dann ist september

[Perry]

dann ist september

skeptisch schaut jemand nach
dem sommer, trinkt cuba libre
und bricht auf richtung süden.
wir folgen ihm lemmingblind.
der letzte zieht den stecker
und we no speak americano
dudelt aus. der kellner rechnet
ab, resümiert: der august war
nicht schlecht nur das wetter.

[Merlin*]

Hallo Perry,

[EdgarAllanPoe]

Du zeichnest hier das dichte Bild eines Sommers, der fast zu Ende ist: die letzte Sehnsucht nach Wärme, die sich in der irrwitzigen Vorstellung spiegelt, die Fantasie mit einem Getränk, einem Song in die Realität zu verwandeln. Das ist Wunschdenken in Reinkultur, dem dann schließlich der Stecker gezogen wird. Das Resümee muss entsprechend negativ ausfallen.
Der Änderung, die Merlin vorgeschlagen hat, würde ich so zustimmen, bis auf den Gedankenstrich, den ich durch ein Komma ersetzen würde (dieser Fehler ist mir schon beim ersten Lesen aufgefallen).

[Perry]

Hallo Merlin,

eine Kneipe erschien mir als Dreh- und Angelpunkt durchaus geeignet.
Danke für deinen Vorschlag, aber er würde die beabsichtigte doppelte Lesart zerstören:

der august war / nicht schlecht

schlecht (war) nur das wetter.

Ich werde in der nächsten Version vermutlich die Satzzeichen ganz weglassen.  

LG
Perry

Hallo Edgar Allan,
deine Jahreszeiteninterpretation trifft es ganz gut, allerdings hatte ich noch eine andere Lesart im Kopf, die ich vorerst aber für mich behalten möchte.
LG
Perry

[Aranka]

Hallo Perry,

ich denke, dass du mit deinen Zeilen mehr möchtest, als ein nostalgisches Zurückblicken auf einen „verregneten“ Sommer.
Beginne mal mit dem Song. Entstanden in der Nachkriegszeit, steht für den Traum vieler nach einer amerikanischen Lebensweise: der Traum der von grenzenloser Freiheit, von Luxus. Bekannt die Version der australischen Band. Der Traum entpuppte sich jedoch bald als Illusion. Es gibt eine frühere Version aus Italien. Die unreflektierte Übernahme der amerikanischen Lebensweise würde auch kritisch gesehen.

In dem Wort „lemmingblind“  sehe ich da einen weiteren Hinweis auf das blind in den Abgrund rennen von Massen, die zwar Augen haben zu sehen, aber gerne einer Idee oder einem Trend folgen.

Ich lese eine politische Ebene, Finde die gewählte Szene, in einer Kneipe, vielleicht mit Musik aus einer Jukebox. Das Bild des Steckerziehens, des resümierenden Kellners – die Stimmung passt.

Dennoch bekomme ich nicht alle Bezüge erfasst. Denke mir, du wählst den August nicht aus Zufall. Warum diesen Monat? Habe ich da politisch ein Ereignis verpasst? Oder steht er für all die „Finanz-Krisensommer“, die Amerika zu allen Präsidenten heraufbeschworen hat?

Ist das „nach“ in der ersten Zeile vielleicht gar kein Zurückschauen? Eher, mal sehen was in diesem Sommer wieder so passiert und ob wir immer noch nichts gelernt haben? Und ob wir endlich mal etwas tiefen schauen als nur auf das Wetter?

Vielleicht liege ich auch total falsch mit meinen Gedankenspielerein. Macht aber nichts. Haben mich angenehm beschäftigt, deine Zeilen, sind einfach von der gut eingefangenen Kneipenszene her schon sehr reizvoll.

Gruß Aranka

[Perry]

danke für dein "Gedanken fliegen lassen", das mir immer wieder Blickwinkel öffnet, die ich selber noch gar nicht bewusst gesehen habe. Mir ging vor allem um dieses "Ziehenlassen" in unserer (Trend)Gesellschaft, das doch eigentlich jedem widerstreben müsste, der erkennt, dass unsere Zeit begrenzt ist (Steckerziehen).
Andererseits kann auch ein Aufreiben/Festhalten an Gewohntem nicht unser Daseinszweck sein. Irgendwie dazwischen pendeln wir vermutlich alle mehr oder weniger und wo kann man besser darüber sinnieren, als in einer Kneipe.
LG
Perry
PS: Der August steht für das Ende des "Sonnenlebens."