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im Selbst_Gespräch


 
 
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Autor Nachricht
mathilde glaeser
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 39
Beiträge: 16
Wohnort: Potsdam


M
Beitrag30.01.2018 18:26
im Selbst_Gespräch
von mathilde glaeser
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

dies wird/ ist die Fortsetzung von "im Enstehen begriffem"


im Selbst_Gespräch

 

Szene mit dem Kopf auf dem Kissen und dem Geist in den Wolken

Dunkelheit, Wärme, das wohlige Gefühl der Sicherheit augenblicklich durchbohrt, zerbröckelt verflogen durch einen Duft.

Nur den Bruchteil einer Sekunde braucht es, ihn zu wecken, angewidert zu sein, durchflutet zu werden von unangenehmen Erinnerungen.

Was ist es, das diesen speziellen Geruch so unerträglich macht, dass keine Brücke geschlagen wird zwischen Odeur und Mief, dass ihm nichts bleibt als aufzuspringen, das geliebte Nest zu verlassen und die Fenster zu zuschlagen?

…  oder eben selbst nach einer Zigarette zu greifen, um aus passiver Belästigung aktives Kurzweil zu machen?

Nicht mitten in der Nacht, nicht nach milden Träumen, nicht hinter verschlossenen Türen – sie würde es nicht gutheißen, dessen ist er sich sicher!

Wachliegend verliert er sich in einer Faszination für Wahrnehmungsunterschiede, die ausgelöst werden aufgrund unterschiedlicher sensorischer Wege in Verbindung mit Erfahrungswerten…

Acetylcholinrezeptoren lassen sich nur zu gerne besetzen, wie es ihm scheint, überdecken so jede Warnung der olfaktorischen Perzeption… doch niemals losgelöst von der bewussten Konsumierung; lediglich ein Toxikum.

Rücksinnen in Kindheitsmomente verbracht in seltsamer Erregung, ja auf der Suche nach diesem speziellen Aroma auf der Rückbank des Familienwagens. Stets vorgebeugt; so nah wie möglich hin zum Beifahrersitz, zur Mutter, welche rauchend und selbstvergessen den Blick nicht vom Tachometer nahm…

Wann geschah die Neubelegung dieses Geruchs? Wodurch kam die Abneigung, die Abwehr, der Fluchtinstinkt oder eben der persönliche Konsum als Gegenreaktion?

Überwältigende Müdigkeit zieht ihn tiefer in die Federn, weg von den Gedankenströmen, hin zu ihrem Parfüm, das ganz ohne sie noch auf dem Kissen liegt.

Ein eigener Wohlgeruch, schwerwiegend, wie der kalte Gestank einer Zigarette zur Nachtzeit. Gleichbedeutend stets fähig ihn aus seinen Träumen zu rütteln, ihn zu sich zu ziehen, ihn in Erinnerungen an bessere, verlorene Zeiten zu stoßen, ihn zurückzulassen in sonderbarer Wehmut… doch in Kontradiktion niemals abstoßend, abschreckend und keinesfalls in Zweifel an sonst klare Gewissheiten.

Doch geradeeben, in dieser Nacht, auf noch nicht absehbare Zeit bleibt er allein mit ihrem Duft… schlaflos, hellwach, gepeinigt von Monotonie, von Sehnsucht.

Nur er selbst und eine leere Betthälfte, die er nie zu stören wagt.

 

Szene mit dem Kinn unter der Decke und dem Ohr an der Wand

Er erwacht.

Er will dies nicht; er schreckte hoch.

Nicht die Nase verrät ihm diesmal den Grund des ungeplanten, unerwünschten Erwachens, sondern die Ohren.

Obgleich zugestopft, ein ständiges Lauschen, ein Wachen, ein Warten.

Das Bienenvolk in der Außenwand, die Mücke vom Vorabend, das Ticken der Wanduhr, die Bewegung des Nachbarn, der Verkehr vor dem Haus… nicht wirklich gehört, vielmehr erahnt. Eingebrannt in die Nerven, lebendig in seiner Vorstellung.

Erneut ein Krack, dann ein Rollen über Dielenfußboden; keine Einbildung angespannter Sinne, der Nachbar ist wach und ließ etwas fallen offenbar.

Er spitzt die Ohren… ein Klack Klack von Schuhen, ein Knarksen – Tür öffnet, ein Klappen – Tür schließt, ein Poltern im Treppenhaus, ein letztes Klappen… Ruhe.

Ein tiefer Atemzug, ein Umdrehen, ein Wieder-in-den-Traum-finden-wollen.

Denn im Traum kann er sich einbilden, er wäre nicht allein, er würde sie nicht vermissen, er hätte nicht zu viel Zeit und doch zu wenig irgendwie – er wäre kein Autor ohne Muse.

Das Kissen neben ihm noch immer kalt und voll von ihrem Duft; seine Liebe, seine Geliebte, seine Muse…

Den Nachtschweiß noch auf der Stirn, tropfend von der Nase, klebend am Rücken.

Nicht nur das T-Shirt mehr als feucht; ein Albtraum?

Nein.


Tag 1


Szene im Morgengrauen mit dem Blick zur Fensterscheibe

„Was machst du da?“ Ihr Schmunzeln ist hörbar.

„Warten.“, bricht seine Stimme nach kurzem Zögern hervor.

„Auf was wartest du?“  Ihr Kopfschütteln ist spürbar.

„Auf das Licht.“, betont er ungeduldig. Ihr langgezogenes Ausatmen lässt den Autor nachsetzen: „Sonnenlicht; ich will die Blumen am Fenster betrachten. Ich will sehen, wie der Sonnenschein durch die Scheibe fließt, wie er die Eisblumen durchdringt, zum Glänzen bringt… wie sie glitzern bevor sie vergehen. Ich möchte es genau beschreiben können, das Schauspiel in Worte kleiden, die Gefühle darlegen.“

„Die Gefühle?“ Ihr fragender Blick ist schneidend.

„Meine Gefühle.“, zischt er in den Raum.

Der Autor schaut sich nicht um, hält seinen Blick stur aufs Glas gerichtet. Er braucht sie nicht zu sehen, um ihr Stimme zu hören, ihr gespieltes  Schellten zu spüren, um das so geliebte Prickeln auf seiner Haut fühlen.

Er kennt all das so gut; ihren Atem, ihre Wärme, ihre sanfte Haut.

Er braucht sich nicht umzusehen… er weiß, dass sie nicht da ist; noch nicht wieder da ist.

Der Autor vermisst seine Muse, wie er noch nie etwas vermisst hat in seinem Leben. Er vermisst sie so sehr, dass er sich wünscht, er hätte sie nie getroffen… sich nie verliebt… sich nie auf die Gefühle – seine Gefühle – eingelassen. Fast wünscht er es; beinahe sehnt er sich zurück. Manchmal hätte er gern das Empfinden nie erlernt, nie verstanden, sich nie darin verloren…

Denn kann man Vermissen, was man nie kannte?

„Es ist noch zu zeitig, zu warm für Eisblumen.“, lacht sie mit seiner Stimme.

Den Blick senkend, dreht der Autor sich in den Raum… sucht er die Nähe seiner Liebe… badet er in Erinnerungen an sie… lässt sich durchströmen, wie die morgendlichen Sonnenstrahlen nun das Fenster.

Ein Erinnern an Vergangenes, an Vergänglichkeit, an Hoffnung zugleich; auf mehr…


Szene auf belaubten Wegen

Den letzten Schluck seines zweifach aufgebrühten Kaffees hinterschüttend, gönnt sich der Autor noch einen Blick auf den leeren – den verlassenen – Sofaplatz links von sich; atmet er nochmals ihren allmählich verblassenden Duft ein; führt sich zum unzähligen Male ihr Lächeln vor Augen.

Die Sonne steht nun hoch am wolkenverhangenen Himmel – müsste hoch stehen, laut der Wanduhr – und dem Autor ist nach Flucht. Flucht vor der Leere… der Stille… dem Warten. Er würde tätig werden!

Die müden Knochen erhebend – ein Stöhnen nicht unterdrücken könnend – in die viel getragenen, weil geliebten, Hosen steigend, das leicht zerschlissenene, aber sicher wärmende Hemd unter der schon gebraucht gekauften, dennoch neu wirkenden Jacke verhüllend, zieht es ihn nach draußen.

Er flieht in die kühle Herbstluft… in den Nieselregen… zu den mit Laub bedeckten Wegen.

Das Rascheln seiner Schritte übertönt vom Lärm des Verkehrs, unterdrückt von der Feuchte der Luft – ein schmatzendes Geräusch unter den Schuhen nur zu vermuten – kommt der Autor vor einem Laubhaufen zum stehen, kniet sich ächzend nieder und betrachtet den Blätterberg vor sich. Nicht der Anmut, nicht die Farbenpracht eines goldenen Herbstes – kein Rot, weder in Kamin noch Wein, kein sattes Gelb, kein Ocker – braun, in hell und dunkel, ja grau sogar, bald vollständig vertrocknend auf nassem Boden, löchrig, mit schwarzen Flecken besprenkelt, angerissenen, zertreten; Spuren des Vergehens.

Ein Ahornblatt in Händen und vor Augen ertönt seine, von zu wenig Nutzung und zu kurzer Nacht, brüchige Stimme: „Noch bräunlich oder schon grau?“

„Wieso fragst du mich nach deiner Meinung?“, schmunzelt seine Muse hinter ihm.

„Du hast die angenehmere Stimme.“ Der Autor nun stehend, den Blick in ihre Richtung bringend, die Gestalt seiner Liebe, seiner Muse vor Augen – immer vor Augen – obgleich sie fehlt.

„Übersieh nicht das Grün.“, säuselt sie, wie Staub im Wind.

Die Stirn in Falten, eine Frage auf den Lippen, das Blatt schon vergessen – nicht vermissend – verlässt seinen Griff… segelt kaum… fällt gar, vom Regen schwer, zu Boden. Die erlebte Erinnerung schon verweht, noch bevor der Autor seine Sprache wiederfinden kann.

Ihm bleibt die dröhnende Straße in den Ohren… die Nässe auf der Haut… die Leere… das Schweigen… das Warten.

 

Szene im Abendrot mit Eichhörnchen

Ein Rascheln lässt ihn aufblicken; ein rotes Eichhörnchen sitzt nicht unweit im Gebüsch. Während sich ihre Blicke treffen, sinnt der Autor über die Seltenheit dieser possierlichen Tierchen nach und fühlt sich geehrt es von so Nahem sehen zu können.

Das Eichhörnchen selbst, so scheint es, ist weniger beeindruckt von der Begegnung mit einem grimmig dreinblickenden Menschen, welcher mit hängenden Schultern und gebeugten Kreuz auf einer Parkbank hockt; blind für die Welt, die ihn sonst umgibt.

Der Autor verschenkt seine Aufmerksamkeit nicht mehr. Er fühlt sich blind für das Schauspiel der Natur, dessen er beiwohnt. Obwohl er diesem beiwohnt… sich bewusst hinein begeben hat.

Er sieht es nicht… das Fallen der bunten Blätter im sanften Wind, das Rot der Sonne bei klarem Himmel, die Früchte des Herbstes an Bäumen und auf Wegen. Hört nicht das Zwitschern der zurückgebliebenen Vögel, das Rauschen des nahen Bachlaufs, das Knacken von Ästen…

„Es tut mir leid.“, senkt sich die Stimme seiner Muse auf ihn nieder.

„Was tut dir leid?“

„Dass es da, wo du bist, so dunkel ist… kalt ist … laut ist… einsam ist. Dass du dir nicht mehr erlaubst, all das Schöne in der Welt, in deinem Leben zu sehen. Dass du das Gefühl hast, den Weg nicht mehr zu finden.“

Das Eichhörnchen, wohl zufrieden mit seiner Beute, ist von Dannen gezogen.

Der Autor hat es nicht gesehen.

„Ich fühle mich verloren.“

„Das bist du nicht!“, versichert ihre liebliche Stimme.

 

Tag 2


Szene unter dunklen Wolken

Dunkle Wolken, im Zug über blauem Himmel, werfen vereinzelt Tropfen auf ihn nieder.

In Gefahr ein Gewitter zu bezeugen?

Der Autor weiß es nicht, will sich dem Wetter nicht ergeben, ignoriert die Möglichkeit seine, nun endlich, beschrieben Heftseiten könnten aufweichen, könnten die so zaghaft verteilte Tinte verwischen… verschmieren… ins Unleserliche, ins Unwiderrufliche treiben.

Er bleibt sitzen.

Bleibt, wo er ist… wo er sich geborgen fühlt, wenn auch durch die Profanität Regen tragender Wolken bedroht.

Bleibt auf der Parkbank, umgeben von Baum und Strauch… von gelb – braun – grünen Tönen… von Vogelgezwitscher, Bach-Gerausche, Ast-Geknacke… von Wind und Sonne.

Er genießt die steife Brise und fühlt sich fast berauscht, nun da die Worte aus ihm fließen, so wie die Tropfen aus dunklen Wolken über ihm.


Tag 3


Szene im Zug auf dem Weg zurück nach Vorn

Die Ohren verstopft, sitzt er da.

Sitzt zusammengefaltet auf einem Fensterplatz.

Sitzt eingeengt im übervollen Wagon.

Sitzt vor den leeren Seiten seines Notizbuchs.

Im Kopf noch die letzte Nacht, die sich zog wie Hundert Tage. In Erinnerung – ganz klar, ganz deutlich, fast schillernd – die Fähigkeit zu Schreiben… die Kraft gewählte Gedankengänge in kunstvolle Bahnen zu lenken… die Mittel Worte zu Formen, zu Fügen, zu Halten… das Bedürfnis endlich wieder Autor sein zu wollen… der Wunsch den ausgesuchten Weg zu gehen… die Hoffnung… die Hoffnung… die Hoffnung… auf was nochmal?

Den Füllfederhalter im starren Griff bereit, so wie die unbeschriebenen Blätter im Schoß. Bereit die Gedankenstapel, die Gefühlswirren und Wortgedichte aufzunehmen; sie festzuhalten für die Ewigkeit. Nur, der Autor wagt es nicht dem Schreibgerät die Hand zu führen… bald schon zittern die verkrampften Finger… bald schon stößt er laut seinem Atem aus… bald schon flucht er deutlich hörbar durch verkniffene Lippen… bald schon spürt er die Blicke der anderen Fahrgäste.

Leicht peinlich berührt, packt er seine Utensilien zusammen, wendet sich zum Fenster, betrachtet den Fahrtweg, die Natur, sein Spiegelbild… das Gesicht eines Fremden.

Befremdlich die Züge, die alles Infragestellen… die sich zu wundern scheinen… die unberührt den Wundern gegenüber nur noch Zweifeln, nur noch sind. Die Stirn in Falten gezogen, mit sich fast berührenden Brauen, mit halb geschlossenen Augen, mit schmalen Lippen, die das Lächeln vergessen haben.

Denn in dieser Nacht wie vor Hundert Tagen blieb er erstmals für sich. Blieb er ohne Traum an sie… fand keine Spur von ihr… führte die Gespräche bloß noch mit sich selbst… konnte sich nicht vormachen, sie würde stets an seiner Seite sein – seine Geliebte, seine Liebe, seine Muse.

Unter dem bedrückenden Blick seines fremden Selbst rutscht er weiter in sich zusammen, macht sich kleiner, will versinken… sich verstecken… bis der Fahrgast zu seiner Rechten ihn unwirsch anstößt, ihn finster anblickt, ihn unfreiwillig rettet vor sich selbst.

Nein, er will nicht so sein, wie der Fremde, wollte es nie… ein Verschließen der Augen, ein weiterer tiefer Atemzug, ein Erinnern daran, weshalb er in den Zug gestiegen war… er wird sie wiederfinden – seine Muse, seine Geliebte, seine Liebe – und so auch sich selbst.




_________________
Mathilde

"Geschichten schreiben ist eine Art, sich das Vergangene vom Halse zu schaffen." (J. W. Goethe)

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