Frost (ein Haiku?)

[Melanie]

Haiku. Ich mach jetzt einfach mal, da mich dieser Satz, den soleatus da so umgebastelt hat wirklich die ganze Zeit begleitet hat. Und es passiert so oft, dass ich ein Bild, eine Szene sehe und wenige aussagekräftige Worte dafür finde. Meist versuche ich es, sie dan in viele Worte zu packen, aber das empfinde ich fast immer als Mist.

Hier meine Worte zu einem Foto, das ich am letzten Sonntag bei einem frühmorgendlichen Spaziergang gemacht habe.






frost überall
doch im tau
zartes grün

[Berni]

Lb. Melanie,

ich glaube durchaus, dass dieser Text haikuesk   ist, sogar von der traditionellen Art, sieht man mal von der Silbenzahl ab. Natur als Schauplatz und Thema, und dazu Übergang Winter/Frühling als Jahreszeit.

Und doch mag mich der Text noch nicht so ganz überzeugen. frost überall finde ich irgendwie nicht so gelungen, und zwar wegen des überall.  Ich würde versuchen, es eher bildlich darzustellen, vielleicht Frostlandschaft o.ä.

Das doch in der zweiten Zeile ist eine Einschränkung, die nicht in ein Haiku gehört. Der Text selbst sollte diese Einschränkung dem Leser nahebringen, ohne dass sie ausgesprochen wird.

Nun mäkle ich auch noch an der dritten Zeile herum. zart ist Interpretation, die man im Haiku vermeiden sollte.

Ich hoffe, dir hiermit nicht vor den Kopf zu stoßen. Und meine Kritik ist nur Ergebnis dessen, was ich bisher über Haiku gelernt habe. Da ich die japanische Kurzlyrik liebe und mich freue, wenn jemand solche hier mal einstellt, hatte ich das dringende Bedürfnis, meinen Senf loszuwerden.  

LG
Bernd


p.s. Ich habe übrigens vor ein paar Jahre dieses Thema auch mal bearbeitet, nun gekramt und das unfertige (!) Produkt tatsächlich wiedergefunden:

auf dem schneeweg
ein sprössling
schaut heraus

[Melanie]

Hallo Berni, guten Morgen

nur kurz, bevor ich weg muss:

vielen Dank, dein Kommentar hilft mir weiter.
Ich hatte das "doch" schon durch ein "dort" ersetzt, als du es "bemäkelt" hast. Ich stell die geänderte Version nachher ein. Es macht mir spaß mit diesen wenigen Worten zu arbeiten, danke auch für dein Beispiel!

lg und bis später Melanie

(Und natürlich stößt du mir nicht vor den Kopf, ich hab kritische Worte erwartet und kann da auch ganz gut mit um.)

[Melanie]

eiskristalle
dort unter dem tau
erstes grün

[Gast]

Hallo Melanie!

Ein schönes Bild (das nicht-sprachliche)!

Bezüglich deiner Versuche, es in Sprache zu überführen - in Haiku-Sprache -, bin ich noch recht unsicher. So, wie du es bisher versuchst, könnte ich es mir als Verbindung vorstellen: der Text, an passender Stelle eingefügt ins Bild?!

Steht der Text für sich, scheint mir "zartes / erstes Grün" ein wenig zu verschwommen; zu bildschwach. Hm ... Kannst du dir vielleicht so etwas vorstellen?!

aaaaaa
taut der Reif zuerst
am bbbbbb

Mit aaaaaa = irgendeine Zeitnennung ("Märzmorgen") und bbbbbb = ein Sproß, ein Keim, ein Irgendwas einer klar bestimmten Pflanze. "Zuerst" auch als "schon" oder ähnliches - oder ganz weglassen. "Am" auch "beim", "um den" ...

Gut, ist ein gaaaanz grober Rahmen, aber ich denke, in der Richtung gewinnst du mehr Anschaulichkeit, mehr "Masse"?!

(Aber fang bloß nicht an, über "Reif" nachzudenken ... Strahlungsreif oder Advektionsreif, was aber beides kein gefrorener Tau, Raufrost, Klareis oder Raureif ist; wobei zum letzteren allerdings die Eisblumen gezählt werden. Manchmal ist Wikipedia die Hölle ...)

Gruß,

Soleatus

[Melanie]

Morgen, soleatus.

Ich werd dranbleiben, das geschriebene Bild genauso schön zu machen, wie das geknipste.

Was ganz direkt Benanntes, nichts allgemeines? *merke*

Reif ...hm. Reif