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Richard
Schneckenpost
Alter: 22 Beiträge: 12 Wohnort: München
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Verfasst am: 30.06.2020 11:17 Titel: Der Sessel
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Der Sessel
Ich sitze in einem weichen Sessel
in dem ich langsam versinke
es tanzen Schatten an der Wand
von der Hängelampe,
die kaum merklich schwingt
hin und her
strecken sich die Schatten an der Wand
greifen nacheinander
mit schlierenden Klauen
erwachen sie immer wilder
während ich langsam versinke
schlägt die Lampe aus
flackert an den Wendepunkten
Klick - summt sie
Klack - schreien die Schatten
Tack - Ein Seufzen
und das Licht ist aus
knallt die Dunkelheit stechend in meine Augen
aber die Schatten bewegen sich weiter
säuseln stumm und wild über die Wände
als wollen sie daraus hervorspringen
mein Kopf wird starr gehalten
nach vorne gerichtet
befiehlt der Sessel meinen Blick
ich schiele zur Seite
mit aufgerissenen Augen
sehe ich die Schatten eilen
Warum helfen sie nicht, mich zu befreien?
ich ziehe an meinem Arm
er klebt an der Lehne
ich zerre und reiße den Mund auf
um zu schreien
Da schimmert plötzlich ein grünes Licht auf
aus dem Dunkel vor der Glastür
streicht es zwischen den wiegenden Sträuchern
auf mich zu
trennt sich zu zwei Punkten
ein Augenpaar
lugt mich an, neugierig
warm streichelt sein Blick meine Seele
hebt es mich sanft
der Leim des Sessels wird flüssig
fließt an mir herab
als wäre das intensive Grün gekommen
Mich zu beschützen
gutmütig mir verbunden
aufmerksam erwartungsvoll
entspannt die Wärme meinen kalten Körper
und ein leises Lächeln streicht über meine Lippen
ein unbeschwertes Lachen dringt durch den Raum
voll milder Freude
Bis die Augen blinzeln und sich ein großer Schatten
hinabwirft
wie ein großes Leichentuch
Nun flirrt das Grün jedoch wieder
strahlt mich unendlich treu an
als wolle es mich für immer wärmen
Doch plötzlich
Klick - summen die Augen und wenden sich ab
Klack - Schreien die Schatten
Tack - ein Seufzen
aus meinem Mund
falle ich in die Tiefen des Sessels
die wandelnde Wärme weicht fließender Kälte
wie im Sprung
stürze ich ohne jeglichen Halt
durch den leeren riesigen Raum
während der Schacht über mir sich verengt
alles Licht verschluckt
"Schlurf"
mampft der Sessel zufrieden
meine Augen trüben sich dunkel aus
fallen nach innen
und der graue Schleim
quillt in die Höhlen hinein.
Weitere Werke von Richard:
_________________ Firma valent per se. / Starkes gedeiht von selbst. - Ovid |
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Justadreamer
Leseratte
Alter: 24 Beiträge: 199 Wohnort: Bayern
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Verfasst am: 02.07.2020 11:31 Titel:
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Hallo Richard,
danke für deinen Einstand!
Ich finde, du kannst sehr gut mit Bildern umgehen, weshalb das Gedicht für mich gut funktioniert.
Die Idee ist ebenfalls gut.
Am Schluss hatte ich eher grünen Schleim erwartet - ist das Absicht?
Besonders positiv sind mir die Elemente der Wiederholung bzw. des Wiederaufgreifens aufgefallen.
Symbolisch ausdeuten möchte ich an dieser Stelle nicht viel - ich hatte folgenden Eindruck. Das LI ist einsam (allein im Sessel, daheim), die Augen und der Schleim sind einerseits die positiven und negativen Konsequenzen des Alleinseins. Zuerst denkt man, Einsamkeit ist gut, doch später vertilgt sie das LI *mampf*
Weiter so!
LG
Justasdreamer
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Richard
Schneckenpost
Alter: 22 Beiträge: 12 Wohnort: München
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Verfasst am: 02.07.2020 16:40 Titel:
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Hallo Justadreamer,
vielen Dank für deinen Kommentar, er hat mich sehr gefreut.
Die Einsamkeit ist für mich zu hundert Prozent das zentrale Thema, freut mich, dass das anscheinend auch genau so rüber kommt.
Dass sie das LI am Ende vertilgt, kann man auf jeden Fall so sehen, das war schon ungefähr so gemeint, ja.
Es ist schön, dass die Bilder, die ich benutze, ihre Wirkung entfalten, darum geht es mir. An versteckten Hinweisen, die zur Deutung beitragen, mangelt es auf der anderen Seite dafür etwas, denke ich, genauso wie an der Form. Aber ich schreibe nur, worauf ich Lust habe und wenn ich in der richtigen Stimmung bin.
Genau, es gibt positive Seiten des Alleinseins bzw. der Einsamkeit, so sitzt das LI z.B. in einem Sessel, der "weich" ist. Allerdings steht es nicht auf, solange es noch geht. Nach und nach wird der Sessel immer weicher und klebriger, bis das LI von ihm verschluckt wird.
Grün ist die seltenste Augenfarbe bei Menschen und für viele auch die Farbe der Hoffnung, insofern etwas positives, für mich aber eher kein Aspekt der Einsamkeit. Daneben ist das Grün neben der Lampe das einzige, was leuchtet.
Dass etwas Gutes, also ein grüner Schleim in die Augenhöhlen quellen könnte, ist eine sehr interessante Idee.
Vielleicht kannst du den Gedanken dahinter noch etwas genauer erklären?
Natürlich kann jeder aus dem Gedicht mitnehmen, was er möchte, es geht sowieso hauptsächlich um intensive pure Gefühle gespickt mit ein paar Andeutungen, nicht viel mehr, nicht viel weniger.
LG Richard
_________________ Firma valent per se. / Starkes gedeiht von selbst. - Ovid |
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Justadreamer
Leseratte
Alter: 24 Beiträge: 199 Wohnort: Bayern
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Verfasst am: 02.07.2020 20:56 Titel:
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Hi,
für mich war bis dato die Farbe grün die einzige, die in dem Text vorkommt. Das Grün und die Hoffnung verbinde ich bei Augen (da nur bei Menschenaugen, am Tag^^) und Schleim nicht unbedingt. Das liegt an der Bildlichkeit.
Stelle dir z.B eine rote Rose und eine Abmahnung auf rotem Papier von deinem Chef vor. Die rote Abmahnung ist wohl keine Liebeserklärung - deswegen wäre grüner Schleim hier für mich eine Manifestation etwas Ekligem. Grüne Augen waren für mich leuchtende Katzenaugen, lauernd, fremd, tierisch.
Grün für den Schleim wäre für mich emotional stärker konnotiert als grau. Wenn du den Schleim grau machen willst, würde ich empfehlen, die Farbe nicht am Schluss zum ersten Mal zu erwähnen bzw. überhaupt zu erwähnen Das kann dann der Leser entscheiden.
Ich finde es auch spannend, einfach nur über Texte nachzudenken, ohne unbedingt ein formschönes Meisterwerk zu zaubern - das ist ja nicht verboten
LG
Justadreamer
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