vorstellen. Aber nicht, dass die Germanen wie die  Wilden lebten; sie hatten durchaus ihre Rechtsordnung, wie Historiker immer wieder glaubhaft darstellen.

Es war mit Sicherheit eine knüppelharte Zeit aber auch keine ewige Abfolge ausschließlich aus Massakern und brutalen Vergewaltigungen, wie uns die Serie VIKINGS suggerieren will.
Vielleicht eine Mischung aus beiden. Es soll eine clevere Mischung aus wildromantischen Bildern von friedlich grasenden Germanenrindern sein und eben auch immer wieder, um den Puls hochzutreiben, Gewaltexzessen.

Die Varusschlacht möchte ich eigentlich ausklammern. Darüber ist eh schon viel zu viel geschrieben worden.


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Taranisa
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Beitrag02.03.2023 12:11

von Taranisa
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Warum fängst du vor der Geburt deines Protas an? Wäre es nicht bezüglich der Perspektive, wenn du die personale P. wählst, geschickter, den Prota anfangs ein 5-7 Jähriger sein zu lassen, der die Streitigkeiten zwischen den Stämmen und den Römern mitbekommt?
Falls du ein Blutopfer unbedingt willst, kann dieses evtl. auch dazu dienen, eine seuchenhafte Krankheit zu beenden.


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BerndHH
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Beitrag03.03.2023 05:27

von BerndHH
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Guten Morgen Taranisa,

ja vielleicht.
Ich wollte ein bedrohliches Szenario schaffen. Außerdem brauche ich diesen Fluch. Gut, vielleicht ist das Ganze nicht so clever gelöst.
Aber ein Denkanstoß in jedem Fall. Der bisherige Text ist schon viel zu blutrünstig. Da muss ich mit anderen Dingen gegensteuern.

Viele Grüße


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Beitrag03.03.2023 06:08

von BerndHH
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Wie wäre es denn, wenn Holger der chaukische Wollhändler mit seinem Ochsenkarren ins Dorf der Hirschleute kommt?

Also die Sicht des Krämers Holgers aus der Norddeutschen Tiefebene, der aus dem Friesenlande stammt, dem Stamm der Chauken angehört und sich mit einem rumpelnden Ochsenkarren das Leinetal hochquält und mit den Cheruskern Schafswolle (für Winterbekleidung) gegen heilige Hölzer und Tierfelle tauschen will.

Vielleicht auch ein bisschen abenteuerlich. Warum sollte er das tun? In der Gegend des heutigen Hannovers in Richtung Mittelgebirge abbiegt und dann das Leinetal hoch. Die nächste cheruskische Räuberbande würde ihn doch überfallen und ihn nackt, mit einem Speerstich im Bauch ins nächste Gebüsch werfen, oder?

Irgendwie ist das alles nicht rund.


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Beitrag04.03.2023 07:07

von BerndHH
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Besteht eigentlich noch Interesse daran, wenn ich ab und an einen Textblock daraus präsentiere? Ich hab immer so meine Zweifel, ob meine moderne Sprache einem Ereignis aus dem Altertum angemessen ist und würde mich daher über eine Reflexion freuen.

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Beitrag04.03.2023 12:59

von MacWrite
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Immer gerne Smile

Und was die Sprache angeht: Wenn dein Buch im Hier und Jetzt geschrieben wird, sollte es sich auch einer modernen Sprache bedienen dürfen, oder? Schließlich gilt das auch für deine Leser:innen …


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Beitrag04.03.2023 15:45

von BerndHH
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Hi Roland,

ja, wir wissen ja eh nicht wie sie gesprochen haben.
Wie haben sie sich gegenseitig angeredet, Du oder Ihr, es ist schlichtweg unbekannt.
Es ist ein absoluter Showstopper, wenn man bei jedem Wort überlegen muss, kannten die das schon, würden die das so ausdrücken, entspricht das ihrer Begrifflichkeit?[/i]

Na ja, ich schau mal, ob ich nicht einen guten Text zustande bekommen. Bisher das Manuskript noch sehr, sehr grottig.

Viele Grüße und schönes WE!


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Beitrag05.03.2023 07:18

von BerndHH
Antworten mit Zitat

Ach egal, ich hau einfach mal einen raus:

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Beitrag05.03.2023 07:23

von BerndHH
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Holger der Wollhändler

23 v. Chr.
Frühling im Leinetal vor über 2.000 Jahren.
Südniedersachsen, Landkreis Hildesheim.


Der große Ochsenkarren rollte rumpelnd durch die schmale Auwaldschneise.
Zwei massige Bullen mit steil aufragendem Hörnern zogen einen vierrädige Karren, dessen volumniöse Landung mit einem Netz zusammengezurrt war.
Früh am heutigen Morgen hatte der Kutscher Holger das Laanetal erreicht und befand sich jetzt auf dem Weg immer weiter flussaufwärts.
Es war warm und in der Luft flirrten die Insekten. Der Chauke, der aus der Großen Ebene stammte, staunte über die überbordende Pracht der Natur, die hier vollkommen anders war als seine von Winden zerzauste Heimat. Die Laane, die sich hier mit der Kraft der Urzeiten ganz langsam durch den Talkessel fraß, strömte hier mit mittlerer Geschwindigkeit. Die lehmbraune Wasseroberfläche war von zahlreichen Wasserwirbeln durchwirbelt. Holger ahnte, dass ein falscher Schritt an der mit Baumwurzeln durchwachsenen Uferböschung sein Unheil bedeuten konnte. Er wäre nicht der Erste gewesen, der in der Laane ertrank.  

Es war unübersehbar, die Flußlandschaft strotzte jetzt im Frühling voller überbordenden Lebens. Das Vogelgezwitscher war ohrenbetäubend. Es gab jede Menge Weißstörche, Nachtigallen und Eisvögel. Ein penetrantes „rääij-rääij“ erklang. Es gehörte einem ganz besonderen Wesen. Ab und an ließ sich einer dieser gelbgefiederten und geradezu leuchtenden Pirole blicken. Das war eine eigentümliche Vogelart, die es im Hohen Norden gar nicht gab.

Obwohl die beiden Ochsen langsam trotteten, musste Holger aufpassen, denn der Pfad war so schmal, dass immer wieder ein Weidenast mit voller Wucht in sein Gesicht schnellte.
Er müsse hier im bergigen Cheruskerland besonders vorsichtig sein, hatte man ihm gesagt, was er allerdings nur mit einem breiten Grinsen quittieren konnte.
Holger hatte dutzende schwere Schafsfelle geladen, die er hier im Laanetal zu tauschen gedachte. Ja, ein cheruskischer Räuber, der nichts mehr zu verlieren hatte, hätte ihm bei jeder unübersichtlichen Weggabelung auflauern können. Dann speeren, nackt in den nächsten Graben werfen und am Ende mit den Schafsfellen davonfahren.

Was ihn beruhigte war die Tatsache, dass er das Wort von Fürst Segestes hatte.
„Sei er beruhigt, im Cheruskerland wird ihm kein Leid widerfahren.“
Ein einzelner chaukischer Händler – beim Wotan! – so lasst ihn doch fahren! Der tut doch keinen was. Der bringt Ware und fährt dann wieder von dannen.

Holger trug einen weißen Bart mit gelblicher Tönen an den Seiten, eine derbe sonnengegerbte Haut und besaß grobe schwielige Hände, die kräftig zupacken konnten. Seine ruckartigen Bewegungen ließen darauf schließen, dass er wahrscheinlich einmal ein Krieger gewesen war, der nach seiner Verwundung etwas anderes machen musste. Er hatte in seinem vierzigjährigen Leben – ein Methusalem nach germanischer Zeitrechung und Lebenserwartung – schon sehr viel mitansehen müssen.
Er war jetzt etwa eine Stunde unterwegs und bewunderte die Silhouette der Sieben Berge, die sich zu seiner Linken aufwölbten. Es irritierte sein Symmetrieempfinden, denn Holgers Augen waren nur an das Flachland und lineare Ereignisse gewöhnt.  
„Ho, Ho, Hooo.“ Plötzlich musste er anhalten, da etwas seine besondere Aufmerksamkeit erregte. Da war wirklich etwas. Ein Tumult, ein Kampf. Holger war geradezu gefangen von der wilden Szenerie, die sich seinen zusammengekniffenen Augen darbot.
Da war ein Mann, ein Junge und ein Hunde, die gerade einen Angriff ein Wolfsrudel abwehrte. Sie versuchten mit allen Mitteln ihre kleine Herde von Harzer Rotvieh zu beschützen.
Holger hatte solche Rinder noch nie gesehen. Sie besaßen hochaufragende und spitz zulaufende schwungvolle Hörner, die richtig eingesetzt, eine furchtbare Waffe sein konnten.
Die weiblichen Tiere trugen rotbraunes zotteliges Fell, welches im Winter sehr von Vorteil war, rosafarbene Kuhnasen, eine tiefhängende Wamme und einen hellen Schwanzquast.  

Der Hirte stach mit seiner zweizinkigen Forke auf die pelzigen Raubtiere ein. Der kleine Junge lief herum und schrie die Wölfe an, die gerade ein frischgeborenes Kalb auseinandernahmen. Die Mutterkuh, der die Nachgeburt noch hinten heraushing, versuchte immer wieder die Angreifer mit den Hörnern abzuwehren, was ihr allerdings nicht gelang.

Das Kalb starb schnell.
Noch ein schwaches Blöken und es wurde von spitzen Fangzähnen auseinandergerissen. Das kleine Tier war von Anfang an verloren.
Der Mann, der Junge und der wütend kläffende Hund konzentrierten sich auf das noch lebende Kalb, welches gerade auf wackeligen Beinen seine ersten Stehversuche machte und sofort von sechs hungrigen Wölfe eingekreist wurde.
Sie hatten jetzt Blut geleckt, wollten nicht mehr spielen, sondern nur noch ganz kurzen Prozess machen.

Holger bewunderte die Verbissenheit, mit der das Trio das neugeborene Leben verteidigte. Oder gar beides.
Aus seiner Heimat, die an den Ufern der Weser [Visurgis] lag, kannte er das anders. Bei den Chauken war es Sitte, dass den Wölfen relgemäßig ein gewisser Teil der Kälber und Lämmer, von denen sie auf den weiten Flächen des Grünlandes nicht unbedingt wenig hatten, geopfert wurde – damit der Rest der Herde überleben konnte.
Jetzt war es der Hirtenhund, dem es gelang, zwei der Wölfe mit kräftigen Kehlbissen, mitten durch das dichte Fell hindurch, ins Jenseits zu befördern.
Die anderen vier der Meute waren irritiert, unentschlossen, sprang für einen Moment vor und zurück, um schließlich mit eingekniffenen Schwanz im nächsten Galleriewaldstück zu ver-schwinden.

Holger musste die beiden unbedingt kennenlernen und stieg vom Bock herunter. Die beiden Männer streckten sich die Hand zum Gruß aus.
„Ich bin Sigismund und das da ist mein Sohn.“, sagte der Vater, dessen apfelbäckiges Gesicht in seiner ganzen Breite strahlte. Und auch der Junge trug ein fröhliches Grienen. Er mochte vielleicht fünf, sechs Jahre alt sein.
„Willkommen bei den Hirschleuten. Ich kenne Euch. Ihr kommt aus dem Hohen Norden, da wo die Menschen so komisch sprechen und da wo die vielen Schafe herkommen, oder? Und Ihr seid es auch, der Reik Arne die schönen Felle bringt.“
„So ist es. Komm, wackerer Mann, führt mich in Euer Dorf.“, forderte ihn Holger auf. Sigismund packte das Kalb, dessen Blut und Schleim seine Schultern verschmutze und die kleine Kuhherde folgte ihm. Der Junge lief übermütig wie ein aufgeregt flatternder Zitronenfalter um den Ochsenkarren herum, der sich wieder langsam knarrend in Bewegung setzte.
Es erstaunte Holger, dass die beiden so gut gelaunt waren, denn immerhin hatten sie ein Kalb an die Wölfe verloren, die sich jetzt wohl irgendwo im Unterholz lagen und sich gegenseitig die blutverschmierten Mäuler ableckten.
„Gibt es viele Wölfe bei Euch?“, wollte Holger wissen.
„Ja und sie haben das ganze Jahr über großen Hunger. Hier bei uns heißt es: wir oder die Wölfe. Sie holen sich immer das, was sie brauchen, wenn wir nicht aufpassen.“
„Schwere Zeiten, oder?“, brummte Holger.
„Ja aber wir sind es ja gewohnt. Schon unsere Väter hatten so gelebt. Die Götter werden sich wohl dabei etwas gedacht haben, als sie die Wölfe schufen, oder?“
„Fürwahr.“
Auf eine weitere Unterhaltung hatte Holger keine Lust. Dieser Rinderknecht war eine ganz schlichte Seele. Außerdem hatte er, der er doch so viel in der Welt herumkam, es einfach nicht nötig, sich mit solchen Leuten abzugeben. Auch nicht aus Zeitvertreib.
Obwohl er ihren stumpfen Mut bewunderte, aber was ein halbwilder Cherusker meinte oder dachte oder eine Kuh auf die Grasfläche schiss, das hatte ihn nicht zu kümmern. Er war hier, um Geschäfte zu machen und nichts anderes.

Vor ihnen kamen die Gehöfte in Sicht.
Das Dorf hatte die Ankunft des Händlers schnell bemerkt und alles lief aufgeregt zusammen. Vor allem die Kinder, die hüpften und laut durch die Gegend riefen. Doch die Aufmerksamkeit war nicht von Dauer, denn Holger hatte nichts dabei, was ihre Gelüste hätte befriedigen können.
Nur Schafswolle. Beste Qualität. Und die wollte Reik Arne unbedingt haben.

Der Anführer stand an der Schwelle seines Hauses und breitete die Arme aus, so wie er das immer tat, wenn er Gäste bekam.
„Holger mein buckeliger Freund. Ist er von den chaukischen Huren erwacht und hat den weiten Weg zu uns gefunden?“ Ein rauhes, kehliges Lachen erschall. Der Reik kannte den Wollhändler gut, daher erlaubte er sich diese Unverschämtheiten. Dieser grinste schiefmäulig und kratzte sich am Hintern. Der Humor des Reiks war eigenartig, geradezu lästig, doch Holger besaß ein dickes Fell und ließ sich von diesen Nebensächlichkeiten nicht weiter irritieren.
„Kommt herein. Tretet ein! Ihr müsst müde und hungrig sein.“
Die Mägde reichten dem Gast Sauermilch mit Beerensaft, Dinkel- und Haferbrei gereicht. Der Brei war mit gelbem Leindotteröl verfeinert, so wie man es nur hier im Laanetal kannte. Geräucherten Schinken beziehungsweise Schweinefleisch in Molkemarinade gab es nicht, denn es war schon seit längerem kein Schlachttag gewesen.
Holger griff beherzt zu.
Es schmeckte ihm hier in den Bergen beinahe schon besser als in der Heimat. Oben an der Weser hatten sie weniger Vielfalt bei der täglichen Kost, aber dafür hervorragendes Schaffleisch. Das Essen war gut, um eine wohlige Atmosphäre zu schaffen.

In diesem Moment geriet die Tatsache, dass Sigismund nur noch mit einem Kalb heimkehrte und warum die Rinder jetzt schon von der Weide heimgeholt wurden, in den Hintergrund. Doch darum würde sich Reik Arne später kümmern. Jetzt war nur noch die Anwesenheit des Gastes von Bedeutung.
Holgers Anwesenheit war ihm sehr viel angenehmer.
Anders als der dreiste Bote Arbogast hatte der Chauke offenkundig keinerlei Gelüste auf Frauenfleisch und das wurde vom Reik mit Wohlwollen vergolten. Zumindest zeigte er das nicht. Er nahm die Speise gerne an und schien damit zufrieden zu sein.
Der Reik gewann den Eindruck, dass die da oben von der Wesermarsch noch Begriffe wie Sitte und Ehre besitzen zu schienen. Anstattdessen bewunderte der Gast das imposante sechseckige rotgelbe Schild und die beiden gekreuzten Framen, die Reik Arne von seiner Gemahlin Margard zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte.

Mit den Chauken gingen sie jetzt ins zweite Friedensjahr.
Die beiden Stämme tauschten sich regelmäßig aus und es wurden die ersten Ehen zwischen ihren Fürstensöhnen und –töchtern geschlossen, was für alle ein gutes Zeichen war. Anders als die Chatten beanspruchten die Chauken ein völlig anderes Lebens- und Siedlungsgebiet – daher machten sich beide Völker keine gemeinsamen Grundlagen streitig. Die einen kamen aus der großen Ebene und die anderen aus den Bergen und den darin eingebetteten Flusstälern.

Reik Arne wollte nicht sofort in die Verhandlungen einsteigen. Sein Gast sollte sich zunächst einmal wohlfühlen. Doch langsam reichte es, denn Holger leckte sich genüßlich die Finger ab und kratzte die Holzschale betont langsam mit Brot aus.
Es wurde Zeit, um ins Geschäft zu kommen. „Kommt, setzt Euch und zeigt mir mal eine Probe Eures Schafsfelles.“, forderte der Reik den Händler auf. Mürrisch ging dieser zu seinem Ochsenkarren und holte ein abgetrenntes Stück Schafsfell hervor.
Der Reik nahm sich jetzt eines der weichen Felle und begutachtete es mit Kenneraugen. Ihm war bewusst, dass die flinken Hände der Cheruskerinnen daraus hervorragende Wolle für wärmende Winterbekleidung spinnen konnten. Niemand vermochte das so gut wie sie. Und dafür brauchten sie die exzellente Qualität von Friesenschafen, die Holgers Ware auszeichnete. Sie stammte von Schafen mit weißen Körpern und schwarzen Köpfen. Eine Rasse, die hier in den Bergen nicht gedeihen konnte. Diese Schafe brauchten die unendliche Weite, den harten Wind, der an ihrem Vließ herumzuckelte und Gras, Gas, Gras …

Das Oberhaupt der Hirschleute grinste ihn an wie einer der Molche, die in jedem Frühjahr, recht zeitig nach der Schneeschmelze zu Tausenden aus den Bergen krochen und in die Bäche die in die Laane mündeten, abzutauchen, um dort neue Nachkommen zu schaffen.
Ebenfalls zu Tausenden und Abertausenden.
Doch die Molche wurden von den Blindschleichen gefressen. In Reik Arnes Grinsen war keinerlei Freundlichkeit zu erkennen. Er wollte dieses Geschäft allein zu seinem Vorteil abschließen.
„Nun, was habt Ihr mir zu bieten?“, fragte Holger und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Er war nicht unbedingt in der besseren Verhandlungsposition, denn er befand sich hier in einer Region, die seinem Stamm zwar wohlgesonnen war, die aber auch dafür bekannt war, dass sie sich das, was sie wollten, auch gerne mit Gewalt nahmen.
Holger hatte sehr wohl gesehen, mit welchem Mut sich diese Leute gegen Wölfe wehren konnten und daher musste er aufpassen, nicht das Falsche zu machen.


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Pickman
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Beitrag05.03.2023 10:41

von Pickman
Antworten mit Zitat

Hi BerndHH,

Du solltest Deinem Text einen Faden in der Werkstatt gönnen.

Er liest sich flüssig. Aber stilistisch und inhaltlich sehe ich Gelegenheit zur Detailarbeit.

"Der große Ochsenkarren ... die kleine Auwaldschneise." - Zu viele Adjektive. Dass der Karren groß ist und die Schneise klein, erhellt aus der folgenden Beschreibung.

"rollte rumpelnd" - Besser "rumpelte".

"Auwaldschneise" - Wieso Schneise? Ein Händler mit wertvollerer Ware wird sein Gespann nicht durch eine Schneise treiben sondern einen Pfad, einen Weg oder eine Straße benutzen.

Meine Familie verlangt nach Frühstück. Ich melde mich später wieder.

Cheers

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BerndHH
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Beitrag05.03.2023 13:09

von BerndHH
Antworten mit Zitat

Hallo Pickman,

Danke Dir! Dann lasst es Euch mal schmecken. Smile) Ja absolut! Orthographisch und stilistisch ist der Text sicherlich eine Zumutung.
Ich freue mich, wenn er überhaupt er erst einmal Anklang finden könnte.
Mir geht es primär erst einmal um die Handlungslogik. Holger kommt ins Leinetal und sieht, wie ein Rinderknecht und sein Sohn mit Wölfen kämpfen. Sie verlieren ein Kalb. Dann lässt er sich ins Dorf der Hirschleute begleiten, um dort mit Reik Arne Geschäfte zu machen.
Na ja, ist halt keine Glanzleistung.

Ja, ich könnte nach weiterer Bearbeitung Textpassagen auch im Bereich Prosa / Feedback vorstellen.

Grüße


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