18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Märzmärchen I


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Felix
Geschlecht:männlichEselsohr
F

Alter: 36
Beiträge: 338



F
Beitrag21.08.2010 01:40
Märzmärchen I
von Felix
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Und mal wieder ein geistiger Erguss von mir. Viel Spaß.


Märzmärchen I

                                     Das Mädchen

Der Wald sei ewig, sagten die Leute in dem kleinen Dorf am Rande der Donau.
Nachts, wenn sie in der Umarmung der Dunkelheit zu den morschen Dächern ihrer Hütten aufblickten, hörten sie das ächzende Wiegenlied seiner Wipfel im Wind.
Tagsüber, wenn sie ihre Rücken in den Feldern und über den Webstühlen krümmten, erinnerten seine Schatten die Leute daran, dass es eine Welt hinter der Realität gab. Sie war den Bewohnern des kleinen Dorfes vertrauter, als die Welt hinter dem Wald.

Marie stand am Ufer der mächtigen Donau und betrachtete den Strom, der hier genauso langsam floss wie die Zeit selbst. Der Fluss war für sie ihr gesamtes junges Leben lang die gewaltigste Wasseransammlung gewesen, die sie sich vorstellen konnte. Und doch sollte sie bald ein noch gewaltigeres Gewässer überqueren, um in ein Land zu gelangen, dass hinter dem Horizont lag.
Atlantik, so hatte ihre Mutter das Meer genannt. Amerika, so hatte der Ort hinter dem Horizont in der Botschaft des Königs geheißen.

Marie warf einen ängstlichen Blick zurück zum Dorf, wo die beladenen Wagen bereits auf die Abfahrt warteten. Bildete sie es sich ein oder riefen tatsächlich Stimmen ihren Namen? Im allgemeinen Chaos hatte sie sich aus der Obhut ihrer Mutter und ihres Großvaters davon gestohlen, um etwas zu tun, dass sie sich in ihrem kleinen Herzen nie gewagt hatte.
Sie würde den Wald betreten. Alleine.
Sie würde die ausgetretenen Pfade verlassen und zwischen die Bäume gehen. Dorthin, wo die Sagen ihr Zuhause hatten. Dorthin, wohin zu gehen ihr Vater ihr nur in Träumen und Geschichten erlaubt hatte.
Das Mädchen atmete tief ein und fing an zu rennen, bevor die Angst zu groß wurde.

Beim Gedanken an ihren Vater überkamen Marie die Tränen mit plötzlicher Wucht. Sie erinnerte sich an seine gekrümmte Gestalt über dem hölzernen Webstuhl und an die dürren Finger, die einzig dafür geschaffen zu worden sein schienen, die grobe Wolle zu verarbeiten.
Und sie erinnerte sich an den Tag, als diese Finger plötzlich in ihrer Arbeit inne gehalten hatten und der Blick ihres Vaters besorgt zum Himmel hinter den Baumwipfeln gewandert war. Die grauen und schwarzen Rauchsäulen, die dort plötzlich aufgestiegen waren, hatten ihm sichtlich Angst gemacht. Marie erinnerte sich noch an ihre Verwirrung. Warum fürchtete ihr Vater ein Feuer, vor dem sie durch die gesamte Breite des Waldes geschützt waren?
An jenem Abend hatte sie bei der Predigt des Pfarrers und den leisen nächtlichen Gesprächen ihrer Eltern ein neues Wort gelernt: Maschine.
Wenige Tage später waren mehrere Männer, darunter ihr Vater und ihr Bruder, aus dem Dorf verschwunden.

* * *

Marie spürte, wie Wurzeln und Steine die Sohlen ihrer nackten Füße aufrissen, doch störte sie sich nicht weiter an den Schmerzen. Durch den Tränenschleier hindurch nahm sie den Waldrand lediglich als verschwommene dunkle Masse wahr, die nicht näher zu kommen schien.
Immer waren ihr die Bäume zu nah, zu bedrohlich erschienen. Heute hätte sie alles darum gegeben, das Dorf vollends hinter sich zu lassen und endlich in den Schatten vor den Blicken der Dorfbewohner und der Soldaten verschwinden zu können.

Die Soldaten.
Gestern waren sie aus dem Schatten des Waldes getreten. Fuß an Fuß, im Gleichschritt, wie die zum Leben erwachten Moorleichen, die Marie so viele Albträume beschert hatten. An ihrer Spitze, auf einem weißen Pferd, war ein junger Mann mit blondem Haar und goldenen Aufsätzen an der Uniform geritten. Marie hatte sich gewundert, seit wann Prinzen ihren Weg in das kleine Dorf am Rande der Donau fanden.
Erst kurz darauf hatte sie den Wagen gesehen, den der Tross mit sich führte. Über seine Ladung hatte man ein weißes Tuch gelegt, doch lag ein süßlicher Duft in der schwülen Sommerluft, der manchem der Erwachsenen das Grauen ins Gesicht getrieben hatte. Marie erinnerte sich an das Surren der Fliegen. Vieler Fliegen.

Mit einem grimmigen Lächeln hatte der junge Prinz befohlen, die Fracht zu enthüllen.
Zehn tote Männer mittleren Alters. Dürr, mit eingefallenen Gesichtern, die im Tod genauso ausdruckslos und grau wirkten, wie sie es schon im Leben getan hatten. Marie konnte sich noch an den Schock erinnern, der ihren gesamten Körper für einen Moment gelähmt hatte. Dann kam die Übelkeit. Waren ihr Vater und ihr Bruder unter den Männern?
„Eine hungrige Meute“, verkündete der Prinz mit harter Stimme, die in ihren Augen nicht zu seinem Lächeln passte. „Zu schwach zur Flucht und doch kräftig genug, um Äxte und Keulen gegen die Dampfmaschinen des Königs zu schleudern, als wären diese Drachen.“
Der Jüngling auf dem weißen Pferd hielt eine dieser archaischen Keulen in die Höhe, bevor er sie den versammelten Dorfbewohnern vor die Füße warf.
„Einige wenige konnten fliehen. Hundestaffeln sind ihnen auf den Fersen. Das geschieht in Zukunft mit jeder Revolte, die sich gegen die Maschinen seiner Majestät richtet.“

Schweigend hatten die Soldaten zugesehen, wie sich die Dorfbewohner unter Schluchzen und lauten Klagen um den Leichenkarren versammelten. Zittrige Hände hatten in Unglauben kalte leblose Körperteile berührt.
Auch Marie wollte sich einen Weg zum Karren bahnen, doch wurde sie von der schwieligen Hand ihres Großvaters davon abgehalten. Einen Moment später musste dieser sie erschrocken stützen, als sie sich unter plötzlichen Tränen erbrach. Aus dem Berg weißen Fleisches ragte auch das Gesicht ihres Bruders hervor. Die Krähen wurden zahlreicher, ihr Krächzen schriller.
Das Gesicht eine Maske der Wut und Trauer, hatte sich ihre Mutter aus der Menge gelöst und es gewagt, einen anklagenden Finger auf den Prinzen zu richten.

„Mörder! Verfluchte Mörder! Das nennt Ihr eine Revolte, Hauptmann? Ich sehe nur Weber, die aus Verzweiflung gehandelt haben.“
„Und ich sehe Männer, die gegen das Gesetz des Königs verstießen und die ihre gerechte Strafe erhalten haben. Aber hier in diesem Dorf sehe ich genug verzweifelte Menschen. Verzweifelte Menschen, denen der Aufruhr ins Gesicht geschrieben steht.“
Der junge Mann wendete sein Pferd und trabte zurück zu den Reihen seiner Soldaten. „Aber sorgt Euch nicht, Frau. In dem Land, in das seine Majestät euch zu schicken gedenkt, gibt es keine Könige.“

* * *

Atemlos und glücklich stolperte Marie in die schattige Umarmung des Waldes. Sowohl ihre Füße als auch ihre Lunge schmerzten und sie brauchte einen Moment, um die Orientierung vollends zurück zu erlangen. Sie war allein inmitten der gewaltigen Bäume und der Stille. Hier, im Herzen des Waldes, war die Dunkelheit nicht so vollkommen, wie es von außen den Anschein hatte. Pollen und Insekten schwebten inmitten dünner Lichtpfeiler, die das Blätterdach nur spärlich durchbrachen.
Weit und breit war kein Pfad oder Wegweiser zu sehen, doch wusste Marie wo sie sich befand. Sie war schon einmal hier gewesen. Mit einer unerklärlichen Ruhe, die sie erfüllte, seit sie den Wald betreten hatte, balancierte sie über umgekippte Baumstämme und sprang über kleine Bäche, bis sie ihr Ziel erreicht hatte.

In ihrer Erinnerung war die Hütte auf der Lichtung größer und von weniger Unkraut umrankt gewesen. Weder Kaminrauch noch andere Laute wiesen auf jegliche Form von Leben innerhalb der windschiefen vier Wände hin. Für einen Moment stockte Marie am Rande der Lichtung.
Was, wenn die alte Frau tot war? Einsam gestorben inmitten ihrer Vögel? Kurz darauf schalt sie sich selbst einen Tölpel und setzte ihren Weg fort. Die alte Frau zwischen den Bäumen war so ewig, wie der Wald selbst, hatte ihre Mutter ihr und ihrem Bruder stets erzählt. Was sie früher gefürchtet hatte, erfüllte sie jetzt mit Hoffnung.

Als Marie an der morschen Hütte ankam, stand die Holztür einen Spalt weit offen. Vorsichtig reckte das Mädchen eine Hand nach vorne, um das rissige Holz zu berühren. Sie war sich durchaus der Elster bewusst, die sie vom Giebel der Hütte aus beobachtete.
„Ich kenne dich, kleines Mädchen.“
Marie hielt in ihrer Bewegung inne, unter ihrer Hand fühlte sie das weiche nasse Moos, das auf der Tür wucherte. Nachdem sie mehrere Male schwer geschluckt hatte, fand sie die Kraft zu antworten.
„Hallo, Agelstern.“
„Wo ist dein Bruder? Das letzte Mal, als euch der Zufall an meine Tür führte, wart ihr zu zweit.“ Die Stimme der Elster in Maries Kopf klang alt und rau, von Wind und Wetter gegerbt.
„Er ist tot. Vor wenigen Tagen ist er mit Papa und anderen Männern hinter den Wald gegangen, um die Öfen und...Maschinen des Königs zu zerstören. Ein junger Prinz hat ihre Körper gestern zurück gebracht. Mama sagt, der Hunger hat sie so weit getrieben.“
In Maries Kopf erklang das heisere Lachen der Elster.
„Dein Bruder hat Öfen nie besonders gemocht, nicht wahr? Tritt ein.“

Knarrend schwang die Tür unter Maries Hand nach innen auf und gab den Blick auf einen dunklen Raum ohne Fenster frei. Der schwere Geruch von Kräutern und Alkohol drang in Maries Nase und ihre Augen begannen vom Rauch zu tränen, der das niedrige Zimmer erfüllte.
Auch jetzt, im Sommer, glimmte eine schwache Glut in der Feuerstelle und ließ die Luft beinahe unerträglich werden. Inmitten dieses überwucherten Ofens, zwischen Brettern mit Phiolen, Kräutern und allerlei fremden Dingen, hockte die alte Frau des Waldes in ihrem Schaukelstuhl. Stumm, die dürren Schultern in eine dreckige Flickendecke gehüllt, starrte sie das Mädchen durchdringend an.

„Hat dich die Verzweiflung so weit in den Wald getrieben? Was ist mit deinem Vater?“ Wieder erklang die Stimme der alten Frau in ihrem Kopf. Als Marie ein Rascheln in ihrem Rücken vernahm und sich erschrocken umdrehte, hockte die Elster im schmalen Türrahmen und neigte neugierig den Kopf zur Seite.
Das Mädchen stolperte tiefer in den Raum und wusste nicht recht, wohin sie ihren Blick wenden sollte.
„Ich...ich weiß es nicht. Er war nicht unter den Toten. Der Prinz sagte, dass einige flüchten konnten. Aber die Hunde sind hinter ihnen her. Und der Rest von uns soll gehen. Fort von hier, fort vom Wald. Über das Wasser. Aber nicht über die Donau, sondern über ein Wasser, das tausendmal größer ist.“

Jetzt, da ihre Angst auf so seltsame Art und Weise verschwunden zu sein schien, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. Immer weiter plapperte sie in das Zwielicht hinein, bis die Tränen nicht mehr nur noch vom Rauch stammten. Die Elster hüpfte an ihre Seite.
„Ruhig, Mädchen. Ruhig. Eine alte Frau so zu entsetzen gehört sich nicht, das solltest du wissen. Ich weiß, warum du hier bist.“
Marie hielt in ihrem Schluchzen inne und blickte nun der alten Frau direkt ins Gesicht. Ihr Gesichtsausdruck rief ein weiteres Lachen in ihrem Kopf hervor.
„Nun ja, zumindest beginne ich zu verstehen, was dich dazu bewegen konnte, den Rat deiner Mutter in den Wind zu schlagen und alleine in den Wald zu gehen. Zu mir. Kinder sollten nicht hierher kommen, das weißt du.“
„Du musst mir helfen, Agelstern.“
„Das kann ich nicht.“
„Aber wieso? Du kannst zaubern! Hol die Männer aus dem Dorf von den Toten zurück. Oder verwandle den Prinz und seine Soldaten in Stein. Oder ...“
„Kind, die Soldaten des Königs waren auch schon an meiner Tür. Noch nie hat ein Mensch seinen Weg zu mir gefunden ohne bestraft zu werden. Wäre es in meiner Macht gewesen, ich hätte etwas unternommen.“
„Aber du hast nichts unternommen, warum?“
„Seit wann darf eine alte Frau sich nicht mehr fürchten?“

Marie stand regungslos in der Mitte der Hütte. Die Hitze der Glut in ihrem Rücken und den feinen Schweiß auf Stirn und Nacken spürte sie mit plötzlicher Intensität. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
„Die Dampfmaschinen ...“
„... kennen keine Angst und keinen Aberglauben. Sie ernähren sich von diesem Wald, aber fürchten ihn nicht.“
Ratlos stand Marie vor der alten Frau im Schaukelstuhl und warf einen zögerlichen Blick über die Schulter zur Tür hinaus. Wurde noch immer nach ihr gerufen? Nicht mehr lange und die Soldaten würden die Dorfbewohner zum Aufbruch zwingen. Als sie sich wieder Agelstern zuwandte, zeigte ihr Gesicht noch immer Entschlossenheit.

„Dann komm mit uns. Komm mit über das Meer und begleite mich...uns. Sie nennen es neue Heimat, aber ich will dort drüben nicht alleine sein. Bitte.“
Zum ersten Mal sah sie die alte Frau lächeln. Ein müdes, trauriges Lächeln. Mit wenigen Flügelschlägen landete die Elster auf ihrer Schulter.
„Auch das ist mir nicht möglich. Mädchen. Ich bin alt und gehöre hierher. Ich würde die Fahrt nicht überleben.“
„Aber ...“
„Lass es bleiben, Kind. Meine Wurzeln sind in diesem Wald, genau wie die der Bäume. Wir bleiben, aber du wirst neue Wälder finden. Und jetzt geh. Verschwinde, bevor du den Groll einer alten Frau erregst.“

Kindlicher Zorn und Widerspenstigkeit machten sich in Marie breit. Mit einem wütenden Grummeln verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ sich auf den Hüttenboden fallen.
„Nein! Du gehst nicht, also gehe ich auch nicht. Ich bleibe im Wald! Sollen sie doch alle über ihr dummes Meer in ihr dummes Land gehen. Ich schere mich nicht um sie und ich schere mich nicht um den König und ...“

Marie stand allein am Ufer der Donau.
Dicke Regenwolken hatten sich vor die Sommersonne geschoben und vermischten sich mit dem schwarzen Rauch der Schlote hinter dem Wald. Das Mädchen strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und blickte zu ihrem Dorf in der Ferne. Die Wagen waren verschwunden. Die Soldaten waren verschwunden. Der Leichenkarren war geblieben. Hinter der Kapelle würde es frische Gräber geben. [/u]



_________________
-Show me a hero and I will write you a tragedy-

F.S. Fitzgerald
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1966
Wohnort: Over the rainbow


Beitrag21.08.2010 02:32

von The Brain
Antworten mit Zitat

War mit einem kleinen Mädchen im Wald spazieren ....
Obwohl sich mir im Moment das Ende nicht ganz erschließt, ist das eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack! Na ja, vielleicht bin ich auch einfach nur zu müde...
Vielleicht kann ich dir morgen noch etwas ausführlicher Feedback geben.

Liebe Grüße

The Brain


_________________
Dinge wahrzunehmen,
der Keim der Intelligenz

(Laotse)

***********

Die Kindheit endet nicht mit dem Erwachsenwerden.
Sie begleitet dich durch all deine Lebenstage.

***********

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

(Hermann Hesse)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag21.08.2010 09:09
Re: Märzmärchen I
von Gast
Antworten mit Zitat

Guten Morgen Felix,

der Beginn einer schönen Geschichte. Erinnert mich ein wenig an „Avatar“.
Ein paar kleine Widersprüche sind mir aufgefallen. Vielleicht verstehe ich es aber auch nur falsch.


Ach, ich mach mich einfach mal der Reihe nach dran:

Zitat:

Marie stand am Ufer der mächtigen Donau und betrachtete den Strom, der hier genauso langsam floss wie die Zeit selbst. Der Fluss war für sie ihr gesamtes junges Leben lang die gewaltigste Wasseransammlung gewesen, die sie sich vorstellen konnte. Und doch sollte sie bald ein noch gewaltigeres Gewässer überqueren, um in ein Land zu gelangen, dass hinter dem Horizont lag.
Atlantik, so hatte ihre Mutter das Meer genannt. Amerika, so hatte der Ort hinter dem Horizont in der Botschaft des Königs geheißen.


Zitat:
... um etwas zu tun, dass sie sich in ihrem kleinen Herzen nie gewagt hatte.

Weiter unten schreibst Du, sie ist glücklich den Wald zu erreichen. Ist man glücklich, wenn man Angst hat - oder vielleicht eher erleichtert?

Zitat:

Sie würde die ausgetretenen Pfade verlassen und zwischen die Bäume gehen.


und später:

Zitat:
Weit und breit war kein Pfad oder Wegweiser zu sehen


Doppelt:
Zitat:
Dorthin, wo die Sagen ihr Zuhause hatten. Dorthin, wohin zu gehen ihr Vater ihr nur in Träumen und Geschichten erlaubt hatte.


Dreifach:
Zitat:
Beim Gedanken an ihren Vater überkamen Marie die Tränen mit plötzlicher Wucht. Sie erinnerte sich an seine gekrümmte Gestalt über dem hölzernen Webstuhl und an die dürren Finger, die einzig dafür geschaffen zu worden sein schienen, die grobe Wolle zu verarbeiten.
Und sie erinnerte sich an den Tag, als diese Finger plötzlich in ihrer Arbeit inne gehalten hatten und der Blick ihres Vaters besorgt zum Himmel hinter den Baumwipfeln gewandert war. Die grauen und schwarzen Rauchsäulen, die dort plötzlich aufgestiegen waren, hatten ihm sichtlich Angst gemacht.



Zitat:

Zehn tote Männer mittleren Alters. Dürr, mit eingefallenen Gesichtern, die im Tod genauso ausdruckslos und grau wirkten, wie sie es schon im Leben getan hatten.

Das wäre aber sehr schade. Ich hoffe doch sehr, dass die armen Männer vor dem Tod lebendiger waren.


Zitat:
„Eine hungrige Meute“, verkündete der Prinz mit harter Stimme, die in ihren Augen nicht zu seinem Lächeln passte. „Zu schwach zur Flucht und doch kräftig genug, um Äxte und Keulen gegen die Dampfmaschinen des Königs zu schleudern, als wären diese Drachen.“

Waren sie tatsächlich zu schwach? Oder wollten sie ihre Heimat nicht verlassen?

Zitat:

Das Gesicht, eine Maske der Wut und Trauer, hatte sich ihre Mutter aus der Menge gelöst und es gewagt, einen anklagenden Finger auf den Prinzen zu richten.

Den würde ich ganz umstellen: Das Gesicht ihrer Mutter, eine Maske aus Wut und Trauer, hatte sich aus der Menge ...


Zitat:

„Mörder! Verfluchte Mörder! Das nennt Ihr eine Revolte, Hauptmann? Ich sehe nur Weber, die aus Verzweiflung gehandelt haben.“
„Und ich sehe Männer, die gegen das Gesetz des Königs verstießen und die ihre gerechte Strafe erhalten haben. Aber hier in diesem Dorf sehe ich genug verzweifelte Menschen. Verzweifelte Menschen, denen der Aufruhr ins Gesicht geschrieben steht.“

Hier wird nicht klar, wer was gesagt hat.


Zitat:
Der junge Mann wendete sein Pferd und trabte zurück zu den Reihen seiner Soldaten. „Aber sorgt Euch nicht, Frau. In dem Land, in das seine Majestät euch zu schicken gedenkt, gibt es keine Könige.“

Wie? doch keine Könige, oder will er damit sagen, dass es nur einen gibt

Zitat:

Mama sagt, der Hunger hat sie so weit getrieben.“
In Maries Kopf erklang das heisere Lachen der Elster.
„Dein Bruder hat Öfen nie besonders gemocht, nicht wahr? Tritt ein.“

Warum der Hunger sie soweit getrieben hat, ist bisher noch nicht erwähnt worden. Und Öfen... Hänsel und Gretel?  Verstecken

Zitat:


„Kind, die Soldaten des Königs waren auch schon an meiner Tür. Noch nie hat ein Mensch seinen Weg zu mir gefunden ohne bestraft zu werden. Wäre es in meiner Macht gewesen, ich hätte etwas unternommen.“


Die Macht der alten Frau, solltest Du auch noch einmal überdenken. Entweder sie ist ewig wie der Wald (der ja auch nicht ewig ist) und damit unsterblich, oder sie ist eine alte Zauberin, die sich fürchtet und keine Macht hat. Ich denke, Du willst sagen, dass ihre Macht beschränkt ist. Das kommt für mich aber nicht ganz so rüber.


Zitat:
Kindlicher Zorn und Widerspenstigkeit machten sich in Marie breit. Mit einem wütenden Grummeln verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ sich auf den Hüttenboden fallen.
„Nein! Du gehst nicht, also gehe ich auch nicht. Ich bleibe im Wald! Sollen sie doch alle über ihr dummes Meer in ihr dummes Land gehen. Ich schere mich nicht um sie und ich schere mich nicht um den König und ...“

Marie stand allein am Ufer der Donau.


Da fehlt mir dann doch ein Stückchen. Wie kam Marie ans Ufer der Donau?



Ganz allgemein, würde ich Adjektive und Füllwörter überprüfen. Wie gesagt, ist alles subjektiv.

Bin gespannt wie es weitergeht.

Liebe Grüße
Monika
Nach oben
Felix
Geschlecht:männlichEselsohr
F

Alter: 36
Beiträge: 338



F
Beitrag21.08.2010 18:04

von Felix
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi ihr zwei,

erst einmal vielen Dank fürs Lesen und für eure Meinung. Dann fangen wir mal an.

Brain:

Schön, dass es eine Geschichte nach deinem Geschmack ist. Ich gebe zu, dass ich mit dem Ende auch noch nicht so recht zufrieden bin. Es ist nunmal mehr als offen, stellt eigentlich nur Tatsachen dar.
Würde mich natürlich freuen, wenn wir in deiner Wachphase noch etwas mehr Kritik einfällt.

Paloma:

Das ist nicht nur der Beginn einer Geschichte, denn eigentlich ist der Text in sich geschlossen. Obwohl ich das relativieren muss, denn das Ende ist ja wirklich mehr als offen und außerdem wird die Geschichte schon fortgesetzt. Nur aus einer anderen Perspektive, in einem anderen Teil von Deutschland.

Die meisten von dir beanstandeten Wiederholungen waren von mir beabsichtigt, es sollte wie eine Aufzählung der Tatsachen klingen. Wenn der Effekt aber nicht rüber gekommen ist, dann muss ich die Punkte noch einmal überdenken.
Mit der Häufung des Wörtchens "plötzlich" hast du aber recht. Wie konnte mir das beim drüber lesen entgehen?

Zitat:
Zitat:
... um etwas zu tun, dass sie sich in ihrem kleinen Herzen nie gewagt hatte.

Weiter unten schreibst Du, sie ist glücklich den Wald zu erreichen. Ist man glücklich, wenn man Angst hat - oder vielleicht eher erleichtert?


Je weiter sie sich vom Dorf entfernt, desto stärker merkt sie, dass ihre Angst vor den Soldaten und dem Schicksal des Dorfes tausend mal schwerer wiegt als ihre Angst vor dem Wald. Deshalb ist sie, trotz ihrer Angst, im Endeffekt glücklich, ihn erreicht zu haben.
Aber es stimmt: Glücklich ist dennoch das falsche Wort. Erleichtert trifft es besser. Wird geändert.

Was die Pfade angeht: Richtig, es ist weit und breit kein Pfad zu sehen, weil sie ja genau diese am Ende verlassen hat. Zu dem Zeitpunkt, als sie das für sich beschließt, befindet sie sich aber noch auf einem Weg.

Zitat:
Zitat:

Zehn tote Männer mittleren Alters. Dürr, mit eingefallenen Gesichtern, die im Tod genauso ausdruckslos und grau wirkten, wie sie es schon im Leben getan hatten.

Das wäre aber sehr schade. Ich hoffe doch sehr, dass die armen Männer vor dem Tod lebendiger waren.


Genau das ist der Punkt: Waren die Weber im Leben wirklich lebendiger? Sie haben Hunger gelitten (deswegen ihre Wut) und generell ein armseliges Leben geführt. Im Endeffekt ist der tatsächliche Tod eher eine Erlösung oder zumindest keine wirkliche Änderung ihrer Lebensumstände.

Zitat:
Zitat:
„Eine hungrige Meute“, verkündete der Prinz mit harter Stimme, die in ihren Augen nicht zu seinem Lächeln passte. „Zu schwach zur Flucht und doch kräftig genug, um Äxte und Keulen gegen die Dampfmaschinen des Königs zu schleudern, als wären diese Drachen.“

Waren sie tatsächlich zu schwach? Oder wollten sie ihre Heimat nicht verlassen?


Das habe ich wahrscheinlich etwas unglücklich formuliert. Ich meine hier nicht die Flucht aus dem Land, sondern die Flucht vor den Soldaten des Königs. Die Weber waren einfach zu schwach, um den Hunden und berittenen Soldaten zu entkommen.

Zitat:
Zitat:
Der junge Mann wendete sein Pferd und trabte zurück zu den Reihen seiner Soldaten. „Aber sorgt Euch nicht, Frau. In dem Land, in das seine Majestät euch zu schicken gedenkt, gibt es keine Könige.“

Wie? doch keine Könige, oder will er damit sagen, dass es nur einen gibt


Hier bezieht sich der junge Hauptmann etwas zynisch auf die politischen Verhältnisse in Amerika. Immerhin zwingen der König und die Umstände die Dorfbewohner zu dieser Flucht über den Atlantik.

Zitat:
Zitat:


„Kind, die Soldaten des Königs waren auch schon an meiner Tür. Noch nie hat ein Mensch seinen Weg zu mir gefunden ohne bestraft zu werden. Wäre es in meiner Macht gewesen, ich hätte etwas unternommen.“


Die Macht der alten Frau, solltest Du auch noch einmal überdenken. Entweder sie ist ewig wie der Wald (der ja auch nicht ewig ist) und damit unsterblich, oder sie ist eine alte Zauberin, die sich fürchtet und keine Macht hat. Ich denke, Du willst sagen, dass ihre Macht beschränkt ist. Das kommt für mich aber nicht ganz so rüber.


Die Dorfbewohner behaupten, dass die Frau so ewig wie der Wald selbst wäre. Und bisher war das vielleicht auch so. Aber die Zeiten ändern sich und plötzlich dringt mit der Industrialisierung ein Prozess in die kleine Welt der Dorfbewohner, der ihr Vorstellungsvermögen übersteigt. Wahrscheinlich auch das der alten Frau. Die Menschen hören auf die alten Kräfte zu fürchten und diese können ihrerseits nur zuschauen.

Zitat:
Zitat:
Kindlicher Zorn und Widerspenstigkeit machten sich in Marie breit. Mit einem wütenden Grummeln verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ sich auf den Hüttenboden fallen.
„Nein! Du gehst nicht, also gehe ich auch nicht. Ich bleibe im Wald! Sollen sie doch alle über ihr dummes Meer in ihr dummes Land gehen. Ich schere mich nicht um sie und ich schere mich nicht um den König und ...“

Marie stand allein am Ufer der Donau.


Da fehlt mir dann doch ein Stückchen. Wie kam Marie ans Ufer der Donau?


An dieser Stelle fehlt Marie genauso ein Stückchen Erinnerung. Im einen Moment ist sie in der Hütte der alten Frau, im nächsten steht sie am Ufer der Donau. Über ein bisschen Magie verfügt die Alte doch noch.
Allerdings habe ich es total vergessen, Maries Verwirrung in dieser Situation zu schildern. Das wird natürlich nach geholt.

Bei deinen restlichen Kritikpunkten stimme ich dir völlig zu. Da werde ich noch ein bisschen dran schleifen.
Ach ja: Avatar habe ich noch nicht gesehen. Jegliche Ähnlichkeiten sind purer Zufall wink

mfg

Felix


_________________
-Show me a hero and I will write you a tragedy-

F.S. Fitzgerald
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Beka

von Ralphie

von Gefühlsgier

von WhereIsGoth

von MShadow

von Boudicca

von Gefühlsgier

von Nina

von czil

von Beobachter

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!