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Seraiya
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Beiträge: 924



Beitrag10.12.2016 23:40

von Seraiya
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sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Seraiya hat Folgendes geschrieben:
Deine Beweggründe kommen für mich in dem Text leider nicht raus

Müssen sie das? Sollte man erwarten, dass man auf den ersten 677 Wörtern gleich Figuren, Situationen und Beweggründe erkennen kann?

Nein, das meine ich auch nicht. Ich spreche die Dinge an, die Diana mir zuletzt zu den von mir angesprochenen Stellen erklärt hat. Mir wurde das, was sie in diesen Momenten aussagen wollte, durch das Geschriebene nicht deutlich.
Zum Beispiel, dass die Haare Merles Aussehen dominieren und sie deswegen das Adjektiv massig gewählt hat.
Oder dass die Beschreibungen dazu dienen, Merles Kleidung als abgetragen bzw. gerade noch so auszuhalten zu zeigen.
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Murmel
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Beitrag11.12.2016 00:07

von Murmel
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sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Seraiya hat Folgendes geschrieben:
Deine Beweggründe kommen für mich in dem Text leider nicht raus

Müssen sie das? Sollte man erwarten, dass man auf den ersten 677 Wörtern gleich Figuren, Situationen und Beweggründe erkennen kann? Oder umgekehrt gefragt, würde das nicht auf einen eher simple gestrickten Text hinauslaufen?   
Ohne d.franks Anfang damit verteidigen oder gar vergleichen zu wollen, aber versteht jemand ohne zusätzliche Kenntnisse den Anfang von W. Faulkners "Schall und Wahn" hier (die Übersetzung ist nicht gerade berückend)? Man muss weit lesen, um auch nur eine vage Idee zu bekommen, worum es geht (dass aus der Perspektive eines geistig Zurückgebliebenen, Benji, erzählt wird, dass Luster, ein Afroamerikaner, auf ihn aufpassen soll, dass Benji am Golfplatz steht, weil, wenn dort nach dem Caddie gerufen wird, es ihn an seine Schwester Caddy erinnert). Und das ist einer der hochgelobtesten Romane des 20. Jahrhunderts. Selbst in der Unterhaltungsliteratur ist es eigentlich doch eher selten, dass am Anfang den Lesern alles klar ist, besonders die zugrunde liegende Motivationen der Figuren oder gar des Autors / der Autorin. Das kennzeichnet im Allgemeinen die schwächeren Texte: der lange Infodump am Beginn. Gerade die beliebten Prologe, die ich persönlich ja eher unsäglich finde, sind doch dadurch charakterisiert, dass man sehr wenig versteht (und verstehen soll) von dem, was da wirklich vorgeht.


Das sind aber, mit Verlaub, wirklich zwei Paar Stiefel. Nicht simple (man bemerke das Germlish hier smile ). Faulkner macht durch Sprache schnell klar, dass der Erzähler einfachgestrickt ist, dass er draußen in der Nähe eines Golfplatzes ist und dass es eine Fahne gibt. Es entsteht sofort ein sprachliches und ein visuelles Bild.

Das war bei d.franks Anfang für mich nicht der Fall.

Nein, Motivationen und Konflikte müssen nicht aus den ersten 500 Wörtern klar werden, nach dem ersten Kapitel schon eher, zumindest sollte nach dem ersten Kapitel Interesse geweckt werden, durch was auch immer. Nur was das ist, das Interesse erzeugt, hängt sehr vom Leser ab. Der eine, wie du, sleepless und andere hier, finden etwas anderes interessant als der typische Schnulzenromanleser. Garantiert. Und warum auch nicht. Wer wäre ich denn, anderen vorzuschreiben, was sie für gut finden müssen?

Nur am Rande: Faulkner hat Hemingways erste literarische Gehversuche verrissen, und zwar gründlich. Hemingway war darüber auch nicht glücklich, aber er hat sich seinem scharfen Kritiker gestellt und von ihm gelernt, ohne dabei seinen eigenen, typischen Stil zu verlieren.


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d.frank
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D
Beitrag11.12.2016 15:21

von d.frank
Antworten mit Zitat

Vielen Dank dir "gold" für die aufmunternden Worte. Dass du dem Stil etwas abgewinnen kannst, liegt, denke ich, daran, dass ich in deinem Profil auch Bücher und Autoren gefunden habe, die bei mir ebenfalls im Regal stehen, Borchert zum Beispiel und den Distelfinken, den ich als eine gelungene Mischung aus Literatur und Unterhaltungsroman empfunden habe. Auch Tschick schafft das - sich einem breiten Publikum öffnen und dabei trotzdem dem Autor treu bleiben. Herrndorf ist ein Paradebeispiel für dieses Ungleichgewicht zwischen Unterhaltungsliteratur und schwer verdaulicher Kost. Erst mit Tschick kam für ihn der Erfolg.

Liest man seine anderen Romane (Sand, In Plüschgewittern) versteht man, was ich meine und wer "Arbeit und Struktur" noch nicht gelesen hat, sollte das unbedingt nachholen (allerdings nur, wenn er nicht unterhalten werden möchte, denn dieses Buch ist todtraurig und richtet den Blick auf einen klugen Mann, der hilflos dabei zusehen muss, wie ihm genau dieser Teil seiner Identität genommen wird, wie auch auf eine Gesellschaft, in der jeder vornehmlich mit sich selbst beschäftigt ist und zu einem Schicksal wie dem seinen vielleicht mitfühlend kurz den Kopf nickt, es dann aber auch schon wieder vergessen hat -kein Vorwurf, sondern ein Zeichen heutiger und vergangener Zeit)

Das Leben ist viel zerbrechlicher, als wir es wahrhaben wollen und womit wir es füllen, bleibt jedem selbst überlassen. Aber ich schweife ab.

Zu deinem Tipp, das Buch abzuändern, kann ich nur sagen, dass es dann nicht mehr für sich stehen würde. Über die Adjektive werde ich nachdenken.

Das Verständnis von Kunst hat in meinen Augen immer damit zu tun, sich auch darauf einzulassen (was will der Künstler uns damit sagen) und künstlerische Arbeit unterscheidet sich insofern vom reinen Handwerk, das sie eben nicht perfekt ist, sondern das Perfekte gewollt zerfasert, entfremdet und vorführt, man sie verschieden deuten und vielleicht nie abschließend ergründen kann.
Ich mache für mich keinesfalls den Anspruch professionellen Handwerks geltend. Ich verstecke mich lieber mal hinter einem Zitat Johann Nestroys:   "Kunst ist, wenn man's nicht kann, denn wenn man's kann, ists keine Kunst.‘‘  wink

Ich halte das Schreiben nach allgemeingültigen Vorgaben nicht für den Königsweg, denn dann würden nur noch immer gleiche, nach diesen Vorgaben gestrickte, Bücher entstehen: wenig Adjektive, keine schwachen Verben, kein Infinitiv, kein Infodump, lückenloser Plot, klare Bilder etc.

Ich plotte auch nicht, sondern lasse die Geschichte auf mich zukommen, weil diese Art des Schreibens für mich überhaupt den Reiz am Schreiben an sich ausmacht.  Das funktioniert nicht immer, war aber auch noch nie umsonst (jedenfalls nicht für mich).
Manchmal, wenn ich in einem Buch einen Satz finde, den ich mir an die Wand schreiben würde, kann ich nicht mal explizit erklären, warum das so ist. Es ist mehr ein Gefühl, als ein klarer Gedanke.

Was ich an diesem Thema aber noch interessanter finde, ist die Frage, welche Mechanismen wohl wirken, dass einem Künstler seine Kunst anerkannt oder abgesprochen wird, die hier, in dieser öffentlichen Internetdiskussion schon teilweise beantwortet wird...
Ist es die Liste seiner belegbaren Erfahrungen und Kenntnisse, mit denen er unmissverständlich als Kenner auftreten kann? Ist es die Fehlerlosigkeit seines Auftretens? Reicht es, mit ein paar lateinischen Wörtern zu jonglieren, um sich als Fachmann auszunehmen?
Ein gutes, modernes und sachdienliches Beispiel, wie künstlerische Arbeit die Geister scheiden kann, ist der Künstler Helge Schneider, den ich auch schon in einer PN erwähnt habe. Wer sieht denn darin Kunst und womit lässt sich sein Erfolg erklären?

Aber ich schweife schon wieder ab und rede ohne Punkt und Komma. wink
Vielleicht, weil ich mich gern reden höre? Tun das nicht alle, die schreiben?
Das wollte ich zur Diskussion noch beigetragen haben und bin gespannt, ob jemand darüber diskutieren möchte.

Grüße
diana
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nebenfluss
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Beitrag11.12.2016 15:50

von nebenfluss
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d.frank hat Folgendes geschrieben:

Was ich an diesem Thema aber noch interessanter finde, ist die Frage, welche Mechanismen wohl wirken, dass einem Künstler seine Kunst anerkannt oder abgesprochen wird, die hier, in dieser öffentlichen Internetdiskussion schon teilweise beantwortet wird...
Ist es die Liste seiner belegbaren Erfahrungen und Kenntnisse, mit denen er unmissverständlich als Kenner auftreten kann? Ist es die Fehlerlosigkeit seines Auftretens? Reicht es, mit ein paar lateinischen Wörtern zu jonglieren, um sich als Fachmann auszunehmen?
Ein gutes, modernes und sachdienliches Beispiel, wie künstlerische Arbeit die Geister scheiden kann, ist der Künstler Helge Schneider, den ich auch schon in einer PN erwähnt habe. Wer sieht denn darin Kunst und womit lässt sich sein Erfolg erklären?

Aber ich schweife schon wieder ab und rede ohne Punkt und Komma. wink
Vielleicht, weil ich mich gern reden höre? Tun das nicht alle, die schreiben?
Das wollte ich zur Diskussion noch beigetragen haben und bin gespannt, ob jemand darüber diskutieren möchte.


Diese Fragen mögen interessant sein, gehören aber nicht in diesem Faden.
Wenn du gerade nicht an konkreter Diskussion deines Textes interessiert bist: Vielleicht schaust du dich ein bisschen im Forum um?
Für Lese-Empfehlungen (-->Herrndorf) gibt es z. B. den Faden "Ich lese momentan" oder auch die Rubrik "Schönes bleibt!"
Auch über Diskussionen über die Abgrenzung von U und E, die "Allgemeingültigkeit" von Regeln und dem Kunstbegriff stolpert man früher oder später - im Zweifelsfall kann man in den entsprechenden Unterboards ein eigenes Thema dazu eröffnen.

LG


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gold
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Beitrag11.12.2016 19:14

von gold
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hallo diana,

wenn du willst, schreibe ich dir noch detailliert, was ich an deinem Text gut und was ich daran verbesserungswürdig finde. Komme leider im Moment nicht dazu.
Das kann also dauern.


Liebe Grüße
gold


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d.frank
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Beitrag29.12.2016 16:09
Outing!
von d.frank
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Liebe Alle hier,

nachdem ich nun tagelang meine Wunden geleckt und viel nachgedacht habe, möchte ich euren Hinweis, etwas an meinem Projekt zu tun, um es lesefreundlicher und hinsichtlich einer Veröffentlichung zu gestalten, annehmen. Ja, ich bin nun geläutert....
Und ich möchte dieses Buch in den Händen ausgewählter Leser sehen, noch immer nicht unbedingt in den Auslagen großer Buchmarktketten, aber doch wenigstens und vielleicht in irgendeiner Art Auslage überhaupt. wink
Zu diesem Zweck habe ich nun erneut daran gebastelt und stelle den Text in längerer Form ein weiteres Mal hier ein.
Ein Lektorat ist weiters nicht gewünscht (außer, ihr wollt mir Honig um´s Maul schmieren..wink..), aber gern ein kurzes Feedback und auf lange Sicht gern einen begeisterten Gönner, der sich der selbstlosen Aufgabe stellen möchte, gemeinsam an dem Buch zu arbeiten, ohne mich in meiner "Kunst" zu sehr verbiegen zu wollen.

Danke für´s Lesen und Bewerten

Grüße
diana


Ohne Titel

„Ein bisschen is´ es wie mit dem ersten Mal“, sagt Merle und lehnt sich zurück ins Gras. Ihre massigen, wirren Haare sind jetzt ein Teppich auf dem welken Grün der Rasenfläche und beschwören in Julia das Bild einer russischen Sonne herauf, wie sie gelb und gütig von einer Buchseite lächelt . Die Strahlen der Sonne neben ihr sind weder rot noch warm. Ein seelisch beschädigtes Kind hat sie in schmutzigem Schwarz gemalt, und schon schneidet Merles Stimme ins selten prächtige Bild, sie klingt kehlig und harsch: „Am Anfang ist es halt scheiße, aber dann gewöhnt man sich dran und irgendwann gehört das dann eben dazu, genauso wie die ganze andere Scheiße.“
Julia guckt nun von den Haaren hinunter zu Merles Achselhöhlen, wo sich fettige Fusseln von weißgrauer Haut abheben, zu den ausgefransten Enden der Shorts. Der Saum altem Taschentuch ähnlicher Innentaschen lugt dort hervor wie ein Pflaster. Sie guckt einer Ameise hinterher, die an Merles Wade entlang zur Kniekehle läuft, ohne dass es jemanden stören würde. Die Stadt ist seit Minuten still. Es scheint, als wollte auch sie nur noch Merle zuhören.
Die da redet, so viel und schon seit dem Vormittag , dass es Julia, die immer aufmerksam ist, schwer wird, ihr weiter zuzuhören.
Nach den letzten Tagen Einsamkeit setzt sich der Zuspruch wie Kopfschmerz in ihrer Stirn fest und sie muss sich abwenden, lieber dem vom Winter noch platten Gras zu, das unter ihnen zu ächzen scheint, weil der Frühling nicht nur die Ameisen hervorgelockt hat. Die Fröhlichkeit der anderen Parkbesucher erscheint Julia fremd, wie ein Lächeln, das sich ihr lange nicht aufgesetzt hat.
„Die, die mit dem Scheiß nicht klarkommen, meinen es sowieso nicht ernst“, sagt Merle und ist wie das Gras, richtet sich wieder auf, streckt die Beine und knallt vorne hektisch die Sohlen ihrer Chucks gegeneinander, dass es aussieht, als hätte sie keine Arme und wolle jemandem Beifall klatschen.
Auf den runden Muskeln ihrer Oberarme wirkt die Haut dunkler mit noch dunkleren, kleinen und großen Kratern, einige in der Mitte noch rot und frisch, andere in der Unterhaut wie ein Schmutzfleck unter gläserner Oberfläche. Julia fährt flüchtig über die rauen Knötchen auf ihrem linken Pulloverärmel. Merle zerreibt ein braunes Büschel Gras zwischen den Sohlen.
„Und was is` bei dir ab, Linda?“, fragt Merle dann, guckt dabei in den Himmel über ihnen, ein schieres, nichtssagendes Blau, eine Sonne, in die man nicht gucken kann. Und Merle senkt das Kinn wieder zum Ausschnitt, "Du redest nicht viel, was?“, und saugt mit sinnlich geschürzten Lippen den Rest aus der Bierflasche, die sie zusammen mit zwei 0,3 er Fanta aus dem Spätverkauf gestohlen hat, in dem Julia gestanden und ein Toastbrot in den Händen gewogen hatte. Nur um eine weiche Stelle zu finden, nur um sich über die Zeit zu retten.

Eine lärmende Truppe Schulkinder hatte den asiatischen Besitzer hinter dem Tresen um die Hälfte des dort aufgestellten Gummizeugs erleichtert. Sie waren nicht nennenswert älter als Julia gewesen und doch hatte sie einen unüberwindbaren Abstand zu ihnen bemerkt. Anders als der, der sich schon vorher zwischen sie und die Dinge geschoben hatte, auch anders als der, den die Frau Parschek heraufbeschwor, wie sie in den Umkleiden vor Julia gestanden und so wachsam auf die immer bekleideten Arme geschaut hatte, auf die Stelle, an der der Stoff noch dunkel war.
Die Menstruation hatte Julia erst letzte Woche gerettet -eine Lüge, die bei ihr noch größer wirkt, denn ihre Hüften sind auffallend schmal und fleischlos, mit einem undeutlichen Flaum von Haaren im Bereich der Scham, der Julia selbst noch nicht aufgefallen war- keine Kopfschmerzen, keine Zerrung. Nur die bedrohlich ambitionierte und neue Lehrerin mit diesen kleinen, scheinbar wissenden Augen und einem Satz auf den glitzernden Lippen, der Julia ein kurzes und schneidendes Gefühl der Angst schenkt, das sie in diesem Moment nicht einordnen kann. Sie hat dieser Frau ihren ganzen Namen sagen sollen. Und hat sich Linda genannt.

„Hallo? Noch anwesend?“ Eine nachlässig geballte Faust drückt gegen Julias Schulter und wirkt wie eine Stimmgabel. Alles in ihr fängt zu summen an, überraschend und schmerzlich, und dann voller klebriger Hingabe.
„Ich muss langsam los, hab noch ´ne Verabredung“, sagt Merle mit ihrer tröstlich gewordenen Stimme, und wie sie den Rucksack schultert, glaubt Julia, etwas darin vergessen zu haben.

Der Himmel ist wieder halb grau, als Merle endgültig abrückt. Verstohlen beobachtet Julia die bewegten und lauten Bilder auf dem Display in Merles Händen, wie Merle sie fortwicht und tippt und dabei jetzt aussieht wie die vielen Mädchen, denen Julia noch nie so nah gekommen war.
Unter dem graugelben Dach eines Imbisses bestellt Julia ein Bier und Cola, und Merle blickt von dem Handy auf, dem Schein hinterher, den die dickliche Verkäuferin erst nicht annehmen will, dann aber mühselig wechselt.
„Pass mal lieber ´n bisschen auf, wo du mit deiner Kohle herumwedelst“, sagt Merle dann, nach einem Moment Merle untypischer Stille und dabei trotzdem freier Hand. „Die kriegen dich sonst ganz schnell wieder ein. Was glaubst du denn, woher ich es wusste?“ Sie bleibt stehen und hat dann das Handy im Griff. Dieses Mal leuchtet es still und ganz in Julias Richtung und zeigt ein sehr altes Foto: die Haare darauf sauber gekämmt und durchscheinend blond an den Schläfen, ein fremdes Zahnspangenlächeln.
„Von mir aus kann ich dich auch weiter einfach Linda nennen, mir egal. Aber das hier hat sicher schon halb Deutschland gesehen.“
Julia begreift noch sehr langsam, sie starrt auf den trudelnden Schirm, den Merle dann wieder abdreht, um laut in die Luft zu lesen: „Julia Karma, vermisst seit dem 18.05.. Mummy und Daddy zahlen für jedwede Hinweise. “ Dann lässt sie das Handy sinken, sieht Julia offen an, als hätte es mit der digital hinterlegten Mischung aus Bild und Text einen merkbaren Schritt zum Verstehen gegeben.
„Ist mir ´n Wunder, wie du es bis hierher geschafft hast. Wahrscheinlich nur, weil du so verdammt unscheinbar rumschleichst. Du musst auch nicht mit mir reden, ok. Aber dann latsch´ auch nicht weiter hinter mir her und tu einen auf dick, das ist nämlich Zeitverschwendung“, sagt Merle und nimmt deutlich Haltung an. Sie hat sich zu Julia herumgedreht, sich rechts in den Weg gestellt und fordert nun offen Zoll, den Julia in ihrer Art nur sehr kurz und bedeckt begleichen kann. Aber es reicht, dass Merle schon einfällt, einen nächsten und langsamen Schritt setzt und erst nach Metern erneut die Stimme anhebt, um eine weitere und wieder zwanglose Feststellung vor sich her in den Weg zu schieben: „Jedenfalls ist das dein erstes Mal. Mal sehen, wie lange du aushältst. Bist sicher schon ein paar Tage hier und wahrscheinlich hast du schon ne ganze Weile nicht mehr richtig gepennt. Du siehst nämlich echt aus wie ´ne  gefrorene Leiche.“

Wie Merle es anspricht, hat Julia nicht nachgezählt. Sie ist scheinbar willkürlich nach den Buchstaben des Alphabetes gefahren. Vom Bahnhof Osterath zuerst mit dem Zug nach Münster, mit einem Bus zur alten Warte und von dort, weil sie durcheinander kam und sich nichts Anständiges finden wollte, nach Hannaschweg weiter. Es war eine gleichförmig andauernde Reise und die Gegend vor Julias Augen trist gewesen. Gebäude, Gedränge, immer gleiche Natur und ein weiter, farbloser Himmel, der ihr nur einen flüchtigen Blick abgerungen hatte. Das Staunen war langsam und eisern dem Wissen gewichen. Geburtstage und Jahreswechsel waren nur noch Kalendertage, die Julias Mutter, bemüht um Struktur, in rote, verzerrte Kreise setzte.
Julia weiß, dass auch Merle nicht staunt. Die Art, wie sie bockbeinig läuft und die Füße weit auseinandersetzt, lässt keine Zeit für die Dinge. Wenn sich eines von ihnen aufdrängt, ist Merle bereit, es anzubrüllen.
Wie der kleinere von Krügers Spitzen, der seinen Kopf durch das Maschennetz zwängt, steigt Merle über die ausgestreckten Beine Englisch sprechender Bartouristen. Hebt Mittelfinger und lärmt, wenn sie schafft, dabei eine Wade zu streifen, und nimmt im Vorbeigehen Becher von Tischen.
Vielleicht hätte Julia das Geld nicht gebraucht, wenn die Dinge für sie wie für Merle gewesen wären. Es war ihr sicherer erschienen, eine Fahrkarte vorweisen und sich versorgen zu können. Sie hatte wohl etwas hinterlassen wollen. Die Fassungslosigkeit im gesetzten Gesicht ist schon Hannaschweg wieder bitter geworden und Julia war einfach so in einen Zug nach Berlin gestiegen.
Ein überfüllter Bahnhof mit glänzenden Rolltreppen, und dann ein A wie Ahrensfelde über einem kahlen Betonsteg, auf dessen markierter Linie zwei hüfthohe Kinder turnten. Die Mutter zerrte zwei große, taschenartige Tüten in Richtung Treppenaufgang und Julia war dem Gespann gefolgt, in einen Tunnel, dessen Trostlosigkeit von den hohen Stimmen der Kinder und buntem Graffiti aufgehellt wurde. Sie hatte Mutter und Kindern nachgesehen, bis der kahle Flur einer Großstadtallee ihre Schicksale verschlucken wollte.
In Berlin Ahrensfelde hatte das nächtliche Blinken und Glitzern der Einkaufszentren gefehlt. Eine Kaugummi kauende Verkäuferin wechselte kommentarlos einen der 500 Euro Scheine, obwohl Julia immer blinzelt, dünn und scheu den Kopf reckt wie ein nachtaktives Tierchen, und damit jeden Verdacht auf sich lenkte.
Dem war eine erste Nacht gefolgt, die Julia ziellos herumgewandert war, umgeben von den schmutzigen Lichtpunkten blinder Straßenlaternen und hell erleuchteter Fenster, hinter denen der Rhythmus des Lebens keine Bedeutung hatte. Dann kamen Tage, an denen Julia für Wochen gegessen hatte, scharf gewürzte Wurstscheiben und breiig gefüllte Brottaschen, Berge von Eiscreme und Zucker. Nichts als Süßes, weiches und leeres Zeug, das man kaum kauen musste. Es hatte nur anfangs etwas ausgelöst, weil es wie eine schale Befreiung wirkte, und es füllte Julia so schwer und ganz, dass sie auf sonnenbeschienenen Parkbänken in einen unruhigen Schlaf finden konnte.
Wenn sie mich jetzt so sehen würden, hatte Julia gedacht und sich an einem Wachstuch gedeckten Tisch ein Stück in die Lehne fallen lassen, und wie sie dann geradewegs die Führung der Schienen lief, trommelte das eigentümliche Läuten der Berliner Tram, und Passanten blickten zu ihr auf, die Gesichter als hätten sie etwas rufen wollen.
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MosesBob
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Beitrag29.12.2016 16:40

von MosesBob
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Hallo!

Bitte nicht wundern: Ich habe die neue Version an den alten Thread gekoppelt und sie als neue Version gekennzeichnet. Pro Geschichte sehen wir immer nur einen Thread vor: *klick* (Nr. 3)

Viele Grüße,

Martin


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gold
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Beitrag29.12.2016 17:31

von gold
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Sorry diana,

die erste Version finde ich wesentlich besser. Ich musste bereits nach dem dritten Satz deiner aktuellen Version aussteigen.


Wie wäre es, für dein Projekt eine Ag zu gründen. Aufnehmen wuerde ich an deiner Stelle User, die gewillt sind, dich auf deinen unkonventionellen Schreibpfaden zu begleiten...

Liebe Grüße
gold


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d.frank
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D
Beitrag29.12.2016 18:06
Hallo gold :)
von d.frank
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Warum mögt ihr denn alle keine Adjektive? wink

Gemeinsame und öffentliche Arbeit an einem Text, den man eventuell noch vorlegen möchte?

Ist das nicht ein demütig angenommenes Armutszeugnis?

Gerade eben habe ich mich auch ein bisschen in die Formalitäten eingelesen und leider falle ich mit einer nicht erfüllten dreimonatigen Mitgliedschaft ja schon aus dem Schema...sad

Da hilft dann also nur abwarten und ins Zeug legen!
In der Textarbeit gibt es aber so viele, aktive und schnelle Schreiber, dass ich mir meinen Teil dazu, so er denn überhaupt als hilfreich anerkannt werden möchte, auch schon wieder sparen kann.

Per PN eine Bittstellung rausschicken? Da komme ich mir wie ein elender Schmarotzer vor, wo ich doch selbst mit jeder Minute Zeit geizig bin, und nebenbei bemerkt einen denkbar schlechten Einstand hatte...

Somit bin ich also schon fast wieder am Anfang und lege jetzt lieber mal die Wäsche zusammen wink
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MosesBob
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Beitrag29.12.2016 18:33
Re: Hallo gold :)
von MosesBob
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Gerade eben habe ich mich auch ein bisschen in die Formalitäten eingelesen und leider falle ich mit einer nicht erfüllten dreimonatigen Mitgliedschaft ja schon aus dem Schema...sad

… und ein paar Beiträge fehlen dazu auch noch auf deinem Konto. Möglicherweise ist das hier eine Alternative? Wobei ich grundsätzlich zu einer AG raten würde, schlichtweg aus dem Grund, weil es praktischer ist, alle Mitwirkenden in einem geschlossenen Bereich versammelt zu haben, und weil ich den Aspekt der dreimonatigen Mitgliedschaft nicht vernachlässigen würde. Ehe ich mein Geschreibsel jemandem anvertraue, wüsste ich schon gerne, was er/sie/es so treibt, wie er tickt und wie er seinen Kaffee am liebsten trinkt. Umgekehrt habe ich ein besseres Gefühl dabei, mit jemandem an seinem Text zu arbeiten, der schon eine Weile im Forum ist, was die Wahrscheinlichkeit, dass er demnächst die Flinte ins Korn wirft und stattdessen eine Karriere als Rockstar oder Ballerina anstrebt, minimiert.

Viele Grüße,

Martin


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Beitrag29.12.2016 18:39

von gold
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Ag- Arbeit vollzieht sich hinter geschlossenen Tueren. Sich Vorkommen wie ein Bittsteller -  dieses Gefühl kenne ich. Aber ich könnte mir vorstellen, dass du, wenn du auch Texte kommentierst, ein Gefühl dafür entwickeln wirst, wie hilfreich dieses Reflektieren und Kommentieren für deine eigene Schreibe sein kann.

Apropos Einstieg: So manch einer zeigt mal seine Krallen hier. Na und? Ich zumindest erlebe dieses Forum als ziemlich tolerant und nicht nachtragend.

Lg gold


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Beitrag29.12.2016 19:03

von d.frank
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Hallo Moses,

u
Zitat:
nd ein paar Beiträge fehlen dazu auch noch auf deinem Konto


Welche Art Beiträge meinst Du genau? Rezensionen, Diskussionsbeigaben oder Textarbeiten?

Die Alternative konfrontiert mich dann aber ja auch schon in der Einleitung damit, dass Möglichkeit 2 und 3 mir wegen des schon gewimmerten Violinenliedes verwehrt bleiben..wink

Und wenn dann meine Annonce dort steht und steht und steht....
Ich habe ein bisschen Angst, diese Unternehmung könnte mir mein letztes bisschen Überzeugung austreiben sad
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d.frank
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Beitrag29.12.2016 19:07
Entschuldigung!
von d.frank
Antworten mit Zitat

Hallo Martin!

Martin meinte ich!!

Meine Güte, ich bin wirklich ein langsamer Denker, Schreiber und ein beispielhaft trampeliger Trampel wink

Grüße
diana
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Mina Minus
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Beiträge: 173



M
Beitrag01.01.2017 22:28

von Mina Minus
Antworten mit Zitat

Hallo Diana,

ich habe gerade deine neue Version entdeckt und muss sagen, dass mir diese Variante viel besser gefällt.
Es wirkt immer noch sehr ausgeschmückt (mir fällt jetzt keine bessere Bezeichnung des Stils ein, soll aber keineswegs abwertend klingen) und trotzdem ist gerade der erste Teil auf der Wiese viel klarer formuliert. Und ich  empfinde  ihn jetzt auch als spannender.
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Selanna
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Beitrag02.01.2017 15:17

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Diana,

Dein anderer Text hat mir ja gut gefallen, dieser hier, von dem ich weiß, dass er Dir besonders am Herzen liegt, klingt für mich recht eigenwillig. Da Du geschrieben hattest, dass er für Dich perfekt ausgefeilt ist, wollte ich anfangs nicht meinen Senf dazu geben, denn ich hatte es als abgeschlossen und als Unikat für sich stehend aufgefasst. Nun gibt’s ja eine neue Version, die ich auf jeden Fall zugänglicher finde, und darum mach ich doch einmal die eine oder andere Anmerkung und versuche ganz bewusst, mich auf Deine Geschichte und Deinen Stil einzulassen Smile.

Das Thema kenne ich von Jugendromanen her, also für dieses Genre absolut legitim (als ich Teenager war, kam grad „Engel & Joe“ ins Kino Smile ). In „Erwachsenen“-Literatur kam mir das Thema jugendliche Obdachlose noch nicht unter, was aber nichts heißt und sicher auch kein Hinderungsgrund ist. Nur … ich versuche mich gerade an einer Geschichte, die auch für Erwachsene als Zielgruppe gedacht ist und trotzdem am Anfang ein Mädchen um die 15 als Hauptprotagonistin hat, und ich finde es sehr schwer, ihre Gedankengänge nicht im Stil von Jugendliteratur, sondern passend für einen zB 35jährige Leserin auszuformulieren. Damit meine ich, dass es generell schwer sein kann, die richtige Sprache zu finden.

Zu den Protagonisten: Merle als die abgebrühtere, reifere Freundin, die sich in dem Milieu auskennt, in dem sich Julia erst zurechtfinden muss, ist sicher keine schlechte Ausgangsbasis, so eine Konstellation hat sich bewährt, ist aber auch nichts völlig Neues. Dass Du das auf den ersten Seiten verrätst, ist sicher nicht zu viel, und mehr muss meiner Meinung nach auf den ersten Seiten auch nicht sein.

Zitat:
„Ein bisschen is´ es wie mit dem ersten Mal“, sagt Merle und lehnt sich zurück ins Gras. Ihre massigen, wirren Haare sind jetzt ein Teppich auf dem welken Grün der Rasenfläche und beschwören in Julia das Bild einer russischen Sonne herauf, wie sie gelb und gütig von einer Buchseite lächelt . Die Strahlen der Sonne neben ihr sind weder rot noch warm. Ein seelisch beschädigtes Kind hat sie in schmutzigem Schwarz gemalt, und schon schneidet Merles Stimme ins selten prächtige Bild, sie klingt kehlig und harsch: „Am Anfang ist es halt scheiße, aber dann gewöhnt man sich dran und irgendwann gehört das dann eben dazu, genauso wie die ganze andere Scheiße.“

Eine herrlich romantische Sicht auf Sex! Wink Denke ich mir zumindest an dieser Stelle.
Für mich war am Anfang klar, dass es bei zwei Teenagern, die über „das erste Mal“ reden, um Sex ging; falsch gedacht Wink. Danach baust Du ein Bild auf, das sich der Leser vor Augen führen kann, dass Du dann in mehreren Schritten wieder zerstörst. Dabei entsteht gleich im ersten Absatz ein krasser Gegensatz zwischen poetischer Erzählsprache und derber wörtlicher Rede. Das ist nicht schlecht, aber schon nicht mehr so eindeutig Jugendroman …

Zitat:
Julia guckt nun von den Haaren hinunter zu Merles Achselhöhlen, wo sich fettige Fusseln von weißgrauer Haut abheben, zu den ausgefransten Enden der Shorts. Der Saum altem Taschentuch ähnlicher Innentaschen lugt dort hervor wie ein Pflaster. Sie guckt einer Ameise hinterher, die an Merles Wade entlang zur Kniekehle läuft, ohne dass es jemanden stören würde. Die Stadt ist seit Minuten still. Es scheint, als wollte auch sie nur noch Merle zuhören.
Die da redet, so viel und schon seit dem Vormittag , dass es Julia, die immer aufmerksam ist, schwer wird, ihr weiter zuzuhören.

Mit den Bildern hier hatte ich beim ersten Lesen schon meine Probleme, ich musste den Absatz noch einmal lesen, aber dann habe ich es schon kapiert. Unter fettigen Fusseln stelle ich mir Fusseln vor, die lange an ungepflegter, fettig pubertärer Haut geklebt haben. Auch alles andere kann ich mir bildlich vorstellen. Das „jemanden“ stört mich wirklich, das ist zu allgemein, als würde es mehr Leute als nur Merle und Julia betreffen. Das auch schon einmal angemerkt worden, glaube ich. Und das „Die da redet … schwer wird …“ ist wirklich sperrig zu lesen, was ja nicht verboten ist, aber was den Text für mich noch weiter vom Jugendbuchstil entfernt.

Zitat:
Nach den letzten Tagen Einsamkeit setzt sich der Zuspruch wie Kopfschmerz in ihrer Stirn fest und sie muss sich abwenden,

Diesen Satzteil finde ich unglaublich traurig. Wenn sich Zuspruch schmerzhaft anfühlt … Sad und man ihn nicht mit Augenkontakt erträgt Sad( wenn das gewollt ist, und das nehme ich an, ist es ein starker, deprimierender Satz
Zitat:
wie ein Lächeln, das sich ihr lange nicht aufgesetzt hat.

Auch das finde ich sehr extrem. Es wirkt, als wäre ein Lächeln etwas, das sich nicht vom Gefühl getragen auf dem Gesicht ausbreitet, oder das man wenigstens selbst für die Außenwelt aufsetzt, sondern etwas, das man passiv empfängt. Ich bin mir sicher, dass es etliche 15jährige gibt, die das verstehen, aber sicher nicht die Mehrheit.
 
Zitat:
sagt Merle und ist wie das Gras, richtet sich wieder auf,

Ich weiß, was Du damit ausdrücken willst. Merle ist quasi generell nicht unterzukriegen, ein Stehaufmännchen, und speziell hier richtet sie sich schlicht in eine sitzende Position auf - trotzdem finde ich den Vergleich nicht eingängig, nicht naheliegend, nicht von der Flora auf den Menschen übertragbar. Aber vllt bleibt auch gerade so ein Vergleich im Lesergedächtnis hängen …
Zitat:
streckt die Beine und knallt vorne hektisch die Sohlen ihrer Chucks gegeneinander, dass es aussieht, als hätte sie keine Arme und wolle jemandem Beifall klatschen.

Wie gesagt, kann ich mir alles vorstellen. Aber gefällt mir nicht. Würde ich in einem Buch beim Lesen komisch finden. Ich würde von der Seite aufsehen, die Stirn runzeln und den Kopf schütteln. Aber das bin nur ich.

Zitat:
Auf den runden Muskeln

ginge auch „gerundet“? „Geschmeidig“?
Zitat:
wirkt die Haut dunkler mit noch dunkleren, kleinen und großen Kratern, einige in der Mitte noch rot und frisch, andere in der Unterhaut wie ein Schmutzfleck unter gläserner Oberfläche.

Perfekt beschrieben. Aber wieder ein ziemlich krasses Bild. Du rückst die Akne damit ganz schön in den Mittelpunkt und das Bild schiebt sich für die Protagonistin sehr dominant ins Auge. Ich würde das vllt eher später im Text verwenden, wenn man schon ein allgemeines Bild von der Prota hat. Übrigens, weil gleich danach Julia kommt, dachte ich eine Weile, Julia hätte die Akne. Vllt wäre da ein Absatz gut.
Zitat:
ein Toastbrot in den Händen gewogen hatte

Das stach für mich auch aus dem Text heraus, aber nicht negativ.
Zitat:
Nur um eine weiche Stelle zu finden, nur um sich über die Zeit zu retten.

Da dachte ich im ersten Moment, eine weiche Stelle in der Toastbrotpackung? Da ist doch alles weich. Aber dann verstand ich, dass die Toastbrotpackung als Ganzes in der rauen Welt die weiche Stelle sein soll? Wie Du siehst, Dein Text brauchte bei mir mehr Durchgänge Smile

Zitat:
Eine lärmende Truppe Schulkinder

Wenn Du Jugendliche im Alter Julias oder sogar älter vor Augen hast, ist das mE das falsche Wort. Bei „Schulkindern“ denke ich an Kinder bis ca. 11 Jahre.
Zitat:
so wachsam auf die immer bekleideten Arme geschaut hatte, auf die Stelle, an der der Stoff noch dunkel war.

Das könntest Du für Leser wie mich noch etwas präzisieren. Jetzt denke ich mir: Wenn Julia immer bedeckte Arme hat, ist vllt doch sie und nicht Merle diejenige, die so stark Akne hat? Aber die runden Oberarmmuskeln hatte doch Merle? Und ich frage mich: es gibt eine Stelle, an der der Stoff dunkler ist. Warum? Wohl wegen Nässe. Ist sie also vllt Ritzerin und da sind Blutreste? Weil Akne kann doch nicht so nässen oder eitern, dass sie Pulloverärmel durchnässt? - Verstehst Du mein Problem?

Zitat:
Die Menstruation hatte Julia erst letzte Woche gerettet

Der Witz ist, im ersten Moment dachte ich: ach, Menstruation, Blut … Moment, nein, es ging um den Ärmel. Nicht um die Hose … entweder Du klärst das Ärmeldunkelsein oder stellst die Menstruation nicht direkt danach in den Raum. Das verwirrt - zumindest mich.
Zitat:
keine Kopfschmerzen, keine Zerrungen

Leider verstehe ich auch hier den Bezug nicht. Die Rede ist von Schamhaaren, die gerade zu wachsen anfangen. Dann Kopfschmerzen und Zerrungen. Ich denke mir, dass der Bezug für Zerrungen nicht die die Schamhaare sein können. Also wohl die Menstruation. Oder der Sportunterricht, dem sie mit einer ausgedachten Zerrung entkommen wollte? Ich komm wieder nicht mit Sad
Zitat:
einem Satz auf den glitzernden Lippen, der Julia ein kurzes und schneidendes Gefühl der Angst schenkt, das sie in diesem Moment nicht einordnen kann. Sie hat dieser Frau ihren ganzen Namen sagen sollen. Und hat sich Linda genannt.

Ist für mich auch ein wenig kryptisch, stört mich aber nicht, weil ich denke, das könnte sich noch aufklären. Ich vermute, es ist entweder die Angst, das „noch-keine-Menstruation-haben“ könnte von der Lehrerin publik gemacht werden, oder Julia könnte sonst irgendwie auffliegen.

Zitat:
Eine nachlässig geballte Faust drückt gegen Julias Schulter und wirkt wie eine Stimmgabel. Alles in ihr fängt zu summen an, überraschend und schmerzlich, und dann voller klebriger Hingabe.

Das Stimmgabel-Phänomen finde ich auch seltsam. Ich weiß nicht, ob das Bild wirklich trifft, für mich eher nicht. Aber ich schätze, Du willst ganz neue, ganz unverbrauchte Bilder finden und vllt gewöhnt man sich im Laufe des Textes daran, dass man ein ungewöhnliches Bild nach dem anderen verdauen muss.

Zitat:
fortwicht

s vergessen
Zitat:
und dabei jetzt aussieht wie die vielen Mädchen, denen Julia noch nie so nah gekommen war.

Das wundert mich. Kommt Julia aus sehr armen Verhältnissen? Man sieht doch überall Mädchen, die auf ihr Smartphone eintippen?
 
Zitat:
Unter dem graugelben Dach eines Imbisses bestellt Julia ein Bier und Cola,

Ich habe irgendwie das gemeinsame Weggehen vom Park nicht ganz mitbekommen. Das ist wahrscheinlich auch gewollt?
Zitat:
nach einem Moment Merle untypischer Stille und dabei trotzdem freier Hand.

Warum die freie Hand? Das heißt, sie schweigt, aber spricht quasi über Whatsapp trotzdem? Oder frei im Sinne von: sie hat das Handy weggelegt?
Zitat:
„Die kriegen dich sonst ganz schnell wieder ein.

Vorsichtige Anfrage: Ist das ein Logikfehler? Man zahlt doch gerade dann mit Bargeld, wenn man untergetaucht ist. Kartenzahlung wäre doch gefährlich. Und ein Mädchen, das Geld genug für zwei Getränke hat, ist doch für Imbissverkäufer nicht verdächtig, oder?

Zitat:
Sie hat sich zu Julia herumgedreht, sich rechts in den Weg gestellt und fordert nun offen Zoll, den Julia in ihrer Art nur sehr kurz und bedeckt begleichen kann. Aber es reicht, dass Merle schon einfällt, einen nächsten und langsamen Schritt setzt

Wie genau die Zollforderung aussieht, kann ich mir nicht exakt vorstellen. Ich nehme an, es ist eine Art Blick- und Positur-Duell? Was unter „einfallen“ hier gemeint sein könnte, weiß ich auch nicht sicher, vielleicht ein Schulterhängenlassen und somit ein Abbruch des in-Pose-Werfens?
Zitat:
„Jedenfalls ist das dein erstes Mal. Mal sehen, wie lange du aushältst.

Okay, es ging nie um Sex, sondern ums Auf-der-Straße-leben. Jetzt hab ichs kapiert, ich denke, das war auch intendiert.

Zitat:
Wie Merle es anspricht, hat Julia nicht nachgezählt.

Du formulierst einiges kompliziert und manchmal schaffst Du damit sehr komprimierte Aussagen. Hier finde ich das „Wie Merle es anspricht, …“ eher umständlich. Reicht hier nicht ein „Tatsächlich hat Julia nicht nachgezählt“?
Zitat:
Sie ist scheinbar willkürlich nach den Buchstaben des Alphabetes gefahren.

„Alphabet“ fällt und ich lese ganz konditioniert Anfangsbuchstaben wie O - M- W - H. Ich blicke auf und denke mir: Hä? Wo ist das denn alphabetisch?
Zitat:
Es war eine gleichförmig andauernde Reise und die Gegend vor Julias Augen trist gewesen.

Sicher, dass man hier das Prädikat nicht doch wiederholen muss? Irgendwas fehlt in der zweiten Satzhälfte
Zitat:
Die Art, wie sie bockbeinig läuft und die Füße weit auseinandersetzt, lässt keine Zeit für die Dinge.

Bei „bockbeinig“ verschiebt sich mein Bild von Merle, die gerade noch erotisch die Lippen beim Trinken schürzte. Geht das für Dich in die richtige Richtung?
Zitat:
steigt Merle über die ausgestreckten Beine Englisch sprechender Bartouristen

Wie sitzen die denn? Sie sind doch noch an der Straße, oder? Nicht in einer Bar. Wie sitzen englische Bartouristen an der Straße, dass Straßenkinder über ihre Beine steigen müssen? Kann ich mir nicht vorstellen
Zitat:
und lärmt, wenn sie schafft, dabei eine Wade zu streifen,

…ES schafft…?
Zitat:
Sie hatte wohl etwas hinterlassen wollen. Die Fassungslosigkeit im gesetzten Gesicht ist schon Hannaschweg wieder bitter geworden

Versteh ich nicht. Wollte sie eine Fahrkarte hinterlassen? Oder ist die Rede von etwas ganz anderem? Und Hannaschweg wirkt hier so, als wäre es eine Person. Aber es ist ein Ort, oder? Ich verstehe es leider nicht.

Zitat:
Ein überfüllter Bahnhof mit glänzenden Rolltreppen…

In diesem Absatz steht zweimal „kahl“, ich bin mir sicher, das gefällt Dir nicht Wink

Ob die Kommentare von mir helfen können, weiß ich nicht. Es sind ja diesmal weniger Verbesserungsvorschläge, eher ganz einfach eine Lesersicht. Aber ich hoffe, es ist wenigstens interessant für Dich Smile

Liebe Grüße
Selanna


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Beitrag02.01.2017 18:56
Hallo Mina,
von d.frank
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vielen Dank, dass du dich noch ein weiteres Mal mit diesem sperrigen Text beschäftigt hast, der auch in der Fortsetzung leider nicht viel von seiner Sperrigkeit verloren hat. Das ist mit diesem Projekt einfach mein Stil, den ich selbst nicht einmal einordnen kann..wink
Vielleicht melodiös? Keine Ahnung! sad

Die vielen Anmerkungen haben meine Sicht auf dieses Projekt zwar nicht grundlegend gedreht (deshalb hat sich an den Adjektiven und der Sperrigkeit nicht so sehr viel und nicht unbedingt in der Art, wie vielleicht gewünscht, etwas getan), aber ich habe der künstlerischen Freiheit in der zweiten Version doch Einhalt geboten und bin, so hoffe ich doch, auf die Leser zugegangen.

Denkst du, dieser Text hätte in der zweiten Version eine Chance und könnte den einen oder anderen Leser vielleicht doch noch neugierig machen?

Zitat:
Und ich  empfinde  ihn jetzt auch als spannender.


Ich wundere mich über die Leerstellen in deinem Satz. Question

Viele Grüße und dickes Danke
diana
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Selanna
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Beitrag02.01.2017 23:24

von Selanna
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Hallo Diana,

als sperrig würde ich den Text als Ganzes nicht bezeichnen. Ungewöhnlich trifft's eher.
Ich störe mich nicht allzu sehr an Adjektiven und ich finde absolut, dass der Text in der zweiten Version zugänglicher geworden ist. Meine Anmerkungen sollten Deine Ansicht auch nicht drehen, sondern Dir nur zeigen, wie der Text bei mir ankam Wink

Der Satz mit den Leerstellen ist von Mina Minus ... Wink

Ich denke, der Text ist vom Schreibstil her nicht unbedingt für jugendliche Leser ideal, aber ich denke schon, dass es Leser geben wird, die sich dafür interessieren. Es ist ja kein schlechter Text, eben "nur" ein eigenwilliger Smile  Ich zB hatte schon immer Probleme mit Berlin Alexanderplatz, den Stil finde ich so anstrengend, dass ich das Buch noch in keinem der vielen Anläufe fertig las. Aber trotzdem gilt er ja großes Werk hmm  also, Chancen hast Du damit sicher. Du hast ja gesehen, dass einigen sogar die Ur-Version besser gefiel (aber wie ich schon schrieb, ich finde die zweite Version wesentlich verständlicher).

Liebe Grüße
Selanna


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Beitrag02.01.2017 23:30

von d.frank
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Hallo Selanna smile

Die Antwort ging auch an Mina. wink
Ich schreibe gerade, und wie es meine Zeit zulässt, an einem Danke und einer Erläuterung der Fragen deines ausführlichen Feedbacks, über das ich mich sehr gefreut habe.

Kommt noch, dauert nur..wink
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Beitrag03.01.2017 00:37

von d.frank
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Also nochmal wink
Hallo Selanna

Und ob deine Kommentare mich interessieren und mir helfen, die Sicht eines Lesers auf meine, teilweise kryptischen "Gedankengänge" zu beziehen und dem Text zukünftig somit zu besserer Verständlichkeit zu verhelfen! Weil mir bewusst ist, dass die Sprache an vielen Stellen nicht eindeutig ist, helfen mir Eindrücke eher, als spezifische Kommentare zum Handwerk.
Für mich hat der Stil ein wenig von einer Art musikalischem Fluss. Ich wollte nicht nur  Handlung und Gefühl transportieren, sondern auch Melodie. Teilweise bin ich damit über mein eigenes Ziel hinausgeschossen und hatte am Ende beinahe ein 300 Normseiten langes Gedicht vor mir liegen. wink
Und das, obwohl ich Lyrik (wie die Landschaftsbeschreibungen) nur in den seltensten Fällen mag. lol2
Vielleicht ist das ja auch das vordergründige Problem dieses Textes. Ein Schuster sollte eben bei seinen Leisten bleiben. wink
Dass die Sprache nicht mit dem Inhalt harmoniert,  ist ein großes Problem und, gehe ich davon aus, dass die Absagebegründung der Agentin nicht nur Höflichkeitsfloskel war, hoffentlich Hauptgrund dafür,  dass ich das Stück nicht unterkriege. Wer weiß, vielleicht habe ich der Dame auch nur leidgetan...
 Die Konstellation aus Merle und Julia bietet im Verlauf des Buches nicht nur handwerkliche Funktionalität, sondern auch einige tiefere Gedanken zur Gegenüberstellung von "Lebenseinstellungen"..wink

Nun aber zu deinen Eindrücken:

Zitat:
Unter fettigen Fusseln stelle ich mir Fusseln vor, die lange an ungepflegter, fettig pubertärer Haut geklebt haben.

Ja! Kennst du diese Fusseln, die sich unter der Achsel bilden, wenn schon brüchiger Stoff dort an schweißiger Haut reibt? Wahrscheinlich nicht...und wahrscheinlich ist das auch gut so. wink lol2

Zitat:
Das „jemanden“ stört mich wirklich, das ist zu allgemein, als würde es mehr Leute als nur Merle und Julia betreffen.

Ja, das wurde schon angemahnt. Und ich verstehe auch warum. Es ist zu nebulös. Meine Intention dabei war, den Blick, den Julia auf Merle hat, wieder zu lösen und auf die gesichtslose Masse zu richten. Dazu muss man den Satz aber in Bezug auf den folgenden lesen: "Die Stadt ist seit Minuten still. Es scheint, als wollte auch sie nur noch Merle zuhören", und wissen, dass Julia schon tagelang unter Menschen ist und deren Nähe auch sucht, ohne dabei jedoch einen von ihnen (keinen, bis auf an diesem Punkt Merle) aus dem unpersönlichen "Jemand" heraus- und an sich heran zu lassen.  Gleichzeitig bezieht sich das Jemand nicht nur auf Merle, die hier kurz wieder ein "Jemand" ist, sondern auch auf Merles Bezug zu sich selbst. Denn sie bemerkt die Ameise nicht, hat also einen ähnlich gelagertes "Selbstbewusstsein" wie Julia.
Woah....was ein Bla, bla.....da muss ich wohl wirklich noch was dran machen..wink

Zitat:
streckt die Beine und knallt vorne hektisch die Sohlen ihrer Chucks gegeneinander, dass es aussieht, als hätte sie keine Arme und wolle jemandem Beifall klatschen.

Wie gesagt, kann ich mir alles vorstellen. Aber gefällt mir nicht. Würde ich in einem Buch beim Lesen komisch finden. Ich würde von der Seite aufsehen, die Stirn runzeln und den Kopf schütteln. Aber das bin nur ich


Nein, das bist leider nicht nur du!
Ich möchte diesen Satz aber so stehen lassen, weil er für mich ein starkes Bild für Merles seelische Beschädigung ist, ein Mensch, der immer unruhig ist, immer auf Achse, nur, um der Stille zu entgehen und sich dann mit sich selbst beschäftigen zu müssen.

Zitat:
Auf den runden Muskeln

ginge auch „gerundet“? „Geschmeidig“?


Ich weiß nicht. Habe das Delta schon rausgenommen..
Merle ist kräftig. Ihre Muskeln sind sichtbar und definiert, irgendwie also nicht unbedingt geschmeidig....Auf den gerundeten Muskeln? Findest du wirklich, das klingt besser?

Zitat:
wirkt die Haut dunkler mit noch dunkleren, kleinen und großen Kratern, einige in der Mitte noch rot und frisch, andere in der Unterhaut wie ein Schmutzfleck unter gläserner Oberfläche.

Perfekt beschrieben. Aber wieder ein ziemlich krasses Bild. Du rückst die Akne damit ganz schön in den Mittelpunkt und das Bild schiebt sich für die Protagonistin sehr dominant ins Auge. Ich würde das vllt eher später im Text verwenden, wenn man schon ein allgemeines Bild von der Prota hat. Übrigens, weil gleich danach Julia kommt, dachte ich eine Weile, Julia hätte die Akne. Vllt wäre da ein Absatz gut.


Es ist aber wichtig, und es ist HIER wichtig, weil es einen weiteren Bezug Julias zu Merle darstellt.
Was den Absatz betrifft,  muss ich nachschauen.

Zitat:
ein Toastbrot in den Händen gewogen hatte

Das stach für mich auch aus dem Text heraus, aber nicht negativ.
Zitat:
Nur um eine weiche Stelle zu finden, nur um sich über die Zeit zu retten.

Da dachte ich im ersten Moment, eine weiche Stelle in der Toastbrotpackung? Da ist doch alles weich. Aber dann verstand ich, dass die Toastbrotpackung als Ganzes in der rauen Welt die weiche Stelle sein soll? Wie Du siehst, Dein Text brauchte bei mir mehr Durchgänge


Das ist ja interessant, was du an dieser Stelle hineininterpretierst. Nur leider, leider habe ich sie hier weniger ausschweifend lyrisch gemeint. sad
Es geht tatsächlich um ein profanes, altes Toastbrot, wie es in Berliner Spätverkäufen so vor sich hin härtet. wink

Zitat:
Wenn Du Jugendliche im Alter Julias oder sogar älter vor Augen hast, ist das mE das falsche Wort. Bei „Schulkindern“ denke ich an Kinder bis ca. 11 Jahre.


Genau die habe ich hier gemeint, die Schulkinder!

Zitat:
Das könntest Du für Leser wie mich noch etwas präzisieren. Jetzt denke ich mir: Wenn Julia immer bedeckte Arme hat, ist vllt doch sie und nicht Merle diejenige, die so stark Akne hat? Aber die runden Oberarmmuskeln hatte doch Merle? Und ich frage mich: es gibt eine Stelle, an der der Stoff dunkler ist. Warum? Wohl wegen Nässe. Ist sie also vllt Ritzerin und da sind Blutreste? Weil Akne kann doch nicht so nässen oder eitern, dass sie Pulloverärmel durchnässt? - Verstehst Du mein Problem?

Ich verstehe dein Problem! Aber das hier ist der Auszug aus einem Roman...

Zitat:
Die Menstruation hatte Julia erst letzte Woche gerettet

Der Witz ist, im ersten Moment dachte ich: ach, Menstruation, Blut … Moment, nein, es ging um den Ärmel. Nicht um die Hose … entweder Du klärst das Ärmeldunkelsein oder stellst die Menstruation nicht direkt danach in den Raum. Das verwirrt - zumindest mich.

 
Ok, darüber werde ich nachdenken!

Zitat:
Leider verstehe ich auch hier den Bezug nicht. Die Rede ist von Schamhaaren, die gerade zu wachsen anfangen. Dann Kopfschmerzen und Zerrungen. Ich denke mir, dass der Bezug für Zerrungen nicht die die Schamhaare sein können. Also wohl die Menstruation. Oder der Sportunterricht, dem sie mit einer ausgedachten Zerrung entkommen wollte? Ich komm wieder nicht mit  

 
Ich zitiere mich jetzt mal selbst, habe ich so auch noch nie getan..wink lol2
Julia bemerkt die genannten Anzeichen der Frauwerdung nicht, die Frage danach gehörte für mich deshalb als Einschub in die Liste alternativer Entschuldigungen, für die man das Frauwerden immerhin hernehmen kann.

Zitat:
Ich vermute, es ist entweder die Angst, das „noch-keine-Menstruation-haben“ könnte von der Lehrerin publik gemacht werden, oder Julia könnte sonst irgendwie auffliegen.

 Julia wird hier mit der Angst konfrontiert "aufzufliegen", richtig. Und die Situation bezeichnet den Tag, an dem sie ihrem Leben in häuslicher Geborgenheit den Rücken gekehrt hat.

Zitat:
und dabei jetzt aussieht wie die vielen Mädchen, denen Julia noch nie so nah gekommen war.

Das wundert mich. Kommt Julia aus sehr armen Verhältnissen? Man sieht doch überall Mädchen, die auf ihr Smartphone eintippen?

Diese Frage nach Julias Verhältnissen klärt sich ja schon wenige Sätze später. wink
Es muss also etwas anderes sein, dass Julia bisher von dieser Art der jugendlichen Freizeitbeschäftigung abgehalten hat. Ich kann an dieser Stelle wieder nur argumentieren, dass du den Anfang eines ganzen Romans gelesen hast.

Zitat:
Ich habe irgendwie das gemeinsame Weggehen vom Park nicht ganz mitbekommen. Das ist wahrscheinlich auch gewollt?


Merle hat noch eine Verabredung und schultert ihren Rucksack. Julia denkt, etwas darin vergessen zu haben. Ich hatte gedacht, das würde ausreichen, um den Leser in Aufbruchstimmung zu versetzen.

Zitat:
nach einem Moment Merle untypischer Stille und dabei trotzdem freier Hand.

Warum die freie Hand? Das heißt, sie schweigt, aber spricht quasi über Whatsapp trotzdem? Oder frei im Sinne von: sie hat das Handy weggelegt?


Sie redet nicht, aber sie lenkt sich auch nicht mit dem Handy ab.

Zitat:
„Die kriegen dich sonst ganz schnell wieder ein.

Vorsichtige Anfrage: Ist das ein Logikfehler? Man zahlt doch gerade dann mit Bargeld, wenn man untergetaucht ist. Kartenzahlung wäre doch gefährlich. Und ein Mädchen, das Geld genug für zwei Getränke hat, ist doch für Imbissverkäufer nicht verdächtig, oder?

Jetzt bin ich ein bisschen enttäuscht, dass du nicht richtig gelesen hast...sad
Aus dem Text: Merle blickt von dem Handy auf, dem Schein hinterher, den die dickliche Verkäuferin erst nicht annehmen will, dann aber mühselig wechselt.
„Pass mal lieber ´n bisschen auf, wo du mit deiner Kohle herumwedelst“, sagt Merle dann

Ein abgerissenes Mädchen, dem man die letzten Tage ansieht, und das mit einem Schein bezahlt, den man am Imbiss nicht so ohne Weiteres wechseln kann, würde mir als Bedienung schon auffallen. Aber du hast recht, wahrscheinlich muss ich hier noch präziser beschreiben!

Zitat:
Du formulierst einiges kompliziert und manchmal schaffst Du damit sehr komprimierte Aussagen. Hier finde ich das „Wie Merle es anspricht, …“ eher umständlich. Reicht hier nicht ein „Tatsächlich hat Julia nicht nachgezählt“?

 
Ja, das klingt besser! Ich habe mich hier auch wirklich schwergetan. wink

Zitat:
Sie ist scheinbar willkürlich nach den Buchstaben des Alphabetes gefahren.

„Alphabet“ fällt und ich lese ganz konditioniert Anfangsbuchstaben wie O - M- W - H. Ich blicke auf und denke mir: Hä? Wo ist das denn alphabetisch?


Immerhin ist es dir so aufgefallen, wie es von mir beabsichtigt war!
Wenn du den Satz Wort für Wort aufschlüsselst, kommt auch der Sinn: scheinbar willkürlich, nach den Buchstaben des Alphabetes, nicht in alphabetischer Reihenfolge...

Zitat:
Es war eine gleichförmig andauernde Reise und die Gegend vor Julias Augen trist gewesen.

Sicher, dass man hier das Prädikat nicht doch wiederholen muss? Irgendwas fehlt in der zweiten Satzhälfte


Wenn, dann fehlt dort ein Komma nach und, oder?

Zitat:
Die Art, wie sie bockbeinig läuft und die Füße weit auseinandersetzt, lässt keine Zeit für die Dinge.

Bei „bockbeinig“ verschiebt sich mein Bild von Merle, die gerade noch erotisch die Lippen beim Trinken schürzte. Geht das für Dich in die richtige Richtung?


Ja, geht es! Merles Charakterisierung ist hier noch nicht abgeschlossen, weil sie einen vielschichtigen Charakter darstellt.

Zitat:
steigt Merle über die ausgestreckten Beine Englisch sprechender Bartouristen

Wie sitzen die denn? Sie sind doch noch an der Straße, oder? Nicht in einer Bar. Wie sitzen englische Bartouristen an der Straße, dass Straßenkinder über ihre Beine steigen müssen? Kann ich mir nicht vorstellen


Warst du schon einmal in der Simon Dach Straße? Dort stehen alte Couchgarnituren mitten auf dem Gehweg vor überfüllten Bars.

Zitat:
Sie hatte wohl etwas hinterlassen wollen. Die Fassungslosigkeit im gesetzten Gesicht ist schon Hannaschweg wieder bitter geworden

Versteh ich nicht. Wollte sie eine Fahrkarte hinterlassen? Oder ist die Rede von etwas ganz anderem? Und Hannaschweg wirkt hier so, als wäre es eine Person. Aber es ist ein Ort, oder? Ich verstehe es leider nicht.

 Sie wollte eine Lücke hinterlassen, in der Geldbörse und in der Auffassung ihrer Person.
Hannaschweg ist ein Ort und bis zu diesem Ort hat die Befriedigung gereicht, die Julia durch das "Hinterlassen" verspürt hat.

Zitat:
Ein überfüllter Bahnhof mit glänzenden Rolltreppen…

In diesem Absatz steht zweimal „kahl“, ich bin mir sicher, das gefällt Dir nicht


Nein! Das gefällt mir überhaupt nicht!! Nobody is perfect und ich schon ganz sicher nicht...wink
DANKE für den Hinweis darauf. smile

Du hast dir sehr viel Zeit genommen und dafür ein weiteres und herzliches Danke!
Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr in Anspruch genommen und von deinen eigenen Projekten abgekehrt!

Viele, liebe Grüße
diana
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Mina Minus
Leseratte
M


Beiträge: 173



M
Beitrag03.01.2017 08:22
Re: Hallo Mina,
von Mina Minus
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d.frank hat Folgendes geschrieben:
vielen Dank, dass du dich noch ein weiteres Mal mit diesem sperrigen Text beschäftigt hast, der auch in der Fortsetzung leider nicht viel von seiner Sperrigkeit verloren hat. Das ist mit diesem Projekt einfach mein Stil, den ich selbst nicht einmal einordnen kann..wink
Vielleicht melodiös? Keine Ahnung! sad

Die vielen Anmerkungen haben meine Sicht auf dieses Projekt zwar nicht grundlegend gedreht (deshalb hat sich an den Adjektiven und der Sperrigkeit nicht so sehr viel und nicht unbedingt in der Art, wie vielleicht gewünscht, etwas getan), aber ich habe der künstlerischen Freiheit in der zweiten Version doch Einhalt geboten und bin, so hoffe ich doch, auf die Leser zugegangen.

Denkst du, dieser Text hätte in der zweiten Version eine Chance und könnte den einen oder anderen Leser vielleicht doch noch neugierig machen?

Zitat:
Und ich  empfinde  ihn jetzt auch als spannender.


Ich wundere mich über die Leerstellen in deinem Satz. Question

Viele Grüße und dickes Danke
diana


Liebe Diana

die Leerstelle war unbeabsichtigt und hat gar nichts zu bedeuten: Ich warte auf Freischaltung meines Internetanschlusses und bin deshalb zurzeit fast nur mit dem Handy online. Dafür scheine ich zu grobmotorisch zu sein - es fehlen in meinen Beiträgen auch immer wieder Satzzeichen 😕.

Wie schon, geschrieben, ich finde die Version deutlich weniger sperrig, sondern angenehm verständlich. Ob der Text so eine Chance hätte, kann ich nicht einschätzen, weil mir das Agieren vieler Verlage auch nicht immer einleuchtet.
Ich würde an deiner Stelle einfach nochmal ein paar Agenturen oder auch etwas kleinere Verlage (die vielleicht im Stil vergleichbare Titel führen - ich hätte da jetzt keinen im Kopf, aber findest du sicher, vielleicht über die uschtrin-Seite "Autorenwelt") mit einer überarbeiteten Leseprobe anschreiben. Evtl das Exposé vorher noch überprüfen lassen. Zu verlieren hast du ja letztlich nichts.
Ich glaube nur, dass dein Roman nicht gut im Selfpublishing aufgehoben ist (dachte ich über meinen Erstling übrigens auch). Verkaufszahlen zeigen, dass dort noch stärker Genreliteratur und die Einhaltung derer Konventionen verlangt wird. Und Jugendroman ist eh schwierig im Ebook-Bereich (von dieser Variante des SP gehe ich jetzt einfach mal aus).
Viele Grüße
Mina
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D
Beitrag03.01.2017 14:24

von d.frank
Antworten mit Zitat

smile Hallo Mina

Zitat:
die Leerstelle war unbeabsichtigt und hat gar nichts zu bedeuten: Ich warte auf Freischaltung meines Internetanschlusses und bin deshalb zurzeit fast nur mit dem Handy online. Dafür scheine ich zu grobmotorisch zu sein - es fehlen in meinen Beiträgen auch immer wieder Satzzeichen 😕.


Tut mir leid, ich scheine in dieser Hinsicht ein wenig paranoid, überall und nirgends muss ich Bedeutung in Worte und Sätze legen. wink

Zitat:
Wie schon, geschrieben, ich finde die Version deutlich weniger sperrig, sondern angenehm verständlich. Ob der Text so eine Chance hätte, kann ich nicht einschätzen, weil mir das Agieren vieler Verlage auch nicht immer einleuchtet.


Ich denke, das ist eigentlich ganz einfach: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.
Selbst Harry Potter wurde etliche Male abgelehnt, weil Agenten seinen Umfang als zu viel für Kinder-und Jugendbuchleser erachteten.
Und siehe da: Mit dem Erfolg der Reihe schossen die Trilogien aus dem Boden (stelle ich jetzt mal einfach so hier hin, ohne Anspruch auf Vollständigkeit). J.K. Rowlings nachfolgende Krimis sind ebenfalls ein schönes Beispiel dafür, dass sich Bücher eben auch immer über den Bekanntheitsgrad der Autoren verkaufen und diese sich mit zunehmender "Prominenz" auch einiges mehr an Experimenten leisten können.

Zitat:
Ich würde an deiner Stelle einfach nochmal ein paar Agenturen oder auch etwas kleinere Verlage (die vielleicht im Stil vergleichbare Titel führen - ich hätte da jetzt keinen im Kopf, aber findest du sicher, vielleicht über die uschtrin-Seite "Autorenwelt") mit einer überarbeiteten Leseprobe anschreiben. Evtl das Exposé vorher noch überprüfen lassen. Zu verlieren hast du ja letztlich nichts.


Das klingt vernünftig und war auch mein Plan. Ich denke aber, das Exposé kann so bleiben. Es ist (im Gegensatz zum Text) das Einzige, das bisher überzeugen konnte.  Die vorzunehmende Änderung betrifft wohl besonders die Klassifizierung, mit der ich das Buch rausgeschickt habe. Es ist eben "kein" Jugendbuch im herkömmlichen Sinne.


Zitat:
Ich glaube nur, dass dein Roman nicht gut im Selfpublishing aufgehoben ist (dachte ich über meinen Erstling übrigens auch). Verkaufszahlen zeigen, dass dort noch stärker Genreliteratur und die Einhaltung derer Konventionen verlangt wird. Und Jugendroman ist eh schwierig im Ebook-Bereich (von dieser Variante des SP gehe ich jetzt einfach mal aus).


 Das glaube ich auch! Das wäre in etwa gleichbedeutend mit: auf einen Haufen werfen und verbrennen...

Grüße an Dich und dein satzzeichenfressendes Handy wink
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Selanna
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1146
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag05.01.2017 00:54

von Selanna
Antworten mit Zitat

Liebe Diana,

na dann - war ich wohl mal wieder zu übereifrig Rolling Eyes   Wink
Dann hat sich ja die Zeit gelohnt, wenn Dir die Kommentare tatsächlich helfen; freut mich!
Dass der Text einen gewissen lyrischen Klang haben soll, habe ich begriffen, das hat er auch mit Sicherheit. Aber das macht das Lesen nicht leichter Wink Darum stimme ich Dir auch zu, dass die Diskrepanz zwischen Inhalt und Sprache der Ablehnungsgrund gewesen sein könnte. Aber da Du vor allem immer von „einer“ Agenturabsage sprichst: Bei wie vielen hast Du es denn schon versucht?
Ha, es geht also auch um die Gegenüberstellung von Lebenseinstellungen! Du weißt, dass mir das gefällt Wink

Zitat:
Meine Intention dabei war, den Blick, den Julia auf Merle hat, wieder zu lösen und auf die gesichtslose Masse zu richten. Dazu muss man den Satz aber in Bezug auf den folgenden lesen: "Die Stadt ist seit Minuten still. Es scheint, als wollte auch sie nur noch Merle zuhören", und wissen, dass Julia schon tagelang unter Menschen ist und deren Nähe auch sucht, ohne dabei jedoch einen von ihnen (keinen, bis auf an diesem Punkt Merle) aus dem unpersönlichen "Jemand" heraus- und an sich heran zu lassen.  Gleichzeitig bezieht sich das Jemand nicht nur auf Merle, die hier kurz wieder ein "Jemand" ist, sondern auch auf Merles Bezug zu sich selbst. Denn sie bemerkt die Ameise nicht, hat also einen ähnlich gelagertes "Selbstbewusstsein" wie Julia.

Wenn Du das alles erklärst, verstehe ich es. Aber wie Du schon selbst sagst, da musst Du vllt noch einmal was dran machen, dass man es auch im Text herauslesen kann Wink

Zitat:
weil er für mich ein starkes Bild für Merles seelische Beschädigung ist, ein Mensch, der immer unruhig ist, immer auf Achse, nur, um der Stille zu entgehen und sich dann mit sich selbst beschäftigen zu müssen.

Gut
Zitat:
Auf den gerundeten Muskeln? Findest du wirklich, das klingt besser?

Wenn ich es jetzt lese: definitiv nein, klingt nicht besser. Aber da Du selbst „definiert“ und „kräftig“ erwähnst: wie wäre es denn damit? Unter „runder“ Muskel kann ich mir höchstens die Po- oder Brustmuskulatur vorstellen, aber weniger die Armmuskulatur, verstehst Du?

Zitat:
Es geht tatsächlich um ein profanes, altes Toastbrot, wie es in Berliner Spätverkäufen so vor sich hin härtet.  

Very Happy


Zitat:
Genau die habe ich hier gemeint, die Schulkinder!

Aber kurz danach folgt doch, noch in Bezug auf die „Schulkinder“: „Sie waren nicht nennenswert älter als Julia gewesen“ und Julia ist doch wesentlich älter als Grundschulkinder?

Zitat:
Ich verstehe dein Problem! Aber das hier ist der Auszug aus einem Roman...

wird also noch aufgeklärt, okay.
  
Zitat:
Diese Frage nach Julias Verhältnissen klärt sich ja schon wenige Sätze später.  
Es muss also etwas anderes sein, dass Julia bisher von dieser Art der jugendlichen Freizeitbeschäftigung abgehalten hat. Ich kann an dieser Stelle wieder nur argumentieren, dass du den Anfang eines ganzen Romans gelesen hast.

Dann ist das kein Problem.

Zitat:
Merle hat noch eine Verabredung und schultert ihren Rucksack. Julia denkt, etwas darin vergessen zu haben. Ich hatte gedacht, das würde ausreichen, um den Leser in Aufbruchstimmung zu versetzen.

Im Nachhinein habe ich das auch so interpretieren können, aber ich fand die gelegten Indizien sehr dezent. Da sie am Ende nun mal gemeinsam den Park verlassen haben, ist es ja klar, dass sie den Park gemeinsam verlassen haben Very Happy Deshalb kannst Du Dir ganz nach Gescmack überlegen, ob Du das deutlicher ausführen möchtest oder nicht.

Zitat:
nach einem Moment Merle untypischer Stille und dabei trotzdem freier Hand.

Sie redet nicht, aber sie lenkt sich auch nicht mit dem Handy ab.

Finde ich ohne Erklärung schwer zu verstehen.

Zitat:
Ein abgerissenes Mädchen, dem man die letzten Tage ansieht, und das mit einem Schein bezahlt, den man am Imbiss nicht so ohne Weiteres wechseln kann, würde mir als Bedienung schon auffallen. Aber du hast recht, wahrscheinlich muss ich hier noch präziser beschreiben!

Oder ich war an der Stelle wirklich unaufmerksam. Aber es ist wirklich wieder ein eher dezentes Indiz.

Zitat:
Wenn du den Satz Wort für Wort aufschlüsselst, kommt auch der Sinn: scheinbar willkürlich, nach den Buchstaben des Alphabetes, nicht in alphabetischer Reihenfolge...

Ach so!
Zitat:
Zitat:
Es war eine gleichförmig andauernde Reise und die Gegend vor Julias Augen trist gewesen.

Sicher, dass man hier das Prädikat nicht doch wiederholen muss? Irgendwas fehlt in der zweiten Satzhälfte


Wenn, dann fehlt dort ein Komma nach und, oder?

Nein, ein Komma würde ich hier nicht setzen. Und inzwischen denke ich, es ist rein grammatikalisch doch korrekt, ohne das „war“ zu wiederholen, aber es irritiert mich nach wie vor beim Lesen.
Zitat:
Merles Charakterisierung ist hier noch nicht abgeschlossen, weil sie einen vielschichtigen Charakter darstellt.

Gut Smile

Zitat:
Warst du schon einmal in der Simon Dach Straße? Dort stehen alte Couchgarnituren mitten auf dem Gehweg vor überfüllten Bars.

Nein, war ich (vermutlich) noch nie Embarassed

Zitat:
Zitat:
Sie hatte wohl etwas hinterlassen wollen. Die Fassungslosigkeit im gesetzten Gesicht ist schon Hannaschweg wieder bitter geworden


 Sie wollte eine Lücke hinterlassen, in der Geldbörse und in der Auffassung ihrer Person.
Hannaschweg ist ein Ort und bis zu diesem Ort hat die Befriedigung gereicht, die Julia durch das "Hinterlassen" verspürt hat.

Das mit dem Hinterlassen wird für mich erst mit der Erklärung klar. Und bzgl. des zweiten Satzes: Sicher, dass Du nicht „in“ Hannaschweg schreiben müsstest? Dann wäre das zumindest für mich etwas verständlicher

Zitat:
Du hast dir sehr viel Zeit genommen und dafür ein weiteres und herzliches Danke!

Gerne. Um ehrlich zu sein, das Kommentieren hat Spaß gemacht Smile

Liebe Grüße
Selanna


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Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham
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