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Vidora Leseratte
Alter: 36 Beiträge: 151
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29.01.2013 21:09 Tempo rausnehmen ohne Langeweile zu erzeugen? von Vidora
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Hallo zusammen,
seit ich mein neues Projekt angefangen habe, flutscht die Geschichte nur so aus meinen Fingern. Allerdings habe ich zunehmend das Gefühl, dass die Handlung viel zu schnell voran schreitet. Ich scheue mich davor, mich auch mal ruhigeren Passagen hinzugeben, weil ich befürchte, dadurch das Interesse des Lesers zu verlieren. So habe ich bisher z. B. nicht unbedingt viel von der Gedankenwelt meiner Protagonisten enthüllt; außerdem sind beschreibende Parts (zum Beispiel Schauplätze oder Äußerlichkeiten von Personen) sehr sehr kurz gekommen.
Hat jemand ein paar Ratschläge, was ich tun kann, um "Atempausen" einzufügen ohne ins Schwafeln zu geraten?
_________________ Always be yourself! Unless you can be a unicorn. Then always be a unicorn! |
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Linne Wortedrechsler
L
Beiträge: 56
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L 29.01.2013 23:41
von Linne
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Hallo Vidora,
ich kenne Dein Problem aus eigener Erfahrung. Es fällt mir schwer, passende, für Dich annehmbare Ratschläge zu geben, weil ich Deine Erzählperspektive nicht kenne. diese ist m.E. ganz entscheidend für mögliche Lösungen Deiner Herausforderung.Ich hoffe für Dich und für mich, dass es hier im Forum zahlreiche Antworten gibt. Ich würde mich freuen, zumal ich den Stein der Weisen längst nicht gepachtet habe.
Ich schreibe personal, meist aus der Sicht mehrerer Perspektivträger. Sie denken in bestimmten Passagen nach, was sie nun tun sollen, um ihr Ziel zu erreichen, einem Hindernis zu begegnen, ihren nächsten Schritt gezielt zu setzen usw. Ich denke mal, das langweilt die Lesenden nicht, weil sie -habe ich es spannend gesetzt-, gespannt sind, ob der Plan der Perspektrivfigur mit ihren nächsten Handlungsschritten aufgeht - Erfolg oder Misserfolg. Sie fühlen sich ein, fiebern mit der Perspektivperson - ob Prota oder Anta oder Nebenfigur mit. Und was dann weiter... Wieder kann meine Perspektivfigur überlegen, ihren Plan neu bestimmen, reagieren und ist gespannt , ob sie zum Ziel kommen wird oder nicht - je nachdem wie z.B. der /die Antagonist/-in reagiert.
Beschreibungen: Wenn ich personal erzähle, lasse ich meine Perspektivfigur sehr deutlich fühlen, was sie sieht, hört, fühlt usw. Insofern kann eine Beschreibung (aus der Sicht der Perspektivfigur) den Leser stimmungsmäßig mitreißen.
Okay, da hört sich ziemlich abstrakt an. Ich versuche ein Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine. In meinem Roman startet die erste Szene für Andrea mit einem Panikanfall, während sie im Warteraum einer Anwaltskanzlei sitzt. Sie schaut sich um. Und was sieht sie? Sie sieht nicht nur nüchtern einen Garderobenständer, sondern in ihrer aufgewühlten Gefühlslage einen Gegenstand, der ihr schwarzen Arme bedrohlich entgegenstreckt und sie zu verschlingen sucht (natürlich ihre Innensicht -ihre Gedanken, ganz im Panikanfall). Hier lebt die Beschreibung ganz klar von Andreas Innensicht und ist nichts Langweiliges - sie verbindet sich mit ihr und ihrer panischen Wahrnehmung. Andrea schaut also auf den Schauplatz ganz subjektiv und ich denke, das können die Leser/-innen gut akzeptieren und fühlen sich nicht gelangweilt, sondern eher in den Gefühlsstrom der Protagonistin eingebunden.
Mag ja sein ich irre - ich hoffe also für dich und für mich, dass wir hier weitere Antworten kassieren können, die uns weiterbringen. Deine Anfrage nach den Antworten/ Vorgehensweisen Anderer ist also auch meine.
LG Linne
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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30.01.2013 03:43
von Nihil
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Einen kleinen praktischen Tipp kann ich dir geben: Wenn deine Protagonisten etwas tun, das lange dauert, dann schlägst du mit dem Einfügen von mehr Hintergrundinformationen zwei Fliegen mit einer Klappe. Einmal bringst du die Hauptfigur dem Leser näher und zweitens fühlt es sich dann auch eher so an, als ob die Tätigkeit viel Zeit braucht. Beispielsweise wenn sie einer Treppe bis in den fünften Stock folgt oder in einer langen Schlange wartet. Wenn du schreibst:
„In Lisas Altbau gab es keinen Fahrstuhl. Das musste ein schlechter Scherz sein. Sollte sie mit sechs 1,5-Liter-Flaschen pro Hand in den fünften Stock laufen?
Als sie endlich oben war, stand ihr der Schweiß auf der Stirn.“
Geht natürlich, aber wenn du es schaffst, eine Überleitung zu finden, ließe sich diese Zeit besser nutzen. Sie würde natürlich nicht über den tragischen Tod ihres Vaters nachdenken, wenn es dazu keinen akuten Grund gäbe.
Außerdem kannst und solltest du auch deine Macht als Autor ausnutzen, um ruhige Stellen absichtlich nach intensiveren Stellen zu platzieren. Ich habe „sollten“ geschrieben, weil man Abwechslung braucht, um Veränderung zu erkennen. Wirf ein neues Rätsel auf, dass deine Leser unbedingt aufgelöst wissen wollen, und nutze die Spannung, die du damit erzeugt hast, indem du eine ruhigere Passage folgen lässt. Das macht die Auflösung am Ende umso befriedigender und du kannst die Gelegenheit nutzen, deinen Charakter besser darzustellen.
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sleepless_lives Schall und Wahn
Administrator Alter: 58 Beiträge: 6479 Wohnort: München
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30.01.2013 12:59
von sleepless_lives
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Nihil hat Folgendes geschrieben: | Wirf ein neues Rätsel auf, dass deine Leser unbedingt aufgelöst wissen wollen, und nutze die Spannung, die du damit erzeugt hast, indem du eine ruhigere Passage folgen lässt. Das macht die Auflösung am Ende umso befriedigender und du kannst die Gelegenheit nutzen, deinen Charakter besser darzustellen. |
Gut, dass du das ansprichst. Das ist eine Technik, die man recht oft findet in der Unterhaltungsliteratur. Terry Pratchett exerziert das manchmal fast exzessiv. Also ich muss da wohl ein untypischer Leser sein, denn ich hasse es. Wenn wirklich Spannung aufgebaut wird, aber nicht aufgelöst, und dann kommt irgendeine ruhige, "abschweifende" Passage, interessiert mich die überhaupt nicht und ärgert mich nur. Auch wenn sie wunderschön geschrieben ist, auch wenn ich sie an anderer Stelle mit Freude lesen würde, aber in dem Moment will ich wissen, wie es auf der Spannungsschiene weitergeht. Als Folge lese ich oberflächlich und verabschiede mich mehr und mehr vom Inhalt. Irgendwann wird dann die spannungserzeugende Handlung fortgesetzt, aber wenn sie ein paar Mal wie eben beschrieben unterbrochen wird, gleitet das ganze Buch an mir vorbei, wird flach und hinterlässt einen schalen Geschmack. Wäre die ruhige, abschweifende Passage nach der Auflösung plaziert worden, würde ich sie voll Genuss lesen, denn der Wechsel an sich ist ja belebend.
_________________ Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)
If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright) |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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30.01.2013 13:31
von holg
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Hi Vidora.
Das ist zu sehr von Genre und Stil abhängig, als dass man da was konkretes zu sagen könnte.
Schau nach, wie deine Lieblingsautoren das machen und experimentier damit rum.
Schön ist natürlich, wenn deine Protagonisten einen konkreten Anlass haben, sich selbst etwas anzusehen oder einen Gedanken zu verfolgen. Oder wenn das Objekt zur Tücke wird, die man aber nur versteht, wenn man es sich genauer ansieht, oder oder oder.
"Das ist ein weites Feld"
holg
_________________ Why so testerical? |
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Vidora Leseratte
Alter: 36 Beiträge: 151
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30.01.2013 13:44
von Vidora
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Ich schreibe Fantasy und 3rd Person Perspektive, wechselnd zwischen bisher 2 Charakteren. Und an meinen Lieblingsbuechern will ich mich nicht so stark orientieren weil diese entweder allein durch die schiere Masse an Protagonisten oder durch ausschweifende Landschaftsbeschreibungen das Problem auf ihre Art loesen. Ausserdem verstehe ich ebenfalls die Leser, die solche Szenen evtl. ueberspringen... ich habe mir ueberlegt vielleicht noch einen Subplot einzufuegen, der seinen eigenen Spannungsbogen hat waehrend er zum Hauptplot beitraegt.. hoert sich leichter an, als es ist
_________________ Always be yourself! Unless you can be a unicorn. Then always be a unicorn! |
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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30.01.2013 21:38
von Nihil
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sleepless_lives hat Folgendes geschrieben: | Nihil hat Folgendes geschrieben: | Wirf ein neues Rätsel auf, dass deine Leser unbedingt aufgelöst wissen wollen, und nutze die Spannung, die du damit erzeugt hast, indem du eine ruhigere Passage folgen lässt. Das macht die Auflösung am Ende umso befriedigender und du kannst die Gelegenheit nutzen, deinen Charakter besser darzustellen. |
Gut, dass du das ansprichst. Das ist eine Technik, die man recht oft findet in der Unterhaltungsliteratur. Terry Pratchett exerziert das manchmal fast exzessiv. Also ich muss da wohl ein untypischer Leser sein, denn ich hasse es. Wenn wirklich Spannung aufgebaut wird, aber nicht aufgelöst, und dann kommt irgendeine ruhige, "abschweifende" Passage, interessiert mich die überhaupt nicht und ärgert mich nur. Auch wenn sie wunderschön geschrieben ist, auch wenn ich sie an anderer Stelle mit Freude lesen würde, aber in dem Moment will ich wissen, wie es auf der Spannungsschiene weitergeht. Als Folge lese ich oberflächlich und verabschiede mich mehr und mehr vom Inhalt. Irgendwann wird dann die spannungserzeugende Handlung fortgesetzt, aber wenn sie ein paar Mal wie eben beschrieben unterbrochen wird, gleitet das ganze Buch an mir vorbei, wird flach und hinterlässt einen schalen Geschmack. Wäre die ruhige, abschweifende Passage nach der Auflösung plaziert worden, würde ich sie voll Genuss lesen, denn der Wechsel an sich ist ja belebend. |
Ich verstehe, was du meinst, könnte mir aber vorstellen, dass das zu einem großen Teil Ausführungssache ist und nicht an der Technik selbst liegt. Trotz der allgemeinen Schwärmerei vom Lied von Eis und Feuer (jetzt mitsamt der dazugehörigen Serie) hatte ich beim ersten Buch schon von Anfang an keine Lust mehr, weil der Prolog in meinen Augen so dermaßen reißerisch ist, dass der Wille des Autors, seine Leser zu quälen, offensichtlich ist. Plötzlich geschieht ein Mord und obwohl eine der Figuren überlebt, wird willkürlich das Erzählen abgebrochen und es werden nur die gruseligsten Eigenschaften der Kreaturen aufgezählt, die für diesen Mord verantwortlich sind. Das fand ich sehr stumpf. :) Aber es gibt sicher Leute, die das besser können und ihre eigene Taktik nicht gar so offen durchschauen lassen.
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Paradigma Klammeraffe
Alter: 54 Beiträge: 959 Wohnort: Östlich von Westfalen
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30.01.2013 22:25
von Paradigma
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Zitat: | Ich verstehe, was du meinst, könnte mir aber vorstellen, dass das zu einem großen Teil Ausführungssache ist und nicht an der Technik selbst liegt. |
So würde ich das auch sehen. Bei Pratchett stören mich diese Cliffhanger kein bisschen, ich lese die Bücher weil ich die Charaktere so toll finde und den Humor und seine Weltanschauung so mag. Die Handlung ist mir da fast schon egal.
Das "Lied von Feuer und Eis" habe ich in der Mitte des ersten Bandes weggelegt, so sehr haben mich die ständigen Wechsel zwischen den Protagonisten gestört. Gerade, wenn ichwirklich warm geworden bin mit einer Figur, wechselt er in einen anderen Erzählstrang.
Das gibt es ja in vielen Romanen. macht mir normalerweise nichts aus - aber dort hat es mich echt ohne Ende gestört.
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Was die Atempausen betrifft: Hin und wieder eine kleine Beschreibung der Orte einflechten? Die Gefühle erwähnen? Kleine Rückblende? Dir ist schwierig zu raten, wenn du nicht ein konkretes Beispiel hast?
_________________ Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.
William Faulkner |
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