[KGe] "Bis zum nächsten Mal"

[Gast]

Bis zum nächsten Mal

Ich drehe mich um und schaue schon wieder in diese Augen. Verdammt. War es nicht das, was ich vermeiden wollte? Schon wieder in diesen endlosen stahlblauen Augen gefangen. Ich frage mich, ob es allen so geht und lache verkniffen.
Eigentlich wollten wir es ja sein lassen. Aber uneigentlich passte der Moment verdammt gut. Viel zu gut, um es sein zu lassen. Nun lieg ich also doch wieder neben ihr auf ihrem Bett. Wieso haben Mädchen eigentlich immer 1,40er-Betten? Die Frage beschäftigt mich seit längerem. Vielleicht liegt es an der höheren Durchflussrate an männlichen Wesen. Ich könnte das nicht, würde mich doch die nächtliche Leere des halben Bettes an die tägliche Leere meines Herzens erinnern.
Dieser Moment ist anders. Mein Herz ist nicht leer, es wird endlich, nach ewig langer Zeit, einmal wieder auf zärtlichste Art und Weise gestreichelt. Und ich habe es bitter nötig. Mein Herz hüpft unkontrolliert bei jeder Berührung. Sie streichelt mich wie ihren Knuddelbären und ich möchte in diesem Moment nichts anderes sein als die Inkarnation des Begriffs ââ?¬Å¾Knuddelbärââ?¬Å?. Einzig und allein für ihre zarten Hände, für ihre leidenschaftlichen Blicke. Und vielleicht für ihre leidenschaftlichen Küsse. Wobei mich das wohl vom Knuddelbären-Ideal unterscheidet.
Nun drehen wir uns wieder und liegen aufeinander. Ich denke daran, dass dies wohl der beste Moment zum Sterben sei. Und doch wieder viel zu schön. Keine Zeit mehr zum ß?berlegen, ihre Lippen setzen an und massieren meine, während über mich die reinste Woge der Zufriedenheit hereinbricht. Welche göttliche Gabe muss dieser Mensch, der dort aufreizend über mir liegt, haben, dass er mich binnen Minuten in vollstes Wohlergehen versetzen kann, welche unbezahlbare Fähigkeit?
Sie macht mich süchtig. Das kann nicht gut sein. ââ?¬Å¾Sucht ist nie gutââ?¬Å? flüstert mein kleiner weißer Engel von rechts. ââ?¬Å¾Das hier aber tut sau gut!ââ?¬Å? unterbricht ihn der triumphierende kleine schwarze Teufel zur Linken. Die beiden verschwinden von ihrer imaginären Bildfläche und überlassen ihr wieder den würdigen Raum. In diesem speziellen Fall: Alles. Marlene Dietrich sang ââ?¬Å¾Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestelltââ?¬Å?. Ich bin es auch.
Es prasselt der Regen gegen die Scheibe. Der Raum wird nur durch eine Lichterkette in warmes Licht getaucht. Norah Jones' geniales Soul-Album läuft im Hintergrund. Barmusik umfunktioniert. Es funktioniert einzigartig. Nachher werde ich alles wieder auf den passenden Moment schieben. Und wann kommt der schon einmal? Dann muss man ihn auch nutzen. Aber ich muss mein Gewissen nicht bereinigen. So steht mir doch das Recht zu, mir meine Streicheleinheiten zu holen.
Sie fährt mir schon wieder durch das Haar. Und ich ihr auch, durch ihr schulterlanges blondes Haar. Ein kurzer Moment der Ruhe lässt es zu, dem Gedanken nachzugehen, welches unglaubliche Glück ich habe. Ich, der ich sie vielleicht viermal im Jahr sehe, spiele hier unbewusst zahlreiche andere aus. Das ist nicht meine Art und das ist auch nicht das, was ich zu meinen normalen Talenten zählen darf. Es ist wahre Seltenheit und doch schön zu sehen, dass auch echte Zuneigung ohne Hintergedanken positiv aufgefasst wird. Und belohnt. Sie belohnt mich mit ihrem Kuss, der leidenschaftlicher nicht hätte sein können. Noch niemand hat so ausdauernd mit allen Finessen an meinem Mund gewerkelt.
Wenn ich atme, wofür mir eh nur die Nase bleibt, rieche ich sie auch noch. Ausgang versperrt. Ich bin gefangen. Wissentlich und gewollt. ââ?¬Å¾Benutz' michââ?¬Å?, denke ich, als sie mir auf die Frage nach ihrer Liebesabstinenz antwortet: ââ?¬Å¾Seit du das letzte Mal hier warstââ?¬Å?. Drei Monate ist das her. Oh weia, das hielte ich schwerlich aus. Sie natürlich nicht. Frauen sind stark. Naja, solange sie bei mir noch schwach wird, soll es mir recht sein.
Es wird spät und die Uhr ist mein Feind. Es ist soweit, ich muss los und wir stehen langsam auf. Wir gucken uns zufrieden an. Natürlich war es nicht geplant, dass er Abend so endet. Umso schöner, dass er so endet.
Sie bringt mich zur Tür, ein letzter Kuss. Wir beide wissen nicht, für wielange es der letzte bleiben wird. Entsprechend intensiv ist er. Und dann entlässt sie mich in den Regen. Bevor ich ein weiteres Mal in ihrem Lachen versinke drehe mich um und verschwinde im nassen Dunkel einer Nacht, die mich als erste seit Wochen wieder richtig glücklich machen konnte. ââ?¬Å¾Bis gleichââ?¬Å?, flüstert sie. ââ?¬Å¾Bis zum nächsten Malââ?¬Å?, denke ich.


Ich würde mich über Eure Resonanz freuen!

[Kleine Christel]

Wirklich super!!!!!!
Einmal angefangen zu lesen,lässt man alles Andere stehen und liegen um weiter zu lesen. War bei mir zumindestens so. Die Idee mit dem Knuddelbären hat mir am besten gefallen.

[Lennart]

Danke für die Blumen =). Das motiviert natürlich.

[Kleine Christel]

Gern geschehen^^